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eines sehr großen Erfolgs, zu deren Leitung ein besonderer Verein existirt, welcher eben wieder in den öffentlichen Blättern gar freundlich gebeten, ihm alle Kinder schon vom fünften Altersjahr an zuzuführen. Leider können aber nicht alle Eltern mit ruhigem Gewissen ihre Kinder diesen Schulen anvertrauen, welche in den Vereinshäusern gehalten und selbstverständlich in pietistischem Sinn und Geist geleitet werden. Wer von uns Erzählungen liest, wie die vorstehende von der Rettung des Jünglingsvereins im achten Wagen bei Hugstetten, der muß als guter Vater und ernsthafter Christ das entschiedenste Bedenken tragen, sein liebes Kind den Einwirkungen einer so kraßsinnlichen, Selbstsucht und Hochmuth erzeugenden Geistesrichtung auszusehen, die nur Zerrbilder rechter Christenfrömmigkeit in die Kindesseele hineinmalen kann. Wir wollen zwar gerne glauben, daß nicht gerade alle Jünglinge und Jungfrauen, welche die Sonntagsschulen freiwillig abhalten, solch eine ungesunde Art Frömmigkeit pflegen. Über den Wunsch hätten wir doch, es möchten Mittel und Wege gefunden werden, die Sonntagabendschulen, die ein entschiedenes Bedürfniß sind, auf einen neutralern Boden zu lenken. Gäbe es nicht auch junge Leute liberaler Richtung, welche die geistige Gabe und das gute Herz hätten, der lieben Jugend eine Sonntagabendstunde durch Erzählungen und Gesang nüßlich und angenehm zu gestalten ?

A.

Die Versammlung der kirchlichen Volkspartei
am 23. und 24. September in Berlin.

Auf Anregung des protestantischen Reformvereins zu Berlin, an dessen Spize Prediger Dr. Kalthoff steht, wurde im Laufe dieses Sommers eine aus angesehenen Männern der verschiedenen Gemeinden Berlins bestehende Kommission von fünfundzwanzig Mitgliedern gebildet, gewählt in einer Versammlung von Vertrauensmännern, zu denen Einladungen an die freisinnigen Mitglieder der einzelnen Kirchgemeinden (die Vorsitzenden der liberalen Bürger- und Bezirksvereine, Vertreter der kirchlichen Gemeindeorgane und Synoden, Reichstagsabgeordnete und Stadtverordnete, sowie andere, einflußreiche Personen) ergangen waren. Diese Kommission beschloß, am 24. September einen religiös-freisinnigen Parteitag abzuhalten, an welchem über die Schritte, die in Anbetracht der traurigen Wirren in der preußischen Landeskirche gethan werden könnten und müßten, berathen und Beschluß gefaßt werden solle.

Bei diesem Parteitag dürfe es sich weder um eine einseitige Kundgebung des Reform, noch irgend eines andern Vereines handeln, sondern es habe derselbe lediglich den Zielen des freisinnigen Protestantismus innerhalb der Kirche zu dienen. Im Weitern wurde beschlossen, mit dieser Versammlung einen Festgottesdienst zu verbinden und dann später Pfr. Bion in Zürich um Nebernahme der Predigt angegangen. Die hiefür in Aussicht genommene Markuskirche war nicht erhältlich, indem das Konsistorium vom Festprediger den Nachweis, daß er auf dem Boden der Union stehe

und die vorherige Einsendung des Predigtkonzeptes verlangte. Da das leitende Komite denselben mit dieser allerdings sehr naiven Zumuthung verschonen wollte, so sah es sich nach einem andern passenden Lokale um und fand solche im Kaisersaal von Buggenhagen am Morigplage. Samstag den 23. September fand eine vorberathende, von gegen zweihundert Mann besuchte Delegirtenversammlung, in welcher fast sämmtliche Gemeinden Berlins vertreten waren, statt. Der einträchtige, zugleich entschiedene und besonnene Geist, der in dieser Versammlung herrschte und sich in den verschiedenen Voten kundgab, war von guter Vorbedeutung für die Verhandlungen des folgenden Tages. Nach kurzer Diskussion wurde ein Programm als Vorschlag für die Hauptversammlung einmüthig angenommen, ein Progranim, welches nur Forderungen enthält, welche in der protestantischen Kirche unseres schweizerischen Vaterlandes größtentheils bereits erfüllt sind und die wir vom freien, evangelischen Standpunkte aus als durchaus billige, ja selbstverständliche betrachten müssen. Der Buggenhagen'sche Saal, in welchem Sonntags den 24. September, Vormittags halb 10 Uhr, der Festgottesdienst abgehalten wurde, ist ein sehr großes und schönes Lokal, das circa 1500 Personen faßt. Das Podium desselben war zu einer würdigen Kanzel umgestaltet und mit Topfpflanzen, Grün und Blumen prächtig dekorirt worden. Die weiten Räume füllten sich rasch, selbst die Gänge und VorHallen waren dicht beseßt. Nachdem Orgelspiel den Gottesdienst eingeläutet, sang die versammelte Menge, welche zu circa 3/5 aus Männern bestand, das Lied: „Wach auf, du Geist der ersten Zeugen." Mächtig und ergreifend durchbrauste der von Posaunen begleitete Gesang die Hallen. Nach einem kurzen Gebete wurden zwei Verse des Liedes: „Gott ist unsere Zuversicht, unsere Hüls' in großen Nöthen" gesungen, worauf Pfarrer Bion seine Festpredigt hielt. Er legte derselben Nehemia 4, 17-21 zu Grunde.

Der Gottesdienst wurde mit Absingung der Strophe des bekannten Luther-Liedes: „Das Wort sie sollen lassen stah'n" in feierlicher Weise geschlossen und als der gewaltige, wieder mit Posaunen begleitete Chor verklungen, entfernten sich die Damen, indem sie, nach gesetzlicher Vorschrift, an den nachfolgenden Verhandlungen keinen Antheil nehmen durften. Nach einer halbstündigen Pause füllte sich der Saal abermals bis in die letzten Räume mit Männern, Repräsentanten aus sämmtlichen Gemeinden Berlins und den verschiedenen Ständen derselben. Neben Gelehrten und Kaufleuten sah man da schlichte Arbeiter und Bauern. Die Hauptmasse bildete offenbar der gute Bürgerstand der Reichshauptstadt. Es war eine imposante Versammlung, die wohl auf circa 1500-2000 Mann geschätzt werden durfte. Die Tribüne wurde von den Mitgliedern des leitenden Komite's und den Referenten eingenommen. Neben sie hin postirte sich ein Polizeilieutenant. Den Vorsitz führten Stadtverordneter Grabé und Magistratssekretär Meyer. Nach einigen einleitenden Worten des Erstern nahm Reichstagsabgeordneter Munkel, einer der angesehensten Anwälte Berlins, ein Mann in den besten Jahren mit schönem, ausdrucksvollem Kopfe, das Wort und sprach in längerer, sehr gewandter und populärer Rede über die Bedeutung und die Ziele des Parteitages. Es ist hier zu bemerken, daß sich die Versammlung den Namen „Partei" statt „Verein" mit berechneter Rücksicht auf die

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preußische Gesetzgebung und die obwaltenden Verhältnisse beilegte. Die Mitglieder eines Vereins, heiße er, wie er wolle, müssen in einer Liste dem Polizeipräsidium zur Kenntniß gebracht werden und haben sich auf bestimmte Statuten zu verpflichten. Eine Partei dagegen ermöglicht für alle die Tausende, die aus irgend welchem Grunde keinem Vereine beitreten, eine prinzipielle, nicht statutenweise, freie Vereinigung. Nach gemachten Mittheilungen könnte in Berlin kein Verein, und wäre er noch so zahlreich, dem freisinnigen Protestantismus den ihm gebührenden Einfluß auf die kirchliche Entwicklung verschaffen. Dies vermöge nur eine lose, organisirte, aber dafür um so fester zu den Prinzipien stehende Partei. Reichstagsabgeordneter Munkel schloß sich in seinem freien und offenbar extemporirten Vortrage an die Hauptgedanken der Predigt an, auf welche er immer wieder Bezug nahm. Er verwahrte sich und die Theilnehmer der Versammlung gegen den Vorwurf der Irreligiosität und Unchristlichkeit. Die Orthodoxen verwechseln Religion mit der Kirche, den Inhalt mit der Form. Dogmen und Ceremonien sollen den Geist des Christenthums ersehen wir aber wollen von solchen menschlichen Zufälligkeiten und dogmatischen Spizfindigkeiten die Religion reinigen, weil das Wesen derselben darunter leidet. Das Wesen des Christenthums besteht in der Liebe zu Gott und den Menschen. Wir wollen an dieses uns halten und glauben, daß die christliche Religion dabei nur gewinnen kann an Einfachheit und Wahrheit, daß sie dabei wieder wird eine Religion der Liebe und Freiheit und wieder zugänglicher wird weiten Kreisen, die nicht mehr ganz an die Neligion glauben können, die heutzutage oft in den Kirchen gepredigt wird. Was hat die Orthodorie aus der christlich-protestantischen Freiheit gemacht ? Es nügt nichts, sich unwillig abseits zu wenden oder gleichgültig zuzusehen, sondern es ist erforderlich, mannhaft für eine bessere, religiöse Ueberzeugung einzutreten und lauten Protest zu erheben gegen das Zerrbild, welches man jezt oft aus der christlichen Religion macht. Dazu soll die neue Partei dienen, die vor allen Dingen auch allen hierarchischen Bestrebungen entgegentreten will. Sie will eine immer größer werdende Gemeinde um sich sammeln und dieser das Wort Gottes lauter und rein verkünden. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß die Menschheit in der Erkenntniß fortschreitet ; das hat Gott selbst gewollt und wenn sie es nicht thäte, so würde sie sich gegen Gottes Willen versündigen. Wir wollen das Evangelium der christlichen Liebe verkündigen, uns der Schwachen und Unwissenden annehmen, sie stärken und bilden, ohne damit (im Sinne Stöckers) „Christlich-Soziale" zu werden. Wir wollen den Geist der Unduldsamkeit, der jezt in unserer Kirche herrscht, bekämpfen und austreiben, wir wollen, daß die Gemeinden Pastoren erhalten, welche den Gemeinden gefallen und nicht Gemeinden haben, die den Herren Pastoren mißfallen. Wir wollen die Freiheit der kirchLichen Verfassung, wir wollen erhalten, was wir haben, die Civilstandsgesetzgebung und Anderes, wir wollen das Gebiet von Staat und Kirche abgrenzen und nicht den einen Theil zum Knechte des andern machen. Die Konsequenz davon ist auch die Abschaffung des religiösen Eides. Wenn der Staat den religiösen Eid zu Hülfe nehmen muß, um gegen Lügner zu schüßen, so erklärt er damit: „meine Mittel sind zu Ende und ich wäre

machtlos, wenn mir nicht die allmächtige Kirche zu Hülfe käme." Dadurch wird aber auch die Kirche zum Handlanger des Staates in Bagatellprozessen gemacht. Wenn Einer lügt, dann soll man ihn nicht noch zwingen, nun auch noch den Namen Gottes zu lästern, und ich bin überzeugt, daß Gott, wenn er einst über solche Lügner zu richten haben wird, diese Zwangslage als „mildernden Umstand" gelten lassen wird. Wir glauben, daß die Grundsäße, deren Verwirklichung wir anstreben, uns dereinst zu einer Kirche gelangen lassen würden, in die man wieder gern geht, wir hoffen, daß diese Versammlung wie ein Posaunenton hinausschallen und die Tausende Gleichdenkender um die Fahne der Partei sammeln wird, und der Gott, an den wir glauben, wird uns dazu helfen.

Die Rede Munfels machte einen großen Eindruck auf die Versammlung und wurde mit lebhaftem Beifall belohnt. Und in der That mußte es Jeden, der vorurtheilsfrei sie anhörte, in tiefster Seele freuen, einen so verstandesklaren, scharfsinnigen Juristen mit solcher Wärme und Begeisterung über religiös-kirchliche Fragen reden zu hören. Es sprachen hierauf Dr. Kalthoff, der unermüdliche, überzeugungstreue Vorkämpfer für christliche Freiheit, und der Gemeindevertreter von St. Markus, Max Schulz, welche das Programm der neuen Partei mittheilten und erläuterten. In feuriger Rede brachte Reichstagsabgeordneter Dr. Wendt aus Hamburg die Grüße der religiös Freigesinnten, der kirchlichen Republikaner", seiner Heimat und erklärte unter Hinweisung auf das Vorbild opferfreudiger Hingabe für die Sache evangelischer Wahrheit und Freiheit, welche einst die Protestanten Frankreichs in Zeiten schwerer Verfolgung gegeben, daß auch wir in ähnlicher Weise für unsere Ueberzeugung einstehen und freudig jedes Opfer bringen sollen und wollen.

Die einzelnen Punkte des Programms kamen dann zur Abstimmung und wurden einmüthig angenommen, ebenso nach kurzer Debatte zwei Resolutionen, von denen die eine dem Unwillen darüber Ausdruck gab, daß der Versammlung die Benützung einer Kirche zum Festgottesdienst verweigert wurde und die andere die Bildung von Gemeindevereinen empfahl. — Hiefür vom Comite ersucht, sprach noch Pfr. Bion ungefähr folgende Schlußworte: „Was Sie heute sich zum Ziele Ihres Strebens gesezt haben, besigen wir bereits in der Schweiz und befinden uns wohl dabei. Die Frucht der Freiheit, welche wir genießen, ist Leben und Friede. Nur wo Freiheit ist, ist auch Mannigfaltigkeit und die Mannigfaltigkeit bedingt den Reichthum und die Schönheit des Lebens, wie in der Natur, so auch auf geistigem Gebiete, in der Kirche. Die Freiheit bringt auch den Frieden. Der Zwang in geistigen Dingen erbittert, die Freiheit versöhnt. Auf ihrem gesegneten Boden lernt man sich vertragen und achten. Es ist in meinem Vaterlande schon vorgekommen, daß größere, in ihrer Mehrheit freisinnige Kirchgemeinden dem religiösen Bedürfnisse einer orthodoxen Minderheit in der Weise Rechnung trugen, daß sie zu ihren freisinnigen Geistlichen einen strenggläubigen wählten. (Z. B. St. Gallen.) Der Apostel sagt: Der Herr ist der Geist, wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. s ist nach meiner Ueberzeugung ein betrübendes Zeichen, daß der Geist des Herrn von einer Kirche gewichen ist, welche ihren Gliedern nicht Freiheit des

Glaubens und Gewissens gewährt. Ich wünsche der Kirche, welche Sie bauen wollen, den Geist des Herrn, den Geist der Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe!"

Es sind in den verschiedenen politischen und kirchlichen Blättern Berlins und Deutschlands sehr verschiedene Berichte und Urtheile über die Versammlung der kirchlichen Volkspartei am 23. und 24. Sept. in Berlin, darunter auch manche ganz oder theilweise falsche und ungerechte erschienen. Daß die hyperorthodoxen und konservativen Organe sich über dieselbe höchst ungünstig äußern werden, ließ sich erwarten, wenn auch freilich eine so perside Berichterstattung, wie sie in dem „Evangelisch-kirchlichen Anzeiger" von Berlin enthalten ist, eine Gesinnung verräth, welche auf Alles eher, als auf das Prädikat „chriftlich" Anspruch machen kann. Daß aber auch einige Hauptorgane des deutschen Protestantenvereins zu der neuen Partei, die ja doch im Grunde nichts anderes anstrebt, als ein freies christlich-religiöses Leben im deutschen Volke, und namentlich in Berlin, zu wecken und zu fördern, sich zum mindesten gesagt so unfreundlich stellen und deren Versammlung so abschäßig beurtheilen, das ist dem Schreiber dieses Berichtes nicht verständlich. Er kann sich dieses höchstens aus der, wie es scheint, in den leitenden Kreisen des Protestantenvereins verbreiteten Meinung er flären, daß die ganze Bewegung gegen sie gerichtet sei. Diese Meinung ist aber eine unrichtige. Einmal, was den Festprediger anbetrifft, so kam derselbe durchaus nicht in dieser Absicht nach Berlin und nahm auch seine Mission nur mit der bestimmten Erklärung an, daß er nicht gegen den Protestantenverein oppositionell auftreten könne und werde und nachdem ihm die klarsten Zusicherungen gegeben worden waren, daß dies durchaus nicht die Tendenz der Versammlung sei, an der ja manche Mitglieder des Protestantenvereins selbst Theil nehmen werden. Und so war es denn auch. Es wurde gegen den Protestantenverein kein einziges feindseliges Wort gesprochen. Ja nur ein einziger Redner berührte überhaupt denselben, (Max Schulz) indem er sagte, daß dieser Verein keinen Boden im Volke habe, was ja, wenigstens in Hinsicht auf Berlin, leider nur zu wahr zu sein scheint, und wovon sich auch unsere schweizerischen Abgeordneten bei der lehtjährigen Versammlung des Protestantenvereins in Berlin zu ihrer eigenen unangenehmen Ueberraschung überzeugen mußten. Gegen die Versammlung vom 24. September wird einmal der Vorwurf erhoben, sie sei keine der Sache würdige gewesen, indem sie bei Bier und Tabak abgehalten wurde und hie und da laute Beifallsäußerungen, mitunter auch ein Gelächter hörbar wurden. Es ist wahr, daß nachdem der größte Theil der Versammlung ca. zwei Stunden im Saale zugebracht hatte, Bier servirt und von Manchen eine Cigarre angezündet wurde. Es wäre dies entweder gar nicht oder doch weniger aufgefallen, wenn die Versammlung nicht in demselben Lokale stattgefunden hätte, in dem eine halbe Stunde vorher der Gottesdienst abgehalten worden war. Daß aber für den Gottesdienst keine Kirche bewilligt und die Versammlung in demselben Lokale, wie jener abgehalten werden mußte, daran sind ganz andere Leute Schuld als die, denen man hieraus einen Vorwurf macht. Aus der Thatsache aber, daß Bier getrunken und geraucht wurde, so viel Wesens zu machen, scheint mir doch

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