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der Religion; sie sollen die ideellen Regulative sein für den sittlichen Gang des Menschen inmitten der Erscheinungswelt, dieser ,,Insel" des Weltganzen. Die Innerlichkeit einer solchen religiösen Ethik wahrt das Mysterium des Glaubens in seiner persönlichsten, tiefsten Beziehung, sofern der Glaube da erst beginnt, wo das Erkennen und Wissen seine Schranke findet. Diesem Glauben, als subjectiver Macht, hat Kant sehr energisch das Wort geredet: durch ihn erst erhalten ja jene drei Ideale Wahrheit und belebende sittliche Kraft, ohne ihn würden sie theoretisch und practisch von der Sinnenwelt und von der Sinnlichkeit annulliert werden. Doch wie nirgends das Innere ganz allein und für sich zu sein vermag ohne das Aeussere, sei es des Inneren Symbol oder Typus: so ist auch der persönliche Glaube nicht aller Objectivität bar; der kirchlich-christliche ist's nicht, auch nicht der Kant'sche. Kant hat die objective Offenbarung Gottes nicht schlechthin zurückgewiesen. Er stimmt überein mit Fichte's hypothetischer Erklärung: „die Menschheit kann so tief in moralischen Verfall geraten, dass sie nicht anders zur Sittlichkeit zurückzubringen ist, als durch die Religion, und zur Religion nicht anders, als durch die Sinne. Eine Religion, die auf solche Menschen wirken soll, kann sich auf nichts Anderes gründen, als unmittelbar auf göttliche Autorität. Da Gott nicht wollen kann, dass irgend ein moralisches Wesen eine solche Autorität erdichte, so muss er selbst es sein, der sie einer solchen Religion beilegt."1

2) Auf den moralischen Verfall der Menschheit hat Kant in einer Zeit, die fast durchweg den Utilitätsinteressen und laxen eudämonistischen Principien huldigte in der Wissenschaft wie im Leben, gleich einem zweiten Elias und Johannes durch die strenge Verkündigung eines absolut bindenden Sittengesetzes hingewiesen. Namentlich Rousseau's Emile hat die Zauberkraft eines Sirenengesangs auf die Zeitgenossen ausgeübt, der sie in die optimistischen Träume von der unzerstörbaren Güte der menschlichen Natur einzuwiegen drohte. Kant zerstörte diesen gefährlichen Traum. Friedrich's des Grossen scharfes Wort, das den für

1) Fichte, Krit. aller Offenbarung (2. Aufl. 1793) 134. 103-106. Offenbarung ist eine durch die Causalität Gottes in der Sinnenwelt bewirkte Erscheinung, wodurch er sich als moralischen Gesetzgeber ankündigt“. 2) Vgl. Kahnis, Innerer Gang des Protest.; 3. Aufl.; I, 303.

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Rousseau's Theorieen schwärmenden Sulzer ernüchtern sollte, 1 mochte allenfalls als ein Ausfluss misanthroper Laune gelten und konnte deshalb wirkungslos verhallen. Kant's leidenschaftsloser, psychologisch fein durchgeführter Nachweis, dass im Innersten des Menschen, nicht etwa bei vereinzelten Individuen nur, ein „radicales" rätselhaftes Böse wohne, das als unheilvoller Egoismus die Freiheit und das Gesetz der Sittlichkeit allmächtig niederhalte, lieferte mit grösstem Ernste, mit scharfem Blicke für die sittlichen Schäden wie für die Hoheit der moralischen Aufgabe den Gegenbeweis zu Rousseau's Sätzen zum Erstaunen der Zeit. Selbst Theologen wie Reinhard und Storr 2 haben mit geringerer Entschiedenheit als Kant das seit (Origenes und) Augustin von der Kirche bekannte, durch die Reformation auf evangelischem Boden insbesondere zur Herrschaft gekommene und nur auf kurze Zeit im 17. und 18. Jahrhundert verdrängte Dogma von der Erbsünde verfochten. Ohne das Gebiet metaphysischer Speculation zu betreten, wie Origenes; ohne die Gewaltsamkeit der Exegese zu billigen, mit der Augustin und die Dogmatik des 17. Jahrhunderts die Solidarität zwischen Adam und den Adamiten, dem universalen Menschen und den Individuen der Menschheit (Röm. 5, 12) erwiesen hatten; ohne von einer abstracten, fast manichäisch - pessimistischen Anschauung über des Menschen Natur auszugehen: sondern einzig gestüzt auf die Erfahrung und die Stimme des Gewissens, wie sie jeder Einzelne vernimmt, wies Kant das Problem des radicalen Bösen als ein vorhandenes nach, freilich, um es nach seinem Ursprunge ungelöst stehen zu lassen. Es ist ein ächt germanischer Zug, der in Kant's practischer Philosophie oft uns entgegentritt und der von ferne sie anklingen lässt an die Contemplation der Mystiker, wenn er ähnlich den Reformatoren vor und während der Reformation 3 in die dunkelsten Tiefen des Ich sich versenkt, um aus dessen erkannter und anerkannter Unwürdigkeit in scheinbar paradoxer Weise

1) Vous connaissez mal la maudite race, à laquelle nous appartenons. Menzel, Gesch. d. Deutschen VI, 168; vgl. Kahnis, Kirchenglaube 646.

2) Reinhard (Vorlesungen üb. d. Dogmatik; 2. Aufl. S. 288 ff.) will die Lehre von der Erbsünde weder in der Schrift, noch in der Vernunft, noch in den symbolischen Büchern direct vorfinden; vgl. Storr, Bemerkungen zu Kant's Philosophie 1794, S. 8.

3) Dorner, Lehre v. d. Person Christi II, 454 ff. 510-531; Gesch. des Protest. 140 ff. 190 ff. 200 ff. 223 ff.

der Religion; sie sollen die ideellen Regulative sein für den sittlichen Gang des Menschen inmitten der Erscheinungswelt, dieser ,,Insel" des Weltganzen. Die Innerlichkeit einer solchen religiösen Ethik wahrt das Mysterium des Glaubens in seiner persönlichsten, tiefsten Beziehung, sofern der Glaube da erst beginnt, wo das Erkennen und Wissen seine Schranke findet. Diesem Glauben, als subjectiver Macht, hat Kant sehr energisch das Wort geredet: durch ihn erst erhalten ja jene drei Ideale Wahrheit und belebende sittliche Kraft, ohne ihn würden sie theoretisch und practisch von der Sinnenwelt und von der Sinnlichkeit annulliert werden. Doch wie nirgends das Innere ganz allein und für sich zu sein vermag ohne das Aeussere, sei es des Inneren Symbol oder Typus: so ist auch der persönliche Glaube nicht aller Objectivität bar; der kirchlich-christliche ist's nicht, auch nicht der Kant'sche. Kant hat die objective Offenbarung Gottes nicht schlechthin. zurückgewiesen. Er stimmt überein mit Fichte's hypothetischer Erklärung: „die Menschheit kann so tief in moralischen Verfall geraten, dass sie nicht anders zur Sittlichkeit zurückzubringen ist, als durch die Religion, und zur Religion nicht anders, als durch die Sinne. Eine Religion, die auf solche Menschen wirken soll, kann sich auf nichts Anderes gründen, als unmittelbar auf göttliche Autorität. Da Gott nicht wollen kann, dass irgend ein moralisches Wesen eine solche Autorität erdichte, so muss er selbst es sein, der sie einer solchen Religion beilegt."1

2) Auf den moralischen Verfall der Menschheit hat Kant in einer Zeit, die fast durchweg den Utilitätsinteressen2 und laxen eudämonistischen Principien huldigte in der Wissenschaft wie im Leben, gleich einem zweiten Elias und Johannes durch die strenge Verkündigung eines absolut bindenden Sittengesetzes hingewiesen. Namentlich Rousseau's Emile hat die Zauberkraft eines Sirenengesangs auf die Zeitgenossen ausgeübt, der sie in die optimistischen Träume von der unzerstörbaren Güte der menschlichen Natur einzuwiegen drohte. Kant zerstörte diesen gefährlichen Traum. Friedrich's des Grossen scharfes Wort, das den für

1) Fichte, Krit. aller Offenbarung (2. Aufl. 1793) 134. 103-106. Offenbarung ist eine durch die Causalität Gottes in der Sinnenwelt bewirkte Erscheinung, wodurch er sich als moralischen Gesetzgeber ankündigt“.

2) Vgl. Kahnis, Innerer Gang des Protest.; 3. Aufl.; I, 303.

Rousseau's Theorieen schwärmenden Sulzer ernüchtern sollte, 1 mochte allenfalls als ein Ausfluss misanthroper Laune gelten und konnte deshalb wirkungslos verhallen. Kant's leidenschaftsloser, psychologisch fein durchgeführter Nachweis, dass im Innersten des Menschen, nicht etwa bei vereinzelten Individuen nur, ein „,radicales" rätselhaftes Böse wohne, das als unheilvoller Egoismus die Freiheit und das Gesetz der Sittlichkeit allmächtig niederhalte, lieferte mit grösstem Ernste, mit scharfem Blicke für die sittlichen Schäden wie für die Hoheit der moralischen Aufgabe den Gegenbeweis zu Rousseau's Sätzen zum Erstaunen der Zeit. Selbst Theologen wie Reinhard und Storr 2 haben mit geringerer Entschiedenheit als Kant das seit (Origenes und) Augustin von der Kirche bekannte, durch die Reformation auf evangelischem Boden insbesondere zur Herrschaft gekommene und nur auf kurze Zeit im 17. und 18. Jahrhundert verdrängte Dogma von der Erbsünde verfochten. Ohne das Gebiet metaphysischer Speculation zu betreten, wie Origenes; ohne die Gewaltsamkeit der Exegese zu billigen, mit der Augustin und die Dogmatik des 17. Jahrhunderts die Solidarität zwischen Adam und den Adamiten, dem universalen Menschen und den Individuen der Menschheit (Röm. 5, 12) erwiesen hatten; ohne von einer abstracten, fast manichäisch - pessimistischen Anschauung über des Menschen Natur auszugehen: sondern einzig gestüzt auf die Erfahrung und die Stimme des Gewissens, wie sie jeder Einzelne vernimmt, wies Kant das Problem des radicalen Bösen als ein vorhandenes nach, - freilich, um es nach seinem Ursprunge ungelöst stehen zu lassen. Es ist ein ächt germanischer Zug, der in Kant's practischer Philosophie oft uns entgegentritt und der von ferne sie anklingen lässt an die Contemplation der Mystiker, wenn er ähnlich den Reformatoren vor und während der Reformation 3 in die dunkelsten Tiefen des Ich sich versenkt, um aus dessen erkannter und anerkannter Unwürdigkeit in scheinbar paradoxer Weise

1) Vous connaissez mal la maudite race, à laquelle nous appartenons. Menzel, Gesch. d. Deutschen VI, 168; vgl. Kahnis, Kirchenglaube 646.

2) Reinhard (Vorlesungen üb. d. Dogmatik; 2. Aufl. S. 288 ff.) will die Lehre von der Erbsünde weder in der Schrift, noch in der Vernunft, noch in den symbolischen Büchern direct vorfinden; vgl. Storr, Bemerkungen zu Kant's Philosophie 1794, S. 8.

3) Dorner, Lehre v. d. Person Christi II, 454 ff. 510-531; Gesch. des Protest. 140 ff. 190 ff. 200 ff. 223 ff.

die unendliche Hoheit und Würde jeder einzelnen Persönlichkeit abzuleiten, wie sie ihr an sich und auch vor Gott zukomme.

3) Die Macht der sittlichen Persönlichkeit soll sich erweisen im energischen Kampfe für die Erfüllung des obersten Gesetzes und im Streben nach Realisierung des homo voouusvos. Freiwillige Aufnahme des allgemeinen Sitten gesetzes in die Maxime des Einzelnen: so lautet die Forderung der Kant'schen Moral. Sie zerstört zwei Zufluchtsstätten der unlauteren Sittlichkeit: indem sie die Legalität1 als „blinde, knechtische Gesinnung", kaum als Vorstufe der Moralität bezeichnet, und indem sie den vieldeutigen Begriff des ,,sittlich Indifferenten" einfach aus der Moral streicht.2 Einen um so heroischeren Kampf aber fordert Kant, je weniger er zu demselben mitgiebt. Denn sein Gesetz giebt nichts weiter, als eine Formel. Hier nun ist es, wo Kant's practischer Glaube" seine ideelle Kraft äussert, 3 indem er alle ,,unlauteren",,,materiellen" Bestimmungsgründe stolz und seiner selbst gewiss verschmäht, wie sie Montaigne (Erziehung), Mandeville (bürgerliche Verfassung), Epikur (physisches Gefühl), Hutcheson (moralisches Gefühl), Wolf und einst die Stoiker (Vollkommenheit), Crusius und theologische Moralisten (Wille Gottes) aufgestellt hatten als Principien der Sittlichkeit. Nicht blos Schelling hat gerade deshalb Kant das ungeteilteste Lob gespendet; auch Rothe erklärt, 5 indem er Kant gegen Crusius beistimmt: „die hohe Bedeutung der Kant'schen Philosophie liegt wesentlich darin auch, dass durch sie zu klarem, wissenschaftlichem Bewusstsein gebracht worden ist, dass die Geltung des moralischen Gesetzes auch unabhängig vom Glauben an Gott feststeht". Und ist es nicht eine zunächst allerdings nur formelle Nachwirkung der Kant'schen Lehre, wenn namhafte Theologen, obschon incorrect, den

1) Krit. d. pract. Vernunft 67 ff. 213; Relig. innerhalb d. Grenzen d. Vernunft 61 f.

2) Relig. innerhalb d. Grenzen d. Vernunft 12 f. Besonders Schleiermacher hat den Begriff des,,Erlaubten" in seiner sittlichen Unhaltbarkeit für den Einzelnen nachgewiesen.

3) Relig. innerhalb d. Grenzen d. Vernunft 24. 76; Krit. d. pract. Vernunft 227.

4) Schelling, Einleitung in d. Philos. d. Mythologie (W. II, 1) 532. 5) Theologische Ethik (2. A.), II, 391; vgl. Hagenbach, Encyclopädie (2. A.) S. 23.

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