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C.

Beiträge zur Naturphilosophie.

I. Naturforschung und Philosophie.

(1867.)

1. Der Naturforscher an den Philosophen.

Nicht wenig überrascht und erstaunt war ich, als ich in der Zeitung von Dir ein philosophisches Werk angekündigt fand; ich wusste kaum, ob ich meinen Augen trauen sollte! Sage mir, was in aller Welt hat Dich so verwandeln können, dass Du unseren gemeinsamen Jugendzielen untreu geworden und Dich der grauen Theorie der unfruchtbaren Speculation in die Arme geworfen hast? Wenn Du Dich zur alleinseligmachenden Kirche bekehrt hättest und täglich zur Beichte gingest, so wollte ich denken, dass Dein von irgend einer Unthat belastetes Gewissen nach Absolution schreie, und wollte Deiner Schwachheit vergeben, aber dass Du Philosoph geworden, Du, einst der muntre Jüngling, der allen Musen huldigte und diente, das geht über meinen Horizont! Weisst Du nicht mehr, wie wir zusammen laborirten, um die Wette Erfindungen machten und uns um die Wette auslachten, wenn wir sahen, dass dieselben längst erfunden waren? Wie schöne Hoffnungen hatte ich auf Dich gesetzt, und nun Philosoph! Und ohne mir in unserm vieljährigen Briefwechsel davon auch nur eine Andeutung zu geben! Weiss Gott, mich fasst ein tiefes Mitleid für Dich an! Indessen verzweifle ich noch nicht an Dir; Du hast schon so manches angefangen, zu dem Du einiges Talent zu haben schienest, und es hernach doch wieder liegen lassen, dass ich hoffe, auch dies werde nur eine vorübergehende Phase sein, aus der Du möglichst bald wieder zu gesunderen Bestrebungen zurückkehrst.

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Was kannst Du nur an der Philosophie finden, an dieser vorgeblichen Wissenschaft, die der Natur und dem Leben entfremdet ist, seitdem dasjenige, was sie in früheren Jahrhunderten existenzfähig machte, die Wissenschaft der Natur, von ihr losgetrennt zu einer selbstständigen Wissenschaft erstarkt ist? Nachdem dieser Quell des Lebens, dessen Pflege in der Kindheit der Völker die wahre Aufgabe und Berechtigung der Philosophie ausmachte, ihr abgeschnitten ist, ist sie theils in nebelhafte Träumereien zerflossen, theils in verknöcherten Abstractionen und Grübeleien beim Schein der Studirlampe erstarrt, eine aufgeblasene Doctrin, die vom grünen Tisch aus über die Natur und Welt absprechen, ja wohl gar sie construiren will, ohne sie nur recht zu kennen. Darum hat Goethe ganz recht, wenn er sagt:

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Wie kann man sich aber für die Natur erwärmen, wenn man nicht mitten in sie hinein tritt? Es kommt mir vor, als wollte man sich in ein hübsches Mädchen auf eine Meile weit durch's Fernrohr verlieben! Und nun gar heutigen Tages, wo die fortwährenden unermesslichen Fortschritte der Naturwissenschaften zur emsigsten Forschung begeistern, wo die brennenden politischen und socialen Fragen die besten Kräfte zu ihrem Dienste anlocken!

Was kann es nutzloseres geben, als die Speculation! Der Streit um' des Kaisers Bart kann nicht unfruchtbarer sein, als der um philosophische Probleme, da, wie auch die Entscheidung ausfalle, die Menschheit unverändert weiter lebt, während die scheinbar unbedeutendste naturwissenschaftliche Entdeckung entweder sofort und in directer Weise praktisch verwendbar ist, oder doch möglicherweise die unabsehbarsten praktischen Folgen nach sich ziehen kann. Unsere Wissenschaft von der Welt reicht so weit wie die naturwissenschaftliche Behandlung dessen, was wir von ihr erfahren haben, und weiter kann sie niemals reichen. Der Streit um philosophische Probleme ist also noch weit thörichter

als der um des Kaisers Bart; denn der erstere ist entweder schon durch die Naturwissenschaft entschieden, oder wird bei späteren Fortschritten der Naturwissenschaften und auf keine andere Weise entschieden werden, oder seine Entscheidung geht überhaupt über die Fähigkeiten des menschlichen Geistes hinaus. Ist man zweifelhaft, ob der zweite oder dritte Fall vorliege, so warte man die Entscheidung ruhig ab; das einzige, was man zu ihrer Beschleunigung thun kann, ist, dass man rüstig mitarbeitet an der Förderung der Naturwissenschaften.

Am allerunangenehmsten aber ist mir die Philosophie darin, dass sie, wenn Fragen, über die sie vorher im Finstern getappt hat, endlich durch die Naturwissenschaft entschieden sind, sich nunmehr das Ansehen giebt, als hätte sie das längst gewusst, und a priori demonstrirt, warum es gar nicht anders sein kann. Wie Goethe sagt:

Der Philosoph der tritt herein,

Und beweist Euch, es müsst' so sein.

Der einzige Theil der früheren Philosophie, der als ein selbstständiger Zweig der Naturwissenschaft fortbestehen könnte, die empirische Psychologie oder Naturwissenschaft des Geistes, hat darum gar keine Aussichten, jemals zu gedeihen, weil in ihr wohl für immer Maass und Waage fehlen wird, mit deren Anwendung jede Wissenschaft erst anfängt exact zu werden, da erst durch sie die Grundlagen für die Anwendung des mathematischen Calculs geschaffen werden.

Es ist bei dieser Bewandtniss der Sache kein Wunder, dass die Philosophie niemals fortgeschritten ist, dass sich vielmehr die Philosophen heute noch mit derselben Erfolglosigkeit um dieselben Probleme streiten, wie zu des Plato und Aristoteles Zeiten, höchstens mit etwas anderen Phrasen und Stichworten, ja dass die verschiedenen philosophischen Systeme sich wie eine Brut Spinnen gegenseitig vom Erdboden zu vertilgen suchen, Die Richtigkeit aller dieser Behauptungen spiegelt sich in der allgemeinen Gleichgültigkeit, ja man kann sagen Verachtung, wieder, mit welcher die Gegenwart die Philosophie betrachtet.

Wir waren immer offen gegeneinander, und so wirst Du es mir auch nicht tibel nehmen, wenn ich Dir hier meine Meinung über die Philosophie skizzirt habe, von der ich übrigens glaube,

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