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LIC. DR. EMIL HOEHNE,

PROF. AN DER KGL. LANDESSCHULE MEISSEN.

LEIPZIG.
DOERFFLING & FRANKE.

1881.

Alle Rechte vorbehalten.

Vorwort.

Die Mehrzahl der vorliegenden Aufsätze (S. 1-116) wurde
bereits in einigen Gelegenheitsschriften (Programme der kgl.
Landesschule Meissen 1879 S. 38 ff. und 1881 S. 1-46, Jubiläums-
schrift für Hr. Consist.-Rat Dr. Luthardt 1881, S. 68-98) ver-
öffentlicht. Der wiederholt geäusserte Wunsch, es möchten die
zerstreuten Abhandlungen gesammelt und abgeschlossen werden
(S. 116 ff.), ward die Veranlassung zu ihrer erneuten Publika-
tion und zu ihrer Vervollständigung.

Im Laufe des letzten Jahrzehntes ist die Kant'sche Sitten-

und Religionslehre nach ihrem bleibenden Werte wie nach

ihren Einseitigkeiten und Unzulänglichkeiten mehrfach ein-

gehend behandelt worden (z. B. von A. Dorner, der bleibende

Wert der Kant'schen Ethik; Pünjer, die Religionslehre Kant's

1874; Hildebrand, Grundlinien der Vernunftreligion Kant's

1875). Dass die folgenden Ausführungen gleichwohl den An-

spruch auf volle Selbständigkeit der Darstellung wie der

Kritik erheben dürfen, lehrt die Anlage wie der Inhalt der-

selben.

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Die seit hundert Jahren über Kant's Ethik und Vernunft-

religion speciell von theologischer Seite abgegebenen Urteile
lauten sehr verschieden, zum Teile widersprechen sie sich. Wie
Lessing so ist auch Kant vorübergehend und von Einzelnen

-

als Anwalt der altlutherischen Orthodoxie, als Vertreter
einer neuen Scholastik begrüsst worden. So von Willmann
(bei Erdmann, Gesch. d. Philos. II, 373), der in Kant's Pro-
testen gegen jedwede Form des Eudämonismus in sittlichen
Fragen, in dem Kampfe gegen die Theorien der Aufklärungs-
philosophie, in Kant's männlichem Ringen nach innerer Ge-
wissheit über die höchsten Lebensfragen, in der Betonung des
unendlichen Wertes der menschlichen Persönlichkeit durchweg
Anklänge und Nachklänge der lutherischen Reformationsepoche
erkannte. Spätere haben nicht diese dem Evangelium ver-
wandten, sondern die das Evangelium umdeutenden oder miss-,
deutenden oder einfach verneinenden Punkte der Kant'schen
Lehre betont. Die Einen haben ihn als Deisten (vgl. Dorner,
Christi Person und Werk II, 987 f.; Gesch. des Protestantis. 743),
Andere als Naturalisten (Kahnis, Dogmat. I, 82; Innerer
Gang des Protest. II, 101; auch Ullmann, Wesen des Christen-
tumes 34), noch Andere wegen seiner kritischen Methode als
den Wortführer eines neuen, sittlich ernsten Skepticismus
(vgl. Erdmann, Gesch. d. Philos. II, 366) bezeichnet. Die
physikotheologischen Erörterungen in der Kritik der Urteils-
kraft, besonders aber die Berührungspunkte mit Fichte und
Schelling liessen, trotz Kant's Polemik gegen den Spinozismus
und trotz seines begeisterten Eintretens für die ethisch-teleo-
logische Weltauffassung, den Schein des Pantheismus auf
sein System fallen (vgl. Ulrici, Herzog's Realencyklopädie VII,
343 ff.). Ja Fr. Stolberg klagte in der leidenschaftlichen Stim-
mung des Convertiten Kant als „einen der geschicktesten Diener
des Atheismus" an (vgl. Menzel, Gesch. d. Dtschen VI, 428;
Gelzer, deutsche Nationallitteratur I, 257): eine Beschuldigung,
die vielleicht dadurch sich etwas entkräften lässt, dass für
Stolberg Pantheismus und Atheismus noch identische Begriffe
waren (obschon nicht erst durch Hegel, sondern schon in
Toland's Pantheistikon 1720 beide geschieden sind).

Allen solchen Rubricierungsversuchen gegenüber hat sich Kant von vornherein seine eigene und einzigartige Stellung angewiesen (Relig. innerhalb d. Grenzen d. Vernunft 231 f. XV ff.): es ist die des reinen Rationalismus. Ihm gemäss erklärt Kant die (natürliche) Religion für moralisch notwendig und für Pflicht; er verneint nicht schlechthin, wie die Naturalisten, alle übernatürliche, göttliche Offenbarung; er lässt sie vielmehr zu, behauptet aber, dass sie zu kennen und für wirklich anzunehmen, zur Religion nicht notwendig erfordert werde".

Die nachfolgende Kritik geht so viel als möglich auf diesen von Kant selbst präcisierten Standpunkt ein. Vielfach, so am Anfang und am Ende, ist das grosse Verdienst nachdrücklich hervorgehoben, das sich Kant (ähnlich wie Lessing) durch die energische Betonuug und Vertretung des ethischen Interesses (gegenüber einem nur formalistischen Dogmatismus) auch um die evangelische Theologie erworben hat. Freilich war trotzdem der Kant'sche „reine Rationalismus“ in den meisten religiös-sittlichen Fragen als unhaltbar, als ungenügend zu bezeichnen: sofern vielfach von Kant aus unsicheren Prämissen zu viel gefolgert oder die petitio principii an Stelle des logischen und sachlichen Beweises gesetzt worden ist; oftmals hat Kant das Evangelium irrig gedeutet, fast durchweg hat er die sittliche Tendenz der evangelischen Hauptlehren und Hauptthatsachen verkannt, und doch hat er für seine „Vernunftreligion" der göttlichen μopía des Evangeliums nicht entraten können. Auch „,innerhalb der Grenzen" der Vernunft drängt sich ihm so manches Irrationale und Geheimnisvolle auf, das auch von seinem engen Begriffe der „Religion" sich nicht will fern halten lassen und das er nur aus der christlichen Offenbarungsreligion herüber genommen hat. Jene Grenzbestimmung innerhalb der Vernunftbegriffe" schädigt und verkümmert den Lebensnerv der wahren, vollen Religion: denn die

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