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Der Ausdruck: „Schuld der Zeiten" deutet jedenfalls auf eine ethische Verpflichtung, und der Pluralis „Schuld der Zeiten" weist auf einen entwickelungsmässigen Zusammenhang der Fortschritte jedes einzelnen Zeitalters. Die ganze Stelle lässt nicht zweifelhaft, dass es sich um ein ideales Ziel handelt, dem wir uns durch sehr allmähliche Schritte (Sandkorn für Sandkorn) anzunähern haben, und dem alle unsre Thätigkeit dient, wofern sie nur productiv und nicht zerstörend ist. Wir können nicht hoffen, ein so fernes und nur so allmählich näher zu rückendes Ziel mit unserm Bewusstsein zu durchschauen, wir müssen vielmehr, resignirt über die engen Schranken unsrer menschlichen Natur, ergeben unsre Pflicht der treuen Mitarbeiterschaft an der allgemeinen Entwickelung erfüllen, und thun dies, wenn wir den uns durch unsre Fähigkeiten nahe gelegten Specialaufgaben redlich unsern Fleiss widmen, wie es in ,,das Ideal und das Leben" in Strophe 11 heisst:

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,Wenn das Todte bildend zu beseelen,

Mit dem Stoff sich zu vermählen,

Thatenvoll der Genius entbrennt,

Da, da spanne sich des Fleisses Nerve,
Und beharrlich ringend unterwerfe
Der Gedanke sich das Element.

Nur dem Ernst, den keine Mühe bleichet,
Rauscht der Wahrheit tief versteckter Born;
Nur des Meissels schwerem Schlag erweichet
Sich des Marmors sprödes Korn."

Von dieser Art des idealischen Strebens innerhalb des realen Daseins durch Ringen nach fortschreitender Verwirklichung der Ideale will Schiller ganz gewiss in dem zweiten Gedicht nichts zurücknehmen, sondern durch die „Beschäftigung, die nie ermattet“ ganz dasselbe ausdrücken; wohl aber nimmt er die andere Seite der falschen Antithese zurück, den schönen Wahn der Möglichkeit eines Ueberfliegens dieser ernsten Arbeit behufs annähernder Realisirung der Ideale, den Traum von einer unmittelbaren Versetzung des Menschen aus dem Reiche der Wirklichkeit in eine übersinnliche stofflose Sphäre reiner Formen. Dem echten Idealismus bleibt Schiller auch da treu, wo er um die zerronnenen Ideale klagt; weit entfernt, ihn durch diese Elegie zu schädigen, befestigt er ihn gerade dadurch, dass er jenem falschen abstracten Idealismus Valet sagt, der in seiner gespreizten Unnatur nur dazu dienen kann, den Idealismus überhaupt in den Augen der Besonneneren zu discreditiren.

Wenn Schiller diese Abkehr vom abstracten Idealismus in die Form kleidet, dass er den Unterschied zwischen der Welt- und Lebensanschauung des Jünglings und des Mannes aufzeigt, so entfernt er sich damit zwar von der subjectiven individuellen Wahrheit, insoweit ihn persönlich sein Alter nicht gehindert hatte, noch vor wenigen Tagen dem abstracten Idealismus in excressiver Weise zu huldigen, er nähert sich dadurch aber in gleichem Maasse der objectiven Wahrheit und typischen Allgemeingültigkeit, da thatsächlich das Jünglingsalter zu einem abstracten Idealismus hinneigt, der später zersetzenden Kritik „der feindlichen Vernunft zum Raube" tällt.

VIII. Zur Geschichte der Aesthetik.

(1871.)

„Aesthetik als Philosophie des Schönen und der Kunst", lautet der Gesammttitel des auf zwei starke Bände berechneten Werks, von welchem der erste bis jetzt vorliegende Band*) nur die „Grundlegung" zu bieten bestimmt ist. Diese Grundlegung zu dem zweiten systematischen Theil hat zunächst die Aufgabe, eine vorläufige Orientirung über die ästhetischen Fragen im Allgemeinen zu bewirken, dann aber auch den Nachweis zu liefern, dass die Geschichte der Aesthetik als Wissenschaft nicht ein zufälliges Durcheinander verschiedener und meist unvereinbarer Ansichten, sondern wie die Geschichte der Philosophie überhaupt, von der sie ja nur ein Theil ist, das stufenweise Fortschreiten eines organischen Entwickelungsprocesses aufweist, dass die Geschichte der Aesthetik zugleich die gesetzmäzsige historische Genesis des ästhetischen Bewusstseins der Menschheit ist. Der Versuch einer Durchführung der Idee der historischen Entwickelung auf dem Gebiete der Aesthetik, welche bisher selbst von Hegel nicht versucht, von Vischer sogar als unmöglich angesehen wurde, ist es, welcher dem ersten Bande des Schasler'schen Werks eine eigenartige Bedeutung gegenüber allen bisherigen Leistungen auf diesem Gebiete verleiht, und dieser Standpunkt ist es zugleich, welcher die Geschichte der Aesthetik in einem ganz anderen Sinne als bisher als „Grundlegung" des

*) Kritische Geschichte der Aesthetik von Plato bis auf die Gegenwart, als Grundlegung für die Aesthetik als Philosophie des Schönen und der Kunst, von Dr. Max Schasler. Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, 1872.

Systems der Aesthetik erscheinen lässt. Wer nämlich die Geschichte der Aesthetik als organische Entwickelungsgeschichte des ästhetischen Bewusstseins betrachtet, der wird in der, beziehungsweise in den letzterreichten Stufen dieser Wissenschaft ein empirisch gegebenes Material erkennen, in welchem einerseits die nächste zu erreichende Stufe schon vorgezeichnet sein muss, dem aber auch andererseits Einseitigkeiten und Unzulänglichkeiten anhaften müssen, welche eine objective und immanente Kritik nachzuweisen im Stande sein muss, so dass aus der kritischen Durchdringung der letzterreichten Standpunkte sich zwar nicht der Inhalt der nächsten Stufe, aber doch das Problem, welches derselben zu lösen obliegt, formuliren lassen muss. Mit dieser Formulirung des Problems mit Hülfe der historischen Kritik ist nun zwar unmittelbar für die systematische Aesthetik nichts gewonnen, da letztere jedenfalls ganz unbefangen und ohne alle Rücksicht auf Ansichten früherer Denker sachlich ab ovo beginnen und allein aus der Natur der Sache heraus alle Fragen entwickeln und lösen muss; aber es wird doch mittelbar durch diese historische Grundlegung eine Rechnungsprobe gewonnen, indem nach Beendigung des systematischen Aufbaues der Aesthetik aus rein sachlichen Gesichtspunkten sich herausstellen muss, dass dieses System der Aesthetik gerade in der Lösung desjenigen Problems oder derjenigen Probleme gipfelt, welche sich aus der historischen Kritik als nächste Forderungen ergeben hatten, so dass aus dieser Uebereinstimmung erhellt, dass das betreffende System der Aesthetik in der That beanspruchen darf, für die nächsthöhere Stufe in der Genesis des ästhetischen Bewusstseins der Menschheit zu gelten, und alle bisher erreichten Stufen als aufgehobene Momente in sich zu enthalten. Es wäre ganz verkehrt, zu wähnen, dass man jemals durch historische Kritik die sachliche Behandlung irgend eines Wissensgebiets ersetzen könne; es wäre nicht minder unberechtigt, zu behaupten, dass ein System der Aesthetik nicht ohne alle Rücksichtnahme auf frühere ästhetische Ansichten eine eigenthümliche und berechtigte Stufe im organischen Entwickelungsgange des ästhetischen Bewusstseins begründen könne (wie fast alle früheren Aesthetiker beweisen); dennoch wird niemand verkennen, dass eine solche Rechnungsprobe einem neuen ästhetischen Standpunkt eine sehr bedeutende Stütze gewähren muss und dass die Beibringung einer solchen historischen Garantie oder Legi

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timation von Seiten eines neu auftretenden Aesthetikers für unsere vom historischen Bewusstsein schon so sehr durchdrungene Zeit mindestens sehr erwünscht sein muss.

In wie weit der Verfasser im Stande sein wird, seinen formell correcten Standpunkt schöpferisch zu erfüllen, darüber ist bis jetzt ein Urtheil natürlich nicht möglich. Aber selbst wenn der zweite Band, das System der Aesthetik, niemals erschiene, oder nicht den vom Verfasser erregten Erwartungen entspräche, würde doch das vorliegende Werk eine Arbeit von unschätzbarem Werthe für alle späteren Bearbeiter der Aesthetik sein, so dass man nur wünschen könnte, auch auf anderen Specialgebieten, z. B. dem der Ethik, ähnliche Arbeiten entstehen zu sehen.

Was die Persönlichkeit des Verfassers betrifft, so hat dieselbe zu ihrem Unternehmen insofern günstigere Bedingungen für sich als manche andere, weil sie einerseits auf der Höhe der philosophischen Speculation unserer Zeit steht, und andererseits durch den Beruf eines praktischen Kunstkritikers und Redacteurs der deutschen Kunstzeitung (die Dioskuren) seit zwei Decennien im ununterbrochenen innigen Verkehr mit der ausübenden Kunst gestanden hat. Die jugendliche Frische und Begeisterung für die Sache, welche Schasler sich auch in die Jahre des gereifteren Denkens gerettet hat, macht sich auch in dem vorliegenden Werke vortheilhaft geltend, während die in den wissenschaftlichen Kritiken seiner Kunstzeitung bisweilen zu allzuherber Schärfe sich zuspitzende Schneidigkeit der logischen Präcision seiner Feder hier zu einer sachlichen Objectivität geläutert ist, die nur in der Einleitung gelegentlich den souveränen Humor zwischen den Zeilen durchblitzen lässt, und höchstens im kritischen Anhang mitunter grelle kritische Schlaglichter auf neuere Schriftsteller wirft. Mit grosser Klarheit und Geradlinigkeit des Denkens verbindet er das unschätzbare Talent, nichts Unwichtiges oder Ueberflüssiges zu sagen, und einen Ordnungssinn, der den zu behandelnden Stoff mit der trefflichsten und übersichtlichsten Oekonomie vertheilt, so dass man stets den Zusammenhang des Ganzen im Auge behält und nicht leicht etwas doppelt besprochen wird. Nichts Unwichtiges sagen und nichts doppelt sagen, sind aber die beiden Bedingungen der Kürze, und ihnen verdankt es dieses Buch, dass es einen vollständigeren und erschöpfenderen Ueberblick über das geschichtliche Material gewährt,

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