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wollte jedoch ein Bauer, dessen Urtheilskraft durch den Geist der Konventikel gelitten hatte, nichts wissen. Er machte scharfe Opposition und schloß mit den Worten: „Womit könnte denn Gott die Menschen noch strafen, wenn wir das thäten ?" „Mit Dummheit", lautete die rasche Antwort. (Deutsch. Protbl.)

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Seit Langem beschäftigt sich die englische Presse mit Hrn. Bradlough. Derselbe hat sich offen als Atheist bekannt und nun, da er in's Parlament gewählt ist, will ihn eine Partei nicht zum Eide zulassen, welcher lautet: Ich schwöre der Königin Viktoria und ihren gesetzmäßigen Nachfolgern Treue, Gott helfe mir! Früher enthielt der Eid auch noch die Wote «on the true faith of a Christian», welche Worte aber gestrichen wurden, um den Juden die Aufnahme in's Parlament zu ermöglichen. Nun wird überall debattirt, ob B. den Eid schwören und seinen Platz im Hause einnehmen könne oder nicht. Dazu macht Unit. Herald die treffliche Bemerkung: „es steht allein Herrn B. zu, in dieser Sache zu entscheiden, denn wir haben nicht zu richten, ob Jemand aufrichtig sei oder nicht. Es stünde übrigens schlimm mit dem Christenthum, wenn Einige, welche den Eid geschworen haben, als Vertreter des Christenthums gelten sollten."

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Eine Anzahl Juden in Jerusalem umstanden einen todten Hund, der auf der Straße umgefallen war, und drückten ihren Abscheu aus vor dem armen Geschöpf. Da gesellte sich ein Fremdling zu der Gruppe und be= merkte: seht, wie schöne, weiße Zähne hat der Hund! Auf diese Worte wendete sich Einer von den Dastehenden zu dem Fremdling und sprach : „Du mußt Jesus von Nazareth sein, denn wer, als er, fände an einem todten Hunde etwas zu preisen ?" (Legende.)

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In einem ganz vortrefflichen Vortrag über den Glauben und sein Recht sagt G. Weitbrecht: Der Glaube ist die Wurzel und die Liebe ist die Frucht. Und die sagen: Lasset die Glaubensfäße weg, predigt blos die christliche Liebe, die sagen eben damit soviel: „Hauet den Baum von seiner Wurzel weg, er wird seine Früchte schon ohne Wurzel bringen!"

Das Bedürfniß eines positiven Christenthums.

Vortrag von Obersthelfer Z. Wirth zu St. Martin Sonntag den 12. Februar 1882, Abends 6 Uhr.

Druck und Expedition: Vereinsbuchbruceret, Spalenvorstadt 8, Basel.

Fünfter Jahrgang.

Ne. 7.

Samstag, 18. Febr. 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr u. Pfr. E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden sei an Jerusalem, Nom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.

Decolampad an Luther.

Erscheint jeden Samstag. Man abounirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis per Vierteljahr franko zugesandt 1 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Vereinsbuchdruckerei, Spalen 3, abholen.

Das Losungswort vom „pofitiven“ Christenthum.

(Vortrag von 3. Wirth.)

Man spricht heute viel vom positiven Christenthum, seiner Nothwendigfeit und Unentbehrlichkeit, und es ist damit ohne Zweifel ein tiefes Bedürfniß der Gegenwart ausgesprochen Sind nicht überall die positiven, die schaffenden und erhaltenden Kräfte wohlthätiger und segensreicher, als die negativen, zerstörenden Mächte 2. Ist es nicht besse, etwas zu bejahen”? als nur zu verneinen, zu pflanzen, als auszureuten, aufzubauen, als niederzureißen? Und insbesondere in einer Zeit, wie die unsrige, wo nichts mehr von vornherein feststeht, wo alles Gegebene und Ueberlieferte in den Schmelztigel einer oft schonungslosen und pietätslosen Kritik geworfen wird und jede Negation einen großen Reiz auf Unzählige ausübt: ist es da nicht doppelt nothwendig, daß aus diesem sturmerregten Meere wenigstens noch Ein fester, unerschütterlicher Felsen positiver Wahrheit sich erhebe, an dem alle Wogen des Zweifels und Unglaubens sich brechen? Es ist daher begreiflich, daß der Ausdruck „positiv“ und die Forderung eines „positiven Christenthums" zu einer Fahne, zu einem Losungswort und Schlagwort in den religiösen und kirchlichen Kämpfen der Gegenwart geworden ist.

Nun macht man aber vielfach die Erfahrung, daß, sobald ein Wort zu einem solchen Losungsworte gemacht wird, es in Gefahr steht, getrübt und verfälscht zu werden und seine wahre Bedeutung einzubüßen. Es wird dann eben eine Münze, die von Hand zu Hand läuft und gedankenlos zu einem bestimmten Werthe eingenommen und ausgegeben wird, während unmerklich ihr Gehalt sich verschlechtert und ihr ursprüngliches Gepräge abgegriffen und abgeschliffen wird, bis man es zuleht gar nicht mehr erkennt. Man muß sich daher durch solche Schlagworte weder blenden, noch erschrecken lassen, sondern man muß sie auf ihren wahren Sinn und ihren eigentlichen Gehalt hin prüfen, Wahres und Falsches daran unterscheiden, den Kern aus der Schale lösen, und das wollen wir nun mit dem Losungswort vom positiven Christenthum" zu thun versuchen.

Was meint man denn damit? Wenn wir den Ausdruck richtig verstehen, so will man damit zweierlei sagen; man fordert damit für das Christenthum und die Kirche eine feste, sichere, positive Grundlage und einen festen, sichern, positiven Glaubensinhalt, Beides mit vollem Recht.

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1. Unter einer positiven Religion versteht man zunächst eine solche, die auf einer positiven Grundlage, auf einem geschichtlichen Fundament, auf bestimmten geschichtlichen Thatsachen ruht. Daß das Christenthum in diesem Sinn eine positive Religion ist (wie überhaupt jede Volksreligion), versteht sich eigentlich von selbst, und insofern ist es überflüssig, noch besonders von einem positiven Christenthum", gleichsam in zweiter Potenz, zu reden; aber man will damit eben ausdrücklich betonen, daß das Christenthum nicht nur auf allgemeine Ideen und Vernunftwahrheiten oder auf subjektive Meinungen, sondern auf Thatsachen, Heilsthatsachen sich gründe und daß daher nur dasjenige auf das Prädikat christlich" Anspruch machen könne, was unmittelbar oder mittelbar mit diesem Fundamente, mit Christus und dem mit ihm in die Geschichte eingetretenen Geistesleben im Zusammenhang steht. Wir acceptiren diese Forderung unbedingt. Wir sagen mit dem Apostel: Einen andern Grund kann Niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus"; wer dieses Fundament nicht mehr als das seinige anerkennt, der nimmt seine Stellung außerhalb des Christenthums. Ja, wir gehen noch weiter und sagen: der einzelne Christ und vor Allem die Cristliche Gemeinschaft muß sich ihres Zusammenhangs mit Christus auch immer wieder bewußt werden, muß diesen Zusammenhang festhalten und immer wieder erneuern; wir bedürfen fortwährend dieses Namens, dieser Person, dieses Meisters, dieser lebendigen, persönlichen Geistes- und Lebensquelle; wir wollen und können ihn nicht entbehren.

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Es ist ja auch in andern Gebieten so. Der Patriotismus jedes Volkes hat seine Heldengestalten in der Geschichte, an denen er sich immer wieder erwärmt; die Kunst, die Poesie, der Fortschritt der Wissenschaft und Kultur, sie knüpfen sich an glänzende Namen, an thatsächliche Ereignisse und Wendepunkte; es sind nicht nur Gedanken, Ideen, die die Welt umgestalten, sondern Menschen, Charaktere, in denen die Ideen sich verkörpern. Das gilt ganz besonders in der Religion. Von geschichtlichen Brennpunkten, von gottbegeisterten Persönlichkeiten strömt ihr heiliges Feuer aus. Treffend sagt Lang irgendwo: „Wie das Kind nicht erzogen wird, durch bloße Morallehren, durch trockene Auseinanderseßung seiner Pflichten, sondern vor Allem durch den Familiengeist, den es einathmet, durch das Vorbild treuer Eltern und Lehrer, durch das Anschauen edler Persönlichkeiten, so wird allerdings auch die Religion nicht geweckt weder durch trockene Vernunftwahrheiten, noch durch dürre Glaubensfäße, sondern durch das Anschauen lebendiger Gestalten, in welchen sie Fleisch und Blut geworden ist, begeisterter Helden, gottgefalbter Propheten. Das ist das Wahre an der Behauptung, daß die Religion nie als bloße Vernunftreligion, sondern immer nur als geschichtliche Religion zu Macht und Geltung unter den Menschen gekommen sei." Wir sind also vollkommen einverstanden mit dem Postulat eines positiven Christenthums

in dem angedeuteten Sinne, d. h. eines Christenthums, das auf historischer Grundlage, auf dem Boden geschichtlicher Thatsachen ruht.

Aber was folgt daraus? Folgt etwa daraus, daß in der neutestamentlichen Ueberlieferung ohne Weiteres dieses Fundament gegeben sei und daß das ganze Neue Testament zu diesem Fundament gehört? Folgt nicht vielmehr daraus, daß die erste Aufgabe einer Theologie, die den Anspruch macht, wahrhaft positiv zu sein, die ist, für die Person und das Leben Jesu und für die Zeit des Urchristenthums, so weit es irgend möglich ist, einen festen, sichern, historischen Boden zu gewinnen? Denn das weiß ja doch heutzutage jeder Laie, daß das Christusbild, wie es aus den christologischen Streitigkeiten des vierten und fünften Jahrhunderts langsam und mühsam hervorgegangen, in jenen alten Kirchenversammlungen von Nicäa bis Chalcedon seinen Abschluß gefunden und seitdem im Bekenntniß der Kirche sich fortgeerbt hat, nicht der wirkliche, historische Christus ist, sondern vielmehr das Produkt theologischer Reflexion und Spekulation, ja daß schon im neuen Testament selbst verschiedene Christusbilder sich finden, daß z. B. der Christus der Offenbarung Johannes, der der paulinischen Briefe, des Hebräerbriefes, des vierten Evangeliums und der drei ersten Evangelien zum Theil sehr weit auseinander gehende Auffassungen der Person Jesu darstellen. Um also hier eine positive Grundlage zu gewinnen, muß eine ganze Reihe von Fragen erledigt werden, die einer sorgfältigen Untersuchung bedürfen, Fragen wie die wann, wie, unter welchen geschichtlichen Verhältnissen sind die neutestamentlichen Schriften entstanden? welche Faktoren haben dabei mitgewirkt? Welche Tendenzen liegen ihnen zu Grunde? wie verhalten sie sich zu einander? inwiefern können sie als Geschichtsquellen gelten? welche Bedeutung haben sie überhaupt als Urkunden und Bestandtheile der von Jesus ausgegangenen religiösen Bewegung? — lauter Fragen, die nun einmal weder durch kirchliche Machtsprüche, noch durch falbungsvolle Deklamationen, sondern einzig und allein durch die nüchterne Wissenschaft, durch vorurtheilslose historisch-kritische Untersuchung und Quellenforschung erledigt werden können.

Nun sind in den letzten Dezennien in dieser Hinsicht ganz neue Bahnen eingeschlagen worden. Mit einem erstaunlichen Aufwand von Fleiß, Scharfsinn und Gelehrsamkeit sind die geschichtlichen Grundlagen und Anfänge des Christenthums und in Verbindung damit die ganze neutestamentliche Literatur erforscht worden, gründlicher und eingehender, als es je vorher geschehen war; und wenn man auch bei diesen Untersuchungen hie und da über das Ziel hinausgeschossen und Vermuthungen und Hypothesen voreilig als sichere Resultate aufgestellt haben mag, wenn es namentlich im Anfang, als Strauß in seinem „Leben Jesu" zum ersten Mal mit dem Scheidewasser schonungsloser Kritik die evangelische Ueberlieferung zersetzte, eine Zeit lang scheinen mochte, als ob die ganze geschichtliche Grundlage des Christenthums erschüttert oder wenigstens in undurchdringliches Dunkel gehüllt sei, so hat doch der weitere Verlauf dieser Untersuchungen zu einer Reihe von Ergebnissen geführt, die als völlig feststehend betrachtet werden können und die über die neutestamentlichen Schriften und die christliche Urzeit, also eben

über die geschichtliche Grundlage des Christenthums ein ganz neues Licht verbreitet haben.

Wir können hier nicht näher in die Sache eingehen, aber auf das Kunststück müssen wir doch hinweisen, das gerade hier mit den Worten „positiv“ und „negativ" getrieben wird. Positiv nennt sich bekanntlich diejenige Theologie, die an der apostolischen Aechtheit und historischen Glaubwürdigkeit sämmtlicher neutestamentlichen Schriften festhält und ihre zahlreichen Widersprüche durch allerlei Künste auszugleichen sucht, während umgekehrt jene neuere Schriftforschung oft in Bausch und Bogen als negative Kritik, als negative Theologie bezeichnet zu werden pflegt. Ist das nicht eine seltsame Begriffsverwechslung, um nicht zu sagen Begriffsfälschung? Oder ist das eine positive Theologie, die ihr Gebäude auf den Sandboden sagenhafter Ueberlieferung oder streitiger Formeln stellt, anstatt auf den Felsengrund sorgfältig erforschter Geschichte? Ist das eine positive Theologie, die den klaren Resultaten der Wissenschaft aus dem Wege geht, so bald sie ihr unbequem werden? Oder find etwa Diejenigen positive Theologen, die in der Studierstube und auf dem Katheder die weitgehendste Kritik an den biblischen Schriften üben, während sie nach Außen hin glauben lassen, Schriftwort und Gotteswort sei ihnen Eins und dasselbe? Ich meine, das sei vielmehr eine wahrhaft positive Theologie, die mit nüchterner Besonnenheit, aber auch mit rückhaltlosem Wahrheitsernst und Wahrheitsmuth darauf ausgeht, den wirklich ge= schichtlichen Jesus, den geschichtlichen Petrus und Paulus, das geschichtliche Urchristenthum und damit eben eine positive Grundlage des Christenthums zu finden durch sorgfältige Untersuchung der geschichtlichen Quellen; denn auch die negativen Resultate dieser Untersuchungen dienen ja schließlich einem positiven Zweck, dem wirklich geschichtlichen Verständniß des Urchristenthums und seiner Literatur.

Und es bleibt ja wahrlich auch bei der strengsten Kritik der evangelischen Ueberlieferung noch festen Bodens genug. Es bleibt in den ersten drei Evangelien als sicherer historischer Kern ein Lebens- und Charakterbild Jesu, zu dem alle Zeiten ehrfurchtsvoll emporschauen müssen, ein Menschenleben, natürlich sich entwickelnd, aber heranwachsend zu wunderbarer Größe, voll Kindessinn und Heldenmuth, voll tiefster Innerlichkeit und klarstem Weltblick, voll seligster Gotteszuversicht und freudigster Thatkraft, groß und erhaben genug, um der Anfänger und Vollender unseres Glaubens zu sein. Und es bleibt in den andern neutestamentlichen Schriften ein unauslöschliches Bild der gewaltigen Wirkungen, die von dieser Persönlichkeit ausgegangen sind, das Bild einer Christengemeinde, die freilich nicht so voll= kommen, so geisterfüllt, so Ein Herz und Eine Seele war, wie man es sich etwa vorstellt, mit schweren Irrthümern, tiefen Gegensätzen und auch sittlichen Gebrechen behaftet, aber doch ein Zeugniß von der neuschaffenden Kraft des Evangeliums, ein Zeugniß von dem sittlichen Ernst, dem Glaubensmuth, der Hoffnungsfreudigkeit, dem Liebesfeuer, die durch Jesus in die Welt gekommen sind.

Das sind wirklich positive Grundlagen, weil sie mit den Resultaten unbefangener, wissenschaftlicher Forschung übereinstimmen, wahrlich positivere, als die, auf denen der Stuhl Petri oder die Burgen der protestantischen

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