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In meinem oft so bewegten, so anfechtungsvollen Leben haben zwei Worte des Alten Testaments eine große Rolle gespielt, die vielleicht manch' Andern wenig oder nichts gesagt haben, mir aber sind sie zu einer Gottesstimme, zu einer Gotteskraft sondergleichen geworden. Das eine Wort steht wie verloren in dem langen 119. Psalm, V. 94: „Ich bin dein; hilf mir"; und das andere steht Ps. 73, 24: „Dennoch bleibe ich stets an dir!" Solcher Sprüche aber gibt es Hunderte in der Bibel; es kommt nur darauf an, daß man sie in's Herz schließe und sie auch einwirken lasse auf das Leben.

Eine der besten Erfahrungen meines Lebens ist in dem so wichtigen Spruche enthalten: „Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nüße und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens.“ Seid wahre Christen, macht die Frömmigkeit zur Alletagssache Eures Lebens, und Ihr werdet alle Tage besser erkennen, daß es nichts Köstlicheres gibt, als das Evangelium und daß die Freude der Grundton ist im christlichen Leben. Ja, selbst wenn es mit diesem Leben aus, völlig aus wäre, so wäre es den= noch die höchste Weisheit, dem Evangelium gemäß zu leben. Schon hier auf dieser Erde hat der Christ, selbst mitten in allen Qualen, in allen Entbehrungen, in allen Kämpfen, in sich, im innersten Herzen, eine Friedensstätte, eine tiefe, heilige Freude, die Alles weit übertrifft, was die Welt mit ihren flüchtigen Genüssen uns zu bieten vermag. Allein Gottlob! nachdem der Christ auf Erden schon in seinem Gott selig gewesen, soll er, nach den schönsten Verheißungen der Schrift und nach meiner freudigsten Ueberzeugung, ewig selig werden in immer reinerer, tieferer Freude.

Liebe Kinder, mein Herz ist so voll und ich möchte Euch noch so Vieles mittheilen aus meinen Lebenserfahrungen. Allein das Schreiben fällt mir täglich schwerer. Wißt Jhr, was beim Gedanken an Euch mich immer mit tiefer Freudigkeit erfüllt: das ist das Bewußtsein, daß Ihr Beide die Wahrheit lieb habt und jede Lüge scheuet. O bleibet immer völlig wahr und aufrichtig Eurer Mutter gegenüber; laßt nichts zwischen sie und Euch treten! Sie soll stets einen ganzen ungetrübten Blick in Euer Herz haben. Euch, Kinder, verdanke ich, nach Eurer Mutter, die schönsten Freuden meines oft so mühevollen Lebens. Wie ihr bis hieher mein Glück und mein Trost gewesen, so werdet ihr es auch ihr sein, wenn der schwerste Schlag sie treffen wird. Scheuet Euch nicht, mit ihr von mir zu reden, wenn ich todt bin; es wird ihr und Euch wohlthun, wenn Ihr recht innig mit mir fortlebet. Denkt an mich in trüben Stunden; der Vater, der mir durchgeholfen, wird auch mit Euch sein. Denkt aber auch an mich, wenn Ihr in den blauen Himmel hineinschaut; laßt mich Theil nehmen an allen

Euren Freuden. Sorgt dafür, daß Ihr mir nicht fremd werdet. In Euren Seelen möchte ich fortleben. Wie freue ich mich schon jezt auf die Stunde, wo wir uns Alle wieder haben, und unser Aller Seelen im Rückblick auf die kleinen Erdenfreuden und die kleinen Erdenleiden in Einem Danke zusammenfließen werden.

Ich sah heute, wie Ihr, liebe Kinder, mit thränenfeuchtem Ange aus der lezten Religionsstunde nach Haus gekommen seid. O gesegnet sei der treue Mann, der in Euch himmlische Trauer, aber auch himmlisches Heimweh und himmlische Freude wachgerufen hat! Behaltet ihn lieb und zeigt ihm Eure Verehrung. Er hat mich oft wunderbar getröstet und aufgerichtet in seinen Predigten; er wird mein Grab einsegnen, und ich weiß, er wird in seine Abschiedsworte sein ganzes Herz hineinlegen. Doch nicht blos ihn, sondern auch das Gotteshaus sollt Ihr lieb haben. Ich traure über die, die den Segen des Gotteshauses, der gemeinsamen Andacht nicht kennen oder gar verachten.

Daß ich das Abendmahl noch mit Euch werde feiern können, glaube ich nicht. Meine Tage sind gezählt; ich werde noch stark sein bis zu Eurer Einsegnung. Dies sagt mir eine innere Stimme, die ich oft gehört in meinem Leben und die mich nie getäuscht hat. Ich will mich damit zufrieden geben. Es wird Euch später völlig klar werden, welch' ein Segen in der Taufe und im Abendmahl liegt. Bei der Erinnerung an die Taufe trat mir immer vor die Seele das Wort, von dem ich Euch schon geschrieben! „Ich bin dein!“ und beim Abendmahle, meiner Sünde und Untreue gedenkend, konnte ich immer in neuer Glaubensfreudigkeit sprechen im Aufblick auf den Gekreuzigten: „Dennoch bleibe ich stets an dir!"

Und nun, liebe Kinder! noch ein letztes Wort. Morgen werdet Ihr vor dem Altar stehen. Ich bin eben noch an Euren Betten gestanden; Ihr schliefet so fest und süß: Gott segne Euch, Ihr beiden lieben, ewig lieben Kinder! Ich habe meine Hand auf Eure Stirne gelegt. Ich kann ruhig scheiden; Ihr gehört nun Dem an, der Euer, mein und unser Aller Vater ist. Dir, lieber Sohn, rufe ich zu: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens und ergreife das ewige Leben“. Für Dich, meine Tochter, habe ich den Spruch gewählt: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!" Euch Beide aber, die Ihr an Einer Mutterbrust gelegen, schließe immer inniger zusammen jener Glaubensruf: „Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn". Das sei mein Abschiedswort. Gute Nacht! Gott segne uns in Ewigkeit. Amen!

Judenfrage und evangelische Allianz.

Wie man in evangelischen Kreisen in Frankreich die sogenannte Judenfrage auffaßt, zeigt folgendes Schreiben, welches der Präsident der evangelischen Allianz an die israelitische Allianz gerichtet hat:

„Paris, 1. März 1882. Im Namen des französischen Zweigs der evangelischen Allianz, einer vor mehr als dreißig Jahren gegründeten Genossenschaft, in welcher die verschiedenen, protestantischen Be= kenntnisse unseres Vaterlandes vertreten sind, fühlen wir uns gedrungen, uns heute an Sie zu wenden. Nach einer vorübergehenden Auflösung unseres Komite's auf's Neue vereinigt, haben wir das Bedürfniß, Ihnen auszusprechen, mit wie tiefem Schmerze und Entrüstung wir in gewissen Theilen Europa's und namentlich in Rußland einen Geist der Gereiztheit und Gewaltthätigkeit gegen die jüdische Race wieder erwachen sehen, der an die düstersten Zeiten der Geschichte erinnert. Den Abkömmlingen der Hugenotten ist es nur allzu leicht, mit den Verfolgten zu fühlen. Auch ist es die Sache der Christen, gegen Handlungen und Tendenzen zu protestiren, welche einer Civilisation, die sich mit Stolz die christliche nennt und sich dem Geiste wie den Lehren des Gründers des Christenthums untreu zeigt, unwürdig sind. Genehmigen Sie u. s. w. Gustave Monod, Präsident.“

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Welches die gewissen Theile Europa's" außer Rußland find, auf welche dieses Schriftstück hinweist, das braucht wohl nicht gesagt zu werden. Desto lehrreicher ist ein Vergleich dieses Schriftstücks mit der durchaus Stöcker-freundlichen Haltung der meisten christlich-konservativen Blätter der „Evangelischen Allianz". Da sieht man, daß es Wege hat, bis (wie der technische Ausdruck heißt) „die verschiedenen Schattirungen der positiven Richtung sich besser unter einander verstehen lernen". Vielleicht empfiehlt es sich, auch die „Allianz" doppelspurig anzulegen.

Zur neuen Ordnung der Kinderlehren.

Mit dem neuen Schulkurs nach Ostern beginnt eine neue Ordnung betreffend die Kinderlehren, verabredet zwischen Schul- und Kirchenbehörden. Wir bitten Eltern und Kinder angelegentlich, sich Folgendes zu merken:

1. Kinder, welche sich in der dritten oder vierten Klasse der Mittelschulen befinden, erhalten von der Schule keinen Religionsunterricht mehr. Sie haben aber dafür wöchentlich zwei Religionsstunden beim Geistlichen, nämlich die Knaben: Dienstag und Freitag 8 bis 9, und die Mädchen: Montag und Donnerstag 11 bis 12 Uhr. Im Pensum der betreffenden Schulklassen bleiben diese Stunden für den Unterricht des Geistlichen frei.

2. Kinder, welche sich in der ersten Klasse der Oberschulen befinden, haben wöchentlich eine Stunde Religionsunterricht beim Geistlichen, nämlich die Knaben: Donnerstag 8 bis 9, und die Mädchen: Mittwoch 8 bis 9 Uhr. Diese Stunden bleiben im Pensum der betreffenden Schulklasse für den Religionsunterricht des Geistlichen frei.

3. Kinder, welche aus der Schule entlassen sind, erhalten wöchentlich eine Stunde pfarramtlichen Religionsunterricht.

4. Der Konfirmanden - Unterricht dauert künftig das ganze Winterhalbjahr in wöchentlich zwei Stunden, nämlich für die Knaben: Montag und Donnerstag 8 bis 9, und für die Mädchen: Mittwoch und Samstag 8 bis 9 Uhr. Im Pensum der ersten Klasse der Oberschulen bleiben diese Stunden für den Konfirmanden-Unterricht frei.

Wenn sie die Macht dazu hätten! Wir notiren aus dem „Kirchenfreund" ein ehrliches Geständniß. Zwei Professoren der Basler Hochschule sind in der Redaktion dieses Blattes. Einer von ihnen bespricht die Nichtbestätigung und Absetzung liberaler Pfarrer in Preußen und sagt, die kirchlichen Behörden haben damit nur ihre Schuldigkeit ge= than, viel zu lange habe man dort die Verstöße gegen das kirchliche Bekenntniß hingehen lassen, und das Strafverfahren sei möglichst milde" angebahnt worden! Damit wird uns bestätigt, was wir längst wußten: Daß die Führer der Orthodoxie in Basel es jeden Augenblick für ein gutes und Gott wohlgefälliges Werk hielten, die freisinnigen Geistlichen von Amt und Brod zu vertreiben, wenn sie die Macht dazu hätten !

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An den jungen Freund. Sie meinen, man sollte die Zweitheilung der Kirche nicht so weit von sich weisen, denn jede Gruppe würde, selbst= ständig geworden, erst sich ihrer Natur gemäß ausgestalten und nach Jahren der Trennung würden sie sich voll Sehnsucht wieder vereinigen. Das glauben wir nicht. Wiederverheirathung zwischen geschiedenen Ehegatten kommt höchst selten vor, und getrennte Kirchen pflegen an Eigensinn und Stolz noch schlimmer zu sein, als die Menschen.

An den Anonymen. Ueber ein Dußend großer Briefe haben Sie mir schon gegen einzelne Artikel unseres Blattes zugeschickt. Ich habe schon viel gerathen, wer Sie wohl sein möchten und würde Sie gerne persönlich kennen lernen, nicht um einander zu bekehren, nur besser zu verstehen. Wenn Sie mir dazu nicht Gelegenheit geben, so vergeht mir das Interesse an Ihrer fortwährenden Kritik und kann ich nicht versprechen, sie ferner zu beachten. Denn wir Beide dürfen als ernste Christen das theure Papier und die kurze Lebenszeit nicht unnüt vergeuden.

Druck und Expedition: Vereinsbuchdruckerei, Spalenvorstadt 3, Basel.

A.

Fünfter Jahrgang.

M. 15. Samstag, 15. April 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr u. Pfr. E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolampad an Futher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis per Vierteljahr franko zugesandt 1 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Vereinsbuchdruckerei, Spalen 3, abholen.

Was suchet ihr den Lebendigen bei den Todten ?

Die Osterbotschaft: „Der Herr ist auferstanden", ist dieser Tage wieder durch alle Lande gegangen und in allen christlichen Kirchen gepredigt worden. Aber trotz dieser Einmüthigkeit geht durch die gesammte Christenheit der Zwiespalt zweier von einander sehr verschiedener Auffassungen der Auferstehung Christi, einer mittelalterlichen und einer modernen, einer wundergläubigen und einer nur auf Natur und Vernunft gegründeten, einer sinnlichen und einer geistigen Auffassung. Bei dem Streit, welcher hierüber herrscht, sollte man sich immer vergegenwärtigen, was die gemeinsame Idee sei, welche den beiderseitigen Ansichten zu Grunde liegt, und diese ist nicht schwer zu finden; es ist: die freudige Anerkennung des ewigen Gesetzes in der Entwicklung des Reiches Gottes, daß das, was aus Gótt stammt, niemals sterben und untergehen kann..

Die Verlegung des Osterfestes auf die Zeit des erwachenden Lenzes läßt uns erkennen, daß dabei schon an die Wahrnehmung dieses Gefeßes im Naturleben gedacht worden. Die Alterthumskundigen sagen uns, daß schon in der vorchristlichen Zeit bei unsern Altvordern das Fest der Göttin Ostara bestanden habe, ein eigentliches Frühlingsfest zu Ehren der Blumen spendenden Göttin; die Verehrung der unüberwindlichen, stets wieder aus dem Tode hervorbrechenden Lebenskraft war also schon seit uralter Zeit ein Bedürfniß der Menschen; sie trauerten wohl um die welkenden und ersterbenden Gebilde des Jahres, sie schauerten vor dem eisigen Tod, aber sie vergaßen dieses Sterben, sobald wieder Lenzluft wehte und wandten sich hoffnungsvoll dem neuen Leben zu.

Das Neue, welches durch das Christenthum in die Welt gebracht wurde, besteht eigentlich blos in der Anwendung dieser Erkenntniß auf das geistige und religiöse Leben der Menschen. An der einzigartigen Persönlichkeit Jesu Christi war die Erfahrung gemacht worden, daß sich's in der Entwicklung des Gotteslebens genau also verhält, wie im Leben der Natur: die Persönlichkeit, der Träger des neuen Evangeliums geht unter, verstoßen und getödtet von Denen, die das Licht haßten, und der Eindruck auf seine Anhänger war zunächst ein erschütternder, niederschlagender, als ob nun Alles verloren wäre, aber siehe da, auch hier regte sich das

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