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träumen liess. Die wahre Kritik wird also zugleich positiv und immanent sein müssen, inhaltlich positiv der formalistischen negativen Kritik gegentiber, immanent gegenüber der äusserlichen Beurtheilung aus fremden Gesichtspunkten.

Wir sahen schon oben, dass das Ideal der äusserlichen positiven Kritik sich als ein den organischen Zusammenhang des Systems darlegendes Referat gestalten müsste, welches nur zum Schluss die Unvereinbarkeit des Grundprincips (und damit des ganzen Systems) mit dem von aussen herzugebrachten Massstab zu constatiren hätte. Eine immanente Kritik würde sich nnn nicht bloss dadurch von jener äusserlichen zu unterscheiden haben, dass am Schluss das Messen mit fremdem Massstab wegfällt, sondern von vornherein dadurch, dass sie das Grundprincip des zu beurtheilenden Systems nicht als unwahr, sondern als wahr betrachtet, d. h. dass sie die relative Wahrheit dieses Grundprincips vom Anfang an acceptirt und der Kritik als immanenten Massstab zu Grunde legt. So wird der Zusammenhang der Bestandtheile des Systems nicht blos referirt, sondern an dem als wahr vorausgesetzten Grundprincip geprüft, und ergeben sich hiebei zunächst diejenigen Aenderungen, welche das consequent durchgeführte Grundprincip verlangen würde. Da nämlich jedes Prinzip einseitig ist, so findet in der Ausführung des Systemes eine unwillkürliche Neigung statt, Bestandtheile fremder Systeme einzuschmuggeln und dadurch über die Einseitigkeit des eigenen Princips hinwegzutäuschen. Diese Inconsequenzen hat die immanente Kritik aufzudecken, und indem sie dies thut, zeigt sie zugleich die Einseitigkeit und Unzulänglichkeit des Princips in seiner ganzen Blösse. Die Richtung, welche die unwillkürlich eingeschmuggelten inconsequenten Füllstücke des Systems verfolgen, giebt bereits einen Fingerzeig, nach welcher Seite das Grundprincip am dringendsten der Ergänzung bedürftig ist, und die Discussion der nunmehr klargestellten und ihrer künstlichen Hüllen entkleideten Aporien des Systemes muss, diese Frage zur Evidenz bringen, wobei zugleich der bestätigende Nachweis einzutreten hat, dass das einseitig aufgestellte Princip für ganze Gebiete und Seiten der Erfahrung dem Erklärungsbedürfniss keinerlei Befriedigung zu bieten hat.

In dieser Weise bereitet die immanente positive Kritik den Fortschritt der Wissenschaft zu einem höheren Princip unmittelbar

vor, im höchsten Grade dann, wenn sie sich an zwei oder mehreren Standpunkten in der Weise bethätigt hat, dass jeder derselben nach seiner kritischen Läuterung ein Princip zur Ergänzung fordert, welches in dem anderen bereits seine einseitige Verwerthung und Verarbeitung gefunden hat. Trotz all' dieser Vorbereitungen jedoch kann die Kritik als solche den geforderten Fortschritt nicht selbst vollziehen; denn die entgegengesetzten Principien stossen einander so lange ab und schliessen sich scheinbar aus, bis das höhere einheitliche Princip gefunden ist, als dessen Momente sie aufgehoben, d. h. zugleich ihrer selbstständigen Bedeutung beraubt und als integrirende Bestandtheile conservirt werden. Zur Auffindung eines solchen höheren einheitlichen Princips kann aber aller discursive Scharfsinn des kritischen Verstandes nichts helfen, es bedarf dazu einer originellen Conception, die nur als intuitiver Einfall zu Stande kommt.

In der Wirklichkeit pflegt sich das Verhältniss so zu gestalten, dass nur derjenige zu einer immanenten positiven Kritik befähigt ist, der das höhere Princip bereits gefunden, also die höhere Stufe der Entwickelung bereit erreicht hat; denn die übrigen pflegen, wie man sagt, den Wald vor Bäumen nicht zu sehen. Gegen die positiv überwundenen Stufen bedarf es dann aber auch keiner umständlichen Kritik mehr, eine kurze Darlegung des Wesentlichen mit Beiseitelassung aller sich von selbst richtenden Details genügt. Das, was man gewöhnlich unter Polemik versteht, jener streitsüchtige Ton mit seinem Beigeschmack kleinlicher Nergelei, verschwindet dann, und in grossen Zügen entrollt sich ein einfach überzeugendes Bild von der relativen Wahrheit und Unwahrheit des besprochenen Princips und seiner Aufhebung in die umfassendere Wahrheit eines höheren Princips. Wem diese Kritik widerfahren, von dem sagt man er hat seinen Meister gefunden; und was kann derjenige, der nicht um seinetwillen, sondern um des Fortschrittes der Erkenntniss willen strebt und forscht, sehnlicher wünschen, als dass die Entwickelung recht bald über die von ihm persönlich erreichte Stufe hinausschreite, d. h. dass er recht bald seinen Meister finden möge?

Die Polemik tritt in diesem Falle erst dadurch ein, dass die überwundenen Standpunkte bei sich beharren wollen und gegen die Ueberwindung reagiren. Dies ist die reactionäre Polemik, welche in ihrer Kritik des höheren Standpunktes zwar immanent zu sein scheint, da sie nicht das ganze einheitliche Grundprincip desselben

zum Massstabe der Kritik nimmt, sondern nur ein in demselben aufgehobenes Moment, dessen relative Wahrheit sie einseitig als absolute nimmt. Auf diese Weise fällt die reactionäre Kritik unter die äusserliche positive Polemik zurück, weil die als kritischer Massstab angelegte Voraussetzung der absoluten Wahrheit des einseitigen Principes dem kritisirten Standpunkt fremd und äusserlich ist; sie ist aber insofern minder entschuldbar als die gewöhnliche äusserliche positive Polemik, weil der Irrthum der absoluten Wahrheit ihres Massstabes bereits dadurch positiv überwunden ist, dass die relative Wahrheit des einseitigen Princips keineswegs verkannt wird, sondern die ihr gebührende Stelle innerhalb des höheren Standpunktes erhalten hat. Nur in dem Sinne kann der reactionären. Polemik eine gewisse Berechtigung zukommen, dass sie die Ueberwindung der niederen Stufe durch die höhere im Allgemeinen willig anerkennt, im Besonderen aber das innerhalb des nmfassenden Princips dem einseitigen Princip zuerkannte Maass von relativer Wahrheit zu Gunsten des letzteren modificirt zu sehen wünscht. Dann aber hört sie auch auf, reactionäre Polemik im eigentlichen Sinne zu sein, und wird zur Fractionspolemik innerhalb der neuen Stufe.

Fassen wir die Resultate unserer bisherigen Betrachtungen zusammen, so können wir sagen: die Polemik hat nur insoweit einen unmittelbaren Werth, als sie immanente positive Kritik ist; die äusserliche positive Polemik gewinnt nur indirect dadurch eine Bedeutung, dass sie beide einander bekämpfenden Principien zur inneren Klärung und Befestigung drängt; die rein negative Polemik kann in ihrer formalistischen Inhaltslosigkeit weder direct noch indirect irgend einen Werth beanspruchen, es sei denn, dass sie nur als zeitweilige opportune Maske einer positiven Polemik dient. Wer als Kritiker eine Polemik beginnt, sollte daher stets darauf bedacht sein, immanente positive Kritik zu bieten; bei Theorien, deren Princip er gar keine relative Wahrheit zugestehen kann, sollte er besser das Polemisiren unterlassen, da dann entweder jene unter der Kritik sind, oder aber er unter der Aufgabe des Kritikers steht (d. h. wenn er das zu Beurtheilende nicht versteht und begreift). Wer hingegen durch kritische Polemik sich zur apologetischen Polemik herausgefordert fühlt, der sollte wohl erwägen, ob das Eingehen auf diese polemischen Angriffe ihm auch wirklich Gelegenheit

und Veranlassung bietet, seinen eigenen principiellen Standpunkt fester und tiefer zu begründen, klarer darzulegen und weiter auszuführen, und wenn nicht, so soll er der Polemik, als einer die Wissenschaft nicht fördernden Zeitverschwendung, aus dem Wege gehen, welche ihn bloss hindert, seine Zeit und Arbeitskraft in wahrhaft fruchtbringender Weise zu verwerthen. Wenn diese Grundsätze allgemeine Anerkennung fänden, würde eine Menge fruchtloses und unerquickliches Gezänk vermieden werden.

Leider sind wir von einem solchen wünschenswerthen Zustande sehr fern. Heutzutage will alle Welt schriftstellerisch produciren, und da es mit selbstständigen Leistungen doch eine eigene Sache ist, so verfällt man auf Kritik und Polemik und greift mit denselben in irgend eine der brennenden Tagesfragen ein. So entsteht eine Sintflut dilettantischer Schriftstellereien, vor denen einem angst und bange werden kann. Goldschmiede und Chemiker, Aerzte und Privatgelehrte, Buchdruckerei- und Buchhandlungsgehilfen und Theologen bringen ihre Weisheit über ein und dieselben Probleme zu Markte, von denen sie alle gleich viel oder gleich wenig verstehen. Der Student wirft sich mächtig in die Brust, wenn er „nach Anleitung des Herrn Professors" ein philosophisches System in seiner Dissertationsschrift in Grund und Boden kritisirt hat, und der Schulmeister, der zur Programm-Abhandlung gepresst ist, erinnert sich seines Collegium logicum bei einer verstorbenen,,Leuchte der Wissenschaft" und quetscht kühne Gedanken in scholastische Schnürstiefeln. Ein der Welt und vermuthlich auch sich selbst unverständlicher Hegelianer schreibt über die Darwin'sche Theorie, von der er etwa so viel versteht wie die Giraffe vom Beefsteak, und von den Kathedern predigt die Weisheit vergangener Jahrhunderte, perrückenschüttelnd, der Gegenwart mit dem stillen Refraingedanken: „Ich verstehe die Welt nicht mehr."

Zu alledem gesellt sich das Ueberwuchern der Presse und Journalistik, welche im Durchschnitt dazu dient, das Publikum mit oberflächlichen Brocken zu füttern und dadurch von gesunder und nahrhafter Bücherkost abzuhalten. Diese Journalistik bemächtigt sich natürlich auch der wissenschaftlichen Tagesfragen und behandelt sie in ihrer Weise. Gäbe sie bloss kürzere oder längere Referate aus verschiedenen Büchern, so würde sie überwiegend nützlich wirken; fügte sie diesen Referaten kurze empfehlende oder missbilligende

Urtheile mit Namensunterschrift des Recensenten bei, so würde gegen ein solches Verfahren, dessen Gewicht rein auf persönlicher Vertrauenswürdigkeit beruht, bei der Unmasse des neu erscheinenden Materials gewiss auch nichts einzuwenden sein. Aber die Journalistik will nicht bloss referiren und urtheilen, sie will auch kritisiren und polemisiren und damit entscheidend in den Gang der wissenschaftlichen Entwickelung eingreifen. Dabei soll aber doch ein populärer Charakter gewahrt und der Umfang eines oder einiger Journalartikel nicht überschritten werden. Auf diese Weise verurtheilt die Journalistik schwierigeren Problemen gegenüber sich selbst zur Oberflächlichkeit und diejenigen, welche am besten ihren äusseren Tendenzen Rechnung tragen, sind eben jene oben gezeichneten Helden der Feder, deren principienlose, eklektisch-skeptische, vornehm-elegante, triviale und gespreizte Polemik von einem schlechterdings negativen wissenschaftlichen Werth ist.

Diese ganze Polemik hätte nun freilich gar nichts zu sagen, wenn nicht das Publikum in seiner Urtheilslosigkeit jenem altersschwachen Gerichtspräsidenten gliche, der jedes Plaidoyer des Anklägers und Vertheidigers mit gleich zustimmendem Kopfnicken begleitete. Wer zuletzt gesprochen, hat Recht; das ist im Allgemeinen die Parole des Publikums, und weil die Streitenden das wissen, und weil es ihnen verkehrter Weise so sehr darauf ankommt, dass das Publikum ihnen zunickt, darum reissen und schlagen sie sich darum, das letzte Wort zu haben.*) Dazu kommt noch, dass das Publikum, selbst in Schichten, wo man solche Urtheilslosigkeit nicht erwarten sollte, ein abergläubisches Vertrauen zu gewissen Journalen hat, die sich durch Durchschnittsleistungen von mehr als mittelmässigem Werthe einmal ein gewisses Ansehen zu erringen gewusst haben. Wie der Bier-Philister an seine Zeitung glaubt, auf die er seit Decennien abonnirt ist, obwohl er im Allgemeinen ganz gut weiss, wie Zeitungen gemacht werden, so glauben selbst gebildete Leute an gewisse Journale und nehmen die Kritik derselben auf,

*) Der alte brave Claudius sagt (Werke, Theil 5, S. 91): Es ist in der That ein sonderlich Ding um das Siegesgeschrei der Partheyen, und die Menschen verrathen sich selbst. Wenn sie, wie sie alle sagen, würklich für die Wahrheit föchten, so müssten sie gleich laut schreyen, der Sieg mochte fallen, an welche Seite er wollte, und eigentlich sollten alle Mahl beyde Partheyen das Te-Deum gemeinschaftlich singen."

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