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Ein hartes Wort.

"Jeder Mensch will Religion haben. Gar Mancher, der unter bestän= digen Verlegungen seiner persönlichen, häuslichen, gesellschaftlichen und allgemein menschlichen Pflicht lebt, sucht sich ohne Zweifel glauben zu machen, daß er ein religiöser Mensch sei, und wenn er im Namen des Mammons der Wittwe ein Pfund raubt, gibt er der Waise im Namen Gottes einen Pfennig zurück. Die Religion der Menschen ist sehr oft nichts Anderes, als der wohlfeilste und respektabelste Weg, sich mit Gott auf gutem Fuß zu halten. Ludwig XV. hatte der heiligen Jungfrau inmitten seines Lufthauses eine Privatkapelle geweiht, wo er und seine armen Opfer sehr fromm gewesen sein sollen. Sklavenhändler und Menschenräuber sind sehr besorgt, jeden Angriff auf ihren religiösen Ruf zurückzuweisen und üben ihr Gewerbe nicht eher, als bis sie vom Geistlichen die Versicherung erhalten haben, daß es patriarchalisch und urchristlich sei.

Ich weiß, daß in allen Kirchen sich ein gewaltiger Lärm erhoben hat gegen die sittlichen Reformatoren, welche die reine Religion auf das tägliche Leben im Einzelnen oder im Ganzen angewandt wissen wollten. Jeder Wolf hat ein Interesse an der Wildniß und verabscheut die Art und den Pflug des Ansiedlers. Ebenso hat jedes Gebrechen in der Gesellschaft seine Vertheidiger, die ihr Vermögen darin angelegt haben. Die Menschen sagen: Predigt uns Religion, predigt uns Christenthum, Christum den Gekreuzigten und nicht dieses ungläubige Zeug vom Aufgeben besonderer Sünde. Predigt uns die Sündlichkeit der Sünde, die Schönheit der Heiligkeit und dergleichen aber laßt die herrschenden Sünden der Gesellschaft des Wandels, des Staates und der Kirche unangetastet; seid still von der Trunksucht und Wollust, von Krieg und Sklaverei und den tausend Formen des Geizes, die uns Freude machen. Ist es nicht genug, daß wir euch Predigern unseren Säckel geben und euch mit unserer Gegenwart beehren?

Aber Gottlob, der Same der Propheten stirbt nie aus. „Wenn die Schriftgelehrten und Pharisäer zu Jerusalem Gözendiener werden und die Schafe ohne Hirten sind, dann steigt der Geist Gottes auf's Neue nieder und beseelt einen Zimmermannssohn von Nazareth; das Neue stößt mit dem vergänglichen Alten zusammen und der ganze Himmel erzittert von dem Donner des Streits. Ein solcher Mann ist ein Arzt, der die sündenkranken Kirchen heilt, er begräbt das Todte, heilt das Kranke und gibt dem Gesunden neues, kräftiges Leben. Aber die Besizer der Säue, die dabei zu Grunde gehen, schreien über ihren Verlurst.

Solche Männer thun uns noth. Wir leben inmitten eines religiösen Triebwerks und gar viele Handwerker in der Frömmigkeit, oft nur Lehrlinge, drehen die verschiedenen, kirchlichen Mühlen. Man schüttet in die Multe eine Menge Personen, jung und alt, und bald kommen sie zu guten Christen gemahlen wieder heraus, werden eingesackt und in den geeigneten Vorrathskammern der großen, kirchlichen Anstalt aufgespeichert und mit ihren Parteinamen bezeichnet. Es ist Maschinenthätigkeit, nicht Leben, was wir sehen. Wie langweilig ist eine gewöhnliche Versammlung an einem der zweiundfünfzig gewöhnlichen Sonntage des Jahres. Wie schauerlich ist eine gewöhnliche Predigt von einem gewöhnlichen Geistlichen. Er fühlt keinen Drang, sie zu halten, die Zuhörerschaft ebenso wenig, sie zu hören. Er thut, als wenn er predigte, sie thut, als wenn sie hörte. Aber er ist so hohl, wie das Polster, auf das er schlägt, sie, wie das Kissen, auf denen sie sizen. Aber etwas Großes ist es, mit einem jener Propheten zusammen zu kommen, durch die man mit neuer Kraft und neuem Glauben an Gott erfüllt wird. Es ist, wie wenn ein Zug von Pilgern, der durch die Wüste zieht, ausgetrocknet, mit wunden Füßen und kranken Kameelen, in einen Hain von einem Dußend Palmenbäumen kommt und unerwartet sich ein Quell reinen Wassers durch die Wüste ergießt. Da ist all' ihre Müdigkeit vergessen, ihre hinkenden Kameele sind auf einmal wieder gesund geworden. Nachdem sie ihren Durst gestillt, füllen sie ihre Flaschen mit dem kühlen Labetrunk, ruhen im Schatten von der Hiße des Mittags aus und verfolgen dann mit neuem Leben glücklich und geräuschlos ihren Pfad." (Th. Parker.)

Zu den Synodalwahlen.

Ich kann den gutmüthigen und friedfertigen Bürger sehr wohl be= greifen, dem die Wahlen wider den Strich gehen, weil sie jedes Mal Aufregung und Kampf bringen. Sind denn nicht auf beiden Seiten gute, fernhafte und treffliche Männer? Und kann man nicht endlich einmal die Partei aus dem Spiel lassen und von beiden Seiten die Einsichtigsten und Bewährtesten berufen, ohne hißige Reden und Zeitungsartikel ? Wohl, mein trefflicher Mann, dazu werden wir ganz sicher einmal kommen. Und wenn es sich morgen blos um die Besetzung des Kirchenvorstandes handelte, so wäre es in der Münster- und in der St. Leonhardsgemeinde angezeigt, dort den Freisinnigen fünf von zwanzig Stellen zu lassen und

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hier den Orthodoxen von zehn etwa vier. Nun sind aber die Gewählten auch Mitglieder der Synode, welche eben jezt das kirchliche Leben auf neuen Grundlagen ordnet und Beschlüsse von weittragendster Bedeutung faßt. Und diese Synode, bisher überwiegend konservativ, hat die ernste Befürchtung erweckt, sie werde dem einen Zwangsartikel noch viele andere, schlimmere nachfolgen lassen und die Glaubensfreiheit innerhalb der Kirche Stück für Stück wieder wegeskamotiren. Daher handelt es sich morgen darum, ob wir eine Synode erhalten, welche jeden Zwang beseitigt und die gegenseitige Anerkennung und den Frieden fördert.

Bei der in letter Nummer gebrachten, chronologischen Aufzählung wichtiger Daten aus dem Basler Kirchenleben wurde vergessen, daß am 29. Juni 1879 zu St. Theodor mit 461 gegen 437 Stimmen der Kandidat der orthodoxen Partei gewählt worden ist. Wir tragen das sehr gerne nach als eine Erinnerung daran, wie thöricht es ist, zu glauben, die liberale Partei in Basel brauche sich nicht mehr besonders anzustrengen nnd ihre Bestrebungen dringen nun von selber durch. Nur ein wenig Gleichgültigkeit, nur ein wenig falsches Sicherheitsgefühl, nur ein wenig Lauheit und die Synode wird morgen eine ganz imposante, konservative Mehrheit erhalten.

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Bis zum Aeußersten, sagt der „Christliche Volksbote" seinen Lesern, sollen sie bei den Spnodalwahlen ihre Pflicht thun. Es soll also Keiner muthlos und lässig zu Hause bleiben. Dann wird sich Gott zu uns bekennen und zur rechten Stunde eine Erlösung schaffen.“

Der „Christliche Volksbote" ist das Organ der äußersten Rechten, der ganz entschiedenen Pietisten, von denen man etwa sagen hörte, sie geben die Landeskirche schon verloren und betheiligen sich nicht mehr an den Wahlen, weil Gott sichtbar die alte Kirche verlassen habe.

Aber aus dem Obigen geht hervor, daß das eine falsche Annahme war und daß im Lager der Orthodoxie immer noch zu jeder Wahl der lezte Mann bis zu den Sektirern aufgeboten wird. Und mit was für Behauptungen man die Leute zur Wahl bittet, beweist der Schlußsaß obiger Wahlaufforderung: die zwei Richtungen seien von einander im Grunde so fern wie der Nordpol vom Südpol!

Druck und Expedition: Vereinsbuchdruckerei, Spalenvorstadt 3, Basel.

Fünfter Jahrgang.

N. 6.

Samstag, 11. Febr. 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. J. Altherr u. Pfr. E. Jinder in Basel, Pfr. Biou in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden sei an Jerufalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere Person. In Chrifto allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.

Decolampad an Futher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis per Vierteljahr franko zugesandt 1 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Vereinsbuchdruckerei, Spalen 3, abholen.

Die Synodalwahlen vom 5. Februar 1882

haben in gewünschter Weise die oberste Behörde der reformirten Kirche Basels vervollständigt und derselben eine kleine freisinnige Mehrheit ge= geben, die derjenigen in der Bevölkerung ziemlich entspricht. Münstergemeinde: Abgegebene Stimmen 882. Gewählt Obersthelfer 3. Wirth (freisinnig) mit 495, W. Vischer (orthodox) mit 459, G. Burckhardt-Alioth (orth.) ait 453. Zwei Nachwählen stehen noch aus. St Peter: Abgegebene Stimmen 526. Gewählt B. Deggeler (fr.) mit 318, Dr. E. Brenner (fr.) mit 310 Stimmen. St. Leonhard: Abgegebene Stimmen 919. Gewählt Pfr. D. Brändli (fr.) mit 512, Dr. J. G. Wackernagel (fr.) mit 506, Reg.-Rath Klein (fr.) mit 497, B. Eclin-Weber (fr.) mit 481, Huber, Lehrer (fr.) mit 474, Collin-Bernoulli (fr.) mit 470, Pfr. Roth (orth.) mit 466, R. Wassermann-Krebs (fr.) mit 465, E. Schaub-Dunkel (fr.) mit 463, J. Koch, Lehrer (fr.) mit 462 Stimmen. St. Theodor: Abgegebene Stimmen 718. Gewählt Dr. Göttisheim (fr.) mit 431, Fr. Strübin (fr.) mit 419, Nufer, Lehrer (fr.) mit 403, Abt-Langmesser (fr.) mit 395, Wohnlich-Fuchs (fr.) mit 390, Vest-Fauset (fr.) mit 373 Stimmen. Landgemeinde Riehen: Abgegebene Stimmen 63. Gewählt: Weißenberger (fr.) mit 39 Stimmen. Summa 19 Freifinnige und 3 Orthodoxe. Bleibe fromm und halte dich recht; denn Solchem wird es zulegt wohl gehen. Pf. 37, 37.

Wek Geistes Kinder find wir?

Das Evangelium des Lukas erzählt uns (Kap. 9, 51–56) von einer Rohheit, die einst in einem Samaritérdorfe Jesu und seinen Jüngern gegenüber vorkam. Jesus wollte, auf der Reise nach Jerusalem begriffen,

in selbigem Dorfe übernachten, und sandte deshalb zwei Jünger voraus, um Herberge zu bestellen; dieselbe wurde aber furzweg verweigert, weil Jesus auf dem Wege nach Jerusalem war, um dort die Feste zu feiern. Die beiden Jünger waren über diesen Mangel an Anstand so empört, daß sie den Meister fragten: Sollen wir nicht bitten, daß Gott Feuer vom Himmel fallen lasse, wie einst Elia that? Und Jesus antwortete strafend: "Wisset Ihr nicht, weß Geistes Kinder Jhr seid? Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern sie zu erretten.“

Dieses Wort Jesu ist nun schon darum merkwürdig, weil es uns zeigt, wie frei und selbstständig er den Vorbildern des alten Bundes gegen= über stand. Ungefähr in dieselbe Zeit nämlich verlegt die heilige Sage jene Begebenheit, wo ihm Mose und Elia auf dem Berge erschienen, um mit ihm über das bevorstehende Schicksal in Jerusalem zu sprechen. Es sollte damit gesagt sein, daß Jesus sich an dem Zeugenmuth und der opferwilligen Standhaftigkeit jener hervorragendsten, alttestamentlichen Gestalten erbaut, getröstet und gestärkt habe. Und dennoch hören wir aus demselben Munde die schroffe Behauptung, daß der Geist des Elia, der einst Feuer vom Himmel auf seine Gegner herabbetete und einige Hundert Priester des Baal hinrichten ließ, ein total anderer sei, als der seine, und daß die Jünger Jesu sich wohl hüten sollen, in die Art und Wirksamkeit des Elia zurückzufallen. Man sieht: Jesus hat unterschieden zwischen einem alttesta= mentlichen, jüdisch richtenden und verdammènden, und zwischen einem christlichen, errettenden und vergebenden Geiste. Er hat an Elia den Prophetenmuth bewundert und zum Vorbild genommen, den er zu seiner Zeit und auf seinem Standpunkt bewiesen, aber er war sich bewußt, daß er selbst andere Anschauungen, andere Bestrebungen, überhaupt einen andern Geist vertrete, als Elia.

Ich denke mir, daß dieses Wort für unsre gegenwärtige kirchliche Lage eine Belehrung und Wegleitung sein könnte. Was ist denn die Kirche? Sie ist die Gemeinschaft Derjenigen, die nach dem Sinn und Vorbild ihres Stifters denken und leben wollen, ein großer Bund aller Derer, die sich seine Jünger nennen. Um nun zu wissen, welcher Geist die Kirche leitet, bedarf es einfach der Prüfung nach dem Maßstab, den Jesus selbst uns in die Hände gegeben hat. Und nach diesem Maßstab ist der ächt christliche Geist einer Kirche nicht der strafende Eliasgeist, der Andersdenkende sofort vernichtet, wenn er kann, oder doch wenigstens verurtheilt und verdammt, sondern der Geist der Geduld mit der Ansicht eines Andern, und der Geist der Nächstenliebe, die über die konfessionellen Unterschiede hinüber die Hand des Friedens reicht. Wir haben hierüber aus des Meisters und seiner Apostel Munde Worte von der wünschbarsten Deutlichkeit. Nicht alle, die zu mir „Herr, Herr“ sagen, werden in's Himmelreich kommen, sondern die den Willen meines Vaters im Himmel thun!" Daran wird Jedermann erkennen, ob ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt." „Was ihr dem Geringsten unter meinen Brüdern gethan habt, das habt ihr mir gethan." "Liebet Eure Feinde, segnet, die Euch fluchen, thut wohl Denen, die Euch hassen, bittet für die, die Euch belei=

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