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mehr für ihre Kinder, die Kinder vernachlässigten ihre Eltern. Freunde verließen die Freunde, das Gesinde ihre Herrschaft. Ganze Häuser standen von Menschen ver= lassen und Niemand wagte es, über ihre Schwelle zu gehen. Handelsschiffe trieben auf dem Meere herum ohne Schiffsleute. Man redete mancherlei über den Ursprung dieser Seuche, und suchte nach natürlichen Ursachen, wie der unbußfertige Mensch so gern thut bei Heimsuchungen Gottes. Man schob sogar in roher Verblendung die Schuld auf das Volk, welches den Herrn getödtet, sagte, die Juden hätten allenthalben die Brunnen vergiftet, und begann sie an vielen Orten auf die grausamste Weise zu verfolgen. Andere hofften, daß der Kaiser Friedrich der II. wieder erscheinen werde, um Frieden und Gerechtigkeit auf Erden wieder herzustellen, um die Geistlichen zu strafen und den unterdrückten Armen zu ihrem Rechte zu. verhelfen. Die Meisten jedoch fühlten wohl, daß es eine Schickung Gottes sei, um die Menschen zu strafen und zur Buße zu führen. Nur fehlte ihnen die Erkenntniß des Weges, auf dem der wahre evangelische Trost ge= funden wird. Vergeblich suchten sie solchen in selbstge= machten Uebungen, Wallfahrten und Geißelungen. Zu den Städten, auch nach Straßburg, sah man große Schaaren in Procession kommen; sie gingen paarweise, Männer, Weiber und junge Leute, Priester und Laien, alle baarfuß und hatten alle Mäntlein an und Hüte auf mit rothen Kreuzen. Vor ihnen wurden Fahnen getragen von Sammet und Seidenzeug. Wo sie in Städte und Dörfer kamen, trug man ihnen Kerzen vor und läutete mit den Glocken. Unter dem Gesang eines besonderen Liedes, "Lais" genannt, zogen sie ein. Wenn sie in die

Kirchen kamen, so knieeten sie nieder und sangen: „Jesus der ward gelabt mit Gallen, deß sollen wir alle am Kreuze fallen." Dann fielen sie alle kreuzweise auf die Erde, daß es klapperte. Hatten sie eine Weile so gelegen, so hob ihr Vorsänger an und sang: „Nun hebet auf eure Hände, daß Gott dies große Sterben wende;" nun hebet auf eure Arme, daß Gott sich über uns erbarme." Darauf erhoben sie sich und geißelten sich selbst mit vierfach gewundenen Geißeln, an deren jedem Knoten ein eiserner Pflock befestigt war. Dabei sangen sie: „Stehe auf zu der reinen Marter Ehre und hüte dich vor Sünden mehre." Nachdem sie noch einige andere „Lais" gesungen, las einer unter ihnen einen Brief vor, von dem sie vorgaben: ein Engel hätte ihn vom Himmel hergebracht. War dieses geschehen, so zogen sie wieder singend in der Stadt herum, paarweise den vorangetragenen Fahnen und Kerzen folgend.

Im Anfang hatte das Volk große Andacht bei diesen Aufzügen und weinte. Viele gesellten sich an allen Orten zu ihnen und wurden Geißler, in Straßburg allein mehr als 1000 Mann. Ihre Regel gebot ihnen, so viel in die Brüderschaft mitzubringen, daß einem Jeden täglich vier Pfennige angerechnet werden könnten. Sie durften keine Herberge heischen, desto mehr aber wetteiferten die Leute, ihrer zu zehn, zwanzig und noch mehr zu sich einzuladen. Indeß dauerte die ganze Geißlerfahrt nur ein halbes Jahr. Auch in Straßburg wurde man ihrer müde und wollte ihnen nicht mehr entgegenstürmen." Die Unordnungen, welche solche Züge anrichteten, wurden allmählig zu groß; ihre angeblichen Offenbarungen erregten je länger je mehr Mißtrauen, da man entdeckte, daß sie

auch oft mit Lug und Trug umgingen. Daher machten geistliche und weltliche Obrigkeiten den Geißelbrüderschaften so bald ein Ende. Indeß blieben sie ein denkwürdiges Zeichen von der großen geistlichen und leiblichen Noth, welche damals über dem Volke lagerte.

In den Schriften Taulers, die uns bekannt sind, findet sich diese schwärmerische Verirrung zwar nicht na= mentlich genannt. Doch wirkte er sehr nachdrucksvoll ihr entgegen, indem er den evangelischen Weg predigte, wie der Christ die von Gott ihm auferlegten Leiden zu seinem Segen ertragen solle. Es habe, sagt Tauler in der Nachfolge Christi, noch kein wahrhaftiger Freund Gottes auf Erden gelebt, der nicht viel zu leiden gehabt hätte, äußerlich und innerlich. Aber alle Leiden seien ihm auch Quellen des Trostes und der Freude geworden. Durch Leiden hilft ihm Gott vorwärts auf dem Wege der Vollkommenheit. Die Schule des Leidens ist die einzige unumgängliche Schule der wahren Weisheit und Selbsterkenntniß. Leiden wird durch Leiden besiegt und bringt den Menschen am meisten in die Gemeinschaft Gottes. Durch das Leiden. Christi hat Gott den sündhaften und in seinen Sünden ihm widerstrebenden Menschen besiegt und besiegt ihn fortwährend. Aber es ist auch kein Leiden besser, als was dir Gott auferlegt oder durch Andere anthun läßt. Hier zeige deine Geduld! Aber gerade in solchem Leiden ist die Geduld seltener, als in dem, das sich der Mensch selbst auferlegt. Und in einer Predigt am 5. Sonntage in der Fasten sagt Tauler: Die Kräfte des Menschen müssen sich frei, willig und ganz allen Gerichten Gottes unterwerfen, und es ist nicht nöthig, daß der Mensch sich selbst noch nach eigener Wahl Lasten auflade, um seine

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Natur zu peinigen: er soll nur in wahrer Demuth sich Gott ganz und gar unterwerfen und die Last gutwillig tragen, die ihm Gott alle Tage zuschickt. Er soll sie, wie auch sonst die Gut und Wohlthaten anders nicht, als von Gottes Hand annehmen, geduldig tragen und dazu aus rechter Liebe und mit großer Dankbarkeit. Denn Gott weiß wohl, wenn und was für Last er uns aufladen soll.

Neben diesen Belehrungen drang Tauler beständig auf ernstliche Buße. Die Rückkehr zum wahren lebendigen Glauben und zur thätigen Liebe, das allein könnte der Christenheit helfen und den Zorn Gottes abwenden. Durch alle seine Predigten zieht sich die wehmüthige Klage über die Zerrissenheit und den Verfall in der Christenheit in damaliger Zeit. Nicht mit tobenden Eifer, sondern mit dem innigsten Schmerze eines von Liebe und Mitleid erfüllten Herzens flagt, warnt und straft er. Gott und Christum habe man vergessen und sich den vergänglichen Creaturen in blinder Selbstsucht zugewendet, darum komme solches Unglück. Kinder! ruft er, das ist der größte Jammer, den des Menschen Herz begreifen mag. Und wüßte man, was darnach kommen wird, man würde vor Angst vergehen vor der Rache und dem Zorne Gottes. Aber das wird nicht geachtet, als ob es ein Spott sei, und solcher Sinn ist leider in Gewohnheit gekommen und er soll sogar eine Ehre heißen, als ob Alles nur Spiel sei. O alle Heiligen, würden sie das sehen, sie würden blutige Thränen weinen. Wegen dieser Herzenshärtigkeit der Menschen erkannte Tauler in dem schwarzen Tod den Vorboten nur noch größeren Elendes.

Bald nach jener Zeit im Jahre 1352 schrieb der Freund Taulers Rulman Merswein sein bereits oben

geschildertes Buch von den neun Felsen." Seine Klagen sind dieselben, wie die Taulers. „Blicke um dich, sagt er darin unter Anderm, und nimm wahr, wie gar sehr alle göttliche Minne verloschen und wie alle christliche Ord= nung zergangen ist. Nimm wahr, in welchen auffallenden Freveln die Christenheit lebt in dieser sorglichen Zeit. Die Leute, die jest leben, thun gerade also, als sollten sie ewig in dieser Zeit wohnen bleiben. Sage mir, wie soll das Gott auf die Länge ertragen? Ich will dir sagen, der Vater in Ewigkeit ist gar sehr erzürnt über die Christenheit, und will dir sagen, was der Sachen ist. Die Sache ist, daß die Christenheit seines Sinnes gar sehre vergessen hat und auch aller rechten, wahren christlichen Ordnung; und bessert sie sich nicht, so versehe ich mich, daß der ewige Vater werde Urlaub geben der Gerechtigkeit, daß sie heiße die Barmherzigkeit schweigen."

Ein anderer frommer Mann, der damals wahrscheinlich auch damals als Dominikaner in Straßburg lebte und mehrere erbauliche Schriften hinterlassen hat, Hermann von Friglar, nannte jene Zeit eine Periode, in der die Leute kalt geworden und des Lebens unsers Herrn vergessen haben. Darum ist Raub, Brand und Dieberei, Zweiung, Neid und Haß herrschend geworden. Es sei die Zeit, von der Christus gesagt, daß in vieler Herzen die Liebe erkalten würde. Ihr würde die Zeit des Antichristes folgen.

Doch bei Klagen und Verwarnungen ließ es Tauler nicht bewenden. Die hingebendste, aufopferndste Liebe, die er in seinen Predigten so oft mit so schönen Worten empfohlen, bethätigte er in jener Zeit allgemeiner Noth auf das Preiswürdigste. So sehr Tauler selbst zu einem

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