ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

grosse poetische Ideen und dabei dramatisches Talent, so wird er ohne alle Reflexion über die Technik des Dramas durch blosse Kenntniss der classischen Muster die adäquate Form der künstlerischen Darstellung aus der Idee herausgestalten, während ohne diese inneren Voraussetzungen alle Kenntniss der Technik des Dramas noch viel weniger jemals Dichter schaffen wird als die Kenntniss der Aesthetik (235). Denn das Dichtwerk und insbesondere das Drama entsteht durch organisches Entwickeln eines Ganzen aus einem einzigen lebensvollen Keim" (247), der Idee (73, 344), und diese Idee ist selbst das plastische Gesetz des Werkes" (176), sie trägt die Nothwendigkeit ihrer Entwickelung bereits in sich, sonst käme ja kein Organismus heraus (248, 478). Die Idee oder „der ideale, psychologisch-ethische Gehalt" ist „die eigentlichste Seele des dramatischen Stoffes. Es darf bei der Ausbildung desselben nichts als nur diese Seele zur Erscheinung kommen, nichts ihr Fremdes hinzu erfunden werden" (220). Nicht, wie es jetzt in der Regel ist, die pragmatische, sondern die ideale Verknüpfung muss die Hauptsache sein,,,in welcher die Idee selbst der Pragmatismus ist" (382). „Nicht der pragmatische Nexus als solcher, nein, nur insofern er mit dem idealen Nexus Eines ist, muss das Stück sein“ (402); d. h. alle Regeln oder Bemühungen, über den pragmatischen Nexus als solchen Bestimmungen zu geben, sind von vornherein verfehlt, da derselbe nur der organisch von innen hervorgewachsene Leib des idealen Nexus sein darf, und weiter nichts, oder wie Ludwig es ausdrückt: „die Hauptgelenke des idealen oder tragischen Nexus müssen zu den poetischen und schauspielerischen Effecten zugleich anschwellen" (434).

Bei diesen allein haltbaren ästhetischen Anschauungen muss natürlich der Werth der äusserlichen dramatischen Technik als ein höchst untergeordneter erscheinen; aber wie der Irrsinnige, der in einem Augenblick über seine bunten Kiesel ganz vernünftig redet, im nächsten Augenblick gierig in ihnen weiterwühlt, überzeugt, darunter Edelsteine zu finden, gerade so grübelt Ludwig mit hastiger Gier seine äusserlichen Reflexionen immer wieder und wieder durch, überzeugt, darin doch endlich, und sei es auch mit dem letzten Hauch seines Lebens, den dramatischen Stein der Weisen zu finden, der, wenn nicht ihm selber, doch seinem glücklichen Nachfolger als unfehlbares Recept zur Fabrikation der vollkommenen

Tragödie dienen wird. In solcher Stimmung ruft er dann aus: „Ideen sind nichts" (316), indem er die vielen concreten realistischen Ideale (430) oder Typen mit dem Unbegriff des einen abstracten Vernunftsideals (111, 228), welches im subjectiven Idealismus der Romantiker unwahre phantastische Schemen ohne künstlerisches Fleisch und Blut gezeugt hatte, confundirt, oder doch wenigstens dem Worte „Idee" die letzteren unterschiebt, wodurch er ihr freilich eine falsche abstracte Allgemeingültigkeit octroyirt (317). An anderer Stelle dagegen belehrt er sich selbst, dass die Idee des Dramas mehr concret als abstract genommen werden muss (176), dass sie mithin nur als typische Idee gefasst werden kann, welche in ihrer typischen Erscheinung sich zwar als concreter einzelner Fall darstellt, aber doch zugleich in diesem einzelnen Falle den Typus, d. h. das Allgemeine versinnlicht, zu welchem der einzelne Fall gehört (367). Eben so ungerecht verfährt er in seiner Schilderung des „Idealisten" (S. 338-339), wobei man ihm seine eigene Frage vorhalten muss: „Ist Idee und Sentiment einerlei ?" (344). In solchen Stellen trifft der naturalistische Tic als feindliche Reaction gegen den falschen Idealismus der Romantik mit dem verkehrten Hass gegen den philosophischen, speciell Hegel'schen Idealismus zusammen, um ein recht unerquickliches Zerrbild wider besseres Wissen des Verfassers zu liefern. Diesem Zerrbild

des Idealismus stellt er eben so einseitig den Naturalismus gegenüber, und meint als Synthese Beider den Realismus betrachten zu können (265-266, 434); in Wahrheit aber bilden Idealismus und Realismus eine Antithese (155), und die zu Beiden geforderte höhere Einheit kann nur der Idealrealismus oder Realidealismus sein.

Da Ludwig's ästhetisirende Reflexionen eines eigentlich speculativen Gehalts entbehren, so suchen dieselben naturgemäss empiristisch zu verfahren und brauchen hiezu ein Muster, um die Regeln zu abstrahiren. Als solches wird nun Shakespeare genommen. So treffend auch die dramatischen und technischen Vorzüge desselben häufig hervorgehoben sind, so fehlt es doch vollständig an der nöthigen Freiheit der Beurtheilung. Ludwig verkennt, dass Shakespeare's Composition ganz eben so auf der Gestalt seiner Bühne (ohne Coulissen), seiner Schauspieler und seines Publikums (ohne Frauen) beruht, wie die der Griechen auf den ihrigen; er begreift nicht,

dass das poetische Ideal der culturgeschichtlichen Epoche der Elisabeth ein anderes sein musste, als das unsrige unter völlig veränderten culturgeschichtlichen Bedingungen heute sein kann; er empfindet nicht, dass die Sprache Shakespeare's wegen ihrer häufig gespreizten Verkünstelung und geschraubten Dunkelheit im Allgemeinen kein Gegenstand der Nachahmung mehr für die Leser Goethe's sein kann, wenn sie auch noch immer das beste Muster für den dramatischen Pulsschlag des Dialogs ist. Ludwig hingegen findet Alles an Shakespeare absolut bewundernswerth. Wenn er sich in seiner früheren Zeit einmal ausnahmsweise zu einer scharfen Kritik des Hamlet versteigt (S. 43-46), so geht er später in der blindesten Shakespeare-Manie auf und — unter, denn seiner Weisheit letzter Schluss besteht darin, dass dem deutschen Drama nur durch Wiederkäuen des von Shakespeare Vorgekauten aufgeholfen werden könne.

Wenn wirklich das Drama über Shakespeare nicht positiv hinaus könnte, wozu dann noch Dramen schreiben? Die Menge machts doch nicht!

In einem lichten Augenblick sagt er allerdings einmal: „Das Nachschaffen darf kein Nachahmen werden, zu vermeiden sind specifisch englische und Shakespeare'sche Wendungen. Nur seine tragische Auffassung und Behandlungsweise, seine Kunstmittel, aber die Sprache deutsch; deutsche Lebendigkeit derselben“ (348).

Aber solche vereinzelte Warnungen gehen unter in der blinden Shakespeare-Manie, und was wollen sie auch besagen, wenn die Aesthetik anerkennen müsste, dass unser heutiges Ideal des Dramas wirklich durch die Shakespeare'sche Kunstform gedeckt würde! Der intuitive Verstand des Dichters Ludwig dachte hier anders und richtiger als der discursive des Aesthetikers.

Es ist trostlos zu sehen, wie sich Ludwig immer tiefer in äusserliche Düfteleien über Shakespeare's technische Mittel und Manieren verliert, wie er z. B. die Polyphonie des Dialogs, die Bildung der Rede aus ineinandergeschachtelten Appositionen und Parenthesen und dergleichen auf das Peinlichste mit der Lupe analysirt. Nicht als ob dergleichen nicht auch seine relative Berechtigung hätte; aber Ludwig treibt diese Spielereien mit einer Wichtigkeit, als ob er dabei jeden Augenblick den dramatischen Stein der Weisen finden müsste. Jedenfalls ist ein Otto Ludwig zu schade dazu, um

sich mit solcher Mikroskopie die Augen zu verderben, für die sich stets bereitwillige Schulmeisterseelen finden werden, um ihre Musse damit auszufüllen.

Bei alledem wollen wir keineswegs verkennen, dass neben vielem aufgebauschten Kleinkram auch viele werthvolle Aperçus und gute Beobachtungen in den „Studien" niedergelegt sind, wie sich von einem Manne wie Ludwig kaum anders erwarten lässt. Wer die Mühe nicht scheut, sich durch die zusammenhangslose Form durchzuarbeiten, wird sich durch reichliche Anregungen zum Denken belohnt finden. Dass Ludwig bei längerer Lebensdauer dazu gelangt wäre, die Resultate seiner Studien für den Druck zu bearbeiten, ist kaum wahrscheinlich, da das abrupte, aphoristische Reflectiren ohne die Fähigkeit speculativer Synthese zu tief in seiner Natur lag und er zu ehrlich und hochsinnig war, um einen äusseren Abschluss zu erzwingen, wo ihm der innere fehlte. Dass aber der Herausgeber in seiner Pietät gegen den Verfasser so weit gegangen ist, uns den ganzen unerquicklichen Verdauungsprocess desselben mit all seinen ermüdenden Gedankensprüngen und Wiederholungen unverändert vorzulegen, das erscheint schwer begreiflich. Die chronologische Stellung der Aphorismen konnte leicht durch jedesmalige Beifügung der Jahreszahl markirt werden, und die allgemeinen und besonderen Rubriken des Inhalts, nach welchen eine Ordnung vorgenommen werden konnte, liegen auf der Hand. In Fussnoten oder in einem Nachtrag hätten dann die doppelten und dreifachen Fassungen desselben Gedankens mitgetheilt werden können, wenn der Herausgeber uns doch einmal keine davon ersparen wollte. Auf diese Weise wäre ein ganz lesbares Buch ent standen, während man sich jetzt hindurch würgen muss.

V. Shakespeare's Romeo und Julia.

(1873.)

Romeo und Julia ist unstreitig eines der wirksamsten Bühnenstücke Shakespeare's, aus der Zeit seines Schaffens, wo die jugendliche Begeisterung des Dichters noch in ganzer Frische und Unmittelbarkeit wirkte und doch schon mit der vollen Reife geistiger Entwickelung sich paarte; die dramatische Schlagkraft dieser Tragödie hat sich überall und vor jedem Publikum bewährt, und es liegt mir fern, diesen Werth des Dramas anzweifeln zu wollen. Eine andere Frage aber ist es, ob diejenigen Recht haben, welche in „Romeo and Julia" das dramatische „Hohelied der Liebe", den erschöpfenden poetischen Ausdruck dieser weltbewegenden Leidenschaft, die erotische Musterdichtung nicht nur für ihre, sondern für alle Zeit sehen wollen. Ist die Liebe zwischen Romeo und Julia die tiefe Liebe des Gemüths, die das Ideal der germanischen und speciell der deutschen Denk- und Empfindungsweise ausmacht, oder ist sie nicht vielmehr die Erregung der phantasieumkränzten Sinnengluth eines heissblütigeren und leichtlebigeren Volksstammes, dem Shakespeare seine Fabel entlehnte? Kann die Dichtung des grossen Briten unserm modernen deutschen Gefühl als Darstellung des Ideals unserer Liebe genugthun, oder werden wir nicht genöthigt sein, eine Fremdartigkeit der hier gegebenen Erscheinung zu constatiren, welche sich zum Theil durch eine Vertiefung und Verfeinerung unserer Anschauungen über das Wesen der Liebe seit dem Elisabethinischen Zeitalten erklären würde? Die Beantwortung dieser Fragen hat nicht nur eine ästhetische Bedeutung, sondern kann auch durch ihre praktischen Folgen insofern von Wichtigkeit wer

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »