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Im Jahre 1842 wohnte in Berlin in der Linienstrasse 112 ein Hauptmann der Artillerie. Seine Frau wurde am 23. Februar durch ihren Vater, Dr. med. Dohse, von einem derben Knaben entbunden, der in der Taufe die Namen Karl Robert Eduard erhielt, und das einzige Kind dieser Ehe bleiben sollte. Der Vater war zur „Artillerieprüfungscommission" commandirt, d. h. der Commission, welche Vorschläge zur Vervollkommnung des Artilleriematerials auszuarbeiten und praktisch zu prüfen hat, und hatte in dieser Stellung die für einen Offizier ungewöhnliche Annehmlichkeit, in derselben Garrison zu verbleiben, bis er im Jahre 1864 als Generalmajor aus der activen Armee schied. Dieser Umstand ersparte meiner Erziehung und Ausbildung den sonst bei Offizierssöhnen nachtheiligen Wechsel der Schulen, und liess mich in jeder Beziehung zu einem echten Berliner Kinde werden.

Als einziger Gegenstand für die Zärtlichkeit der Mutter und die Sorgfalt des Vaters erfreute ich mich einer ebenso liebevollen als geistig anregenden Erziehung, und als nach dem Tode des Vaters meiner Mutter eine unverheirathete Schwester derselben sich unserm Hausstande anschloss, hatte ich sogar das seltene Glück, zwei Mütter zu besitzen. Dabei sorgte aber der ernste und consequente Charakter meines Vaters für die einem Knaben gegenüber erforderliche Strenge und für die Abwehr jeder Verzärtelung.

Ein geistig gewecktes Kind, das ohne Geschwister aufwächst, bekommt leicht in frühen Jahren einen altklugen Anstrich, und dieser blieb auch mir nicht erspart, ohne dass die Kindlichkeit des Empfindens dadurch angetastet wurde. Mein Vater, der sich viel mit

mir beschäftigte, und durch seine streng rationelle Auffassungsweise aller Gegenstände den kindlichen Verstand früh weckte, gab meinen Drängen nach geistigem Fortschritt soweit nach, dass er mich in meinem vierten Lebensjahre beim Spielen mit Pappbuchstaben lesen lehrte, im fünften eine, und im sechsten zwei Stunden täglich durch einen Seminaristen unterrichten liess. So vorbereitet übersprang ich bei meinem Eintritt in die kgl. Seminarschule zu Berlin zu Ostern 1848 drei Classen, und fand mich von da an stets Classencameraden gegenüber, die im Durchschnitt beträchtlich älter waren als ich. In Folge dessen war auch mein Verkehr ausser der Schule fast immer auf etwas ältere Knaben beschränkt, was natürlich auf die Frühreife meiner Entwicklung nicht ohne Einfluss bleiben konnte.

Ausser einer tüchtigen Grundlage im Lateinischen erhielt ich in den beiden oberen Classen der Seminarschule wichtige Anregungen einerseits für Naturwissenschaften und Mathematik, andererseits für Religion und deutsche Literatur, in welchen Fächern bereits die Gymnasialtertia anticipirt, ja sogar Physik gelehrt wurde. Den Religionsunterricht gab der Director, nachmalige Stadtschulrath Fürbringer, in einer Klarheit und Schärfe der Begriffsbestimmungen, die ich später nicht wieder gehört, und die meinem bis dahin latenten metaphysischen Bedürfniss den ersten mächtigen Anstoss gaben. Es war diese Zeit (mein zehntes Lebensjahr) die einzige in meinem Leben, wo ich dem christlichen Theismus positiv näher getreten bin, wenngleich ich schon damals den Vorzug der Lutherischen Abendmahlslehre vor der reformirten, die Berechtigung der Kindertaufe, den Ausschluss der todtgeborenen Kinder und der Hausthiere von der Unsterblichkeit und manches andere schlechterdings nicht begreifen konnte, worüber sich zehnjährige Knaben sonst wohl kein Kopfzerbrechen machen. Der Oberlehrer Reinbott liess uns in der deutschen Stunde die Hauptdichtungen Schillers, Goethes, Lessings und Körners mit vertheilten Rollen lesen, und vereinigte uns Sonnabends Abends zu gleichem Zweck in seiner Wohnung beim Thee. Für den hier gelegten Grund zu meiner Begeisterung für die höchsten idealen Ziele der Menschheit habe ich noch heute Grund, ihm dankbar zu sein. Die Musik wurde auf der Seminarschule unter Leitung des verdienstvollen Musikdirektors Erk, des Wiederbelebers des deutschen

Volksliedes für die Volksschule, besonders eifrig gepflegt, und auch hierdurch Keime in mir gepflanzt, welche später sich fortentwickeln sollten, und vorläufig durch einen von meiner Seite sehr träge benutzten häuslichen Clavierunterricht Pflege erhielten. In dieser Schule erwuchs ein Freundschaftskleeblatt, welches, abgesehen von zeitweiliger Trennung durch äussere Verhältnisse, treuen Bestand hatte, bis im Frühjahr 1869 von den drei Freunden der eine während des Assessorexamens, der andere während der Hochzeitsreise vom Tode ereilt wurde.

Vom Gesichtspunkt einer gleichförmig fortschreitenden Schulbildung war das letzte Jahr auf der Seminarschule gewiss vom Uebel gewesen, für die Erweckung tieferen geistigen Strebens nach idealen und wissenschaftlichen Zielen und für die Erweiterung des ganzen Gesichtskreises war es aber von unschätzbarem Werth, um so mehr, als ich jung genug war, um bei einiger Verzögerung des gradlinigen Fortschritts nichts zu versäumen. Die Resultate zeigten sich am deutlichsten darin, dass ich, während ich auf der Seminarschule Mühe gehabt hatte, mitzukommen, seit meinem Eintritt in die Quarta des unter der renommirten Leitung des Director Bonnell stehenden Friedrichs-Werder'schen Gymnasiums (Ostern 1852) zu den besten Schülern gehörte. Die drei Jahre in Tertia und Untersecunda boten mir wenig genug Anregung, und ich suchte für die völlige Unbefriedigung durch den Lernstoff der Schule Entschädigung in heisshungriger Romanlectüre. Die französischen Romane verschmähte ich, die deutschen jener Zeit sprachen mich wenig an, desto gieriger aber verschlang ich auf den Wegen zu und von der Schule, in den Zwischenstunden, in den Lehrstunden selbst und in meiner freien Zeit die Walter Scott, Cooper, Marryat, James, Bulwer nnd Dickens nebst manchen Anderen.

Mit der Versetzung nach Obersecunda (October 1855) trat hierin ein Umschlag ein. An den Romanen hatte ich mich gründlich und für die Dauer gesättigt, dagegen fingen die Lehrstunden an, mich theilweise zu interessiren, und in der Mussezeit nahm die Musik und bald auch das Zeichnen einen hervorragenden Platz in Anspruch. Als Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften war zu derselben Zeit der jetzige Stadtschulrath Professor Bertram in das Lehrercollogium des Friedrichs-Werder'schen Gymnasiums eingetreten, der seine Aufgabe mit jugendlicher Frische und Eifer ergriff,

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