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I.

Darstellung und Beurteilung des Kant'schen Pelagianismus,

d. h. der Lehren: 1) vom radicalen Bösen, 2) von der Freiheit, 3) von der Autonomie und 4) von der Autarkie der practischen Vernunft.

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Die Folge der von Kant behaupteten ausschliesslichen Competenz der (practischen) Vernunft in den sittlichen und religiösen Fragen war eine Theorie vom Wollen und Können des Menschen, welche über den Pelagianismus und Socinianismus noch weit hinaus ging. Trotz der pessimistischen Anklänge in seiner Lehre vom radikalen Bösen, die sich wenn nicht in ihren Voraussetzungen und Folgen, so doch in der Schilderung des Wesens der Sünde mehrfach mit Paulus und Augustinus berührt, betont Kant streng optimistisch die Ungebrochenheit und Unzerstörbarkeit der menschlichen Freiheit; und aus der vor jedem Scheine einer Theonomie, bezüglich Heteronomie sorgfältig gehüteten Autonomie der practischen Vernunft folgert er deren Autarkie betreffs Erreichung des sittlichen Ideales: dem „Du sollst" des kategorischen Imperatives müsse ohne jede Einschränkung das Können des Ich entsprechen, der strenge Begriff von Sittlichkeit schliesse jeden Gnadeneinfluss auf Sein und Werden des Ich aus.

1. Das radicale Böse.

Kant's Lehre vom radicalen Bösen scheint auf den ersten Blick nach Seite der ethischen Strenge und der psychologischen

1) Relig. innerhalb d. Grenzen d. blossen Vernunft, 1. Stück: „von der Einwohnung des bösen Princips neben dem guten" (Ausgabe von 1794, S. 3-64). Vgl. in Kritik d. pract. Vernunft (Ausg. von 1788, S. 100 ff.) über den Begriff des Guten und des Bösen.

Wahrheit mit den Paulinischen und Johanneischen Ausführungen von der allgemeinen Sündhaftigkeit und der persönlichen Verschuldung sich nahezu zu decken.1 Die Differenz der Kant'schen und der evangelischen Anschauungen erscheint zuerst da, wo Kant das metaphysische Gebiet streift und den geheimnisvollen Ursprung des moralisch Bösen nachzuweisen sucht in des Menschen,,intelligibler That." Gegen den Begriff der Erbsünde, wie ihn die Dogmatik des 17. Jahrhunderts in mehr physischer als ethischer Weise auf Grund der Augustinischen und Melanchthonischen Missdeutung 2 von Röm. 5, 12 fixiert hatte, erklärt sich Kant in Uebereinstimmung mit den bedeutendsten supranaturalistischen Theolgen seiner Zeit,3 indem er fort und fort die persönliche, die individuelle That und Schuld betont. Noch stärker aber zeigt sich jene Differenz da, wo es sich um die Folgen der Sünde handelt für des empirischen Menschen sittliche Freiheit und Thatkraft, für sein Wollen und Können. Während die Schrift, Augustin, Luther die Menschheit als einheitliches Ganzes betrachten, dessen einzelne Glieder Erben und Träger der Gesamtschuld, Organe der Sünde sind, so lange sie ausserhalb der göttlichen Gnadenein wirkung stehen, zersplittert die Menschheit bei Kant in zusammenhanglose Atome, deren jedes das volle Wesen und die ungebrochene Kraft eines sittlichen Mikrokosmos offenbart.

Kant's Lehre vom radikalen Bösen ist summarisch folgende:

Zwischen den Extremen 4 des Horazischen Pessimismus (aetas parentum, peior avis, tulit nos nequiores, mox daturos progeniem vitiosiorem) und dem Optimismus eines Seneca (sanabilibus aegrotamus malis nosque in rectum genitos natura, si sanari velimus, adiuvat: lautet dessen,,heroisches" Bekenntnis) oder Rousseau (Lehre vom Naturstand, von ,,der natürlichen Gutartigkeit der menschlichen

1) Röm. 3, 23; 4, 15; 5, 20a; 7, 14—23; Gal. 3, 10; 4, 29. 3; 5, 19—21; Joh. 5. 19b; 3, 4; 1, 8. 10; 2, 11.

2) Fricke, de mente dogm. loci Ro. 5, 12 ff. (1880); Adam und Christus in Röm. 5 in Jahrb. für bibl. Wiss. II, 166 ff.; Rothe's neuer Versuch einer Auslegg. von Röm. 5, 12-21 (Wittenberg 1836); Dietzsch, Adam u. Christus S. 68 ff.; Ritschl, Rechtfert. und Versöhng. III, 301 ff.

3) Reinhard, Dogmatik (1806) S. 288 ff.; Töllner, theol. Untersuchungen I, 2, S. 56 ff.; Schott, opusc. I, 313 ff.; Storr, Bemerkungen zu Kant's Philosophie (1794) 7 ff.

4) Relig. innerhalb d. Grenzen d. Vernunft 3 ff. 27 ff.

Natur," von deren anerschaffener und unverwüstlicher Güte) liege die Wahrheit in der Mitte. Die sachliche Inkorrektheit des disjunctiven Satzes: „Der Mensch ist entweder gut oder böse" erhelle aus dem im Menschen vorhandenen Dualismus; es widerstrebe dem Menschen als Noumenon der Mensch als Phänomenon, dem idealen der empirische. Wohl sei eine ursprüngliche, d. h. zur Möglichkeit der menschlichen Natur gehörige Anlage zum (zunächst negativen) Guten vorhanden, da die (vernunftlose, animalische) Lebendigkeit, die (rein menschliche) Vernünftigkeit, die (für das moralische Vernunftgesetz als absolute Triebfeder der Willkür empfängliche) Persönlichkeit nicht blos physisch gut, sondern auch Anlagen zum moralisch Guten seien (Rel. innh. d. Grz. 15 ff.; vgl. 8. 46. 49). Aber die Erfahrung lehre, dass ein rätselhafter Hang zum Bösen in der menschlichen Natur vorhanden sei, der den Menschen als von Natur, d. h. in seiner Gattung böse erscheinen lasse. Hang sei indes nicht identisch mit Anlage (objectiv); er sei subjective Willkür, eine durch freie Entscheidung zugezogene Notwendigkeit der Willensbethätigung; er sei also nicht physisch, sondern moralisch; als peccatum originarium sei er zugleich der formale Grund jeder gesetzwidrigen That, des Lasters oder des peccatum derivativum, sofern der Hang selbst kein factum phaenomenon, keine sensible, empirische, sondern eine „intelligible", d. h. nur durch Vernunftschluss, ohne alle Zeitbedingung erkennbare That sei (a. a. O. 20 f. 24 ff.). Ein moralisch Böses sei dieser Hang also (24 f. 27. 35. 46. 68 f.) und zwar ein radikales, da es den Grund aller Maximen verderbe (35), angeboren sei es und doch wurzle es in der freien Willkür dessen, der es selbst sich zugezogen (27. 35). Sein Grund sei kein materialer (d. h. er wurzle weder in der Sinnlichkeit, noch in einer Verderbnis der moralisch gesetzgebenden Vernunft, welche die Persönlichkeit zu einem teuflischen Wesen umgestalten würde), sondern ein formaler: er bestehe in der Unterordnung der rein moralischen Triebfeder (des Vernunftgesetzes) unter die sinnlichen Triebfedern (Neigungen aus dem subjectiven Principe der Selbstliebe). Daher sei die Bösartigkeit der mensch

1

1) So neuerdings besonders Rothe; vgl. theol. Ethik (2. Aufl.) III, 1 ff. 11 f. 41 ff. 46 ff. 56; dagegen besonders Jul. Müller, die christliche Lehre von der Sünde (im 1. Theil); vgl. Martensen, christl. Ethik I, 128-141. Ebrard, Apologetik I, 224 ff. 257 ff. 268 ff.

lichen Natur nicht Bosheit als die Gesinnung, das Böse als Böses zur Triebfeder in die Maxime aufzunehmen, sondern Verkehrtheit des Herzens (,,das böse Herz"), die aus der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur und deren Unlauterkeit (Vermischung der Legalität und Moralität) entspringe (31-36; 21-24). Demgemäss sei auch eine doppelte Schuld zu unterscheiden: eine vorsätzliche (culpa) und eine unvorsätzliche (dolus); jene stamme aus der natürlichen Gebrechlichkeit und Unlauterkeit, letztere sei der Selbstbetrug des Herzens über die sittliche Qualität seiner Gesinnungen. Diese gesamte Schuld (reatus) sei insofern angeboren, als sie beim frühesten Gebrauche der Freiheit schon sich äussere als Folge des intelligibeln Freiheitsgebrauches (36 f). Doch dürfe sie weder als Erbkrankheit (medicinisch-physisch), noch als Erbschuld (juristisch, ohne Berücksichtigung der moralischen Persönlichkeit), noch als Erbsünde (theologisch, ohne Unterscheidung des individuellen, mehr physischen und des persönlichen, ethischen Konnexes mit dem Stammvater des Geschlechts) angesehen werden (40 ff.). Ueberhaupt sei ein Zeit ursprung des Bösen deshalb nicht aufzusuchen und noch weniger aufzufinden, weil eine freie Handlung nur durch Vernunft vorstellungen erreicht werde, die nichts mit dem Zufälligen und mit dem Geschehenen, sondern nur mit dem Dasein und der Notwendigkeit sich zu schaffen machten (40. 43 ff.). Was aber die Frage nach dem Vernunftursprunge des Bösen anlange, so bleibe derselbe ein unlösbares Rätsel. Die Schrifterzählung (Genesis 3) schildere den Ursprung des (menschlichen) Bösen so,

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1) Das Verhältnis des Zeit- und des Freiheitbegriffes wird erörtert Krit d pract. Vernunft 170 ff. 180 ff.,,Die Causalität nach dem Gesetze der Naturnotwendigkeit ist bloss der Erscheinung, die Freiheit aber demselben Wesen als Dinge an sich beizulegen"; sonst werde die transscendentale Freiheit ein,,nichtiger, unmöglicher" Begriff; Leugnung der Idealität der Zeit treibe dem Spinozismus entgegen Zur Kritik der der Kant'schen ,,Apriorität und der Idealität der Zeit vgl. Herbart, Psychol. V, 309 ff. 505. 507: 509 ff.; VI, 239. 265. 283 ff. 292 ff. 358 f. 451; Ueberweg, Logik (3. Aufl.) 44 f. 178 f. 78-91; Harms, Philos. seit Kant (1876) 248 ff.; Briese, Erkenntnislehre d Aristot. und Kant's 50 ff. (Berlin 1877); Paulsen, Entwickelungsgeschichte der Kant'schen Erkenntnistheorie 190 ff. (1875); Wundt, Logik I. (Erkenntnislehre) 437 ff.; Ebrard, Apologetik I, 30. 33. 49 f.; Volkelt, Kant's Erkenntnistheorie nach ihren Grundprincipien analysiert (1879); Leclair, Krit. Beiträge zur Kategorienlehre Kant's (Prag 1877).

dass der Zeit nach als Erstes erscheine, was der Sache nach (ohne Rücksicht auf die Zeitbedingung) das Erste sein müsste; nicht der Hang sei in Gen. 3 das Erste, sondern die sündige That. Die Schrift thue auch recht daran, denn sie wolle nur bildlich das zufällige, geschichtliche Dasein der Sünde unserer Schwäche gemäss vorstellig machen (43-46. 65. 72. 113). „Aber wir dürfen von einer moralischen Beschaffenheit, die uns soll zugerechnet werden, keinen Zeitursprung suchen, so unvermeidlich dieser auch ist, wenn wir ihr zufälliges Dasein erklären wollen." Diese Zurechnung ist eine äusserst schwerwiegende. Denn Schuld und Strafe sind beide unendlich. „Das sittlich Böse führt nicht sowohl wegen der Unendlichkeit des höchsten 1 Gesetzgebers, sondern als ein Böses in der Gesinnung und den Maximen überhaupt 2 eine Unendlichkeit von Verletzungen des Gesetzes, mithin der Schuld bei sich; sonach würde jeder Mensch sich einer unendlichen Strafe und der Verstossung aus dem Reiche Gottes zu gewärtigen haben“ (95. 37. 42. 46 ff. 78). Ferner: unendlich ist auch der Abstand zwischen dem Guten, das wir in uns realisieren sollen, und dem Bösen, von dem wir ausgingen; ,,in keiner Zeit ist die Angemessenheit des Lebenswandels zur Heiligkeit des Gesetzes erreichbar" (84 f. 60. 72. 69). Daraus folgt: dass auch der Beste in seiner Lebensführung es wohl zu ,,glänzenden Armseligkeiten", jedoch nimmer zur Personification der Idee des guten Principes bringen kann. (69 ff. 73 ff. 85).

Die ausschliessliche Betonung des menschlichen Ich, der individuellen Persönlichkeit als eines Atomes, als eines Exemplares der Gattung gestattet Kant nur eine psychologische Analyse des Bösen zu geben und verschliesst ihm sowohl den Blick auf den

1) So Anselm in cur deus homo II, 16 f.; I, 21; conf. Hasse, Anselm v. Canterbury II, 229 ff.; Kahnis, Dogm. (1. Aufl.) II, 248; Dorner, Person Christi II, 243 f.

2) Vgl. Jacob. 2, 10; 3, 2; Luc. 17, 10; 18, 13. 16; Matth. 5,18 f.; 6, 17 f.; Röm. 13. 23.

3) Zwar findet Kant Augustin's bekanntes Wort, dass die heidnischen Tugenden nur glänzende Laster seien, zu hart; aber thatsächlich kommt er ihm sehr nahe, wenn er a. a. O. 24 meint: ,,was nicht aus diesem Glauben (d. h. an den Geist und die Kraft des moralischen Gesetzes) geschieht, das ist Sünde"; ähnlich folgerte auch Augustin aus Röm. 13, 23.

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