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Basel richten zu sollen. Da war es der Lestern Pflicht, weil denn doch zu deutlich auf den Busch geklopft wurde, zu sagen: Erstens der Segen der Taufe wird von uns in Basel ebenso gut geglaubt und gesucht wie irgendwo anders. Zweitens, in Basel so wenig wie irgendwo anders kann man von der empfangenen Taufe die Zugehörigkeit zur Kirche abhängig machen, denn die lettere ist gesetzgeberisch bereits und allenthalben anders bestimmt. Drittens, in Basel so gut wie anderswo will man festhalten an der kirchlichen Ordnung, daß der Konfirmation die Taufe in der Regel vorangehen soll, und der reformerische Vorschlag für die Kinderlehrordnung enthielt demnach die Bestimmung, daß ein Taufschein verlangt werden soll. Viertens, in Basel so wenig wie anderswo wollte irgend Jemand einen Geistlichen zwingen, ein ungetauftes Kind zur Konfirmation zuzulassen und demgemäß schlugen die hiesigen Reformer vor, die Entscheidung dem Gewissen des Pfarrers zu überlassen. Fünftens, sogar dazu erklärten sich die Reformer in Basel in ihrem unterlegenen Vorschlag bereit, das Ihrige zu thun, daß die Taufe womöglich nachgeholt werde. Aber - und um dieser Sache willen sind wir angeklagt — wenn es aus mehr oder weniger guten Gründen nicht möglich wäre, die Taufe nachzuholen, dann wollten wir keinen Geistlichen zwingen, das betreffende Kind deßhalb von der Konfir= mation zurückweisen zu müssen, deßhalb nicht, weil die Taufe nach_refor= matischer Auffassung niemals als absolute Heilsbedingung galt, weil das ungetaufte Kind doch alle andern kirchlichen Rechte faktisch genießen kann, und weil es keinen Sinn hat, dem Geistlichen der Basler Kirche gerade hier einen Zwang aufzulegen, während er in der Verwaltung des Worts und der Sakramente sonst eine schrankenlose Freiheit genießt und gebraucht. Das ungefähr wurde zur Rechtfertigung der hart angegriffenen und angeschuldigten freisinnigen Richtung in Basel mit schwachen Worten, wie sie der Augenblick darbot, gesagt, und wie merkwürdig! unter den rari nantes in gurgite vasto war es der strenggläubige Professor Astié aus Lausanne, der diesen Basler Standpunkt als richtig und logisch in offenen Schuß zu nehmen sich verpflichtet fühlte.

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Wir werden noch oft Veranlassung haben, auf dieses Thema zurückzukommen. Ich denke noch mit einem kurzen Wort der gehaltenen Tischreden, die kein ganz unwesentliches Moment eines Predigertages bilden. Ständerath Birmann schlug mit seiner Ermahnung zum Festhalten der christlichen Volksschule einen ernsten politischen Ton an. Pfarrer Tanner von Langenbruck brachte von einer höhern Warte, als die Zinne der Parthei ist, unserm gemeinsamen Vaterland eine ergreifende Huldigung dar. Professor Nippold aus Bern sprach mit glühender Begeisterung vom Segen, daß in der Predigergesellschaft Männer der verschiedensten theologischen Richtung sich begegnen, erinnerte an die Friz Langhans, Güder, Lang, Hirzel, Preiswerk, Hagenbach, v. Greyerz, welche nun Alle zum Frieden Gottes eingegangen sind, und gedachte herzbewegend unsers leider schwer erkrankten theuren Bigius. Pfarrer Ammann von Logwyl sprach mit köstlichem Humor von den basellandschaftlichen Amtsbrüdern, ihrem friedlichem Zusammenleben, ihrer guten Ordnung ohne Synode, Dekane und Reglemente, und tröstete sie wegen des ihnen gemachten Vorwurfs, daß sie reiche Frauen hätten, indem er den Jüngern sagte: Wenn ihr eine Tochter findet, die alle Eigenschaften zu einer guten Pfarrfrau hat, so nehmt sie, troßdem sie Vermögen besitt -wenn sie euch will. Aber unter Allen trug doch nach

unserm Gefühl Pfarrer Deri von Lausen, dieser basellandschaftliche Kirchenvater, die Palme davon. Wie der greise Apostel Johannes stand er an der Spiße der Gesellschaft und erklärte in seinem Toast auf unser liebes Vaterland, wie es uns auffordere, einander zu lieben und wie es ihm unmöglich sei, wegen Meinungsverschiedenheit einen Kollegen nicht mehr lieb zu haben; man möge ihn dafür weder loben noch tadeln, er könne nicht anders! Auch die Poesie fehlte dem traulichen Fest nicht, die Pfarrer Oser, Eppeler, Menzel und Probst brachten ihre Gaben, wie sie Gott einem jeden schenkte. Erwähnen wollen wir einer edlen Rache, die Propst im Namen seiner basellandschaftlichen Kollegen an Zwingli Wirth nahm. Dieser hatte vor einem Jahr in unserm Blatt von der Basellandschaft, wo kein Reformer mehr unter den Geistlichen wirkt, gesagt, sie erfreue sich der Glaubenseinheit wie das Land Tirol. Da ging Probst hin und schrieb eine Menge gelungener Sprüche in Deutsch und Latein auf die Ehrenweinflaschen, von denen einer lautet: „Ostschweizer, windig“? Doch nicht gar! wir kennen euch ja wohl; Es bringen euch den Willkomm dar die Brüder im „Tirol“. Mit dem poetischen Tafelspruch des gleichen Verfassers, der am ersten Tage vorgetragen und am zweiten gedruckt vertheilt wurde, wollen wir diese wenigen Notizen schließen, er lautet:

Da, wo des Landes Jugend
Das Waffenhandwerk treibt
Und sich Soldatentugend
Mit Eifer einverleibt,
Zu Liestal sind beschaulich
Vereinigt zum Concil
So hochgelehrt als traulich
Der Schweizer Pfarrer viel.
Am Waffenplage tagen
Die Friedensboten gern.
Ob sie nicht Waffen tragen
Nicht Schwert noch Morgenstern,
Doch sind zu tapfrer Wehre
Sie allezeit bereit

Mit Wandel und mit Lehre
Voran im heil'gen Streit.
Sie auch sind wohl Milizen!
Die Jungen sind zumeist
Mit wechselvollen Sizen
Was man den „Auszug“ heißt;
Und seßhaft stehn die Alten
Als treue „Landwehr“ ein,
Ehrwürdige Gestalten,
Bewährt wie alter Wein.
Die Uniformen freilich
Sind nicht gar uniform!
Es mischt sich grau und gräulich
Zur alten schwarzen Norm.
Doch einen Jeden schmücket,
Im Kittel wie im Frack,
Kirchenzeddel Sonntag
Münster

Morgenpredigt 9 Uhr Wirth
Kinderlehre 11
Abendpredigt

Und Manchen schier erdrücket
Der theolog'sche Sack.

Und wie wird ererzieret!

Da wird bald „Rechts richt' euch!“
Bald „Führer links" diktieret;
Die Mannschaft folgt sogleich.
So geht's mit Schritt und Tritte;
Doch ist auf weitem Plan
Die Nichtung auf die Mitte"
Bisweilen wohlgethan.

So steh'n in Reih' und Gliede
Feldmäßig sie bereit.

Sie wissen, daß der Friede
Der Rüsttag ist zum Streit,
Der Kirche Wohl zu schaffen.
Glänzt auch nicht jeder Knopf,
Sind sauber nur die Waffen
Und sicher Herz und Kopf!
Daß Jeder nur von Oben
Das Losungswort bewahr!
So wollen wir sie loben
Die vielgestalt'ge Schaar.

Am Waffenplage tagen
Die Friedensboten gern.
Ob sie nicht Waffen tragen,
Nicht Schwert noch Morgenstern,
Doch sind zur tapfern Wehre
Sie allezeit bereit.

Stoßt an! Soldatene hre
Im Frieden und im Streit!
den 20. August 1882.

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A.

St. Theodor

Th. Barth

Eclin

Böhringer
A. Wenger

Roth

Brändli

E. Linder

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Tischhauser

S. Barth

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Druck und Expedition von J. Frehner, Steinenvorstadt 12, Basel.

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Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Oecolampad an Futher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Bafel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Ein kurzes Sündenbekenntniß.

In dem Gleichniß vom Pharisäer und Zöllner betet der Zöllner mit kurzen Worten: „Gott sei mir Sünder gnädig!" Das ist ein kurzes Sündenbekenntniß, fünf Worte blos. Aber diese fünf Worte wiegen an innerm Gehalt viele dicke Sündenregister auf. Ich habe freilich schon andere Sündenbekenntnisse gehört, lange, sehr lange. Wir haben die Bekenntnisse des großen Kirchenvaters Augustin, wir haben die Bekenntnisse des großen, aber auch sonderbaren Genfers J. J. Rousseau: das sind ganze Bücher. Auch in vielen christlichen Kreisen unserer Tage ist es Mode geworden, in Sündenbekenntnissen zu machen; vor aller Welt Ohren, vor großen Versammlungen das eigene schwarze, wüfte Herz zu abschreckendem Beispiel zu präsentiren, ja ich möchte sagen zu seziren. Je grausiger die Schilderung, um so aufrichtiger, meint man. Ich aber meine,' ohne mich zum Richter über die Gewissen aufwerfen zu wollen, gerade umgekehrt. Noch alle diejenigen, welche aus der Schilderung ihres sündhaften Seelenzustandes eine Art wollüftiger Schwelgerei gestalteten, welche bewußt und unbewußt den Wasserstand ihrer Sündfluth zu hoch angaben, haben auf mich den Eindruck ungebrochenen Tugendstolzes gemacht. Denn hinter dem langen Sündenregister lauert doch immer irgendwie das längere Tugendregister, das Tagebuch der guten Werke, Kirchenwerke insbesonders, und zu gutem Ende ein Verzeichniß aller der Werke der Finsterniß, deren man sich denn doch noch nicht schuldig gemacht hat. Im innersten Grunde betrachten diese Christen ihre Sündhaftigkeit doch nur als eine Hautkrankheit, sehen nicht, daß sie die gefährlichste aller innern Krankheiten, eine Herzkrankheit ist. Wage es einmal ein Nathan, sie an eine einzelne ihrer Sünden zu erinnern ihr jähes Aufbrausen wird die Nichtigkeit ihrer Pharisäer-Demuth_offenbaren.

Der Zöllner aber spricht nur die fünf Worte: „Gott sei mir Sünder gnädig!" Er zählt die einzelnen Sünden und Laster, die Früchte seiner Sündhaftigkeit nicht auf; nennt nicht die einzelnen Giftpflanzen nach einander, welche aus dem bösen Grunde seines Herzens aufwuchern. Er sieht nur den Abgrund vor sich, an welchen ihn seine Thorheit gebracht hat; er sieht nur die Kluft vor sich, welche ihn von seinem Gotte, von dem Reiche der Wahrheit und Freiheit, der Gerechtigkeit und Liebe, dem Bruderbunde aller Guten scheiden: er empfindet nur die ganze Tiefe seines innern Elendes und diese Empfindung preßt er in die fünf Worte zusammen: Gott sei mir Sünder gnädig!“ Es seufzt uns eine trübe, verzweiflungsvolle Nacht aus ihnen entgegen. Aber am Horizonte dieser Nacht ahnen wir bereits einen neuen Lebensmorgen: durch den neuen Morgen sehen wir den Zöllner als einen neuen Menschen wandeln. Im Auge die jubelnde Thräne des Sünders, der Vergebung und Gnade gefunden, auf der Stirne der Entschluß eines neuen Lebens in und mit Gott, in der ganzen Gestalt die Zuversicht des Gotteskindes, welche des göttlichen Beistandes auf der neuen Bahn gewiß ist. Den Zöllner haben seine fünf Worte zum gerechtfertigten Christen gemacht.

Und jene Lauten Auskündiger ihrer eigenen Sünde? Ich habe noch nie gehört, daß ein Kranker geheilt worden sei, indem er mitten auf den menschenerfüllten Marktplatz stand und allen Marktbesuchern von seiner Krankheit erzählte. Der Arzt weist ihn ins stille Kämmerlein, in welchem die Fenster verhängt sind. Auch die kranke Seele des Sünders wird nicht im lauten Betsaal, sondern in einsamen Gebetsstunden und in unablässiger stiller in Gott verborgener Arbeit an sich selbst wieder gesunden.

Fünf Worte blos, 1. Mitchrist! Kannst du sie sprechen? Sie werden auch dir der Anfang eines neuen Lebens sein.

O. B.

Zu Schuß und Truk der Religion.

Es gibt Menschen, welche einen geheimen Haß gegen Alles haben, was sich Religion nennt, welche in derselben eine fortdauernde Verirrung des menschlichen Geistes sehen. Es scheint ihnen, daß die Religion immer und überall die Schleppträgerin der Begehrlichkeit, der schlauen Berechnung, des Despotismus gewesen sei. Ohne Zweifel ist die Geschichte der Neligion in einem gewissen Sinne eine Geschichte der Frrthümer, von welchen einer den andern erzeugte. Es gibt innerhalb dieser langen Entwicklung keine Stufe, welche uns den Menschen nicht als ein Opfer der Illusion, der

Träumerei zeigt. Aber nur das? Aber nur das? Gibt es nicht auch eine Wahrheit, welche mitten unter diesen Frrthümern, ja ich möchte sagen mit Hülfe dieser Irrthümer heranwächst? Gibt es ein menschliches Ideal,das nicht irgendwie an die Religion als ihre Bedingung geknüpft wäre? Wir besigen heute ein staatliches und gesellschaftliches Ideal von Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenliebe. Werden wir nicht zugeben müssen, daß die politische Geschichte des Menschengeschlechtes voller Irrthümer und falscher Berechnungen ist, welche gleichwohl gerade zur Herausgestaltung des Ideals nothwendig gewesen sind? Muß man das Gesetz unterdrücken, weil die Geschichte der Gesetzgebung von absurden, ungerechten oder verderblichen Gesezen wimmelt ? Muß man die Naturwissenschaft verdammen, weil sie bis auf eine der unsern sehr nahen Zeit mit falschen Ideen vollgestopft war? Fragen wir die Geschichte der Chemie, der Physiologie, der Physik: durch welche Frrthümer mußte nicht der menschliche Geist hindurch, bis er nur den Theil von Wahrheit besaß, welchen wir heute auf diesen verschiedenen Gebieten als erworben betrachten können?

Es liegt darum ein gut Stück Knabenhaftigkeit in der Behauptung: die Geschichte beweist, daß man sich in der Religion immer betrogen hat, folglich ist die Religion nur ein Betrug. Die nämliche Geschichte zeigt auch die aufsteigende Linie des religiösen Lebens, welches beständig klarer, reiner, wahrer wird. Die Entwicklung braucht viel Zeit. Aber was thut das, vorausgesetzt, daß sie sich wirklich vollzieht? Und durch welchen Widersinn des Geschickes könnte es denn geschehen, daß von allen angebornen Trieben des Menschen der religiöse Trieb als der einzige im Nichts endete ? Vielmehr liegt gerade ein Beweis für die Religion in der Beständigkeit, mit welcher der menschliche Geist trotz seiner zu Tage getretenen Unwissenheit und trotz so vieler verkehrter Versuche auf den unnahbaren Gegenstand seines Glaubens gerichtet blieb. Welche sonderbaren Ideen haben nicht die ersten Erscheinungen des Magnetismus und der Elektrizität in verschiedenen Köpfen entstehen lassen? Aber heute wie früher richtet sich jede Magnetnadel, die auf ihrer Mitte schwebt, gegen den Pol. Das gehört zur Natur dieser Nadel. So hat sich der menschliche Geist durch alle Abirrungen hindurch nach der Gottheit hingewendet. Man hat von Zeit zu Zeit versucht, ihm eine andere, die entgegengesetzte Richtung zu geben. Er hat immer widerstrebt und, sobald er konnte, die frühere Richtung angenommen. Auch er kann uns sagen: das ist meine Natur so.

Die Religionsgeschichte hat nicht blos Aberglauben, Thorheiten, Wüstheiten zu verzeichnen. Sie umschließt auch edle, hellstrahlende Dinge. Man begegnet in derselben großartigen Anschauungen, erhabenem Geistesflug.

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