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seine principielle Bestimmtheit und Richtung, so zersplittern seine Thaten nach allen Seiten hin; es fehlt ihm Charakter, Einheit, Stetigkeit; so lange diese Eigenschaften fehlen, ist von einem Fortschritt in der sittlichen Gestaltung des Einzelnen ebenso wenig zu reden, wie von einem Fortschritt in der Kulturgeschichte der Völker, so viele einzelne Willensakte auch sich häufen mögen. Gegenüber dem Augustinismus liegt eine der Hauptschwächen des Pelagianismus darin, dass er das Individuum ohne Zusammenhang mit dem Geschlechte und im Individuum die einzelne That ohne Zusammenhang auffasst mit dem, was vor ihr schon gethan und erfahren wurde. Nicht nur unser eigenes früheres Thun determiniert (mehr oder minder, je nach der Energie mit der wir handelten, und je nach der Zahl der gleichartigen Akte), sondern auch das determiniert unser späteres Sein und Thun, was wir leiden, was Andere an uns thun. 1 Je länger desto mehr entwickelt sich im Menschen ein habitus sittlicher Art, ein konstanter Charakter (im guten oder bösen Sinne); und so bewahrheitet sich nicht nur das operari sequitur esse, sondern auch das esse sequitur operari. Das Erste ist (auch nach Kant's Lehre von der Präexistenz der Seele und deren für unser gegenwärtiges Sein verhängnisvollen, weil dasselbe prädestinierenden That) immer: operari sequitur esse; mein Charakter (esse), wird mir nicht angeboren, sondern er ist das Resultat meiner eigenen sittlichen Entscheidungen, das Gepräge, welches meine vereinzelten Thaten meiner Erscheinung aufdrücken. Andererseits aber gilt auch: esse sequitur operari; bin ich einmal von einer bestimmten Qualität, eignet mir ein bestimmter Charakter; so bin ich im einzelnen Falle gebunden und unfrei.2 An den Wendepunkten des Lebens, in den eminent entscheidenden und bedeutsamen Krisen des sittlichen Werdens stehen die Thaten, die auf weite Strecken hinaus unser äusseres Schicksal wie unser inneres Wollen determinieren; seit wir

1) „Das menschliche Individuum steht keineswegs allein, sondern ist ein Glied im Organismus des Geschlechtes, der Sünde desselben teilhaftig; die Sünde als Erbsünde ist eine dem Individuum angeborene Naturbestimmtheit und seine Entwickelung ist vielfach bedingt durch seine Umgebungen." Martensen, Ethik 146 f.; Dogmatik 150 f. 157 ff.; Ebrard, Apologetik I, 241 ff.; Luthardt, Die modernen Weltanschauungen 21 ff. 27. 35 f.

2) Vgl. Matth. 12, 33. 35; Martensen, Ethik I, 159 ff. 166 ff. 143 f. 179.

unter diesen Bann gerieten, waren unsere einzelnen Handlungen nicht mehr frei, sondern sie waren die notwendigen Folgen des von uns allmählich angenommenen Charakters; für diese einzelnen Handlungen (falls sie böse sind) sind wir in zweiter Linie erst verantwortlich, in erster Linie sind wir's dafür, dass wir unseren Charakter so und nicht anders ausgeprägt haben: „,hab' ich des Menschen Kern (esse) erst untersucht, so hab' ich auch sein Wollen und sein Handeln“ (operari).

Kant nun schwankt zwischen der Anerkennung des Satzes: operari (der intelligiblen That) sequitur esse (Thatsache des radicalen Bösen) und der Leugnung desselben (die Freiheit ist absolut, ist unverloren und unverlierbar) unklar hin und her. Konsequenter Weise ergiebt die doch ernst gemeinte Prämisse vom vorzeitlichen Falle nur die sittliche Determiniertheit der Gefallenen inmitten des zeitlichen Lebens; letzteres behält also nur die Bedeutung einer Offenbarung und Weiterentwickelung des präexistenten Falles; und es ist nicht abzusehen, wie und in welchem Momente der habituelle (böse) Charakter sich nach der entscheidenden und fortwirkenden That von sich aus soll in sein Gegenteil um wandeln können; die psychologische potestas (anders zu handeln, als der geknechtete Wille handeln muss) führt nicht zur moralischen factischen potestas. 1

Nach Kant ist die Freiheit des Menschen absolut. Der Philosoph stimmt überein mit dem Dichter:,,Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und wär' er in Ketten geboren." Nur ist leider diese Freiheit eine rein imaginäre, keine praktische: sie überwindet weder die Ketten, die uns die Natur, noch diejenigen, die wir uns selber sittlich uns prädeterminierend angelegt haben.

Auf dem physischen wie auf dem sittlichen Gebiete gilt: nicht immer und nicht sofort können wir, was wir wollen; wohl können wir in Gedanken jederzeit uns frei bestimmen, aber des guten Gedankens Blässe kontrastiert oft schmerzvoll mit der Macht des abnormen, des bösen Charakters. Frühere Willensakte haben eine Reihe von Folgen nach sich gezogen: ihnen vermögen wir uns nicht mehr, nichf sofort, nicht allein zu entziehen. Freie Selbstbestimmung hat ihre Schranke an dem, was hinter uns liegt, als

1) Vgl. Schmidt, a. a. O. 606 ff. 611 f. 619 f. 635-644; Ritschl, Rechtf. und Versöhn. III, 550 f. 308.

eigene That oder fremdartige Hemmung (Raum, Zeit, körperliche Organisation, physische und geistige Beanlagung); seit der Thatsache, dass der Mensch mit den Schranken des ihm gegebenen Gesetzes die Ziele und Zwecke der Welt wie seines Lebens (subjectiv) änderte, ist er selbst ein Anderer geworden; er ist nicht mehr frei von der Sünde, sondern nur noch frei in und für die Sünde; Irrtum und Schuld trüben des Geistes Auge und depotenzieren die urspüngliche Energie für's Gute. Kant's Behauptung, die Freiheit des Menschen sei „,absolute Spontaneïtät“, „,das Vermögen der absoluten Kausalität" oder ,,des absoluten Anfanges einer Handlung", wäre wohl nicht so oft und so schroff von ihm ausgesprochen worden, wenn er nicht auf Kosten des Gottesbegriffs, der für Kant mehr Hypothese als Wirklichkeit, mehr ideeller Regulator als factischer Kreator und Konstitutor der Welt ist, 2 dem Menschenbegriffe die Attribute des Absoluten zuerteilte. Nur Gott hat Freiheit des Seins und des Handelns; der Kreatur eignet nur die eine von beiden, denn ihr fehlt die Aseïtät; sie ist nur frei zum Handeln d. h. relativ frei, innerhalb der ihr vom Schöpfer gezogenen Schranken. Nur Gott eignet die absolute Freiheit des Handelns, weil sein Thun keine andere Schranke hat als sein Sein, Gott aber ist a se (Gottes Heiligkeit ist die Schranke für seine Allmacht). Des Menschen Freiheit ist gemäss seiner Kreatürlichkeit und seiner absoluten Abhängigkeit von dem Gotte des Lebens nur eine relative: 3 selbst die ärgste Willkür eines dämonischen Men

1) Vgl. Ebrard, Apolog. I, 231 f. und dessen Ausführungen über die „Pathologie der Sünde im Einzelnen und im Geschlechte." Bezeichnend ist die Aeusserung des Erasmus, im Streite mit Luther über das liberum bezügl. servum arbitrium habe er seine" Freiheit verloren, für die er schrieb.

2) Die Schöpfung ist nach Kant nicht empirische Thatsache, sondern intelligibler Akt; nur als ob die Welt von Gott (und zwar mit Beziehung nur auf die Noumena) geschaffen wäre, haben wir sie zu begreifen. Vgl. Ulrici, Herzog's Encyklopädie VII, 342.

3) Vgl. z. B.,,die menschliche Persönlichkeit (das Allgemeine) ist durch die Individualität (das Besondere), die geistige und leibliche Naturbestimmtheit, begrenzt, welche dem Menscheu vor allem Selbstbewusstsein und aller Selbstbestimmung gegeben ist, und welche durch den Willen zwar gebildet, niemals aber eine andere werden kann, als sie von Hause aus ist; in seiner Individualität hat jeder Mensch nicht nur seine Begabung, sondern auch seine Schranke". Martensen, Ethik I, 141. 446 ff.; Paret, Herzog's Realencyklopädie IV, 568 (Aufl. 1).

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schen zerstört nimmer die Zirkel der Gottheit, er bleibt frei Guten wie Bösen, zum Bilden wie zum Zerbrechen doch nur in seiner Sphäre. Das höchste Lebensziel des Menschen ist: dass er ein,,Mitarbeiter Gottes" werde, der willig seine Kraft, was er ist und hat, dem göttlichen Weltenplane assimiliert und dienstbar macht; das schlimmste Verhängnis ist, wenn der Mensch wider seinen Willen der göttlichen Weltordnung dienen muss.1 Kant hat über dem Freiheitsbegriffe, der den Menschen ja allerdings hinaushebt über Naturzwang und Naturmechanismus, den Wechselbegriff ignoriert, der zur Freiheit gehört: es ist der der Autorität. Je höher der Mensch sittlich steht, je freier er sich bewegen darf innerhalb der weiten, ihm angewiesenen Sphäre; desto geistiger, desto fühlbarer sollte ihm die schöpferische Autorität entgegen treten, desto pietätsvoller sollte er seiner Abhängigkeit von dem allwaltenden Gotte (der für ihn insonderheit ein Gott der Gnade ist), auch vor und ausserhalb der Erlösung inne werden. Kant vergöttert im Menschen das Pflichtgebot, das abstracte formale Gesetz, die autonome und autokratische Freiheit; so aber entgötterte er über und ausser dem Menschen die Welt. Diese unpersönlichen Begriffe und Ideen versperrten ihm den Weg zu dem persönlichen Gotte (als Schöpfer und Regierer, Gesetzgeber und Richter), und sie erschwerten ihm - trotz seiner Hymnen auf,,Pflicht“ und „,Gewissen" 2 - die Geltendmachung der vollen, der wahren Autorität. „Die wahre Autorität kommt weder von unten noch lediglich von innen (so Kant): sie kommt von oben und verlangt, in dieser ihrer hohen Herkunft auch anerkannt zu werden."

Die abstracte Fassung der Freiheit als formaler d. h. sittlich neutraler und ihre Loslösung von der Beziehung auf den heiligen Gott der Liebe brach die Strenge der im Einzelnen oftmals rigoristischen Moral, die Kant lehrte. Befremdlicher Weise nämlich findet sich im Kant'schen Moralsysteme zwischen die Begriffe des Guten und Bösen der des Erlaubten3 eingeschoben. Befremd

1) 1. Cor. 3, 9 (Bengel dazu: sumus operari dei et cooperarii invicem); 2 Tim. 3, 17; 1 Cor. 3, 16 f.; Gen. 50, 20; Röm. 9, 17 ff.; Joh. 11, 50 f.; 17, 12. 2) Krit. d. pract. Vernunft 154. 288 f. (143–146).

3) Krit. d. pract. Vernunft 117. Nach der Modalität gliedert dort Kant die Begriffe des Guten und Bösen in das Erlaubte und Unerlaubte, die Pflicht und das Pflichtwidrige, vollkommene und unvollkommene Pflicht. Vgl. a. a. O. 21. 39.

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lich ist schon äusserlich, dass Kant a. a. O. auch für die sittlichen Begriffe die reine Trichotomie festhält, statt die durch das strenge Entweder-Oder jeder wirklichen (nicht nur rigoristischen“) Ethik erforderte Dichotomie einzuführen. Auch auf dem Gebiete der Moral ist Kant zu sehr systematischer Logiker; er bringt auch da den auf dem Gebiete der rein theoretischen Philosophie berechtigten Satz: dualitas (Thesis und Antithesis) ad unitatem (Synthesis) reducta est trinitas zur formellen Anwendung, doch freilich auf Kosten des Inhaltes seiner ethischen Begriffe. Sachlich ist schon die Unterscheidung zwischen Pflicht“ und „,vollkommener Pflicht" anstössig; so wenig wie sich der Begriff „gut“, in seiner Fülle und Strenge genommen (vgl. Matth. 19, 17), komparieren lässt, so wenig auch der Begriff der Pflicht: in einer korrekten Ethik hat der Pflichtbegriff die ganze Summe des sittlichen Thuns zu umfassen und auf jede Handlung als sittlich bestimmbare sich zu beziehen. Das Kant'sche Schema giebt eigentlich neben der vollkommenen Pflicht" zwei negative Begriffe, Depotenzierungen der Pflicht - nämlich:,,Pflicht“ und „Erlaubtes". Der Begriff des Erlaubten bezeichnet nichts Positives im sittlichen Sinne, er enthält kein klares sittliches Urteil, sondern fordert nur, dass etwas, was der sittlichen Bestimmtheit und Wertschätzung noch nicht unterliegt, ihr unterzogen werde. So hat dieser Begriff auch nur ein relatives Recht: im alltäglichen Leben, das voller sittlicher Mängel und Unklarheiten ist, und für Individuen, welche das Antlitz des Heiligen als höchste richtende Instanz noch nicht zu ertragen und zu befragen vermögen. In der Kant'schen Moral aber, die sich als die Erfinderin und Trägerin des absoluten sittlichen Gesetzes ankündigte, sollte dieser laxe und unklare Begriff keine Stelle haben. Sittliche Adiaphora giebt es nicht, wo das vollkommene,,Gesetz der Freiheit" (Jacob. 2, 8; 1, 25) regiert und richtet; daher schränkte Paulus sein grossartiges Wort návra suv kotv, um jede Missdeutung (durch Indifferenz oder sittliche Schlafheit fernzuhalten, sofort ein durch ὑμεῖς δὲ χριστοῦ, χριστὸς δὲ θεοῦ (1 Cor. 3, 22 f.); darum fügt er zu dem kühnen πάντα μοι εotiv zweimal die, jeden Libertinismus subjectiver Art durch Rücksicht auf die Nächsten niederhaltende Erklärung: ἀλλ ̓ οὐ πάντα συμφέρει, ἀλλ ̓ οὐκ ἐγὼ ἐξουσιαςθήσομαι ὑπό τινος (1 Cor. 6, 12: potestas penes fidelem, non penes res, quibus utitur, esse debet; libertatem, in se bonam, tollit abusus libertatis, erläutert Bengel).

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