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welche dann keine Schranken mehr kennt, und die Armuth und das Leiden, welche dann keinen Trost, keine Hoffnung mehr haben, werden mit Hohn die Schranken menschlicher Geseze niederwerfen. Tugend, Pflicht, Sittengeset werden verspottet und als sinnlose Klänge verworfen werden. Ein schmutziger Eigennuß wird jedes andere Gefühl verdrängen und der Mensch in der That das werden, wofür ihn die Lehre des Atheismus erklärt, ein Genosse der Thiere."

Doch nicht nur von diesem allgemein menschlichen, sondern auch vom speciell patriotischen Standpunkt aus scheint es mir ein höchst verderblicher und beklagenswerther Irrthum zu sein, die christliche Religion als etwas Ueberflüssiges oder sogar als etwas die Freiheit eines Volkes Hemmendes anzusehen. Sie ist vielmehr gerade für freie Völker von der höchsten Wichtigkeit, ja ohne sie kann es eigentlich gar keine rechte bürgerliche Freiheit geben. Das Christenthum lehrt mit allem Nachdruck, daß alle Menschen Kinder eines Gottes und Vaters und unter einander Brüder und Schwestern sind und proklamirt damit die wesentliche Gleichheit aller Menschen, auf welchem Prinzip ja die republikanische Staatsform beruht. Es legt die einzig wahren Grundlagen der Freiheit, indem es den Geist des Wohlwollens, der Gerechtigkeit und der Achtung vor der menschlichen Natur in die Herzen pflanzt. Es bekämpft auf's Nachdrücklichste den Hochmuth und die Selbstsucht, welche sich über Andere erheben und herrschen wollen und schärft uns ein, daß wir nicht nur Rechte und Freiheiten für uns beanspruchen, sondern diese auch andern geben und es nimmer dulden sollen, daß irgend ein Mensch, sei er hoch oder niedrig, reich oder arm, Unrecht leide und zertreten werde. Muß es uns deßhalb nicht als höchst thöricht und betrübend erscheinen, wenn wir sehen, wie gerade so viele unter den armen und bedrückten Klassen der Gesellschaft sich vom Christenthum lossagen und so ihren einzigen, jedenfalls aber ihren wohlmeinendsten und kräftigsten Freund und Fürsprecher von sich stoßen?!

Die christliche Religion ist eine Quelle und Beschüßerin der Freiheit auch deßhalb, weil sie die Nothwendigkeit, in einem Staate Strenge und Gewalt anzuwenden, vermindert, ja beseitigt. Nehmet ihren veredelnden und zügelnden Einfluß weg und Selbstsucht und Ungerechtigkeit werden unter einem Volke überhandnehmen und die öffentliche Ordnung und Wohlfahrt bedrohen. Diese zu schüßen und die den Staat bedrohenden Gefahren abzuwenden, wird sich die Regierung desselben genöthigt sehen, die Mittel zu vermehren und zu verschärfen, welche der Unordnung und den Verbrechen Einhalt thun, und diese können aber eben gar leicht gegen die Freiheit gerichtet und eine Todtengräberin derselben werden. Vermindert die religiös-sittlichen Grundsäße und ihr vermehrt die Nothwendigkeit der Anwendung von Gewalt in einem Staate. In einem freien Landee bedarf es wenig polizeiliche und militärische Macht, und wem ist dies zu verdanken? Eben der Macht jener sittlichen Gesetze, welche die Religion in die Herzen der Bürger schreibt, welche die öffentliche Meinung gegen alle Ungerechtigkeit verbindet und aufruft und einen Geist der Gerechtigkeit und des Wohlwollens im Gemeinwesen verbreitet. So

ist die christliche Religion die Seele der Freiheit und kein Volk der Erde hat ein solches Interesse an ihr, wie das unsrige.

Indem wir aber, geehrte und liebe Freunde, des Gesagten uns bewußt werden, muß auch in uns sich die Ueberzeugung befestigen, daß die religiöse Richtung, welche wir vertreten, eine große und segensreiche Aufgabe zu erfüllen hat, nämlich die, dem menschlichen Geschlechte und unserm Volke insbesondere die Quellen seiner wahren Gesittung und Freiheit zu erhalten und sie vor aller Verunreinigung und Verwüstung durch Aberglauben und Unglauben zu bewahren, dafür zu sorgen, daß der Geist der christlichen Religion so freiund rein, so wahrhaft göttlich und wahrhaft menschlich, wie er in ihrem ersten Verkündiger lebte, fortgepflanzt werde auf die kommenden Geschlechter, und die christliche Kirche zu jeder Zeit die Trägerin und Verkünderin des Höchsten und Edelsten sei, was der menschliche Geist denkt und das menschliche Herz fühlt. Ja, wir haben ein Heiligthum zu pflegen und zu beschüßen. Diejenigen aber, welche sich dieser Aufgabe widmen, müssen zu ihr herantreten mit reinen Herzen und heiligen Händen. Denn ein Heiligthum kann nur verwaltet werden durch ein wahrhaft priesterliches Geschlecht, das wir Alle sein sollen, welchen Standes wir auch sein mögen, nach des Apostels Wort: „Ihr seidt das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, daß ihr verfündigen sollt die Tugenden dessen, der uns berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht."

Was uns aber zu solchen Priestern der Religion der Liebe macht, das ist vor Allem aus doch nur die Liebe, jene Liebe, welche nicht das Ihre sucht, die Alles glaubt, Alles hofft und Alles duldet. Die Kraft der wahren Liebe bestehet darin, daß sie sich um der Andern willen selbst vergißt und aufopfert, daß sie stets das beste glaubt und kein unbegründetes Mißtrauen in sich aufkommen läßt, daß sie stets das Beste hofft, in allen zeitweiligen Verdunkelungen und Niederlagen die Augen erhebt zu den Bergen, von wannen uns Hülfe kommt“, und freudig auf die siegreiche Macht der Wahrheit und Gerechtigkeit vertraut; daß sie das Schwerste willig erduldet und aus solchem Dulden stets neue Kraft schöpft. Zu solchen Priestern im Heiligthum der Menschheit und des Vaterlandes weihe uns auf's Neue diese festliche Zusammenkunft. Möge der Segen dessen auf ihr ruhen, an den wir Alle glauben, auf den wir Alle hoffen und dem wir Alle dienen, wenn auch in verschiedener Weise und mit verschiedenen Gaben!"

Kirchenzeddel Sonntag den 16. Juli 1882.

St. Peter St. Leonhard St. Theodor

Münster

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Fünfter Jahrgang.

No 29.

Samstag, 22. Juli 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolampad an Futher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

„Wer nicht wider uns ist, der ist für uns.“

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Laß zwischen dein und meinen Hirten
Nicht ferner Zank und Hader sein!
Ist doch, um Alle zu bewirthen,
Die große Erde nicht zu klein;
Ist doch kein bittres Haderwasser
Das süße Evangelium,

Kein Leibgericht für Bruderhasser
Des Liebesmahls Mysterium. -

O sieh die Thorheit deiner Freunde,
Erhabnes Haupt, in Mitleid an,
Und bau dir selber die Gemeinde
Nach deinem ew'gen Meisterplan;
Und hältst du mit verklärten Seelen
Die himmlische Kommunion,

Dann laß auch unsern Feind nicht fehlen
Zur großen Brüderunion!

Karl Gerok.

Die Ausführung des Schulartikels der
Bundesverfassung.*)

(Von Herrn Prof. Kinkelin in Basel.)

Nach heiß vollbrachter Schlacht, welche eine Entscheidung herbeigeführt hat, pflegen Freund und Feind, Sieger und Besiegte, sich der Ruhe hinzugeben: die Sieger der Erholung von der harten Arbeit, im Bewußtsein, daß das Gewonnene nicht so bald wieder entrissen werde, die Besiegten der Sammlung neuer Kräfte, um dem Sieger im unbewachten Augenblick wieder beizukommen und seine Errungenschaften in Frage zu stellen und überhaupt sich zu besinnen, wie sie sich dem neuen Zustand gegenüber befinden. Eine solche entscheidende Schlacht war die Abstimmung über die schweizerische Bundesverfassung von 1874, die eine Reihe neuer Zielpunkte für die Thätigkeit und das Leben des Bundes aufgestellt hat. Lange, Jahre hindurch währende Kämpfe waren vorausgegangen. Was Wunder, daß beide Theile des langen Haders müde waren, und beide Heerlager, die Anhänger des Alten und die des Neuen, sich nach Ruhe sehnten. Auf die Zeit des patriotischen Aufschwungs folgte eine Periode der Erschlaffung in allen Schichten des Schweizervolks, und diese währte um so länger, als durch Mißernten und Verdienstlosigkeit, die Sorge um das tägliche Brod alles Andere in den Hintergrund gedrängt wurde, und Rücksichten aus kleinlichen Verhältnissen heraus den großen Grundgedanken sich in den Weg stellten. So wurde die Zeit von 1874 an durch die Umstände zu einer unfruchtbaren, kalte Fröste hielten das Aufblühen der auf die Sonnenwärme harrenden Knospen zurück. Es war die Zeit der ge= strengen Heiligen.

*) Wir halten es für angezeigt, angesichts des bevorstehenden heißen Kampfes über die Ausführung des Artikel 27 der Bundesverfassung auch unsrerseits nach Kräften zur Orientirung unserer Leser mitzuhelfen -- nach welcher Richtung hin, brauchen wir unsern Lesern nicht erst zu sagen. Zu diesem Zwecke veröffentlichen wir das treffliche Referat, das unlängst Herr Professor Kinkelin im demokratischen Verein in Basel über die seitherigen Verhandlungen in der genannten Angelegenheit vorgetragen hat.

L.

Da endlich bei den Neuwahlen in die Bundesversammlung im Jahr 1881 zeigte der Wetterbericht auf Besserung, die Wolken zogen fort und ein klarer, der wärmenden und leuchtenden Sonne Einlaß gebender Himmel öffnete sich. Wieder belebt Hoffnung unser Herz, wir dürfen mit Zuversicht erwarten, daß endlich einmal die Knospen sprießen, und daß die Früchte der in die Bundesverfassung gelegten Gedanken reifen.

Die neue Behörde hat ihre Thätigkeit mit der Behandlung eines Gegenstandes inaugurirt, der schon vorher vielfach und namentlich in den betheiligten Kreisen besprochen worden war, nämlich mit der Jnangriffnahme des Art. 27 der Bundesverfassung, welcher vom Unterricht handelt. Schon in der vorangegangenen Periode war ein Theil desselben Gegenstand von Berathungen gewesen unter dem Namen des LehrschwesternRekurses, wobei es sich darum handelte, ob die Lehrschwestern aus den von Pater Theodosius gegründeten Erziehungsanstalten von Menzingen und Ingenbohl als Lehrerinnen an öffentlichen Schulen angestellt werden dürfen. Bei dem unentschlossenen und unentschiedenen Charakter der Bundesversammlung jedoch kam derselbe noch zu keinem Entscheid. Noch heute steht dieser Rekurs auf der Tagesordnung. Wenn aber nicht alle Zeichen trügen, so wird derselbe nicht als solcher entschieden werden, sondern in der Form eines eigentlichen Gesetzes, eines Bundesgeseßes über das Unterrichtswesen.

Ja, eines Bundesgesehes. Die Befugniß zum Erlaß eines solchen wird zwar von konservativer und ultramontaner Seite bestritten, steht jedoch nach der Ansicht Unbefangener außer allem Zweifel. Auf diese Berech= tigungsfrage hier einzutreten will ich mir jezt nicht erlauben, eine Diskussion darüber wäre unfruchtbar, um so mehr, als wir wohl in nicht sehr langer Zeit dieselbe werden entscheiden müssen. Denn schon wird Sturm geblasen und werden die Truppen aufgeboten, um der gesetzgeberischen Ausführung des Art. 27 entgegenzutreten. Dann wird es Zeit sein, uns auch darüber auszusprechen.

Bereits im November 1877 hatte der damalige Vorsteher des eidgen. Departements des Innern, Herr Bundesrath Numa Droz, in einem Bericht an den Bundesrath die Frage eines Bundesgeseßes über das Unterrichtswesen und die dabei in Betracht kommenden Gesichtspunkte beleuchtet, auch den Versuch eines solchen Gesetzes gemacht; er sagte aber am Schluß seines Berichtes:

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Man muß sich die Frage stellen, ob ein solches Gesetz im gegen„wärtigen Moment viele Aussichten hätte, angenommen zu werden; dies läßt sich bezweifeln. Mehr als jedes andere Gesetz würde es das Schweizer

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