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hellerem Glanze entblösst worden; er ist Gemeingut der geistig hochstehendsten Kreise des deutschen Volkes geworden, und es handelt sich jetzt wesentlich nur noch darum, den implicite umfassten Besitz zum Bewusstsein seiner principiellen philosophischen Bedeutung zu bringen. Die Philosophen der Hegel'schen Schule verkennen aber diese Sachlage und discreditiren den Hegelianismus fortdauernd dadurch, dass sie ihn mit Haut und Haaren, mit seinen principiellen Irrthümern und Verkehrtheiten conserviren zu müssen glauben. Glücklicherweise sind diese Hegelianischen Kathederphilosophen auf den Aussterbe-Etat gesetzt; sie bilden die Rudera einer vergangenen Zeit, denen jeder Nachwuchs fehlt.

Eine ähnliche, vielleicht minder extensive, aber dafür um so intensivere Wirkung, wie die Hegel'sche Philosophie auf die Wissenschaft und die Gelehrtenwelt, hat die Schopenhauer'sche in den letzten zwei Decennien auf die Literatur und die Schriftstellerwelt geübt. Die ganze Belletristik und Tagesliteratur der Gegenwart, wenigstens so weit sie von jüngeren Schriftstellern ausgeht, ist von Schopenhauer'schem Einfluss berührt, von seiner Schreib-, Empfindungs- und Denkweise durchdrungen, und dieser Geistesströmung vermögen sich selbst diejenigen nicht zu entziehen, welche das Schopenhauer'sche System als solches bekämpfen.

In der That ist das Schopenhauer'sche System als solches auch nicht geeignet, Schule zu machen und unbedingte Anhänger zu gewinnen. Kein anderes System der Neuzeit ist aus so verschiedenartigen Elementen zusammengeschweisst, und lässt die Widersprüche derselben so leicht erkennen. Das Grundprincip (des blinden unbewussten Willens), welches dem System seinen eigenthümlichen Charakter und seine Stellung in der Geschichte der Philosophie anweist, ist seiner Natur nach zu arm und inhaltsleer, um daraus umfassende Consequenzen für die allseitige Ausbildung eines philosophischen Systems ziehen zu können, und so ist es gleichsam durch seine eigene innere Armuth genöthigt, von aussen her Ergänzungen an sich zu ziehen, die ihm und sich untereinander grossentheils widersprechen (z. B. der platonische objective Idealismus dem Willensrealismus, der Materialismus dem subjectiven Idealismus u. s. w.). Die Grösse Schopenhauer's liegt nicht in seinem System, sondern in der Genialität seiner Aperçus, in deren jedem er ein Columbusei auf die allereinfachste Weise von der Welt auf

die Spitze stellt. Wegen dieser stets den Nagel auf den Kopf treffenden Intuition hat er etwas Bezauberndes für jeden Leser, der von der abstracten Begriffsdialectik eines Kant, Fichte, Hegel oder Herbart zu seiner Lecture kommt; seine natürliche und glänzende Schreibweise reisst während des Lesens so sehr hin, dass man erst nach demselben zur Kritik gelangt und manch' einer von seinem Zauber umstrickt bleibt, dem die hinlängliche Selbstständigkeit des Denkens zu nachträglicher Kritik fehlt. Schopenhauer hat daher einen grossen Einfluss auf die Entwickelung des deutschen Stils geübt, und ganz besonders auf die Zurückführung der philosophischen Schreibweise zu einer natürlicheren und anschaulicheren Darstellung.

Aber so zahlreiche leidenschaftliche Verehrer. er besitzt, so wird doch schwerlich einer sein System als Ganzes acceptiren. Der einzige, der sich öffentlich als reinen und treuen Vertreter der Schopenhauer'schen Philosophie bisher bekannte, Julius Frauenstädt, wandelte doch thatsächlich durch allerlei Interpretationen und Einschränkungen das System seines Meisters so sehr um, dass dieser selbst sich noch bei Lebzeiten von diesem Interpreten abwandte. Wenn er den subjectiven Idealismus Schopenhauer's einem transcendentalen Realismus in meinem Sinne des Worts anzunähern suchte, wenn er dessen metaphysischen objectiven Idealismus in eine möglichst unbemerkte Ecke zu schieben bemüht war, wenn er seinen Meister gegen den Vorwurf speculativer Anwandlungen gleichsam beschönigend entschuldigen zu müssen glaubte, wenn er endlich sogar den unabtrennbaren Charakterzug der Schopenhauer'schen Philosophie, den Pessimismus, sammt dessen excentrischen Consequenzen als eine zufällige Verirrung zu eliminiren versuchte, dann durfte man wohl eine gewisse Verwunderung nicht unterdrücken über den Anspruch, Schopenhauerianer im strengsten Sinne heissen zu wollen. Frauenstädt selbst hat neuerdings die Unhaltbarkeit dieses Anspruchs gefühlt, und ist in seinen „Neuen Briefen über die Schopenhauer'sche Philosophie" (Leipzig 1876) mit dem Versuch einer vollständigen Umbildung des Systems seines Meisters hervorgetreten (vgl. meine Kritik in,,Unserer Zeit" 1876 Heft 4 u. 5 und „Revue philosophique" 1876 Nr. 6 et 7).

Hegel und Schopenhauer sind unbedingt diejenigen beiden Philosophen, welche den grössten Einfluss auf das geistige Leben

der letzten beiden Menschenalter (seit 1815) in Deutschland geübt haben, wie Kant und Fichte auf das drittletzte Menschenalter (1781-1815). Aber merkwürdiger Weise findet man bis jetzt fast immer nur entweder Hegel oder Schopenhauer in seiner vollen Bedeutung anerkannt. Die Anhänger Hegel's betrachten Schopenhauer als einen talentvollen Schriftsteller, lassen ihn aber durchaus nicht als Philosophen, sondern höchstens als barocken Dilettanten in der Philosophie gelten; die Verehrer Schopenhauer's dagegen beten gläubig das Urtheil ihres Meisters über Hegel nach, welcher in letzterem bekanntlich nur einen frechen Charlatan und kopfverderbenden Unsinnschmierer sah. In der That sind beide Standpunkte polar entgegengesetzt; sie stossen einander ab und scheinen sich gegenseitig auszuschliessen. Schopenhauer hält sich an die Anschauung und unmittelbare Beobachtung, Hegel an den abstracten Begriff und das speculative Denken; ersterer verwirft Fichte's und Schelling's Systeme, auf welche letzterer sich stützt, als sinnlose Windbeuteleien, und sucht selber nur an Kant eine Anlehnung, aber gerade an derjenigen Seite der Kantischen Philosophie, welche von Hegel bereits principiell überwunden war, nämlich dem subjectiven Idealismus. Schopenhauer sieht den Intellect im materialistischen Sinne als ein Hirnproduct an und lässt als metaphysisches Princip allein den Willen gelten; Hegel hält umgekehrt den Begriff für das metaphysische Princip und den Trieb nur für ein aus der dialectischen Selbstbewegung des Begriffs entspringendes Resultat. Schopenhauer ist Pessimist im extremsten Sinne und lässt dem Optimismus gar keine, auch nicht relative Berechtigung; Hegel ist Optimist vom Kopf bis zur Zehe, und die pessimistische Seite der Weltbetrachtung, obwohl sie nicht ganz fehlt *), tritt doch bei ihm so sehr vor der optimistischen zurück, dass diese allein der Beachtung werth erscheint und den Charakter seines Systems bestimmt.

Es ist unter solchen Umständen kein Wunder, dass dem Anhänger eines jeden der beiden Standpunkte die philosophische Sprache und der Sinn des Gegenfüsslers unverständlich bleibt, dass die ausschliessliche Hingabe an eines dieser Systeme dem Begreifen des entgegengesetzten eine unübersteigliche Schranke zieht. Sollte

*) Vgl. Volkelt: „Das Unbewusste und der Pessimismus", S. 246–255.

da nicht der Gedanke nahe liegen, dass der Hegelianismus und der Schopenhauerianismus in ihren letzten Principien gleichberechtigte Gesichtspunkte sind, von denen aus die Welt in entgegensetztem Lichte erscheint, und dass es nur darauf ankomme, den höheren Standpunkt zu finden, von dem aus die coordinirte relative Berechtigung beider und ihre gegenseitige Ergänzung zur vollen Wahrheit einleuchtet? Sagt doch Hegel selbst (Werke XV, S. 619): „Wo mehrere Philosophien zugleich auftreten, sind es verschiedene Seiten, die eine Totalität ausmachen, welche ihnen zu Grunde liegt". Schopenhauer's Die Welt als Wille und Vorstellung" und Hegel's „Encyklopädie“, welche beider Hauptwerke ausmachen, erschienen aber in der That fast gleichzeitig.

In keinem Lehrbuch oder Grundriss der Geschichte der Philosophie findet man das Bedürfniss anerkannt, den gleich bedeutenden Einfluss Hegel's und Schopenhauer's auf die Geistesbildung der Gegenwart durch Anerkennung der coordinirten Gleichberechtigung ihrer philosophischen Principien zu erklären. Entweder wird über Schopenhauer beiläufig referirt, und tritt die Verlegenheit zu Tage, ihn in die Entwickelung der neuesten Geschichte der Philosophie organisch einzureihen; oder aber Schopenhauer gilt als der einzige nennenswerthe deutsche Philosoph nach Kant, und über Hegel (sammt Fichte und Schelling) wird in Schopenhauer'scher Manier der Stab gebrochen. Noch weniger hat sich bis jetzt ein Verständniss für die Thatsache gezeigt, dass der Schlüssel für die Synthese der Principien Hegel's und Schopenhauer's nicht mehr erst gesucht zu werden braucht, dass der über beide hinausführende höhere Standpunkt in der Geschichte der Philosophie bereits gegeben ist, wenn auch nur im Princip gegeben ist, und zwar in Schelling's letztem System, welches er als „positive Philosophie" bezeichnet hat.

7. Schelling.

Schelling war eine wesentlich anders veranlagte Natur als Hegel und Schopenhauer, als Kant und Fichte, als Herbart und Krause. Wenn dieses systematische Geister waren, welche das Bedürfniss fühlten, einen einmal als höchste Wahrheit ergriffenen principiellen Standpunkt als solche zu erweisen und nach allen Seiten zum möglichst geschlossenen und fertigen System auszuarbeiten, so gehörte Schelling zu jener andern Classe von ewig lernenden, su

chenden und forschenden Geistern, denen der errungene Standpunkt nie genügt, weil ihr Blick hinter demselben immer neue unermessliche Perspectiven ahnt. Die ersteren erfreuen sich jener glücklichen Selbstbeschränkung, welche im Stande ist, die letzterreichte Stufe der Wahrheit für die absolute Wahrheit anzusehen; die letzteren erkennen in jedem errungenen Princip immer nur eine neue Stufe zur Wahrheit, und kommen deshalb tiber unablässigem Weiterforschen und Ringen nach noch höheren Stufen niemals zu der Ruhe und dem Genügen, welche zur sysematischen Durchführung eines Princips erforderlich ist. Als speculative Denker stehen die letzteren höher als die ersteren, aber sie würden völlig unfruchtbar für die Menschheit sein, wenn sich nicht diese mit ihnen verbündeten, um die von ihnen errungenen Principien durch die Ausführung derselben zu verwerthen. Die schärfsten Typen der ersteren Art sind Aristoteles, Spinoza und Hegel, die der letzteren Plato, Leibniz und Schelling. Beide Classen sind gleich werthvoll und gleich unentbehrlich für die Geschichte der Philosophie, und es wird mehr ein Unterschied der persönlichen Sympathie sein, zu welcher von beiden man sich mehr hingezogen fühlt. So viel liegt auf der Hand, dass eine tiefere, umfassendere und nachhaltigere Wirkung auf das geistige Leben einer Zeit und eines Volkes von den systematischen Geistern zu erwarten ist, während die anderen, welche ewig unfertig von Versuch zu Versuch schreiten, nicht so geeignet sind, als Lehrer für die grosse Masse, wie als geistvolle Anreger für die spärliche Zahl der Selbstdenker zu wirken. So ist es denn auch kein Wunder, dass Schelling's unmittelbare Wirkung auf den Zeitgeist der modernen Bildung eine viel geringere ist als die von Hegel und Schopenhauer, dass sogar sein Name und seine Leistungen fast weniger als die von Kant und Fichte bekannt und gefeiert sind. Und doch ist er schon dadurch merkwürdig, dass sein Einfluss in zwei ganz verschiedenen Perioden (1798-1803 in Jena und 1841-1846 in Berlin) epochemachend in die Entwickelung der deutschen Philosophie eingegriffen hat, dass sein erstes System die Grundlage des Hegelianismus geworden ist, und dass sein letztes System, welches erst Mitte der 50er Jahre durch Veröffentlichung seines Nachlasses dem allgemeinen Urtheil zugänglich wurde, noch keineswegs nach Verdienst gewürdigt worden ist.

Verhältnissmässig am bekanntesten, wenigstens dem Namen

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