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allgemeinen Bekenntnisses der Sünde vor Gott und der einzelnen vertrauten Mittheilung an einen Mitchristen vor Augen!

Und nun habe ich nur noch wenige Worte über das dritte zu sagen, weshalb wir nämlich in unserer evangelischen Kirche überhaupt eine Aufzählung der Sünde gar nicht für nothwendig erachten und keinen Christen dazu auffordern.. Denn es muß jes bem bald einleuchten, daß ein solches Gebot der einzelnen Auf zählung der Sünden vielerlei Mißverständnisse hervorrufen und eine Quelle mannigfacher Verderbniß werden mußte, sowol in Beziehung auf das Bewußtsein der Sünde, als auf die Art und Weise uns von derselben zu lösen. Zuvörderst m. gel. seid ihr gewiß darin mit mir einig, nur das sei das richtige Bewußtsein, mithin auch das wahre Bekenntniß der Sünde, nicht daß wir viel oder wenig einzelne Sünden begangen haben, sondern daß wir, wenn wir doch die Sünde haben, sie auch überall haben. Was kann es dann aber helfen die einzelnen Sünden aufzählen, da wir ja, wenn wir es irgend genau nehmen wollten, alle un sere Handlungen aufzählen müßten, diejenigen gar nicht ausge nommen, von denen wir uns mit voller Wahrheit das Zeugniß geben können, daß sie von der Liebe zu Gott und zum Erlöser ausgegangen sind? Denn überall ist es ja nur die Sünde, wie sie sich in einem jeden besonders gestaltet, welche die Vollkom menheit unserer einzelnen Handlungen hindert, und eben in dies fen Unvollkommenheiten werden wir am sichersten die Spur der Sünde auffinden, auch der, die sich in besonderen Handlungen nicht zeigen würde. Darum ist das ganz gewiß ein wahres Wort, Wer kann wissen wie oft wir fehlen? und darum hat auch der Psalmist schon das Gebet und die Hoffnung, daß Gott auch die verborgenen Fehler verzeihen werde *). Wozu daher die quålende Mühseligkeit die einzelnen Sünden aufzuzählen? Die Aufgabe wåre doch eine unendliche, der wir nie Genüge leisten könnten. Es könnte sich dabei ja gar nicht handeln um einzelne Thaten, sondern es müßte eine Aufzählung des ganzen Lebens sein, so wie sie warlich wenige von uns selbst würden geben können. Aber das ist auch gar nicht der Wille Gottes; das Leben mit seinen Unvollkommenheiten und Mängeln soll nur einmal gelebt fein. Sollen wir wahrhaft vergessen was dahinten ist, so müss sen wir auch das unvollkommne und sündliche darin vergessen, und wir dürfen es in dem redlichen Bewußtsein, daß die Gewalt des Fleisches von einer Zeit zur andern gedämpft worden ist,

*) Pf. 19, 13.

und daß wir wahrhaft streben nach dem, was da vor uns liegt. Aber immer wieder so genau in die Vergangenheit zurükkgehen, gleichsam Jagd machen auf alle einzelne Spuren des Verderbens, das wir doch in seinen großen Zügen kennen, daß gewährt keis nen wahren Wachsthum an Selbsterkenntniß; nur der Schein davon wird zu unserm großen Schaden eine Nahrung für eine neue falsche Selbstzufriedenheit. Denn wie leicht kann es Zeiten geben, wo wir weniger Handlungen aufzuzählen wissen, wegen des ren unser Gewissen uns gestraft hat; und doch sind es Zeiten der Geistesträgheit und Stumpffinnigkeit gewesen, Zeiten wo wir schliefen, und der Feind Unkraut såen konnte in die Seele. Wie wird also nicht die Aufmerksamkeit durch diese scheinbare Gründlichkeit in vielen Fällen nur abgelenkt von dem, was uns eigentlich noth thäte zu wissen! und noch dazu wie leicht schmeichelt fich ein eitles Gemüth damit, als ob die Aufrichtigkeit und Leichtigkeit des Bekenntnisses selbst ein glükkliches Zeichen wäre von dem Ernst in der Heiligung, während doch der Inhalt des Bekenntnisses sich immer gleich bleibt und keinen Fortschritt bekuns det. Und nun was dies andere betrifft, wie wurden durch diese Anordnungen die Christen irre geführt in Hinsicht des Loskommens von der Sünde! Welche Abwege eröffnen sich nach beiden Seiten hin! Wenn nun die Gewißheit der Vergebung abs hängt von der Richtigkeit der Aufzählung, und der würdige Genuß des Sakramentes von der Vollständigkeit der erhaltenen Vergebung: welche Qual wird ångstlichen Gemüthern bereitet, die sich nicht so leicht bei den verschiedenen Abstufungen, die unter den Sünden gemacht werden, beruhigen können. Und auf der ans dern Seite, welch ein gefährlicher Reiz für die leichtsinnigen! wie bewußtlos kann die Sicherheit, daß auf das Bekenntniß auch die Vergebung erfolge, doch darauf wirken, daß sie der Versus chung cher nachgeben, im Widerstande eher ermüden und sich demnach in eine bedenkliche Ruhe einwiegen! Nehmen wir noch hinzu, wie genau dies beides zusammenhängt, die Sünde nur in den einzelnen Handlungen suchen, und die Vergebung derselben durch andere einzelne Handlungen bedingen wollen, welche jenen gleichsam das Gegengewicht halten sollen: so können wir uns freilich nicht wundern, wie auch dieser Wahn allgemein gewors den war von dem genugthuenden Werth äußerer Werke. das muß uns einleuchten, wie fast unvermeidlich hiedurch die Christen zu einer verderblichen Sicherheit über ihren innern Zustand mußten verleitet werden; und indem sie fast angewiesen wurden in solchen Werken ihre Beruhigung zu finden, die von

Aber

gar keinem Einfluß auf das innere fein konnten, wie leicht sie mußten von dem rechten Wege der Heiligung abkommen. Dar um laßt uns Gott danken, daß wir in unserer evangelischen Kirche gelöst sind von diesem gefährlichen Gebot einer Aufzählung der begangenen Sünden, und daß wir um so mehr zurükkgeführt wer den auf den innersten Grund des Herzens. Prüfen wir den fleis sig vor Gott, suchen wir ihn immer mehr zu reinigen und uns

wie es uns vorgehalten wird, wenn wir gemeinsam unsere Sünde bekennen der Hülfe Chrifti recht zu getrösten und uns ser Leben immer mehr Gott zu heiligen: so bedürfen wir weder eines Bekenntnisses noch einer Vergebung einzelner Sünden vor andern und von andern, außer in sofern wir gegen sie gefehlt haben, sei es unmittelbar oder sei es durch Anstoß und Aergerniß. Vielmehr haben wir, was Vergebung des einzelnen betrifft, genug daran, wenn nur unser Herz uns streng und rechtschaffen verdammt). Denn daran merken wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und erfahren zugleich, daß Gott größer ist als unser Herz, und bedürfen keines Menschen weiter um wieder Freudigkeit zu Gott zu haben und unser Herz vor ihm zu stillen. Sind wir aber darin fest geworden, daß sich was unsre Vergebung und unser Heil betrifft kein Mensch zwischen uns und unsern wahren Hohenpriester stellen darf, und daß wir für keinen Ses gen, der irgend in Christo ist, noch eines Menschen bedürfen; sind wir fest geworden in dieser rechten Freiheit der Kinder Gottes, daß jeder für sich und jeder für alle freien Zugang hat zu dem unvergänglichen Gnadenstuhl: dann hebt sich auch der Segen in seinem unverfälschten eigenthümlichen Werth um desto herrlicher hervor, der auf einem freien Bekenntniß ruht, welches wir in ein festeres und kräftigeres Herz niederlegen. Und wie genau gehört beides zusammen! Habt ihr euch frei gemacht vom Wahn der Menschensazungen; ist es deutlich zu erkennen, daß ihr euch auf den einen Grund Christum allein erbauen wollt: wie sollte nicht jeder desto bereitwilliger sein euch in treuer christlicher Liebe anzufassen und euer Vertrauen mit Trost und Beistand zu krönen, wo ihr dessen nur irgend bedürft? Wenn unsere gesellschaftlichen Gewöhnungen auf so vielfältige Weise Menschen trennen und, statt daß das Gemüth sich nur nach eigner Wahl anschließen will oder absondern, mit eiserner Gewalt nach einem ganz andern Maaßstab Menschen zusammenschmieden oder von einander scheiden, so zeigt sich die einigende Kraft des christlichen Glaubens

*) 1 Joh. 3, 19-21.

nicht stärker als in Verbindungen, die über alle jene Einhegungen hinschreitend nur durch das Vertrauen des Bekenntnisses und durch die Hülfsleistungen des Gebetes und der Ermahnung bes stehen. Möge dieser Segen des Bekenntnisses sich unter uns immer reichlicher erweisen und sich so bewähren als die heilsame Frucht jener Befreiung von drükkenden Banden! möge nun jedes Mitglied unserer Gemeinschaft rechten Fleiß daran wenden sich entweder mit denen, welche ihm dazu als Diener des Wortes zunächst zugewiesen sind, auf eine solche Weise zu verständigen, daß sie mit Nuzen seiner Seele wahrnehmen können, oder den zu suchen in der Gemeine der gläubigen, der ihm für sein geistiges Bedürfniß am besten den gemeinsamen und höchsten Freund der Seele, der nicht mehr unter uns wandelt, nicht ersezen aber doch vergegenwärtigen kann: dann würde sich kein Schaaf mehr verirren von der Heerde, sondern alle würden in jedem bedenklichen Augenblikk seine Stimme hören und ihr folgen, und so die ganze Gemeine sich immer mehr gestalten zu seinem Wohlgefallen. Amen.

VII.

Vom öffentlichen Dienst am göttlichen Wort.

Text. Eph. 4, 11 — 12.

Und er hat etliche zu Aposteln gesezt, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern: daß die heiligen zugerichtet werden zum Werk des Amts, dadurch der Leib Christi erbauet werde.

M. a. Fr. Das, was wir eben mit einander gesungen ha

ben *), scheint mit diesen Worten des Apostels auf den ersten Anblikk in einem sonderbaren Widerspruch zu stehen. Unser Gesang verkündigt das volle freudige Bewußtsein des Antheils an dem göttlichen Geist, dessen sich alle Christen erfreuen; das Bewußts sein der seligen Gemeinschaft, zu der sie vereinigt sind unter dem Schirm und der Leitung des göttlichen Wortes, welches in ihnen allen wirksam geworden ist zu einem wahren geistigen Leben. Wenn wir nun alle in dieser Gemeinschaft stehen; wenn das in uns allen Wahrheit geworden ist, was wir gesungen haben; wenn wir uns so unter einander begrüßen, so oft wir uns sehen, am meisten aber hier, wo wir uns als Glieder dieser Gemeinschaft versammeln: so werden wir zwar glauben, was der Apostel in den Worten unseres Textes sagt sei ohne Zweifel eine weise Eins richtung gewesen für jene erste Zeit der christlichen Kirche; daß sie aber auch jezt noch unter uns heilsam oder gar nothwendig

*) Lied 315.

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