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gespreizten*) und doch so schnell verrauchten sinnlichen Leidenschaft vollendet das Bild charakterlosen Leichtsinns. Der ungebändigte Ausbruch wahren Schmerzes über diese vor mehr als neun Monaten zum letzten Male gesehene und seitdem vollständig vergessene Geliebte entspricht durchaus der unbeständigen Leidenschaftlichkeit dieses ,,Unmenschen ohne Zweck und Ruh."

Aber warum muss der Strom so bald versiegen,

Und wieder wir im Durste liegen?

Davon hab' ich so viel Erfahrung.

Es stimmt vortrefflich zusammen, dass von der Gluth, die hinreichte, um Faust zu einer mit Fälschung der Civilstandsregister gleichbedeutenden falschen Zeugnissabgabe zu vermögen, nicht einmal ein Restchen von so viel menschlichem Erbarmen, um nicht zu sagen Interesse, übrig geblieben ist, um Erkundigung einzuziehen, ob und wie sich die von ihm über dem unschuldigen Haupt herauf beschworenen Wetterwolken entladen haben. In Hinsicht dieser nervösanämatischen Unruhe einer strohfeuergleich auflodernden und wieder verrauchenden Leidenschaftlichkeit besteht glücklicher Weise keine Aehnlichkeit zwischen Faust und der deutschen Volksseele, die sich eher etwas zur phlegmatischen Beständigkeit neigt, aber freilich bei poetischer Veranlagung gelegentlich ihre masslosen Phantasieflüge für wirkliche Leidenschaftlichkeit zu nehmen geneigt ist, theils aus Eitelkeit, theils um dadurch die practischen Folgen der ersteren eher an sich und anderen entschuldigen zu können.

Leidenschaftlich wie in Forschungstrieb, Herrschsucht und Sinnlichkeit ist Faust auch in der Naturschwärmerei. Man denke an seine Apostrophe an den Mond gleich im Anfang des ersten Theils, oder an seine Verzückung beim Sonnenuntergang in der Scene vor dem Thor; wie dort mit dem Monde, so möchte er hier mit der Sonne fliegen. Wenn in diesen Stellen, so wie in der Beschreibung des Sonnenaufgangs in der ersten Scene des zweiten Theils, noch schwärmerisches Entzücken und Sehnsucht überwiegt, so tritt das wild leidenschaftliche Versenken in die Natur unverhüllt zu Tage in der Scene mit Mephistopheles (Wald und Höhle):

*) Ich bin ihr nah, und wär' ich noch so fern,
Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren;
Ja ich beneide schon den Leib des Herrn,
Wenn ihre Lippen ihn indess berühren.

v. Hartmann, Stud, u. Aufs.

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Meph. Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen
Dich wie ein Schuhu zu versitzen?

Was schlurfst aus Moos und triefendem Gestein

Wie eine Kröte Nahrung ein?

Faust. Verstehst Du, was für neue Lebenskraft
Mir dieser Wandel in die Oede schafft?

Ja würdest du es ahnen können,

Du wärest Teufel g'nung, mein Glück mir nicht zu gönnen.

Meph. Ein überirdisches Vergnügen!

In Nacht und Thau auf den Gebirgen liegen,

Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,

Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,
Alle sechs Tagewerk' im Busen fühlen,

In stolzer Kraft, ich weiss nicht was, geniessen,
Bald liebewonniglich in Alles überfliessen,
Verschwunden ganz der Erdensohn. . .

Mit eben derselben Leidenschaftlichkeit sucht er später das Ideal der Schönheit an sich zu reissen, nachdem er dasselbe in Gestalt der Helena durch seinen Gang zu den Müttern an's Licht gezogen.

Hab' ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn
Der Schönheit Quelle vollen Stroms vergossen?
Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn.
Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen! .
Du bist's, der ich die Regung aller Kraft,
Den Inbegriff der Leidenschaft,

Dir Neigung, Lieb', Anbetung, Wahnsinn zolle.

2. Faust's psychologische Entwickelung.

Wir haben in den bisherigen Betrachtungen die Antecedentien Faust's kennen gelernt, haben gesehen, wie sein Forschungstrieb dem am Erkennen Verzweifelnden das Verharren auf der theoretischen Gelehrtenlaufbahn unmöglich machte, und wie sein glühender Lebensdrang, seine leidenschaftliche Unruhe das einmal von der Theorie abgelenkte titanenhafte Streben bald in das Leben in seiner vollen und ganzen Bedeutung, in alle Richtungen und Phasen des menschlichen Jagens und Treibens hinreissen musste. Wir haben uns nun die naheliegende Frage klar zu machen: was suchte Faust eigentlich nach gefasstem Entschluss der Abwendung vom Studium, was erwartete er zu finden, welche Zwecke setzte er sich?

Diese Frage könnte zunächst falsch gestellt erscheinen, wenn man sich darauf beruft, dass Faust selber gar keinen Zweck ver

folge (Unmensch ohne Zweck und Ruh), sondern bloss dem titanischen Drange zur Bethätigung des Willens zum Leben nach allen Richtungen sich hingebe, dass mit anderen Worten das Verhängniss seiner Natur das masslose Ungestüm des Strebens gleichsam explodiren liess, nachdem das Sicherheitsventil des theoretischen Strebens nach dem Unendlichen abgesperrt worden war. Jedenfalls wäre es ganz unrichtig, zu glauben, dass es bewusster Egoismus gewesen, der Faust zum Genusse trieb. Ein Faust kann wohl insofern Egoist sein, als er danach strebt, sich selbst zum Unendlichen, Absoluten aufzublähen, sich zum Gott zu erheben, gelangt er aber ein für allemal zu der Einsicht:

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Den Göttern gleich' ich nicht, zu tief ist es gefühlt,
Dem Wurme gleich' ich, der den Staub durchwühlt

dann ist es auch unmöglich, dass er noch irgend welchen Werth darauf legen sollte, dieses jämmerliche Ich zur Geltung zu bringen, es zu hätscheln, und für sein Vorwärtskommen und Reüssiren sich zu mühen, geschweige denn im Kampfe für dasselbe Schuld auf sich zu laden. Sein Lebensdrang ist daher gleichsam über das Princip des Egoismus erhaben und hat etwas Objectives gleich einer Naturgewalt. Freilich wenn auch seinem Bewusstsein das eigene Ich viel zu armselig erscheint, um es zum Mittelpunkt des Strebens zu machen, so hindert das doch nicht, dass dieser gleichsam objective Drang, wo er ein bestimmtes augenblickliches Ziel erfasst hat, auf das Rücksichtsloseste fremde Rechte verletzt und fremdes Wohl zertrümmert, und damit, wie wir gesehen haben, sich von der bewussten principiellen Selbstsucht im Erfolge durch nichts unterscheidet. Hierdurch erscheint aber auch das Böse, das aus diesem unbändigen Willen folgt, wie das Resultat einer objectiven Naturgewalt, nicht als Folge principieller Selbstsucht oder gar charakterologischer Bosheit, wobei immerhin die Verschuldung bestehen bleibt, dass von den Bewusstseinskräften, der Erwägung der Folgen und der vernünftigen Selbstbeherrschung nicht der billiger Weise zu fordernde Gebrauch gemacht war. Diese moralische Seite der menschlichen Entwickelung wird überhaupt im Faust nirgends berührt; die Aufgabe der Selbstbildung des Charakters und der Uebung in Selbstzucht und Selbstbeherrschung bleibt Faust völlig fremd,

er entbehrt kurz vor seinem Tode (bei der Expropriation der beiden Alten) noch ebenso sehr jeder Ahnung von dieser Aufgabe des Menschen als bei Beginn der Dichtung. Es hängt dies auf das Engste mit der Grenze des Goethe'schen Anschauungskreises zusammen, der sich mit dem Bildungsideal im engeren Sinne (d. h. für intellectuelle und körperliche Fähigkeiten, sowie für ästhetischtadelloses gesellschaftliches Benehmen) erschöpft.

Der Egoismus kann auch schon aus einem anderen Grunde nicht Faust's Princip sein, weil er nämlich Denker genug ist, um nicht mehr an die Erreichbarkeit des Glückes für das Individuum zu glauben.

Wenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug

Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,

So ist ein kleiner Raum ihr nun genug.

Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,

Dort wirket sie geheime Schmerzen,

Unruhig wiegt sie sich, und störet Lust und Ruh';

Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,

Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,

Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;

Du bebst vor Allem, was nicht trifft,

Und was Du nie verlierst, das musst Du stets beweinen.

Hier ist es deutlich ausgesprochen, dass die Sorge um äussere bestimmte Objecte nur Maske ist, in welche sich die im tiefen Herzen nistende innere Ursache der Qual des Lebens hüllt. Das Elend des Daseins ist unabhängig von der zufälligen Stellung, die man im Leben einnimmt, und von den Verhältnissen, unter welchen man lebt. Dies sagt Faust mit den Worten:

In jedem Kleide werd' ich wohl die Pein
Des engen Erdenlebens fühlen. . . *)
Was kann die Welt mir wohl gewähren?...
Und so ist mir das Dasein eine Last,

Der Tod erwünscht, das Leben mir verhasst.

Wenn Mephisto ihn darauf verspottet, weil er selbst seinen Selbst

*) Diese Stelle beweist zugleich, dass Faust dem eben gerügten Irrthum, als ob die äusseren Objecte der Sorge deren wirkliche Ursachen und nicht bloss Masken und Einkleidungen der wahren inneren Ursachen des Schmerzes seien, in anderer Weise selbst auch verfällt, indem er die nothwendige innere Pein alles Daseins bloss auf Rechnung der Enge des Erdenlebens setzt. Als ob die Weite aller Himmel seine unstillbare Unruhe stillen könnte!

mordversuch nicht ausgeführt habe, so gesteht Faust durch die Seligpreisung eines in der Lebensfülle und womöglich in den Illusionen des Lebens Dahingerafften, dass es seinem Bewusstsein an Kraft fehlt, ohne solche chimärische Hilfsmittel den Willen zum Leben zu überwinden, und sein Zorn gegen die Reminiscenzen der Jugendillusionen, die ihn von diesem Schritte abgehalten hätten, erscheint schon deshalb als rhetorische Diversion, weil ihn ja nichts hindert, das Gift noch jetzt zu trinken. Aber sein Fluch gegen die Illusionen, welche die Seele in dieses Leben der Qual zu bannen vermögen, ist darum nicht minder redlich gemeint.

So fluch' ich Allem, was die Seele

Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt

Und sie in diese Trauerhöhle

Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt.

Und nun beachte man wohl, was alles er verflucht, und zwar nicht um seiner selbst willen, sondern nur als Illusionen verflucht, welche uns über den Jammer des Daseins täuschen:

Verflucht voraus die hohe Meinung,
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
Verflucht, was uns in Träumen heuchelt
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen
Er uns zu kühnen Thaten regt,
Wenn er zu müssigem Ergötzen

Die Polster uns zurechte legt!

Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!

Fluch jener höchsten Liebeshuld!

Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,

Und Fluch vor allem der Geduld!

So sicher ist Faust der illusorischen Beschaffenheit alles Genusses*), dass er dem Mephisto die Wette bietet:

Kannst Du mich schmeichelnd je belügen,

Dass ich mir selbst gefallen mag,

Kannst Du mich mit Genuss betrügen:

Das sei für mich der letzte Tag.

Werd' ich zum Augenblicke sagen,

Verweile doch! Du bist so schön!

*) Du hörest ja, von Freud' ist nicht die Rede.

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