ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

V. Das Wesen des Gesammtgeistes. (Eine kritische Betrachtung des Grundbegriffes der Völkerpsychologie.)

(1869.)

Der Gegenstand, welchen die Völkerpsychologie behandelt, ist der Gesammtgeist und die Gesetze seiner Wirksamkeit. Wer die Existenz eines Gesammtgeistes bestreitet, wird die Berechtigung der Völkerpsychologie leugnen; wer den Gesammtgeist als ein ausschliessliches Product der Individuen oder als eine blosse Abstraction von ihren Eigenschaften und Thätigkeiten auffasst, der wird die Bestrebungen der Völkerpsychologie immerhin als nützlich und achtenswerth anerkennen dürfen, aber er wird sie nur als einen bestimmten, vielleicht bisher nicht genug gepflegten Abschnitt der Individual-Psychologie, nicht als eine Disciplin neben derselben gelten lassen dürfen. Es knüpft sich mithin die Legitimation der Völkerpsychologie an den Nachweis der Existenz eines Gesammtgeistes, der nicht blosses Product oder Abstraction von den Individuen ist. Dieser Nachweis soll die Aufgabe der folgenden Betrachtungen sein.

Professor Lazarus unterscheidet (Zeitschr. für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, Bd. I S. 28) „die Psychologie in Seelenlehre und Geisteslehre, so dass jene, welche mehr das Wesen oder die Substanz und Qualität der Seele für sich betrachtet, eigentlich einen Theil der Metaphysik oder Naturphilosophie, diese aber (die Geisteslehre), welche die Thätigkeiten der Seele und deren Gesetze betrachtet, die eigentliche Psychologie ausmacht." Wenn nun auch zuzugeben ist, dass die Völkerpsychologie ebenso, wie die frühere Individualpsychologie „eine bedeutende Summe von

Beobachtungen und Erfahrungen zusammentragen kann, ohne den Begriff der Volks- (resp. Individual-) Seele in den Kreis der Betrachtung zu ziehen," so ist doch der Unterschied zu berücksichtigen, dass in der Individualpsychologie wenigstens niemand die Existenz einer Substanz der Seele (mochte man dieselbe nun spiritualistisch oder materialistisch denken) bezweifelte, während die Völkerpsychologie jedes festen Bodens zu ermangeln scheint, so lange ein Gesammtgeist, nicht bloss als Process sondern als Substanz gedacht, „nicht nachweisbar" ist. Nur dann kann man von einem Geist der Gesammtheit reden, der noch verschieden ist von allen zu derselben gehörenden einzelnen Geistern, und der sie alle beherrscht" (Bd. I S. 9), nur dann von einem objectiven Geiste, von welchem das Thun der einzelnen Geister „nicht so sehr Ursache als vielmehr Erfolg" ist (Bd. III S. 56).

Lazarus glaubt die Substanz des Gesammtgeistes durch den Begriff des Subjects als einer bestimmten Einheit" ersetzen zu können (I S. 28), welches einheitliche Subject dann zugleich als „der Quell aller innern und höheren Thätigkeit" betrachtet werden soll (I S. 7). Soll jedoch mit „Subject" hier mehr gesagt sein als ein bloss grammatikalisches Subject (zu welchem ich auch die Summe der Atome im Weltenraum" zusammenfassen kann, um etwas von ihnen zu prädiciren), so bleibt mir unerfindlich, wie von einem einheitlichen Subject der Thätigkeiten in den verschiedenen Individuen die Rede sein könne, ohne zugleich den vielen individuellen Thätigkeitssubjecten in gewisser Hinsicht eine substantielle Identität, eine metaphysische Einheit des Wesens zuzuschreiben, also doch wiederum in ihnen eine als ihr,,inneres Band," als einendes Princip gegebene identische Substanz, mit einem Worte eine Gesammtseele hinzustellen, so dass dann in der That nicht mehr die blosse Summe aller individuellen Geister das substantielle Wesen des Volksgeistes" wäre (vgl. I S. 28-29). Jedenfalls kann ein Subject als bestimmte Einheit nicht dadurch gewonnen werden, dass man dasjenige heraushebt, was an der inneren Thätigkeit der Individuen Gleiches, Uebereinstimmendes und Gemeinsames ist (I, 29); denn abgesehen davon, dass hierbei das originelle Wirken des Genies nicht mitbefasst ist, gewinnt man an diesem Gemeinsamen oder Allge

meinen doch nichts weiter als eine subjective Abstraction, welche nimmermehr das Prius der Einzelnen sein kann, und welche, weit entfernt eine reale Einheit zu repräsentiren, nicht über die logische Gleichheit hinauskommt. Auch wird an diesem Verhältniss gar nichts geändert, wenn das subjective Bewusstsein dieser Gleichheit in den Individuen erwacht (I, 37): denn jene Abstraction der Gleichheit kann wohl dadurch, dass sie als Inhalt in's Bewusstsein tritt, wie jeder andere Begriff als Motiv wirksam werden, aber sie bleibt doch immer Abstraction, und der ganze Process bleibt auf subjectivem und individuellem Gebiet. Jedoch,,die individuelle Natur ist oft genng eine Schranke, aber niemals der positive Grund der Wirksamkeit für das Allgemeine" (II, 415 Anm.). Wenn wir zum wahren Begriff des Gesammtgeistes kommen wollen, so ist es unerlässlich von dem Gegensatz zwischen Einzelnen und Allgemeinen abzugehen, und zu dem Gegensatz zwischen Einzelnem und Gesammtheit, zwischen Theil und Ganzem überzugehen (vgl. III, 408). Diess ist aber nur möglich, wenn wir den Versuch aufgeben, durch Herausheben der gleichen Momente oder des Gemeinsamen zum Ziele zu kommen; denn dies führt immer nur zum abstract Allgemeinen, nie zur realen Einheit des Ganzen. Nicht auf der Gleichheit der Eigenschaft oder Gleichmässigkeit der Wirkung aller Theile, sondern im Gegentheil neben, und was nicht minder gewiss ist, durch die Verschiedenheit der Theile und die Mannichfaltigkeit ihrer Thätigkeiten besteht die Einheit des Organischen, welcher die Einheit der Individuen im Gesammtgeist wohl am nächsten verwandt sein wird" (II, 413). Im Organismus tritt,,die Vielheit und Mannichfaltigkeit der Theile als Einheit in die Erscheinung", und „das Subject dieser Gesammtwirkung" ist jetzt das Ganze; die Thätigkeit geschieht in allen Theilen und durch sie, dies aber nicht, indem sie als einzelne Individuen oder als Atome, sondern indem sie als Theile des Ganzen, als Glieder der Gesammtheit, indem sie zusammengefasst und ineinandergreifend als - Einheit wirken" (II, 413). Hier haben wir allerdings eine reale Einheit, nämlich erstens die des Zusammenwirkens und zweitens die des Aufeineinander wirkens. Indessen ist es der Individualpsychologie niemals eingefallen, diese beiden Einheiten unter den Menschen zu leugnen; nur sind sie für sich allein, wie jedem einleuchten muss,

[ocr errors]

nicht der Art, um von einem Gesammtgeiste als einheitlichem Subjecte reden zu können, um über den Horizont der Individualpsychologie hinübergreifen zu müssen. Wenn z. B. zwei Menschen sich prügeln, so besteht unzweifelhaft sowohl die Einheit des Zusammenwirkens als die Einheit der Wechselwirkung, da jeder den andern schlägt, weil der andere ihn schlägt; gleichwohl gehen die hier vorkommenden psychischen Thätigkeiten in keiner Weise über den Kreis der Individualpsychologie hinaus und begründen nicht die Annahme eines einheitlichen Subjects. Freilich wird man sagen, dies ist kein organisches Zusammenwirken, und so fragt es sich, was für Einheiten im Organismus zu den beiden genannten noch hinzukommen. Es sind aber erstens die Einheit des Ortes oder die räumliche Continuität und zweitens die Einheit des Zweckes. Die räumliche Continuität ist bei der Verbindung von Menschen nicht möglich, wohl aber die Einheit des Zweckes. Wenn indessen eine Anzahl Spaziergänger gemeinsam dieselbe Strasse nach demselben Vergnügungsorte wandern, so ist Einheit des Zweckes vorhanden, und doch kann man nicht wie bei einem Organismus von Einheit des Subjects sprechen, da in diesem Beispiel das Ganze nur die Summe der Einzelnen und die Einzelnen nur das Prius des Ganzen sind. Im Organismus aber spricht man nur deshalb von Einheit des Subjects, weil „logisch, zeitlich und psychologisch die Gesammtheit den Einzelnen vorangeht", weil nur in der Gesammtheit sich das Einzelne entwickelt und findet" (II, 419). Nur weil im Organismus die Einheit des Zweckes waltet, und man doch den einzelnen Zellen im Baume nicht bewusste Zweckthätigkeit zuschreiben kann, nur weil man dadurch genöthigt ist, ein zweckthätig waltendes, also (wenn auch unbewusst) psychisches Princip im Organismus anzunehmen, nur deshalb und aus keinem andern Grunde erscheint der Organismus als einheitliches Subject, da sein Wirken die substantielle Identität des in allen seinen Theilen die naturgesetzlichen Vorgänge beherrschenden Princips docomentirt.*) Nur dann, wenn wir auch in den menschlichen

*) „Je höher wir in der Stufenfolge der Wesen heraufsteigen", um so mehr treten die früheren, niederen, allgemeineren Gesetze, ohne dass ihre Geltung beeinträchtigt wird, ,,in den Dienst der besonderten Gesetze" (III, 94). Wohl waltet in den Dingen, in Natur und Geschichte, eine gesetzmässige mechanische Causalität; es ist dies jedoch nur eine, d. h. eine von den mehreren

[ocr errors]

Individuen das herrschende Walten eines in allen identischen realen Princips nachweisen können, nur dann können wir von einem Gesammtgeiste als einheitlichem Subjecte reden, das dann aber auch zugleich eine in allen Individuen identische Substanz ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann man von der menschlichen Gemeinschaft behaupten, dass logisch, zeitlich und psychologisch die Gesammtheit den Einzelnen vorangeht" (II, 419), dass sie das Prius der Einzelnen ist, dass die Gesammtheit es ist, welche die Ziele stellt", dass der zwecksetzende Geist des Menschen nur in der Gesammtheit lebt und besteht" (III, 20), dass „aus dem gegebenen Allgemeinen das Einzelne entspringt", und dass der Process des Allgemeinen es ist, der sich im Einzelnen vollzieht" (II, 435). Kann man keine solche in allen Individuen identische Substanz nachweisen, so kann auch nicht von einem realen einheitlichen Subject gesprochen werden, so sind alle Einheiten, die man zwischen den Individuen aufzeigen mag, durchaus nur Folgen und Wirkungen, nicht Bedingungen der individuellen Thätigkeiten, nur objectivirte Subjectivität, also ein Posterius, nicht ein Prius des individuell Subjectiven.

Lazarus unterscheidet dieses Posterius und Prius des Subjectiven sehr wohl, aber durch scheinbare Uebergänge zwischen denselben lässt er sich bewegen, beide Extreme unter den gemeinsamen Namen des „,objectiven Geistes" zusammenzufassen, was mir nicht empfehlenswerth scheinen will. Es steht nämlich auf der einen Seite als reines äusserliches Product der bewussten subjectiven Geistesthätigheit der ,,objectiv geworden e",,,objectivirte" oder „verkörperte" Geist, ein Inhalt geistigen Schaffens, welcher losgelöst von seiner Erzeugungsthätigkeit, in einen todten Stoff gegossen ist, und diesen derart geistig durchhaucht und formell modificirt hat, dass dem neu herzutretenden subjectiven Geiste an diesem Stoff sofort das geistige Gepräge erkennbar wird. Es ist also, noch genauer bezeichnet, ein Niederschlag oder caput mortuum vergangener Geistesthätigkeit, und in Gegenwart factisch nichts

Arten, wie die Dinge mit einander verknüpft sind. Die höchste aber dieser Arten der Verknüpfung ist die durch die Ideen, . von welcher die mechanische Causalität in den Dienst genommen wird" (III, 399-400). Die Idee aber kann nur wirken als (wenn auch unbewusster) Gedanke eines Wesens, einer psychischen Substanz (III, 445-7).

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »