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und durch Blosslegung seiner Leidenschaftlichkeit und seines Mangels an Unbefangenheit beim Leser eine misstrauische Voreingenommenheit selbst gegen die sachlichen Argumente erzeugt. Die zu Tage tretende Leidenschaftlichkeit macht alle persönlichen Beschuldigungen dem Unbefangenen von vornherein verdächtig und wo die verleumderische Erfindung aus inneren Gründen auf der Hand liegt, da bedarf es in der That keines ausdrücklichen Dementis, um die Böswilligkeit unschädlich zu machen, ebenso wenig wie einer besonderen Satisfaction, wo die Selbstherabwürdigung des Angreifers in den Augen der anständigen Leute ihn für seine Verletzung des Anstandes schon hinlänglich bestraft.

Es ist aber auch bedenklich, sich auf persönliche Polemik einzulassen, weil, wenn man einmal von seinem Rechte der Nothwehr Gebrauch macht, man sich offenbar in Nachtheil setzen würde, wenn man rücksichtsvoller wäre als der Gegner. Man muss dann den groben Klotz durch einen noch gröberen Keil treiben, man muss bei der verdienten Züchtigung der Unschicklichkeit selbst das eigene Zartgefühl verletzen, man muss sich beschmutzen, indem man den Schmutz auskehrt. Ich will nicht leugnen, dass es Fälle geben kann, wo die Selbsterhaltungspflicht in Bezug auf die sociale Stellung die Abwehr eines persönlichen Angriffs nothwendig macht; aber der zartfühlende Mensch wird dieser Nothwendigkeit mit dem Gefühle des Ekels gehorchen, und so lange es irgend geht, wird er es gewiss vorziehen, mit Grillparzer zu denken:

Zum Schweigen fühlt der Mensch sich oft gestimmt
Durch mannigfach erwägende Betrachtung;

Doch was die Lust zur Antwort gänzlich nimmt,

Ist tiefgefühlte herzliche Verachtung.

Die bisherigen Erwägungen baben uns noch immer keinen Anhaltspunkt für die Billigkeit der vulgären Forderung geboten, dass der Angegriffene durch Polemik seinen Standpunkt vertiefe, befestige und weiter ausführe. Dies geschieht aber im Allgemeinen besser durch weitere positive Leistungen, durch neue Schriften, welche die Wissenschaft nach speciellen Richtungen productiv bereichern, als durch apologetische Polemik. Gerade wenn Jemand gezeigt hat, dass er zu positiven Leistungen befähigt ist, hat das Publikum auch das Recht, von ihm zu erwarten, dass er seine Kraft zur Hervorbringung solcher verwerthe, nicht aber dieselbe in unfruchtbarer Polemik zersplittere

und aufreibe. Dem widerspricht aber jene Forderung und dieselbe ist daher ebenso unbillig gegen den Angegriffenen als gegen die wahren Interessen der Wissenschaft und des Publikums. Es ist lediglich eine Altweiberschwäche, das letzte Wort haben zu wollen, den Gegner und das Publikum mit Gewalt durch unaufhörliches auf sie Dreinreden bekehren zu wollen und über denjenigen die Achseln zu zucken, der es schweigend zu ertragen weiss, dass Andere gegen ihn das letzte Wort behalten. Wenn das Nöthige von jeder Seite für den betreffenden Standpunkt gesagt ist, so ist es ganz gleichgültig, wer zuerst und wer zuletzt gesprochen; nicht die plaidirenden Anwälte sind zum Richten berufen, sondern das Gericht, das ist aber hier die Geschichte.

Die Forderung, dass der Angegriffene sich durch apologetische Polemik gegen alle kritische Polemik rechtfertigen solle, ist aber nicht bloss unbillig, sie ist auch in vielen Fällen unverständig, weil unerfüllbar, nämlich überall da, wo von sehr vielen verschiedenen Seiten sich die kritische Polemik gegen einen Schriftsteller erhebt. Wer in den letzten Jahren ein Verzeichniss der Darwin-Literatur durchblättert hat, der wird sich durch ein einfaches Rechenexempel überzeugen können, dass Darwin, um alles gegen ihn Geschriebene nur zu lesen, das Essen, Trinken und Schlafen aufgeben und täglich 24 Stunden lesen müsste, ohne auch nur den grösseren Theil der Polemik bewältigen zu können. Für Beantwortung derselben bliebe dabei natürlich gar keine Zeit übrig. Oder man denke sich, dass David Friedrich Strauss gegen jede über seinen „,alten und neuen Glauben" erschienene Streitschrift eine Gegenschrift von nur der halben Länge hätte verfassen wollen, so würden seine letzten Lebensjahre unter Beiseitelassung jeder andern Beschäftigung und Voraussetzung voller Arbeitskraft schwerlich ausgereicht haben. Die Streitschriften-Literatur bildet aber selbst wieder nur den kleinsten Theil der gesammten Polemik; denn weit umfassender ist die Summe der einschlägigen Journalartikel und der gelegentlichen Polemik in Büchern, wo man dieselben dem Titel nach manchmal kaum erwarten sollte. Von directen Streitschriften ist es wenigstens nicht schwer, etwas zu erfahren und dieselben käuflich zu erwerben. Aber wie soll man mit den zahllosen Journalen in Connex bleiben und wie soll man sich eine solche Nummer verschaffen, wenn man wirklich etwas von dem betreffenden Artikel

v. Hartmann, Stud, u. Aufs.

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erfahren hat? Die Erlangung ist bei Ausschluss des Einzelverkaufs oft geradezu unmöglich; aber nichtsdestoweniger ist jede Redaction naiv genug, vorauszusetzen, dass jeder gebildete Mensch ihr Journal doch kennen und verfolgen müsse. Fast noch unmöglicher ist es, die vielen hunderte und tausende der jährlich neu auf den Markt kommenden Bücher zu durchstöbern, um herauszufinden, ob einschlägige Polemik darin ist; selbst wenn das Budget eines einfachen Gelehrten dazu ausreichte, so würde doch seine Zeit nicht dazu langen. Gleichwohl fällt es selten einem Autor ein, dass es nöthig sei, sein Buch dem Angegriffenen direct zuzuschicken, wenn er mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen wolle, dass seine Polemik ihm auch nur der Existenz nach bekannt werde; denn jeder Autor hält sein Buch für so wichtig, dass er die Nichtbeachtung desselben nur aus bösem Willen erklären zu können meint, ohne zu bedenken, dass die unerbittliche Rechenmeisterin Statistik alle solche Illusionen unbarmherzig zerstört.

Zählt man nun alle in besonderen Streitschriften, in Journalen und in der Buchliteratur zerstreute Polemik zusammen, so kommt bei jeder halbwegs Aufsehen erregenden schriftstellerischen Leistung ein Quantum zusammen, welches jedem Einzelnen der Kritiker Bescheidenheit predigen sollte und bei epochemachenden Erscheinungen die Beantwortung des Einzelnen zur physischen Unmöglichkeit macht. Trotzdem bleibt nur zu oft die persönliche Ueberhebung und Eitelkeit unbelehrbar, d. h. jeder der Kritiker denkt: „Wenn der Angegriffene auch Recht haben mag, sich um die Uebrigen nicht zu kümmern, so müsste er doch bei mir eine ganz besondere Ausnahme machen, denn meine Einwendungen treffen den Nagel auf den Kopf, sind vernichtend für sein Princip u. s. w." Schade nur, dass jeder der Vielen so denkt, dass jeder die Ausnahme sein will. Höchstens die Klügsten bescheiden sich damit, dem Richterstuhl des Publikums und der Geschichte ihre entgegengesetzte Ansicht dargelegt zu haben; aber gerade die grösste Bornirtheit ist auch hier wie überall mit der grössten Selbstüberschätzung und Anmassung verbunden.

So stellt sich denn heraus, dass unsere obigen, aus theoretischer Erwägung gezogenen Resultate durch unsere Betrachtung der wissenschaftlichen Polemik von der praktischen Seite nicht nur bestätigt, sondern womöglich noch verstärkt worden. Die gewöhnliche Art

der Polemik, welche sich aus negativer und äusserlicher positiver Polemik zusammensetzt, leistet durchaus nicht, was sie zu leisten prätendirt, verführt zu den widerlichen Auswüchsen der spöttischen, unredlichen und persönlichen Polemik und schadet durch Missleitung des urtheilslosen Publikums, sowie durch Abnützung von Kräften, die zu fruchtbringenderen Leistungen fähig wären, weit mehr, als sie indirect und unbewusst der Wissenschaft nützt. Wo wirklich inhaltlich entgegengesetzte letzte Principien auf einander platzen, sind sie ihrer Natur nach untähig, sich durch Polemik gegenseitig todtzumachen oder den Punkt der Vereinigung zu finden; es bleibt diese Aufgabe dann stets einem Dritten überlassen, der beide überwindet. Die übliche Anforderung der Angreifer und der zuschauenden Masse, dass jeder Angegriffene sich auf rechtfertigende Polemik einlassen müsse, ist wissenschaftlich ungerechtfertigt und praktisch unbillig, wo nicht geradezu unverständig, und es ist desshalb jedem, der sich noch zu werthvolleren positiven Leistungen fähig fühlt, von einer Zeit- und Kräftevergeudung an apologetische Polemik dringend abzurathen, falls er nicht das Bedürfniss hat, seinen Standpunkt nach bestimmten Richtungen klarer darzulegen und fester zu begründen, und falls er für diese Aufgabe nicht eine passendere positive Darstellungsform findet. Wohl aber kann es im Interesse der Wissenschaft nach der Seite ihrer Ausbreitung (also nicht unmittelbar ihrer Fortbildung) liegen, wenn Gesinnungsgenossen eines tonangebenden Schriftstellers ihre jedenfalls verdienstliche propagandistische Thätigkeit für den gemeinsamen principiellen Standpunkt ganz oder theilweise in das Gewand apologetischer Polemik kleiden und so mit der directen Förderung der von ihnen vertretenen Sache zugleich eine Paralysirung des Schadens verknüpfen, den eine unwissenschaftliche und unfruchtbare, wo nicht principien- und gesinnungslose Kritik im Publikum stiftet. Denn allein die immanente positive Kritik hat einen unmittelbaren Werth für die Wissenschaft, und diesem Ideal muss alle Kritik und Polemik zustreben; so lange aber die negative, äusserliche, principienlose und vorurtheilsvolle Kritik im Publikum ein gewisses Ansehen geniesst, so lange wird es nicht ohne Werth sein, ihr stets von neuem die Maske herunterzureissen und ihren Unwerth auch im besonderen Falle blosszulegen, wie ich es in den vorangehenden Betrachtungen im Allgemeinen versucht habe.

III. Leibniz als praktischer Optimist.

(1870.)

Wir haben nicht wie andere Länder eine Gelehrtenbiographie... Denn Deutschland allein von allen Ländern hat kein Auge, die herrlichen Anlagen und Keime seines Bodens zu erkennen und ihnen die Unsterblichkeit zu sichern. Es vergisst sich selbst und die Seinen, wenn es nicht von den Fremden an seinen eigenen Reichthum erinnert wird." Diese Worte des grossen Leibniz, wie wahr sind sie noch heute, und wie bitter haben sie sich an ihm selbst erfüllt! Die erste Gesammtausgabe der Leibniz'schen Werke von dem Genfer Dutens enthält nur zwei politische Schriften und nur eine deutsche Schrift überhaupt; selbst unsere neuesten Literarhistoriker wissen von Leibniz' politischer Wirksamkeit spottwenig und meinen gar, es sei Leibniz fast ebenso schwer wie Friedrich dem Grossen geworden, sich deutsch auszudrücken. Durch die neueren Forschungen und Veröffentlichungen (von Guhrauer, Foucher de Careil, Pertz, Onno Klopp, Pfleiderer u. a. m.) ist nun aber die Zahl der an's Licht gestellten politischen Schriften bereits eine überraschend grosse geworden, und seine deutschen Schriften allein füllen jetzt mehrere Bände. Dabei aber ist gar nicht zu ermessen, wie viel später noch zu Tage kommen wird. Man kann also mit Recht sagen, dass wir uns jetzt recht eigentlich in einem Stadium der Wiederentdeckung unseres grossen Landsmannes befinden, das noch keineswegs zum Abschluss gelangt ist. Es ist unverantwortlich, dass die frühere hannoversche Regierung die in ihren Archiven ruhenden Geistesschätze jahrhundertelang hat verkümmern lassen, und tief zu beklagen, dass die preussische Regierung, als sie sich veranlasst sah, Onno Klopp die Herausgabe zu entziehen, nicht für

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