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Göthe als Katechet.

Daß Göthe einmal als Katechet gewirkt habe, wird manchem Leser als kaum glaublich erscheinen. Und doch ist der große Dichter als junger Student in Leipzig einmal als solcher aufgetreten und zwar so mustergiltig, daß noch mancher bibelvergötternde Katechete von ihm lernen könnte.

Göthe verkehrte nämlich während seines Leipziger Aufenthaltes im Hause des Kupferstechers Stock, bei welchem er sich in dessen Kunst unterrichten ließ. Die beiden Töchterlein erhielten im Hause Unterricht durch einen ehrenhaften, aber pädagogisch wie es scheint nicht gerade hochbegabten Magister. Göthe war während des Unterrichtes oft zugegen. „Einmal traf es sich nun", so erzählte später eine der Töchter Stock, daß wir in des Dichters Anwesenheit mitten aus einem ihm für junge Mädchen unpassend scheinenden Kapitel des Buches Esther laut vorlesen mußten. Ein Weilchen hatte Göthe ruhig zugehört; mit einem Male sprang er vom Arbeitstische des Vaters auf, riß mir die Bibel aus der Hand und rief dem Magister mit ganz furioser Stimme zu: „Herr, wie können Sie junge Mädchen solche Geschichten lesen lassen!" Unser Magister zitterte und bebte, denn Göthe sette seine Strafpredigt immer heftiger fort, bis die Mutter dazwischen trat und ihn zu besänftigen suchte. Der Magister stotterte etwas von „Alles sei Gottes Wort" heraus, worauf ihm Göthe bedeutete: „Prüfet Alles, aber nur was gut und sittlich ist, behaltet!" Dann schlug er das neue Testament auf, blätterte ein Weilchen darin, bis er, was er suchte, gefunden hatte: „Hier, Dorchen“, sagte er zu meiner Schwester, „das lies uns vor, das ist die Bergpredigt, da hören wir Alle mit zu. Da Dorchen stotterte und vor Angst nicht lesen konnte, nahm ihr Göthe die Bibel aus der Hand, las uns das ganze Kapitel_laut vor und fügte erbauliche Bemerkungen hinzu, wie wir sie von unserm Magister niemals gehört hatten. Dieser faßte nun auch wieder Muth und fragte bescheidentlich: „Der Herr sind wohl studiosus theologiae. Werden mit Gottes Hülfe ein frommer Arbeiter im Weinberge des Herrn und ein getreuer Hirt der Heerde werden!" - Der künftige „große Heide" war nun freilich kein studiosus theologiae; aber mancher "große Christ" und ausstudirte Theologe könnte aus dieser Geschichte lernen, wie bei aller Hochachtung vor der Bibel, die bei Göthe in bedeutendem Maße vorhanden war, doch im Jugendunterrichte eine weise pädagogische Auswahl_getroffen werden muß. D. B.

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Der Weg nach Rom. Es ist nun für Alle, welche sehen können, klar, daß in dem zehnjährigen Streit des deutschen Reiches mit Rom das lettere Sieger bleibt. Unter den neuen Beschlüssen des Abgeordneten- und Herrenhauses geht einer dahin, daß ein durch richterliches Urtheil abgeseßter Bischof durch Begnadigung des Königs sofort wieder stattlich anerkannter Bischof sein kann. Die protestantischen Junker überboten einander in Versicherungen ihres gläubigen Respekts vor der römischen Kirche, welche sie wie die einzige Kirche der Welt betrachten. Von Windthorst, dem Führer

der Ultramontanen, wurde ein lateinisches Programm, in welchem die Universität Wittenberg-Halle sich zu den Grundsäßen der Reformation bekannte, heftig angegriffen. Der Berliner Professor Dove sagte daher mit Recht: Wir scheinen auf dem besten Wege zu sein, als Evangelische in die Stellung einer bloß noch geduldeten Religionsgenossenschaft zurückzukehren!" Im Lande der Reformation!

Soziales. Der 38. Bericht über den Zustand des Waisenhauses der Stadt Basel im Jahr 1881 erzeigt ein Vermögen dieser gesegneten Anstalt von Fr. 772,026. Die Vermögenszunahme pro 1881 beträgt 121,940 Fr. Dieselbe rührt von großartigen Geschenken und Legaten her, die sich auf Fr. 164,075 belaufen. Die übrigen Einnahmen bestehen aus Zinsen (29,340 Fr.), Erträgnissen (2923 Fr.), Kostgeldvergütungen (48,403 Fr.), Kirchenalmosen (10,873 Fr.), Gottespfenningen (2345 Fr.), Ballgebühren (691 Fr.), Musikund Gesanggebühren (170 Fr.), Hundeabgaben (2067 Fr.) u. s. w. Ausgegeben wurden für den Tisch des Hauspersonals und der Waisen 41,126 Fr., für Besoldung der Hausadministration 13,271 Fr., für Schul- und Religionsunterricht 5996 Fr., für Arzt- und Arzneikosten 3220 Fr., für Kostgelder und Beisteuern an außerhalb der Anstalt Versorgte 42,954 Fr. u. s. w. Der Posten für Schul- und Religionsunterricht fällt anderorts, z. B. in Zürich, weg, weil dort die Waisenkinder alle die öffentlichen Schulen und die üblichen Gottesdienste in den Stadtkirchen besuchen. Was besser ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Im Waisenhaus versorgt waren Ende 1881 im Ganzen 165 Kinder, in auswärtigen Anstalten 23, in auswärtigen Familien 47, in elterlicher Pflege 216.

Yfingsten!

Das Fest der Pfingsten kommt im Hall der Glocken,
Da jauchzt in Frühlingsschauern die Natur;

Auf jedem Strauch des Waldes und der Flur
Schwebt eine Ros' als Flamme mit Frohlocken.

Geist, der einst in goldnen Feuerflocken
Auf's Haupt der Jünger brausend _niederfuhr,
Von deinem Reichthum einen Funken nur,
Hernieder send' ihn auf des Sängers Locken!

Ich weiß es wohl, nicht würdig bin ich dein;
Doch hast du nie die Tugend ja gemessen,
Der Glaube zieht, die Sehnsucht dich allein.

Der Armen hast du nimmermehr vergessen;

Du kehrtest in der Fischer Hütten ein,
Und an der Sünder Tisch bist du gesessen.

Kirchenzeddel Pfingstsonntag den 28. Mai 1882.

A.

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Fünfter Jahrgang.

No 23.

Samstag, 10. Juni 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolampad an Luther.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Zum ehelichen Frieden und häuslichen Glück.

Andreas Lenner kam eines Abends aus dem Geschäft, wo er den ganzen Tag gearbeitet hatte, müde und übler Laune nach Hause zu seiner Frau, welche auch müde und übler Laune war. „Ein lachendes Weib und ein heiteres Daheim, was für ein Paradies würde dies sein“ sagte Andreas zu sich selbst, als er seine Augen von dem finsteren Gesichte seiner Frau wandte. Frau Lenner holte das Abendessen und bewegte sich mit müdem Schritte. „Komm!“ sagte sie endlich. Nur in den Worten, nicht in der Stimme war eine Einladung. Andreas stand auf und ging an den Tisch. Er war geneigt, ein zorniges Wort zu sagen, aber er bezwang sich. An dem Abendbrød konnte er keinen Fehler finden; es würde ihn erfreut haben, wenn nur ein wenig Sonnenschein auf dem Gesichte seiner Frau gewesen wäre. Er bemerkte, daß sie nicht aß. „Bist du nicht wohl, Marie ?“ Die Worte schwebten ihm auf den Lippen, aber er sprach sie nicht aus, denn das Gesicht seiner Frau war so abwehrend, daß er eine gereizte Antwort fürchtete. So saßen die Beiden in mürrischem Schweigen beieinander, bis Andreas sein Abendbrod beendet hatte. Darauf räumte seine Frau den Tisch ab, breitete eine grüne Decke darüber, seßte eine Lampe darauf und ließ ihren Mann mit seinen quälenden Gedanken allein. „Das ist unerträglich!" sagte Lenner, indem er die Hände verzweiflungsvoll in die Hosentaschen steckte und mit gesenktem Kopf im Zimmer auf und ab ging. Nach einer Weile zog er ein Zeitungsblatt aus der Tasche und sezte sich an den Tisch, um zu lesen. Sonderbarer Weise waren die ersten Worte, welche er las: „Lobe deine Frau!" Sie vermehrten fast seine Verstimmung. „Ich möchte wohl Ursache haben, sie zu loben“, dachte er. Aber er las weiter: „Lobe deine Frau, Mann, ermuthige sie ein wenig,

das wird sie nicht verleßen.“ Andreas Lenner sah auf und murmelte: „ ja! das ist ganz gut. Lob ist billig genug. Aber warum soll ich sie loben, daß sie so mürrisch ist und mein Haus zum unangenehmsten Ort auf der Welt macht?" Er blickte wieder auf das Papier. „Sie hat dein Haus bequem und deine Nahrung angenehm gemacht. Wenn aus keinem andern Grunde, so lobe sie doch aus Mitleiden. Sie erwartet es nicht, aber es wird ihr und auch dir gut thun." Es war Andreas, als wenn dies gerade für ihn geschrieben wäre. Er las nicht weiter. Sein Gewissen klagte ihn der Ungerechtigkeit gegen seine Frau an. Sie hatte sein Haus so bequem wie nur möglich gemacht, und er hatte ihr noch nie gedankt oder ihr seine Zufriedenheit ausgesprochen. Frau Lenner kam aus der Küche; nahm ihren Arbeitskorb und sezte sich an den Tisch, um zu nähen. Sie stickte gerade an einem Hemde. Er wußte, daß es für ihn war. „Du machst das sehr schön, Marie." Sie antwortete nichts, aber er bemerkte, daß ihr Gesicht den strengen Ausdruck verlor, obgleich die Nadel in ihrer Bewegung fortfuhr. „Meine Hemden sind schöner und weißer als die von irgend Jemand in unserm Geschäft!" fügte er ermuthigt hinzu. „Wirklich?“ sagte Frau Lenner. Sie blickte nicht auf, aber er fühlte, er hatte das Eis der Zurückhaltung durchbrochen, alles war nun leicht. Ein Riß war zwischen den Wolken und einige Strahlen drangen durch den Riß. „Ja Marie“, antwortete er weich, „und ich habe mehr als einmal gehört: Was für eine gute Frau muß Lenner haben!“ Frau Lenner sah ihren Mann an. Ihre Augen leuchteten, aber es war noch etwas in ihrem Ausdruck, das ihn befremdete. „Denkst du auch so?“ fragte sie ganz trocken. „Was für eine Frage!" sagte er und näherte sich ihr; „was für eine Frage, Marie!" wiederholte er, als er vor ihr stand. „Denkst du so?“ war alles, was sie sagte. „Ja, Liebe!" war seine innig gesprochene Antwort, und er beugte sich nieder und küßte sie; „wie sonderbar, daß du so fragst!" „Wenn du mir das nur von Zeit zu Zeit sagen wolltest, Andreas, es würde mir gut thun." Frau Lenner stand auf und lehnte ihren Kopf an die Brust ihres Mannes und weinte still. Was für ein helles Licht ging dem Andreas auf: Er hatte seinem treuen Weibe nie den geringsten Dank für das liebevolle Interesse, das sie ihm täglich bewies, gezeigt. Zweifel an seiner Liebe war in ihr Herz gedrungen und hatte alles Licht um sie her finster gemacht. „Du bist gut und treu, Marie, ich liebe dich und mein erster Wunsch ist dein Glück. Wenn ich dich immer heiter sehe, so ist mein Haus mir der liebste Plag auf Erden.“ Wie lieb mir deine Worte sind, Andreas!" sagte die Frau unter Thränen lächelnd; „wenn ich daran denke, kann ich niemals traurig sein.“ Wie

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leicht war doch, was Andreas gethan: Er hatte den dunklen Horizont seines Hauses zerrissen und der helle Sonnenschein strahlte nun hernieder.

Die Saltlosigkeit der Orthodoxie.

(Ev. G. Bl.)

Aus einer soeben erschienenen Schrift von Clemens Nohl, betitelt: Wider die Herrschprätensionen der Orthodorie" einer Schrift, deren muthvolle Entschiedenheit und Schneidigkeit um so mehr zu bewundern ist, weil sie auf deutschem Boden erscheint theilen wir folgende Schlußbetrachtung mit. Sie mag zeigen, daß die Orthodorie, troz ihrer jezt wieder überhandnehmenden äußern Machtstellung, innerlich gerichtet und darum für die Zukunft haltlos geworden ist.

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Es hat die Orthodoxie im Streit mit Vernunft und Wissenschaft seit Jahrzehnten nur Niederlagen erfahren, und in gelehrten Kreisen zeiht man ihre Vorkämpfer entweder geradezu der Unwissenheit oder man wirft ihre ganze Theologie in die Rumpelkammer der Scholastik. Leider hat aber die Orthodoxie mit ihrer Aufdringlichkeit, mit ihren durch nichts gerechtfertigten Herrschansprüchen nicht blos sich selbst in Verruf gebracht, sondern sie hat auch der christlichen Religion, mit der man sie mannigfach_ver= wechselte, die tiefsten Wunden geschlagen und ein Heer von Christen mit Gleichgültigkeit gegen Gott und seinen Sohn erfüllt.

Nichts hört sich bei dem vollständigen Bankerott, den sie gemacht hat, bei der Thatsache, daß sie von der überwiegenden Mehrheit der Gebildeten als eigentlich geistiger Faktor gar nicht mehr angesehen wird, daß sie auch nur in denjenigen Ländern vorübergehend zu Macht und Einfluß gelangt, wo sie das doch immer unsichere Wohlwollen der regierenden Kreise genießt, wunderlicher an, als ihr ewiges Pochen auf ihre Unüberwindlichkeit. Während sie einerseits in tausend Variationen lamentirt, daß der Unglaube und der Abfall von der Kirche in erschreckender Weise zunehme, kehrt doch andrerseits immer das Schlagwort wieder, daß der Herr nicht säumen werde, die Werke seiner Widersacher zu zerstören und die verfallenen Mauern seines Zions wieder aufzurichten. Gewiß wird der Herr die Werke seiner Widersacher zerstören und hat schon manche zerstört; aber unter diesen Widersachern findet sich auch manches protestantische Päpstlein, Hunderte von Herr Herrsagern, die „nicht den Willen thun des Vaters im Himmel". An seiner Kirche hat der Herr im Lauf der Zeiten Großes gethan; er war ihr ein König in des Namens herrlichster Bedeutung. Das Senfforn ist ein Niesenbaum geworden, der Sauerteig hat troß der schon bald nach dem Tode des Herrn begonnenen Religionszänkereien, troß der oft geradezu gotteslästerlichen Despotie des Papstthums, trop der nach Jahrhunderten rechnenden verdummenden Herrschaft der Priester, trotz der gleichfalls nach Jahrhunderten rechnenden Rohheit und Verthiertheit des gesammten geist= lichen Standes, die männlichen und weiblichen Insassen der Klöster ganz besonders mit einbegriffen, trop endlich des lichtscheuen und zanksüchtigen

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