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Förderung dieser Vereine ohnehin sehr günstig. Durch die großen Trübsale, welche Krieg, ansteckende Krankheiten, Theurung und sonstige Landplagen über das Volk brachten, war das Verlangen nach dem Troste der Religion mächtig erwedt worden. Die römische Geistlichkeit hatte durch die unter ihnen eingerissenen Spaltungen einen großen Theil ihres früheren Vertrauens eingebüßt. Die Bekanntschaft mit der Bibel hatte einen besseren Trost ahnen gelehrt, als ihn Beichte und Ablaß der Kirche und ihre ganze Werkheiligkeit bieten konnte. Der fromme Wandel und die christlichen Tugenden der Waldenser, deren Mangel man an den katholischen Geistlichen allgemein beklagte, mußte in diesen Zeiten allgemeiner Verwirrung die alten Vorurtheile gegen diese Sekte bedeutend mildern, bei den Einsichtsvollern verschwinden machen. Auch die Lehren, welche sie nach ihrer damaligen Schriftkenntniß verbreiteten, haben, wenn ihnen auch die volle evangelische Wahrheit noch nicht zugeschrieben werden kann, doch so viel Innigkeit, Tiefe und praktische Einfachheit, hingen überhaupt mit der ganzen mystischen Richtung der Zeit, die im Gegensaß gegen die in todten Schulzänkereien erstorbene theologische Wissenschaft entstanden war, so lebendig zusammen, daß der Eingang, welchen sie auch in den gebildeten Ständen, selbst unter den erleuchteten Geistlichen sich zu verschaffen wußten, sehr begreiflich ist. Sie legten in ihrer Lehre das Hauptgewicht auf die Selbstverleugnung, die vollkommene Entsagung. Der Mensch müsse seinen eigenen Willen ganz und gar aufgeben, wie schwer dieses ihm auch fallen möge. Sein Wille müsse mit dem Willen Gottes gleichförmig werden. Dieser Kampf gegen sich selbst verursache ihm zwar die größten Leiden, größere,

als der Leib durch die Anfechtung und Verfolgungen von außen je zu erdulden habe. Aber Christus habe im Garten zu Gethsemane, wo er seinen Willen dem seines himmlischen Vaters nach schweren Kämpfen unterwarf, auch mehr gelitten, als am Kreuze; und dieser Kampf, diese vollkommene Entsagung führe ihn allein zur wahren Einigung mit Gott. Er werde alsdann Gott weder um das Himmelreich noch um die Befreiung von der Hölle mehr bitten, überhaupt um nichts, das nicht Gott selber sei, denn er sei seiner Seligkeit gewiß und stehe schon in diesem Leben in dem innigsten Umgang mit Gott. Diesen Umgang bezeuge Gott durch Visionen und übernatürliche Offenbarungen; denn Gottes Geist wirke noch immer in derselben Weise auf die Menschen, wie zu den Zeiten der Apostel und Propheten. Darum legten sie auch ihren Visionen und inneren Eingebungen, die sie in Träumen oder in Zuständen einer außergewöhnlichen Verzückung empfingen, einen hohen Werth bei, und wenn man ihnen den Widerspruch derselben mit der Bibel nachzuweisen suchte, suchten sie ihn damit zu widerlegen, daß derselbe heilige Geist in ihnen bezeugt habe, der in der Bibel rede. Dieses war freilich ein Punkt, der sie leicht in die Irre und in gefährliche Schwärmereien führen konnte, sobald der Hochmuth sich ihrer Seele bemächtigte. In Beziehung auf die Verehrung der Maria und der Heiligen schlossen sie sich noch den unbiblischen Lehren und Gebräuchen der herrschenden Kirche an; nur verwarfen sie den Bilderdienst. Auch die Messe feierten sie; nur gestatteten sie die Feier derselben auch den Laien. Uebrigens suchten sie ihre frommen Grundfäße sorgfältig zu verbergen, um nicht der Inquisition in die Hände zu fallen. Auch eine Art

von Gemeindeverfassung war bei ihnen zu finden. Ein Meister stand an der Spiße ihrer Vereine. Ihm hatten fich Alle unbedingt zu unterwerfen und in Allem zu ge= horchen. Der Meister wurde als ein Vollkommener angesehen. Er besaß, selbst wenn er ein Laie war, die Macht, ihre Geistlichen zur Verwaltung ihres Amtes zu befähigen durch Ordination. Indem sie sich ihm unterwarfen, wurden sie frei von allen Regeln und Sagungen der Kirche. Die Vereine hielten unter einander einen sehr lebendigen Verkehr durch geheime Boten, und scheinen fich, ähnlich den Freimaurern, durch gewisse Zeichen gegen= seitig erkannt zu haben. Fleißig waren sie in der Ausbreitung ihrer Grundsäße. Troß aller Verbote der Kirche ließen sie nicht nach, deutsch zu predigen und deutsche Bücher zu schreiben, die zum Theil wichtige geschichtliche Sprachdenkmale aus jener Zeit sind. Dabei war ihr Zweck nicht die Erörterung gelehrter Fragen, sondern die religiöse Belehrung, Erweckung und Vermahnung des Volkes und zwar nach den Vorschriften der Bibel. Solche Bücher, sagten sie, sollten sich die Laien von den Geistlichen, welche sagten, deutsche Bücher wären der Christenheit schädlich, nicht absprechen lassen; denn die Geistlichen, die dieses wollten, suchten damit nur ihren eigenen Vortheil, welcher gefährdet würde, sobald das Volk besser in der christlichen Religion unterrichtet sei.

Unter diesen deutschen Waldensern haben wir in der Lebensgeschichte Taulers eines höchst merkwürdigen Mannes zu gedenken, des Nicolaus von Basel. Er stammte aus einer angesehenen reichen Familie Basels, war mit irdischen und geistigen Gaben reich gesegnet und durch sein anmuthiges Wesen von der Welt wohl gelitten.

Aber von Jugend auf hatte er sein Nachdenken mit Vorliebe auf die Gegenstände der Religion gerichtet. Lange hatte er sich mit seiner Vernunft abgemüht, über die göttlichen Geheimnisse zur vollen Klarheit zu kommen. Aber der Gottesbegriff, welchen er sich so geschaffen, verlich ihm weder wahres Licht noch trostreichen Frieden, und alles Ringen, alles Wiederholen fehlgeschlagener Versuche blieb vergebens, da die rechte Quelle des himmlischen Lichtes, die heilige Schrift, ihm unbekannt war. Er dachte darum, wie er selbst erzählt, bei sich: Du hast doch so gar vernünftige Sinnen, und wenn du dich mit rechtem Ernst dazu kehrst, so mächte es wohl geschehen, daß du so hoch kämest, etwas zu begreifen. Aber da ihm dieser Gedanke gefiel, merkte er auch alsbald, daß ihn dieser Weg bloß vernünftigen Nachdenkens zu nichts führen könne. „Denn hätten wir einen solchen Gott, den man durch die bloße Vernunft finden und vollkommen begreifen könne, um den gäbe er nicht einen Schlehen.“ Er schlug nun den mystischen Weg der Beschauung ein, um durch Visionen und übernatürliche Offenbarung das Licht zu erhalten, was er mit seiner Vernunft bisher vergebens gesucht hatte. Seinem redlichen Streben und seinem inbrünstigen Gebet ließ der Herr große Fortschritte in der Erleuchtung und Heiligung gelingen. Die Geschichte seiner Bekehrung hat Nicolaus in einer Schrift vom Jahre 1356, die er auch an Tauler übersendete, beschrieben. Nachdem er lange, so erzählt er dort, in Frieden mit der Welt und im Genuß ihrer Freuden gelebt, wurden eines Tages in der Morgenstunde seine Gedanken darauf hingelenkt, wie die Welt doch am Ende ihre Diener stets so schlecht lehre und so falsch und treulos

gegen ihre Freunde sei, und wie wenig Menschen man in dieser Zeit finde, die auch von Herzen so gesinnt seien, wie sie sich in ihren Worten und Geberden darstellen. Da erfüllte ihn bittere Reue über die verlorene Zeit. Er fiel auf seine Kniee und betete: „Ach barmherziger Gott! du Tröster aller Sünder! erbarme dich über mich und komme mir armen Sünder zu Hülfe. Ich glaube fest, daß, wenn sich der Sünder von seinen Sünden be= kehren will, du ihm deine Hülfe nicht versagst. Barmherziger Gott! von dieser Stunde an will ich der Welt freien Urlaub geben, ihr nicht mehr zu Gefallen leben, sondern dir allein in allen Dingen dienen lernen. Darum bitte ich dich, barmherziger Gott, daß du mir vergebest, mir armen Sünder gnädig seiest und mir Kraft verleihest, deinen allerliebsten Willen zu vollbringen; denn ich will nun mit deiner Hülfe beständig an dir bleiben." Von Stund an war sein Wille so gekräftigt, daß er seine schwache, widerstrebende Natur vollkommen überwand und immer mehr gewürdigt wurde, die unaussprechlichen himmlischen Freuden, die der Bund eines guten Gewissens mit Gott gewährt, zu genießen. Er las nun fleißig deutsche Bücher aus dem Leben der Heiligen und suchte ihnen in frommen Bußübungen nachzuahmen. Seine Leiden und seine Kämpfe schrieb er dann in dem Buche „von den fünf Jahren seines Anfangs" nieder. Während dieser Zeit erfreute er sich nicht nur häufiger göttlicher Offenbarungen, sondern lernte auch die allein feste und untrügliche Offenbarung Gottes in der heiligen Schrift kennen und soll innerhalb dreißig Wochen sich so tief in dieselbe hineingelesen haben, daß er sie so gut verstand, als ob er sein ganzes Leben auf den hohen Schulen studirt hätte. Je

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