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Das heißt den Finger Gottes am falschen Ort suchen. Wenn der Vergnügungszüge am Sonntag zu viel werden, so gibt es andere schlimme Folgen, wie Zerrüttung des Familienlebens u. s. w., worin wirklich eine Strafe Gottes gefunden werden kann. Dagegen die Entgleisung eines solchen Zuges hat nichts damit zu thun, daß die darin befindlichen Leute dem Vergnügen nachgehen. Denn bekanntlich verunglücken auch Eisenbahnzüge und Schiffe, welche ganz andere Leute führen, z. B. Missionare und Bibeln. Oder wenn ein Familienvater früh Morgens auf die Arbeit geht und von einem herabfallenden Stein getödtet wird sagt dann der „Volksbote“ auch: das sei wieder ein aufgehobener Finger Gottes gegen das Arbeiten und Frühaufstehen?

Zum kirchlichen Religionsunterricht. Eltern, Arbeitgeber und Lehrmeisterinnen werden hiemit daran erinnert, daß laut Beschluß der Synode unserer reformirten Landeskirche in Basel nur noch ein Konfirmandenunterricht auf Ostern ertheilt wird. Da bisher mancher Geistliche auch auf Weihnachten konfirmirt hat, so wird der Uebergang da und dort Schwierigkeiten bringen, weil man sich vorgestellt, es werde auch ferner so bleiben. Da und dort, wo die Zahl der Angemeldeten sehr groß ist, muß vielleicht, für einmal noch, die Konfirmation auf Weihnachten beibehalten werden. Aber im Algemeinen wird man sich gewiß in die neue Ordnung um so williger schicken, da der Konfirmandenunterricht in wöchentlich nur noch 2 Stunden gegeben und über das ganze Winterhalbjahr vertheilt wird.

A.

Zu den kirchlichen Gebühren. Bekanntlich hat der Große Rath auf Anregung des Kirchenvorstandes von St. Leonhard die kirchlichen Gebühren als abgeschafft erklärt für diejenigen Taufen und Kopulationen, welche in den dafür geordneten Gottesdiensten stattfinden. (Siehe Protestbl. Nr. 15.) Dagegen außerhalb dieser Gottesdienste muß bei Taufe oder Kopulation eine sehr hohe Gebühr entrichtet werden, nämlich dem Siegrist 5 Fr., dem Organist 5 Fr., dem Vorsinger 3 Fr., jedem Orgeltreter 1 Fr. 50 Cts. (Siehe Verordnung des Regierungsrathes vom 20. Mai 1882.)

Der Kirchenvorstand zu St. Leonhard hat nun von seinem Recht Gebrauch gemacht und die gottesdienstlichen Zeiten, wo Taufe und Einsegnung gebührenfrei sind, wesentlich vermehrt. Demnach ist nun zu St. Leonhard gebührenfrei :

a) jede Taufe, die im Anschluß an die Morgenpredigt, die Kinderlehre, den Abendgottesdienst, oder Sonntags zwischen 1 bis 21⁄2 Uhr, oder Montag, Dienstag und Donnerstag zwischen 10 bis 12 Uhr stattfindet; b) jede Eheeinsegnung, die am Montag oder Dienstag oder Donnerstag Vormittag stattfindet. A.

Basler Kirchenzeddel Sonntag den 10. Sept. 1882.

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Fünfter Jahrgang.

No

No 37. Samstag, 16. Sept. 1882.

Schweizerisches Proteffantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolampad an Futher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Ein chriftlicher Gedanke.

Es ist sehr natürlich, daß wieder Stimmen laut werden, die das schauderhafte Eisenbahnunglück bei Hugstetten eine Strafe Gottes nennen. Die dabei ums Leben gekommenen Menschen sind ja am Sonntagmorgen in hellen Haufen statt ins Gotteshaus zum Bahnhof gezogen. Den Tag über ging es unter den 1200 Theilnehmern am Vergnügungszug wohl Lustig und hoch her. Die Wogen der Freude sind vielleicht gerade am höchsten gegangen, als sich der Jubel plöglich in Entseßen und die derbe Lebenslust in ein gräßliches Ringen mit dem Tod verwandelte. Diejenigen, welche sehr lange her trauern, daß der Sonntag Unzähligen bloß noch zu sinn= lichen, geldverschlingenden Vergnügungen gut ist, mögen, besonders wenn sie gläubig sind, schwer dem Gedanken widerstehen, hier habe Gott der Herr gerichtet über die Sünde gegen das vierte Gebot.

Es ist sehr natürlich: wir sehen es auch mit Schmerzen, wie der Sonntag Vielen zum Gegentheil einer Erholung für Leib und Seele, zu einem wahren Unglück wird, dessen Folgen heißen: Kazenjammer, blauer Montag, Schulden, Händel, Schande. Nur sollten diejenigen mit Vorwürfen schweigen, welche die Woche über mehr oder weniger bloß dem Vergnügen leben. Es ist nicht schwer, am Sonntag zurückgezogen zu leben, wenn man während der sechs Werktage nach Belieben ausfahren und seine Unterhaltung suchen kann. Und jedenfalls ist es moralisch nicht erlaubt, seine Gegner, also in diesem Fall die Sonntagsvergnügungszügler, einfach zu Feinden Gottes zu stempeln und ihnen etwas als Strafe auszulegen, was auch dem allerfrömmsten Menschen bei dem allerbesten Unternehmen widerfahren kann und thatsächlich oft genug wiederfährt. Es ist unedel.

Und nicht unedel bloß, sondern auch unchristlich. Selbst wenn man

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liest, daß unter den Getödteten ein Ehepaar war, das neun kleine Kinder daheim zurückließ und den Vergnügungszug mitmachte, so ist es selbst in diesem Fall ganz außerordentlich schwer zu urtheilen, ohne daß man die nähern Verhältnisse kennt. Möglicherweise sind das dennoch brave Leute gewesen, die sonst die ganze Zeit treu ihren schweren Pflichten oblagen. Vielleicht hat der Mann zu seiner lieben Frau gesagt: Höre, Liesel, du kommst jahraus, jahrein nicht aus deinen vier Wänden heraus, du haft an Werktagen und Sonntagen alle Hände voll Arbeit und du reibst dich auf für mich und die Kinder du mußt auch einmal eine Freude haben, gieb die Kinder der Schwester und komm mit nach Freiburg! In diesem Fall wäre doch kaum etwas Böses daran. Ueberhaupt, wer als Christ das Riesenunglück betrachtet, wird kaum anders denken können als so: Wie oft bin ich schon ausgezogen, sorglos, nicht bereitet zum Tode es ist nicht mein Verdienst, daß ich wieder heimkehren durfte! Wie oft habe ich in meinem Beruf auch Fehler und Versäumnisse mir zu Schulden kommen Lassen es ist nicht mein Verdienst, wenn die Folgen weniger schrecklich waren, als die Entgleisung eines Eisenbahnzuges! Und weil wir denn gerade vor dem Bettag stehen, mag auch die Ueberlegung am Play sein: die 200 Todten und Verwundeten bei Hugstetten sind eine ganz verschwindend kleine Zahl gegen die Zahl derer, die an grober und feiner Trunksucht und andern Ausschweifungen zu Grunde gehen, und welche eine sogenannte christliche Gesellschaft mit verschränkten Armen täglich zu Grunde gehen läßt. Wer ein Christ sein will, kann dem Unglück gegenüber nur sagen: es hätte gerade so gut auch mich treffen können, es soll mich warnen und bessern, den Betroffenen aber nichts als Mitgefühl und Mitleid und Samariterliebe!

Am Grabe der Opfer von Sugstetten.

A.

Durch das Eisenbahnunglück bei Hugstetten ist besonders schwer die kleine Stadt Münster bei Colmar heimgesucht worden. Sie zählt unter ihren Zugehörigen nicht weniger als 20 Tødte und 50 Verwundete. Am 5. September fand die Bestattung der erstern statt, wobei der evangelische Pfarrer Müller (der katholische Clerus hatte eine gemeinsame Trauerfeier verweigert) folgende wackere Ansprache hielt:

Ein jammervollerer Leichenzug hat wohl schwerlich jemals die Straßen unserer Stadt durchzogen, seitdem sie steht, und ist wohl niemals zu den Thoren dieses Friedhofs eingetreten, seit Gräber auf demselben sich aufthun, als derjenige, welcher heute der innigsten Theilnahme der gesammten Be

völkerung seinen dichten Kreis geschlossen hat um die vor unsern Augen geöffneten zehn Gräber. Seit Menschengedenken hat diese Stadt kein Unglück getroffen, kläglicher und erschütternder als dasjenige, welches uns vor drei Tagen unter Angst und Zittern angekündigt wurde. Zehn Särge find soeben hinuntergesenkt worden, nachdem vor einer Stunde die sieben Särge unserer katholischen Mitbürger vorangegangen sind. Ich will die Deckel dieser Särge vor eurem Geiste nicht öffnen und das nicht beschreiben, was sie bergen. Wer's hat ansehen müssen, der wird den Mark und Bein erschütternden Anblick sein Leben lang nimmer vergessen. Stellet euch diese Menschen vor, die wir gekannt und geliebt, wie sie vor wenigen Tagen noch gesund und friedlich unter uns wandelten, vorigen Sonntag Morgen unsere Stadt verließen, Abends fröhlich und vergnügt sich auf die Heimkehr machten,

und heute kehren sie als verstümmelte Leichen in unsere Mitte zurück und beziehen miteinander und nebeneinander ihre leßte Erdenwohnung. Und welch ein Tod? Wenn der Soldat auf dem Schlachtfeld, tödtlich getroffen, plötzlich dahinsinkt, das Schwert in der Hand, die Kugel in der Brust,das ist ein edler Tod! Wenn die Hausmutter, nachdem sie sich müde gearbeitet den ganzen Tag lang für ihre Kindlein, in später Nacht ihr müdes Haupt auf's Kissen legt und nicht wieder erwacht, - das ist ein seliger Tod! Aber! so enden wie diese 17 Opfer, mit einem Vergnügungszug abreisen, und auf der Nückfahrt plöglich, wie von einem Donnerschlag, in die kalten Arme des Todes sinken, o das ist ein namenlos trauriges Sterben! Und wenn wir nun, von diesen Gräbern weg, unsere Blicke auf die weinende Kinderschaar richten, auf diese armen Waisen, die vergebens die ganze Nacht hindurch Vater und Mutter erwarteten, o da möchte das Herz uns brechen, da müßte ein Stein sich erbarmen.

Wie klein, wie erbärmlich ist der Mensch, und wie groß der allgewaltige Gott!

Aber wo ist Gott bei diesem Unglücksfall? Wo Trost finden in diesem Jammer? Wie haben wir vom religiösen Standpunkt aus diese Katastrophe zu betrachten?

Die gewöhnliche Erklärung lautet: „Das ist ein Strafgericht Gottes für die Gottlosigkeit der Menschen. Das ist geschehen jenen zur Strafe, uns zur Warnung, damit wir uns bessern." Es ist der alte Trostgrund der Priester aller Religionen; es war auch die Erklärung der Juden, als der Thurm zu Siloah achtzehn Menschen erschlug, die aber Jesus mit Entrüstung zurückwies (Luk. 13). Wie? eine Strafe Gottes ? Sind denn diese Verunglückten lauter Gottlose und die Verschonten nur Fromme gewesen? Wird nicht bei solchen Fällen der Schuldige mit dem Unschuldigen

getroffen? Und was haben denn die armen Kinder verbrochen, womit haben fie das Strafgericht Gottes verdient, daß sie nun verwaist dastehen in der Welt? Und was wollen wir von diesem Standpunkte aus all den Leidtragenden antworten, wenn sie sagen: so Gott unsere Eltern, unsere Lieben hat retten können, und hat sie nicht gerettet, dann hat er nicht wohl an uns gethan? Nein, das wäre ein schlechter, trostloser Trost! Solch eine Antwort klingt wie Spott auf unsere Frage; sie mag jüdisch, sie mag heidnisch sein, christlich ist sie nicht.

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Da höre ich von entgegengesetter Seite: „Wo ist nun unser Gott? Was Gott?! Lasset doch diesen alten Aberglauben fahren; über dieses Unglück braucht man sich im Geringsten nicht zu wundern; es ist dabei Alles mit ganz natürlichen Dingen zugegangen. Zufall ist Alles. Wäre der Zug nicht zu spät abgefahren; hätte er nicht mit rasender Schnelligkeit die versäumte Zeit einholen wollen, da wo die Eisenbahnlinie gerade einbiegt; wäre das Dienstpersonal vorsichtiger gewesen; hätte die finstere Gewitternacht den Maschinenführer nicht verhindert, etwaige Hindernisse auf dem Geleise zu sehen u. s. w., so wäre nichts geschehen...." Es mag in diesem Wenn und Aber viel Nichtiges liegen, allein ich frage euch Leidtragende: Findet ihr euch mehr getröstet durch diese Rede vom Zufall als durch die vorige von der Strafe eines zornigen Gottes ?

Ich kann mich auch mit dieser Erklärung nicht zufrieden geben. Wie der Zufall hat es so gefügt? Es ist für mich ein unerträglicher Gedanke, daß der Zufall Macht habe über ein Menschenleben, und ich möchte lieber nicht mehr leben, als mich für den Spielball eines blinden Schicksals ansehen zu müssen. Nein. Der Christ weiß sich in den Händen Desjenigen, ohne den kein Sperling vom Dache fällt und kein Haar von unserm Haupte. Ja, es ist wahr, Alles ist mit natürlichen Dingen zugegangen; unter den obliegenden Verhältnissen mußte geschehen, was geschehen ist; Alles hat sich nach den ehernen, unerbittlichen Naturgesehen vollbracht. Aber ehe die Weltgejeze waren, war Derjenige, der sie geseßt hat, mit und in diesen Gesezen ist Gott. Sie sind sein Wille; Alles was geschieht, geschieht nach einer festen, ewigen, allweisen und guten Ordnung, nach dem Willen unseres himmlischen Vaters.

Das ist unsere Erklärung, das ist auch unser Trost. Dieser Unglücksfall liegt also in der göttlichen Weltordnung eingeschlossen. Diese Weltordnung ist gut, sie ist nothwendig, sie bedingt dein Glück, dein Leben. Willst du dich beklagen, o Mensch, du einzelnes Wesen, wenn sie dir einmal wehe thut? Verlangen, daß Gott für dich ins Besondere eine Ausnahme mache, heißt fordern, daß Gottes Welt aufhöre, Gottes Welt zu sein

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