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christlichen Ordnung gefallen, und darum sind auch die Menschen so gar klug und behende in ihrer eigenen sinnlichen Vernunft geworden. Zwar kann es nicht anders sein, als daß die reichen Sinne, die der Mensch von Gott empfangen hat, nicht müßig bleiben dürfen, sondern ge= braucht und geübt werden müssen; und seit wir uns also umgekehrt haben und dazu gekommen sind, daß wir göttliche Liebe gar wenig wahrnehmen und auch so gar sehr aus der christlichen Ordnung gefallen und so ganz auf uns selber in alle Weise gekehret sind: so merken dieses die übeln bösen Geister gar wohl und thun all ihr Vermögen dazu, uns ihren Rath zu geben, auf daß wir stolz von Gemüthe werden und viel Ehre und Geiz auf uns laden und auch viel kluge und behende Werke in aller Weise lernen und dadurch unsere Sinnen so gar sehr von. Gott kehren. Das ist auch die Sache, darum wir unsere Sinne und alle unsere sinnliche Werke in diesen Zeiten so gar sehr auf die vergänglichen Dinge richten. Daß wir aber unser Leben wohl bessern, dazu helfe uns die Liebe, Mutter aller Erbarmungen. Amen."

Nach dem Allen erscheint es wohl berechtigt, in der Thätigkeit der Waldenser troß ihres Separatismus dieselbe Arbeit des Glaubens zu sehen, welche heute als "Innere Mission" von dem wahrhaftigen Leben der evange= schen Kirche aufs Neue Kunde giebt. Denn der Waldenser Schreiben und Predigen, ihr Beten und Flehen war ja auf nichts Anderes gerichtet, als daß Gott die gefallenen Mauern Zions wieder bauen und den Weinberg seiner heiligen Kirche wieder reinigen, ordnen und pflanzen möge. Ihr Streben war nicht sektirerisch, son=. dern kirchlich reformatorisch, und hatte seine Wurzel nicht

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in menschlichem Eigenwillen, sondern in dem heiligen Geiste selbst, der ihnen auch in allen Anfechtungen eine so wunderbare Ausdauer verliehen hat. Darum blieb es auch nicht ohne großen Einfluß auf die innere Entwickelung der Kirche.

Das Gefühl von dem tiefen Verfall der Kirche theilten damals Alle, denen das Christenthum mehr war, als Dogmen- und Ceremonien - Kram. Es gehörte ja auch kein sonderliches Studium, sondern nur ein reiner christlich frommer Sinn dazu, um zu begreifen, daß diese Vermischung der weltlichen Macht mit der geistlichen, wie ste die Päpste hergestellt, und das herrschende Jagen nach äußerem Glanz und irdischem Gut nicht nach dem Sinne Dessen sei, der in demüthiger Knechtsgestalt bekannte: mein Reich ist nicht von dieser Welt.

„Einst pflegte Rom, der guten Ordnung Gründ'rin,
Zwei Sonnen zu besißen, welche diesen

Und jenen Weg, der Welt und Gottes, zeigten.
Verlöscht hat eine jezt die andr', es eint sich
Das Schwert dem Hirtenstab, und so verbunden
Muß sich nothwendig Beides schlecht behaben,
Dieweil vereint Eins nicht das Andre fürchtet.
Gesteh mir also, daß die Nömsche Kirche,
Weil zwei Gewalten sie in sich vermengt hat,
In Schlamm versinkt, sich und die Last besudelnd."

So fang mit prophetischem Geiste Dante Alighieri noch, als unser Tauler sich in seiner jugendlichen Entwickelung befand. (Dante starb 1321.) Unter den Franziskaner-Mönchen waren bereits Einzelne aufgetreten, welche Rom als das große Babel und den Papst als den Vorläufer des Antichrists bezeichneten. Ueberhaupt lag in der mystischen Richtung jener Zeiten eine von Gott geordnete Reaktion des christlichen Gefühls gegen die Veräußer

lichung der Kirche in kalten Scholasticismus und todte Werkheiligkeit und ihre tiefe Verweltlichung. Es fehlte somit den Waldensern gerade unter dem besseren Theil der Kirchengenossen keineswegs an Anknüpfungspunkten für ihre innere Missionsthätigkeit. Sie fanden überall Freunde, die ihre Bestrebungen zu würdigen wußten und sie so viel als möglich förderten. Aber da die sepa= ratistische Stellung der Waldenser zur Kirche allen denen mißfallen mußte, welche theils im Dienste der Kirche stan= den, theils sich die Reinigung und Erneuerung des bestehenden kirchlichen Organismus zur Aufgabe ihres Wirkens gemacht hatten, weil sie das Gedeihen eines christlichen Lebens nur im Anschluß an die Kirche für möglich hielten, so bildete sich nun unter den firchlich gesinnten Christen ebenfalls ein weit verzweigter Verein, dessen Bedeutung für die damalige Zeit wir noch höher stellen als die der Waldenser, weil er einen zu frühen Bruch mit der Kirche ver= hinderte und eine noch weit tiefer gehende Reformation vorbereitete. Dieser kirchliche innere Missionsverein legte sich den schönen, sinnreichen Namen „Gottesfreunde" bei. Mit demselben bezeichneten sie einestheils ihre freie Stellung zur Kirche, vermöge deren sie keinen der kirchlich sanktionirten und geregelten Orden bilden wollten, sich auch nicht durch Gelübde zu gewisser Lebensweise verpflich= teten, sondern eine durch Gott zusammengeführte Vereinigung von Christen aus allen Ständen, von Geistlichen und Laien, von Klosterleuten und Weltlichen, von Männern und Frauen, darstellten; anderntheils deuteten sie damit die Aufgabe ihrer Wirksamkeit an als einen freien Dienst Gottes zum Heile und zur Erbauung seiner Kirche auf Erden. Von ihnen erst kam dieser schöne Name auch

an die separatistischen Vereine der Waldenser, welche, wie gesagt, mit jenen sehr innig verbunden waren, wurde aber deshalb auch von der Kirche bisweilen als eine Bezeich= nung von Häretikern gebraucht. Wir müssen daher zweierlei Gottesfreunde unterscheiden, die kirchlichen und die separatistischen. Jene wurden von diesen ins Leben gerufen, diese aber verdanken jenen den Namen und ihre große Bedeutsamkeit für die innere Entwickelung der Kirche.

Die Geschichte der Gottesfreunde ist im Ganzen sehr in Dunkel gehüllt. Besondere Urkunden über ihre Grundfäße, Erlebnisse, Ausbreitung und dergleichen sind nicht vorhanden. Was von ihnen bekannt ist, verdanken wir den gelegentlichen Bemerkungen und Andeutungen der mystischen Schriftsteller des vierzehnten Jahrhunderts, und zwar geben die Schriften Taulers eine vorzüglich reiche Ausbeute über diesen wichtigen Gegenstand.

Tauler selbst schloß sich nämlich an diesen inneren Missionsverein der kirchlichen Gottesfreunde an und wurde später eine der hervorragendsten Erscheinungen unter ihnen. Er scheint in seiner Weise eine ähnliche Stellung unter diesem Verein am Oberrhein eingenommen zu haben, wie etwas später Thomas von Kempen unter den ganz ähn= liche Zwecke, nur mit mehr innerer Organisation und Planmäßigkeit, verfolgenden Brüdern vom gemeinsamen Leben. Ueber die Geschichte der lezteren geben die Schriften des Thomas von Kempen ebenfalls die reichste Ausbeute. Beide, Thomas und Tauler, haben sehr ausgezeichnete Bücher hinterlassen über einen und denselben Gegenstand, die Nachfolge Christi. Beide waren zunächst für ihren Verein und durch ihn für die ganze Kirche reich geseg= nete Wortführer des neuerwachenden Lebens in Christo.

Hören wir nun, was Tauler von den kirchlichen Gottesfreunden berichtet.

Daß ein solcher Bund überhaupt bestanden habe, geht unter Andern unzweideutig aus Taulers Predigt über die Epistel am 22. Sonntag post Trinitatis hervor. Tauler spricht dort davon, wie die Liebe des Menschen zu Gott und dem Nächsten beständig zunehmen soll in aller Weisheit und Erfahrung. „Wir sollen nicht ruhen, ob wir sie schon in rechter guter Weise haben, sondern sollen vielmehr stets darnach streben, daß wir sie in der besten Weise, das heißt so reichlich und überfließend haben, als es in diesem Leben sein kann.“ Und warum ist dieser Reichthum an Liebe in aller Weisheit und Erfahrung jezt so nöthig? Darauf wird geantwortet: „Der Fürste dieser Welt hat jezt an allen Orten sein Unkraut unter die edlen Rosen gesäet, daß die Rosen von bösen Dornen entweder gestochen und zerrissen, oder auch wohl gar ge= dämpft und unterdrückt werden.“ Was aber soll ge= schehen, damit die wahre Liebe unter den Christen wieder zunehme? „Darum muß, sagt Tauler, eine Flucht ge= schehen; es muß eine Absonderung vorgenommen werden, es lebe einer im Kloster oder außerhalb. Und gleichwohl mag dieses Absondern in Wahrheit nicht eine Sekte genannt werden." Was sagt uns diese Stelle von den Gottesfreunden, die außerdem in jener Predigt noch einige Mal genannt werden und darum auch hier verstanden werden müssen? Gewiß Folgendes: Es gab einen Verein, der zur Erweckung der Christenheit sich aus den verschiedenen Ständen der Kirche, Geistlichen und Laien, in freier Weise zusammengethan hatte. Diesem Berein wurde oft der Vorwurf gemacht, er sei eine Secte. Aber

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