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Wenn wir aber mit derselben Aufrichtigkeit wie jener Todesge fährte des Herrn erkennen, daß er nichts ungeschikktes gehandelt, sondern recht gethan, so wie er that, den heiligen Willen seines Vaters zu erfüllen beides lebend und sterbend; wenn es eben so eifrig unser Wunsch ist, daß er unsrer gedenken möge, nachdem er in sein Reich eingegangen ist, und daß er uns denen zugeselle, bei denen er sein will mit seinem Geiste immerdar: o dann werden auch wir lebend und sterbend mit jenem die Seligkeit des Wortes erfahren, Heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Amen.

IX.

Der lezte Blikk auf das Leben.

Passionspredigt.

Text. Joh. 19, 30.

Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er, Es ist vollbracht.

Das größte und herrlichste in. a. Fr. unter den lezten Worten

unsers Erlösers am Kreuz schließt sich unmittelbar an das schein. bar unbedeutendste und geringfügigste. Der Herr rief, Mich dürftet; da wurde ihm dargereicht der befeuchtete Schwamm; und als er den nicht angenehmen, aber doch lindernden Trunk genoms men hatte, rief er, Es ist vollbracht. Und wir dürfen den Zu sammenhang dieser Worte nicht stören, weil der Apostel sie eben dadurch auf das innigste verbunden hat, daß ehe er uns jenes berichtet er schon sagt, Als nun Jesus merkte, daß alles voll, bracht sei, auf daß die Schrift erfüllet würde. Wie nun jenes das unscheinbarste ist unter den lezten Worten Christi, da es für sich betrachtet nur die Befriedigung eines leiblichen Bedürfnisses zum Gegenstande hat: so ist unstreitig dieses das größte unter den lezten Worten des Erlösers; es ist dasjenige, welches von jeher gleichsam der Anker für den Glauben der Christen gewesen ist, das Wort, in welchem sich ihnen dieses vollkommen bewährt und verherrlicht hat, daß den Menschen nach dem göttlichen Rath auf. keinem andern Wege Heil erworben werden konnte, als daß der,

welcher zu threm Heil in die. Welt gesandt war, gehorsam sein mußte bis zum Tode am Kreuz. Richtet sich aber unsere Aufs merksamkeit auf dieses große Wort allein: so überwältigt uns die Unendlichkeit des Gegenstandes, und wir müssen uns freuen, daß eben der Apostel, der uns dieses Wort aufbewahrt hat, uns auch einen Schlüssel dazu hinterlassen hat, der unsrer Betrachtung eine bestimmtere Richtung giebt. Einen solchen nämlich finden wir in jenen vorhergehenden Worten, Als Jesus merkte, daß alles voll, bracht war, auf daß die Schrift erfüllet würde, spricht er, Mich dürstet. In dieser Vergleichung alles dessen was ihm bis jezt begegnet war mit den göttlichen Verheißungen, wie sie sich in der ganzen Reihe der Offenbarungen in dem geschriebenen Worte Gottes ausgesprochen haben, mit dieser Vergleichung wußte Jo. hannes die Seele des Erlösers beschäftigt; und indem er Verheißung und Erfüllung gegen einander hielt und die Vollendung des göttlichen Rathschlusses auf diese Weise auch menschlich inne ward, rief er, Es ist vollbracht!

Alles war freilich noch nicht vollbracht in jenem Augenblikk. Wie unsere Erlösung von der Sünde und unsere Rechtfertigung vor Gott zusammenhängen: so auch dieses, daß der da sterben mußte um unsrer Sünde willen auch mußte auferwekkt werden um unsrer Gerechtigkeit willen. Wie das zusammenhing, daß feine Jünger nur in ihm den Vater sahen, und daß er, als er die Welt wieder verließ, auch wieder hinging zum Vater: so auch dieses, daß er die feinigen liebte, und daß er sie nicht konnte Waisen lassen, sondern ihnen einen andern Tröster senden mußte, der bei ihnen und nach ihnen auch bei uns bliebe, den Geist der Wahrheit. Aber das geistige Auge des Erlösers sah alles voll. bracht in dem heiligen Augenblikke seines Todes; und eben darum ist dieser auch für uns der Mittelpunkt unsers Glaubens. Denn damit daß er gehorsam war bis zum Tode hat er uns erworben den lebendig machenden Geist; darin daß er gelitten hat ist er gekrönt worden mit Preis und Ehre. Konnte er also in dem Augenblikk seines Todes in diesem Sinne sagen, Es ist vollbracht: so mußte er seinen Tod in diesem unendlichen Zusammenhang betrachten, welcher beginnt mit der ersten Verheißung, die dem ges fallenen Menschen gegeben wurde über den Saamen des Weibes und sich erstrekkt bis hinaus in jene Unendlichkeit, wo er alle dies jenigen, die der Vater ihm gegeben, diesem auch zuführen wird, damit sie Theil haben an dem Preis und an der Herrlichkeit, wo. mit er gekrönt worden ist. Auch dieses nun ist freilich vollkoms men wahr: wir aber wollen zurükkkehren in die bestimmtere Nich,

tung, die uns der Apostel anweiset, und uns darauf beschränken, dieses Wort überhaupt als den lezten Blikk auf das zus rükkgelegte Leben zu betrachten, und zwar zuerst so wie der Erlöser darin die Erfüllung seiner Bestimmung während dieses irdischen Lebens anerkannt; dann aber auch zweitens so daß wir, wie unser Herz uns dazu drångt, das große Wort des Herrn auch auf uns selbst anwenden.

I. Wie der Erlöser m. g. Fr. so oft in seinem Leben gesagt hat, des Menschen Sohn thue nichts von ihm selber, sondern nur was er den Vater thun sehe, das thue er, und was er von ihm höre, das rede er: so müssen wir es natürlich finden, daß er bes ständig und bei seiner Erhabenheit über alle menschliche Schwäche des Geistes auch jezt noch in diesen lezten schmerzvollen Lebensstunden in der tiefsinnigsten Betrachtung der Wege Gottes bes griffen war; und so waren ihm auch alle auf ihn bezüglichen Worte der göttlichen Offenbarungen im ́alten Bunde gegenwärtig in seiner Seele. Davon haben wir auch schon in seinen früheren Worten am Kreuze ein Beispiel gesehen, wie auch die Schmerzen und Kränkungen, die er zu erdulden hatte, ihm Worte der heiligen Schrift ins Gedächtniß zurükkriefen, und er dies und jenes aus derselben auf seinen Zustand anwendete. Aber gewiß m. g. Fr., wir würden ihn schlecht verstehen, wenn wir glaubten, diese Einzelnheiten wären es gewesen, in denen er alles vollbracht fand auf daß die Schrift erfüllet würde. Daß er dort am Kreuze hing umgeben von den mächtigen Feinden, die feinen Tod herbeis geführt hatten; daß seine Gebeine verschmachteten und seine Zunge an seinem Gaumen klebte; daß er sah, wie seine Kleider von den Kriegsknechten getheilt wurden und das Loos geworfen über sein Gewand: die Betrachtung solcher einzelnen Umstände und die Ver gleichung derselben mit den Worten des Pfalmes konnte zwar die Aufmerksamkeit des leidenden Erlösers einigermaßen und wol mehr als bei einem anderen der Fall gewesen sein würde von dem quå, lenden Gefühl des körperlichen Schmerzes ablenken; aber ausfüllen feine immer auf größere Dinge gerichtete Seele konnten diese aus ßeren Umstände nicht, und sie waren es nicht, um derentwillen er mit solcher Befriedigung ausrief, Es ist vollbracht!

Müssen wir also größeres suchen, so wollen wir doch nicht unsern eigenen Gedanken den Zügel schießen lassen, die Christum doch gewiß nicht erreichen würden; sondern an solche Worte der Schrift wollen wir denken, welche seine Jünger, wenn sie von dem wesentlichen in seinem Leben reden, mit begeisterter Zustimmung

auf ihn anwenden, und welche ihm zugleich am natürlichsten hier mußten vor die Seele treten. Wo fånden wir nun seinen ganzen Beruf in Bezug auf das verfallene und erkrankte Menschenge. schlecht vollkommner ausgesprochen, als zuerst in jenen Worten des Propheten, in denen uns einer der Evangelisten die ganze Handlungsweise des Erlösers darstellt, ich meine die eben so mil den als kräftigen Worte, Er wird das geknikkte Rohr nicht zers brechen und das glimmende Docht nicht auslöschen: Worte, die nun durch das, was er während seines bisherigen Berufslebens gethan hatte und was er nun that indem er starb, an dem ganzen menschlichen Geschlecht in Erfüllung gingen, welches wol nur angesehen werden konnte als ein geknikktes Rohr und eine vers glimmende Kerze: so daß er nun auch mitten im Tode, ja einsam dahinsterbend sich doch aufgefordert fühlen konnte, mit demjenigen dem er die Worte abgeliehen hatte, Mein Gott, mein Gott, wars um hast du mich verlassen, den Namen seines Vaters in einer großen Gemeine zu preisen und zu verherrlichen. Und so fand er auch jenes andere Wort vollkommen erfüllt, welches überall seine Jünger auf ihn anwenden, daß er auf sich geladen unsre Krankheit, auf daß wir durch seine Schmerzen heil würden, das war es, was er jezt bei dem lezten Blikk auf sein Leben vollbracht fah, auf daß die Schrift erfüllet würde.

Allein m. g. Fr. den ganzen Werth dieses lezten Wortes Christi können wir erst recht fühlen, wenn wir uns in die damas lige Zeit und in die Gemüthsstimmung aller derer hineinzuversezen wissen, die mit einem noch schwachen und unvollkommnen Glauben dem Herrn anhingen. Als er zu dem Feste, welches das Fest wurde seines Todes und seiner Auferstehung, in die Hauptstadt seines Volkes einsog und dabei von tausenden als derjenige bes grüßt wurde, der da komme in dem Namen des Herrn als der verheißene Sohn Davids; als die Palmen, das Zeichen des siegreichen und mit dem Siege den Frieden bringenden Herrschers, zu seinen Füßen hingestreut wurden: was für Erwartungen lebten wol damals in den Gemüthern dieser freudetrunkenen Menge, welche von allen Seiten herbeiftrömte um an diesem herrlichen Einzuge theilzunehmen? Leider vorzüglich Erwartungen einer äußern Herrlichkeit und Macht, Erwartungen, die der Erlöser nie genährt hat und die zu erfüllen er nicht gekommen war. Aber auch seine Jünger, wiewol viele Worte in ihrem Gedächtniß leben mußten, durch welche der Erlöser öfters, ja bei allen Gelegenheiten ihre Hoffnungen und ihre Liebe von der Herrlichkeit dieser Erde abges lenkt und sie auf die geistige Welt, die ihm als ihrem Herrn und

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