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römischen Wesen, mit aller Unfehlbarkeit der Tradition, mit aller Veräußerlichung der Religion, und namentlich auch mit aller pfäffischen Trennung des sogenannten Weltlichen vom sogenannten Kirchlichen. Er will ein Reich Gottes, das Alles, was wahr und gut und recht ist, zusammenfaßt in einen heiligen Organismus. Es ist der Geist des modernen, freien und zukunftsgläubigen Protestantismus. Bezeichnen die Thesen Luther's die bisherige Gestaltung der protestantischen Kirche, so bezeichnen diejenigen Zwingli's die zukünftige Ge= staltung derselben. Luther's Denkmal in Worms bedeutet den Abschluß einer vergangenen Periode, möge das Denkmal Zwingli's, welches uns das Jahr 1884 bringen wird, den Anfang einer neuen protestantischen Zukunft bedeuten! L.

Die bevorstehenden Synodalwahlen.

Der Regierungsrath von Baselstadt hat beschlossen, daß am nächsten 5. Februar 1882 die Ergänzungswahlen in die Synode der reformirten Landeskirche stattfinden sollen. Es haben in Folge der letzten Volkszählung, des Wegzugs und des Absterbens verschiedener Mitglieder zu wählen: Münster 5, St. Peter 2, St. Leonhard 10, St. Theodor 6, Riehen-Bettingen 1, zusammen 24.

Es lassen sich bei diesen Wahlen zwei Gesichtspunkte geltend machen. Die Gewählten jeder Gemeinde bilden den betreffenden Kirchenvorstand. Dieser beaufsichtigt die Geistlichen, handhabt die kirchlichen Ordnungen und überwacht die Verwaltung des Fiskus durch den Hauptpfarrer. In dieser Behörde sollten wo immer möglich beide Richtungen vertreten sein, die Gemeindemehrheit durch eine Mehrheit und die Minderheit durch eine Minderheit. Hier können Orthodoxe und Freisinnige einträchtig und im Frieden zusammenarbeiten, wie das auch mehrfach geschieht..

Die Gewählten aller vier Gemeinden bilden aber auch die Synode, die oberste landeskirchliche Behörde. Hier ringen nun die beiden Richtungen. Hier war die junge Richtung der Reform seit acht Jahren in Minderheit, bis vor zwei Jahren in verschwindender und seither in bedeutender Minderheit, so daß bei den letzten Wahlen in den Kircheurath sogar der vermittelnde Professor Hagenbach-Bischoff nicht durchgebracht wurde. Das ist nun, nachdem in allen Gemeinden die freisinnige Richtung eine bedeutende Mehrheit aufgewiesen hatte, nicht in der Ordnung; jeder Freund einer billigen Vertretung der Richtung muß es wünschen, daß die Bevölkerung in der Synode richtig repräsentirt werde. Und das kann nun bei den nächsten Wahlen erreicht werden. Wahrscheinlich wird es wieder Kampf absetzen, weil es Leute gibt, welche alle Freisinnigen aus Synode und Kirche und Stadt hinausfegen möchten. Die Münstergemeinde z. B. hat bei den letzten Wahlen in die Synode nicht nur Herrn Obersthelfer 3. Wirth zurückgewiesen, sondern auch die Herren Bölger und Dr. J. J. Burckhardt, die einzigen Liberalen im Münster und wahrlich keine extremen, rücksichtslos beseitigt. Ist die Gesinnung dort die gleiche geblieben, so gibt es bei den nächsten Wahlen wieder einen klaren und reinen Prinzipienkampf und zwar einen für lange entscheidenden.

Druď und Expedition: Vereinsbuchdruckerei, Spalenvorstadt 3, Basel.

Fünfter Jahrgang.

N. 2.

Samstag, 14.Januar 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr u. Pfr. E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.

Decolampad an Luther.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis per Vierteljahr franko zugesandt 1 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Vereinsbuchdruckerei, Spalen 3, abholen.

Das Kennzeichen des Christen.

Ein großartiges Gemälde rollt das fünfundzwanzigste Kapitel des Evangeliums des Matthäus vor unsern Augen auf, zumal der letzte Abschnitt desselben, der das Gericht über die vor dem Thron des Weltenrichters versammelten Menschen schildert. „Wenn der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engei mit ihm, dann wird er sizen sigen auf dem Thron seiner Herrlichkeit. Und es werden alle Völker vor ihm versammelt werden. Und er wird sie von einander scheiden, die einen zur Rechten, die andern zur Linken u. s. w.“ Mit welcher Anschaulichkeit ist das gemalt und mit welcher Naivität geglaubt!

Wir sehen freilich sofort, daß wir hier ein Gemälde vor uns haben, das mit den glühenden Farben orientalischer Phantasie ausgestattet ist, eine Vorstellung, die zusammengewoben ist aus den sinnlichen Begriffen jener Zeit und getragen von der urchristlichen heißen Sehnsucht nach der baldigen plöglichen und sichtbaren Wiederkunft Christi. Aber wenn wir auch schon dieselben Begriffe nicht mehr die unsrigen nennen und uns das Weltgericht nicht mehr als ein plötzliches, einmaliges Endurtheil, sondern als ein sich allmälig vollziehendes denken, so müssen wir doch die Grundgedanken dieser Schilderung als Wahrheit bezeichnen: es gibt ein Gottesgericht über alles menschliche Thun, und: es gibt ein Kennzeichen an welchem der Ewige erkennt, wer die Seinen sind und wer nicht. Deutlich ist wenigstens in dieser Schilderung ausgesprochen, wen Christus zu den Gesegneten seines Vaters" rechnete, welche die Seligkeit erlangen, und wen er von sich weist, als solche, die er nicht als die Seinen anerkennen kann.

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Dieses Kennzeichen heben wir aus dem genannten Abschnitte für jetzt zur Betrachtung heraus; es ist ja doch der Hauptgedanke in demselken.

Wir haben es wahrlich nöthig, ein solches Kennzeichen der wahren Christen zu wissen. Nicht zwar um andere danach zu beurtheilen oder zu verdammen, denn das können und sollen wir nicht, so lange das Wort wahr ist: „Der Mensch sieht nur, was vor Augen ist, aber Gott siehet das Herz an." Aber um uns selbst zu beurtheilen, sei's zur Mahnung und Warnung, se's zur Ermunterung und zum Trost. Es kommt auch heutzutage noch zur Genüge vor, daß freier denkende Menschen, sie mögen so rechtschaffen und edel sein, als sie wollen, blos um ihrer freien Denkweise willen als Nichtchristen, als Ungläubige und Abgefallene bezeichnet werden. Und weil es gewöhnlich unter der Firma einer offiziellen Kirchlichkeit geschieht, so möchte manch' Einer irre werden an sich selbst und sich ängstigen um sein inneres Leben oder um das der Seinigen. Da ist es doch das Natürlichste, den Meister selbst zu fragen: wie siehst du das an? Was gilt dir als Unterscheidungsgrund, wonach scheidest du in eine Rechte und eine Linke ? Hier steht es: es ist die werkthätige Nächstenliebe, und nichts Anderes.

Aber wie weit sind die Menschen im Ganzen und Großen noch hievon entfernt!

Der strenge römische Katholik, der Ernst macht mit seinem katholischen Dogma, nennt heute noch seine Kirche die alleinselig machende, und rechnet in Gedanken die Christkatholiken, wie die Protestanten zu den Verlorenen. Für ihn gibt es keine Seligkeit, als durch die gläubige Annahme der päpstlichen Sazungen und durch die Absolution des Priesters. Steht in unserm Abschnitt etwas hievon? Heißt es etwa da, daß der Weltenrichter die Katholiken auf die Rechte und die Protestanten auf die Linke stellen werde ?

Der orthodoxe Protestant, der von der Reformation nichts gelernt und sich wieder seine äußerliche, unfehlbare Autorität in der Bibel zurecht ge= macht hat, wird, wenn er Ernst macht, jeden Freisinnigen, jeden Reformer als einen Ungläubigen und darum von der Seligkeit Ausgeschlossenen ansehen, und ihm, wenn auch mit allen Zeichen christlichen Bedauerns, erflären: Wenn der Glaube der Apostel, wie er im apostolischen Bekenntniß ausgedrückt ist, nicht der deinige ist, so kann ich dich nicht zu den Christen rechnen; du hast einen andern Geist, als ich!" Ich frage: steht hievon etwas in dem Urtheil des Weltenrichters, das uns Matth. 25 mitgetheilt ist? Enthält dasselbe auch nur eine Spur davon, das Christus die Orthodoxen auf seine Rechte und die Reformer auf seine Linke stellen werde ?

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Und doch war es ihm gewiß um das Seelenheil der Menschen zu thun, als er jene Worte sprach! Ja, enthalten diese Worte auch nur eine Andeutung, daß irgend eine Religionsgemeinschaft oder eine Kirche bevorzugt sein werde und ihre Mitglieder schon darum, weil sie zu ihr gehören, Antheil hätten am Himmelreich ?

Oder hat Christus etwa nach andern Unterscheidungszeichen sein Urtheil gesprochen, wie sie noch sonst unter den Menschen gebräuchlich sind? Die Reichen auf die Rechte, die Armen auf die Linke? Die Gebildeten rechts, die Ungebildeten links? Die Konservativen rechts und die Radikalen und Demokraten und die Sozialdemokraten links?

Was hier als das einzige Unterscheidungszeichen genannt ist, ist die Ge= sinnung der Nächstenliebe, der theilnehmenden Wohlthätigkeit. Mit Absicht sind die einzelnen Aeußerungen derselben vier Mal wiederholt, damit ja kein Zweifel obwalte, daß sie, und nur sie den Menschen zum Christen mache, wie auch im Gleichniß vom barmherzigen Samariter die aus aufrichtigem Mitleid stammende, opferfreudige Hilfeleistung als Beweis seines Vorzugs vor Priester und Levit bezeichnet ist.

"Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist; ich bin durstig „gewesen und ihr habt mich getränkt; ich bin nackend gewesen und ihr habt „mich bekleidet, ich bin ein Gast gewesen und ihr habt mich beherbergt; ich „bin krank gewesen und ihr habt mich besucht; ich bin gefangen gewesen „und ihr seid zu mir gekommen." Somit ist zunächst nichts weiter gefordert, als die Wohlthätigkeit in leiblichen Bedürfnissen, und wo diese, wie ja häufig, nicht möglich ist, wenigstens die Theilnahme. Es gibt ja tausend Fälle, wo wir den materiellen Mangel nicht vollständig heben können, theils weil er unsre Kräfte übersteigt, theils weil er, wie bei unheilbaren Krankheiten, überhaupt nicht zu beseitigen ist. Aber in solchen Fällen ist ja schon das theilnehmende Wort, der herzlich gemeinte Besuch, der gespendete Trost, das Mitgefühl mit dem Elend eine Wohlthat; ist nur die wohlmeinende Gesinnung da, so spricht sie sich von selbst, soweit es ihr möglich, in Thaten aus.

Aber diese Nächstenliebe soll eine anspruchslose sein. Es ist nicht ohne Grund, daß in unserer Schilderung beiderseits, auf der Rechten, wie auf der Linken, die staunende Frage aufgeworfen wird: Herr, wann haben wir dich hungrig, durstig, nackend oder krank u. s. w. gesehen? Das bezeichnet recht deutlich die Art christlicher Wohlthätigkeit als einer unbewußten, ungesuchten und anspruchslosen That. Wer wie ein Pharisäer betet: ich gebe den Zehnten von Allem, das ich habe, oder wie die Heuchler, es ausposaunen läßt, daß er so und so viel gegeben, oder wer auch nur

am Abend des Tages es sich selbstgefällig sagt: Du bist wohlthätig ge= wesen, dessen Wohlthätigkeit trägt einen Makel an sich und würde mit der= jenigen nicht stimmen, die Christus in seinem Endurtheil als die wahre bezeichnet.

Somit hätten wir ja das allein gültige Kennzeichen der Jünger Jesu : die werkthätige Nächstenliebe, die frei und selbstlos aus dem Herzen entspringt. Was wollen wir mehr? Sie sollen uns also nicht kommen mit ihrem Dogma oder mit ihren äußerlichen Geberden und uns drauf hin verdammen; wir wollen diese Nächstenliebe pflegen, so gut wir können und uns dazu stets neuen Antrieb in unsern Gottesdiensten holen; damit aber wissen wir uns in aller Demuth Christi Nachfolger und Niemand soll uns dieses Bewußtsein verbieten!

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Wir wollen aber auch Ernst machen damit. Wenn Jesus sprach: Was ihr gethan habt einem unter diesen geringsten Brüdern, das habt ihr mir gethan“, so dürfen wir nicht mehr den Armen, ja den geringsten Armen, anders betrachten, als gleichberechtigt mit uns, als Bruder Jesu. Thun wir das immer? Ja, wenn der Heiland selber käme, in einer Gestalt, in der wir sofort ihn erkennen, dann würden wir Alle, und die Allerchristlichsten zuerst, ihn einladen, ihm Alles zur Verfügung stellen, ihn hoch ehren. Aber er kommt incognito, in der Gestalt irgend eines Bedürftigen zu uns, den wir vielleicht nicht einmal ansehen. Kennen wir ihn auch in dieser Gestalt?

Beispiele! Ich nehme an, es werde in irgend einer Stadt für arme Heidenkinder gesammelt, um sie zu einem menschenwürdigen Dasein zu erziehen und christlich zu bilden. Es bilden sich Komites, Vereine, die Gaben fließen, in den betheiligten Kreisen ist eine Begeisterung für die armen Kinder in der weiten Ferne; es gilt ja dem Heiland zu dienen. Stellt aber denselben Kreisen zwei, drei zerlumpte, vernachlässigte Kinder aus irgend einer Familie derselben Stadt vor und wünscht von ihnen dieselbe Sorge für diese Landeskinder, wie manche Hand würde sich verschließen, in wie manchem Herzen die Begeisterung einem unwillkürlichen Widerwillen weichen ?

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Ich nehme ferner an, es tauche irgendwo das Projekt auf, die Todten auf gemeinsame Kosten zu beerdigen und damit den vielen armen Familien die Sorge um die Beerdigungskosten bei ihrem sonstigen schweren Leide abzunehmen, oder die Kranken auf gemeinsame Kosten zu verpflegen, damit sie nicht noch zu der Angst um ihr Leben und die Existenz ihrer Familie Kummer haben müssen, was würden wir aus manchem vornehmen, ja sogar sich christlich dünkenden Kreise hören ?

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