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halten, seine Beichtkinder ihn verlassen, seine Freunde und Brüder sich an ihm ärgern. Aber er dürfte sich nicht: abschrecken lassen, sondern solle sich vielmehr in Gott freuen, weil sein Heil alsdann nahe sei. Doch dürfte er. in jenem betrübten Zustande Gott nicht um übernatürliche Tröstungen bitten; denn ein solches Gebet würde: schon Vermessenheit und Hochmuth verrathen. Mit der tiefsten Selbstverleugnung sollte er vielmehr erwägen, daß er solcher hohen Gnade gänzlich unwürdig sei, und sollte sich, wenn diese Begierde nach übernatürlichen Tröstungen in ihm erwachte, vielmehr züchtigen, oder wenn dieses nicht dagegen helfe, sie mit Geduld als eine Versuchung ertragen, so lange es Gott gefallen würde. Er sollte sprechen: Ach mein Herr und mein Gott! ist es dein Wille, daß ich in diesen Leiden und Beschwerden bis an den jüngsten Tag bleiben soll, so will ich doch nicht von dir abweichen, sondern stets und fest an dir hangen. Solche vollkommene Demüthigung seiner selbst sei der nächste und beste Weg zur allerhöchsten Vollkommenheit.

Tauler unterwarf sich willig allen diesen Rathschlägen. Aber bald wurde er im Kloster so unwerth gehalten, daß sich alle seine Freunde und Beichtkinder von ihm zurückzogen, als ob sie ihn niemals gekannt hätten. Das that ihm sehr wehe, auch empfand er in Folge der geistigen Anstrengung heftige Schmerzen im Kopfe. Er ließ daher seinen geistlichen Führer wieder zu sich rufen,, und klagte ihm seine Leiden. Dieser ermunterte ihn zur geduldigen Nachfolge Christi, die in Leiden sich bewähren müsse. Ihm selbst sei es nicht besser ergangen in der Zeit seiner Bekehrung. Aber damit er nicht zu sehr aufgerieben würde, rieth er ihm, nahrhafte Speisen zu sich zu nehmen, und

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verordnete ihm eine Büchse mit Würze, die auch er gebraucht hätte, zur Beschwichtigung der Kopfschmerzen. Im Uebrigen solle er mit Gottes Hülfe seinen Weg getrost weiter gehen und sich ganz Gottes grundloser Barmherzig= keit überlassen. Er selbst müsse jezt einer wichtigen Sache wegen nach Hause zurückkehren, wäre aber gern bereit, auf sein Begehren wieder zu kommen. Besser aber wäre es, wenn er der Creaturen Hülfe nicht mehr bedürfe. Tauler war darüber sehr betrübt und meinte nicht, daß er seines Trostes entbehren könne. Der Laie aber befahl ihn dem Troste des heiligen Geistes, der in ihm dieses Werk der Bekehrung begonnen, stärkte ihn noch durch fromme Zusprüche, rieth ihm, in Ermangelung des Geldes einen Theil seiner Bücher zu versehen, jedoch nicht zu verkaufen, da er später sie noch nöthig haben würde, und schied von ihm. Dem Doktor gingen die Augen über und er begann zu weinen.

Zwei Jahre lang dauerten diese Leiden und Anfech= tungen. Neben der Verachtung aller seiner Freunde und der zunehmenden körperlichen Schwäche mehrte sich auch Taulers äußere Armuth so sehr, daß er wirklich einen Theil seiner Bücher um dreißig Gulden versehen mußte. Da geschah es in der Nacht am Tage St. Pauli Be= kehrung, daß er von übergroßer Schwäche aufs Lager ge= worfen wurde und den ganzen Tag über seine Celle nicht verlassen konnte. In demüthiger Andacht lenkte er seinen Geist auf die Betrachtung des Leidens Christi und seiner heiligen Liebe. Eine große Reue über sein fündiges Leben kam über ihn und er sprach mit Mund und Herzen also: „Ach barmherziger Gott! erbarme dich über mich armen Sünder durch deine endlose Barmherzigkeit, denn ich bin

nicht würdig, daß mich die Erde trage." Als er so in tiefer Traurigkeit betete, vernahm er die Worte: „Stehe nun fest in deinem Frieden, traue Gott und wisse, daß er auf Erden in menschlicher Natur war. Da machte er den Kranken, den er leiblich heilte, auch gesund an der Seele." Hierauf verfiel er in völlige Ohnmacht. Als sie vorüber war, fühlte er sich äußerlich und innerlich wunderbar gestärkt. Er ließ den Laien wieder zu sich rufen und theilte ihm Alles mit. Dieser war hocherfreut darüber, denn nun erst habe er die wahre große Gnade Gottes gefunden, nun erst sei er von dem Obersten berührt worden. Ihr wisset nun, sagte er zum Doktor, wie Euch der Buchstabe getödtet, nun sollt Ihr auch erfahren, wie er Euch wieder lebendig machen wird; denn Eure Lehre kommt nunmehr von dem heiligen Geiste, die da zuvor vom Fleische war." Nun würde er auch erkennen, wie die heilige Schrift sich in keinem Worte widerspreche, sondern durchaus einen gleichen Verstand habe; nun würde er in Wahrheit dem Vorbilde Christi nachfolgen können. Gute Bücher würden ihm nun erst von wahrem Nußen sein, und eine einzige seiner Predigten würde jest mehr Frücht schaffen, als vorher hunderte, weil seine Worte nunmehr aus einer lauteren Seele kämen. "So unwerth Jhr, den Leuten bis jest gewesen seid, so viel lieber werdet Ihr ihnen nunmehr sein. Besonders aber wird Euch die Demuth hochnöthig sein. Denn wer einen großen Schat offenbarlich trägt, der muß sich gar wohl vor den Dieben hüten. Die Teufel werden alle ihre Kunst, Weisheit und List anwenden, um Euch des edeln Schages wieder zu berauben; darum fehet Euch wohl vor, deun Jhr könnet ihn durch nichts besser be

wahren, als durch endlose Demuth. Es ist nicht mehr nöthig, daß ich in lehrender Weise mit Euch rede, denn Ihr habt nun den rechten Meister bei Euch, dessen Werkzeug ich gewesen; dem überlasset Euch und seid ihm gehorsam. Ich begehre jest in aller göttlichen Liebe von Euch Lehre zu empfangen, weil ich mit der Hülfe Gottes den Nugen geschafft habe, darum ich hergetrieben und gekommen war. Und ich bin willens, gefällt es Gott, eine gute Weile bei Euch zu bleiben und Eure Predigt zu hören. Wenn Ihr durch Gottes Gnade könnbt, so däucht mich gut, daß Ihr nun wieder anhebet zu predi= gen." Die Bücher, welche der Doktor versezt hatte, verschaffte ihm der Laie wieder, und der Doktor ließ bekannt machen, daß er am dritten Tage wieder predigen werde. Aus Neugierde kamen viele Zuhörer zugeströmt.

Als nun Tauler nach so langer Unterbrechung die Kanzel wieder bestiegen hatte, zog er seine Kappe vor die Augen und betete: „Barmherziger ewiger Gott, ist es dein Wille, so gieb mir zu reden, daß dein göttlicher Name davon gelobet und geehret, diese Menschen aber davon gebessert werden." Aber da brach er in ein so inniges Weinen aus, daß er kein Wort reden konnte. Die Leute warteten lange; endlich verdroß es sie und ein Mann aus dem Haufen rief: „Herr, wie lange follen wir hier stehen und sizen; wollt Ihr nicht predigen, so laßt uns heimgehen." Der Doktor fuhr fort inniglich zu beten, und unterwarf sich ganz dem göttlichen Willen, bereit, auch noch mehr Spott und Verachtung zu tragen. Endlich sprach er: "Ihr lieben Kinder! mir ist von ganzem Herzen leid, daß ich Euch so lange aufgehalten habe, denn ich kann für dieses Mal vor Weinen nicht ein Wort

sprechen. Bittet Gott für mich, daß er mir helfe, so will ich es Euch zu einer andern Zeit mit seiner Gnade besser machen." Die Leute gingen, aber Tauler wurde überall nur noch mehr zum Gespött, und seine Ordensgenossen untersagten ihm für die Zukunft das Predigen ernstlich; denn er schändete ihren Orden mit seiner thörichten Weise, davon ihm das Haupt weiß und närrisch geworden, und brächte ihrem Kloster großen Schäden.

Da mußte abermals der Laie herbei, um den be= kümmerten Tauler aufzurichten. Dieser wußte ihm auch sogleich das rechte Trostwort zu sagen. „Erschrecktet nicht über diese Dinge, sprach er, denn der Bräutigam pflegt allen seinen liebsten und besten Freunden also zu thun, und es ist ein unfehlbares Zeichen, daß Gott Euer guter Freund ist. Denn ohne Zweifel ist noch etwas Hochmüthiges, das Ihr selbst nicht genug kanntet, in Euch gewesen und darum seid Ihr auch zu Spott geworden z auch wird Euch Gott noch einige Euch jezt unbekannte Gaben haben bescheeren wollen; darum seid fröhlich und demüthig." Darauf rieth er ihm, fünf Tage zu Lob und Ehren der heiligen fünf Wunden Christi ganz einsam zu bleiben und dann zuerst seinen Ordensbrüdern einen Vortrag in lateinischer Sprache zu halten. Das geschah und zwar mit solcher Trefflichkeit, daß alle erstaunt waren. Man gestattete ihm nun auch wieder zu predigen, und einer der Brüder verkündigte das den Leuten, jedoch mit dem Bemerken, daß er nicht dafür stehen könne, ob nicht wieder etwas Aehnliches wie leßthin vorkomme.

Am folgenden Tage betrat Tauler wieder die Kanzel in der Kirche eines Nonnenklosters, und den Text Matth. 25, 1-13, zu Grunde legend, hub er also an: Ihr

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