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und den Beweis leisten, daß nicht Alles von einer und derselben Hand geschrieben wurde. Es ist eine der interessantesten Entdeckungen der neuern Bibelforschung, daß das ganze Werk, das wir unter dem Titel der „fünf Bücher Mose" befizen, nicht das Werk eines einzigen Schriftstellers ist, sondern das Produkt mehrfacher Um- und Ueberarbeitung, wobei die Schrift eines ungefähr im zehnten Jahrhundert vor Christo lebenden Mannes durch nachfolgende, vielleicht zwei bis drei Jahrhunderte später lebende Schriftsteller verändert und durch Zufäße in ihrem Sinne ergänzt worden sei. Daher die verschiedenen Style, die sich ungefähr von einander unterscheiden, wie die Schreibweise eines Luther oder Zwingli und diejenige eines Lessing oder Herder, und also für den Sprachkenner deutlich zu unterscheiden.

Von dem Abschnitt 2. Mose, Kap. 14 rühren nun folgende Stellen vom spätern Ueberarbeiter her: Vers 5-7, Vers 10-14, Vers 19 und 20, Vers 24 und 25, einige kleinere Zusäße nicht gerechnet. Wer sich die Mühe nehmen will, das Kapitel ohne diese Zusäße zu lesen, wird erkennen, daß das Uebrige eine vollkommen einheitliche Erzählung bildet, aber auch, daß die genannten, von späterer Hand herrührenden Zusäße nur dazu dienen, das Wunder zu steigern und in's Ungeheuerliche weiter zu bilden. Es geht daraus hervor, daß man einige Hundert Jahre nach Abfassung der ersten Schrift sich nicht mehr mit der in dieser enthaltenen, wenn schon wundergläubigen Auffassung begnügte, sondern daß man noch mehr wollte, als dort erzählt ist, ein handgreiflicheres Wunder, ein deutlicheres Eingreifen Gottes. Daher in Vers 5-7 die deutlichere Beschreibung der Gesinnungsänderung Pharao's, welche der erste Schriftsteller doch in Vers 8 schon angegeben hat. Daher in Vers 10-14 die drastische Beschreibung des Unwillens des Volkes, während der erste Schriftsteller dieses lettere ganz ruhig bleiben läßt, daher endlich die Erzählung von 19, 20, 24 und 25, wonach die Wolken- und Feuersäule als eine Hülfe gekommen wären, um die beiden Gegner auseinander zu halten, und die wirklich ungeheuerliche Ausmalung, daß Gott selbst die Räder der ägyptischen Wagen abgestoßen habe, um sie an der Flucht vor den heranbraufenden Wellen zu verhindern und fie sicher zu verderben. So erkennen wir in den zwei Bestandtheilen dieses Kapitels zwei Schriftsteller, von denen der eine immerhin auch die Sache sich als Wunder dachte, aber in einer einfacheren, aber ungeschminktern Form, der andere, nicht zufrieden mit derselben, sie mit grellen Farben auszustaffiren für nöthig fand.

Was lernen wir daraus? Ich denke doch wohl das, daß die Ueberlieferung einer alten Begebenheit, wie überall, so auch im Volke Israel nicht immer dieselbe Gestalt behalten, sondern sich verändert hat, mit andern

Worten, daß es auch dort eine dichtende Sage gab, welche unbewußt eine ursprünglich natürliche Begebenheit mit einem größern Wunderglanz umgab. Wenn nun das schon während zwei bis dreihundert Jahren, d. h. in der Zeit zwischen der ersten schriftlichen Erzählung und der späteren Ueberarbeitung der Fall war, wie wir gesehen, so läßt sich annehmen, daß dasselbe noch weit mehr in der etwa sechshundert Jahre langen Zeit von der Begebenheit selbst bis zur ersten schriftlichen Aufzeichnung derselben der Fall gewesen sein wird. Somit irren wir nicht, wenn wir als wirklich geschehene Thatsache einen sehr natürlichen Vorgang annehmen.

Der erste Erzähler läßt uns auch wirklich noch die Spuren desselben erkennen, indem er deutlich neben der wunderbaren Wirkung des Stabes Moses eines die ganze Nacht durch wehenden, starken Ostwindes erwähnt, der das Meer trocken gelegt habe. Wozu dieser Wind, wenn der Stab Moses Kraft genug besaß, die Wogen zu theilen? Aber die natürliche Ursache war zur Zeit des ersten Erzählers noch in der Ueberlieferung vorhanden und kam somit in die Erzählung hinein, für uns ein werthvoller Ueberrest und Zeugniß, wie es wirklich zugegangen.

Die Sache verhielt sich also so: Mose benußte eine, ihm wohlbekannte und damals in besonderm Umfang eintretende Ebbe zum Durchzug und die nachdrängende Fluth, die in ebenso starkem Maße eintrat, überfiel die nachdrängenden Aegypter. An der Möglichkeit eines so schnellen Durchzugs der Israeliten ist um so weniger zu zweifeln, da ihre Anzahl, wie auch aus andern Zeugnissen der Geschichtsforschung hervorgeht, nicht im Entferntesten so groß war, wie sie in der Bibel angegeben.

Schlagen wir die Berichte von Reisenden und Geschichtschreibern aus den lezten hundert Jahren nach, so bestätigt sich die Möglichkeit und Natürlichkeit eines solchen Durchzugs vollkommen. Niebuhr berichtet, daß das Wasser des Meerbusens von Suez, (wo Moses Durchzug stattfand), am Anfang der Ebbe sehr schnell fällt und zu Anfang der Fluth sehr schnell steigt. „Wer beim Herannahen der Fluth hindurchgehen will, geräth in große Gefahr." Napoleon zog bekanntlich im Jahre 1799 ebenfalls durch das rothe Meer; er wollte zur Abkürzung des Weges die Furth nahe bei Suez benüßen; aber die eben eintretende Fluth nahm so reißend zu, daß er mit seinem Gefolge in die größte Gefahr gerieth, obwohl Landeseinwohner seine Führer waren. Nach den Berichten der Reisenden wird Ebbe und Fluth noch verstärkt durch den Wind, welcher gerade beim Meerbusen von Suez auf das Fallen und Steigen des Wassers den stärksten Einfluß übt.

Somit gibt sich uns die angeführte Erzählung als ein Beispiel von Sagenbildung zu erkennen, wobei um den ursprünglichen, geschichtlichen Kern eine erste und eine zweite Schicht von dichtender Ausschmückung angelegt hat. Vielleicht haben sich später noch weitere Schichten von noch groteskerer Art angesetzt; es wäre das aus den spätern talmudischen Schriften zu erkennen, von denen wir hier nicht reden wollen. Genug, wir haben keine Ursache, uns wegen unsers Nichtglaubens des wunderbaren Durchzugs durch's rothe Meer schelten zu lassen; was wir davon halten, ist „positive“ Wahrheit, das Andere ist Sage, die allerdings ihren Werth hat, insofern sie die dankbare und in Allem auf Gott gerichtete Gesinnung des Volkes bezeugt, aber immerhin Sage, die kein Recht hat, als Glaubensartikel der Ueberzeugung des Einzelnen aufgenöthigt zu werden. L.

Ein Schlachtenmaler von Gottes Gnaden.

Nicht wahr, das ist eine auffallende Ueberschrift für ein christliches Blatt, das mit solcher Entschiedenheit, wie unser Protestantenblatt, für alle Werke einer wirklich selbstlosen Nächstenliebe und einer wirklich menschenfreundlichen Humanität eintritt. Aber wie? Wenn dieser Schlachtenmaler seine Kunst dazu gebraucht, um den Zorn aller guten Menschen gegen die Menschenschlächtereien der Kriege anzustacheln? Wenn er mit seinen Bildern vom letzten russisch-türkischen Kriege von einer großen Stadt Europa's zur anderen umherreist und für eine möglichst anziehende und wirksame Ausstellung derselben an den großen Hauptpläßen des Weltverkehrs alle mögliche persönliche Mühe verwendet, um für die Befehdung der immer noch maß- und schrankenlos grassirenden Kriegslust nicht nur einzelne Schwärmgeister und Weltverbesserer zu gewinnen, sondern um selbst eine große, internationale Armee dafür anzuwerben, eine unsichtbare, große Ge= meinde der Friedfertigen, die im gegebenen Augenblick auch sichtbar werden und einen merklichen Einfluß zur Niederhaltung der entfesselten Raub- und Mordlust ausüben könnte ?

Wenn dieser Schlachtenmaler endlich die kolossalen Geld-Erträge seiner Ausstellungen nicht wie andere Künstler beiderlei Geschlechts auf ihren sogenannten „Tourneen“ oder Rundreisen zur Anhäufung von großem Privatvermögen oder zur Schaustellung eines eckelhaften Luxus ausbeutet,

sondern zu Gunsten humanitärer oder künstlerischer Zwecke auf jene Erträge zu verzichten pflegt ?

Ja, menn alledem noch ein großes, künstlerisches Talent hinzutommi, wie bei Lea Russen Basil Wereschagin, von welchem wir sprechen; wenn diefer Künstler auf Grund reicher, persönlicher Anschauung umb poet, natürlicher Begabung im Stande ist, seinen Kolossal-Bildern die gewaltige Ueberzeugungskraft einer unmittelbar einleuchtenden Naturund Lebenswahrheit einzuhauchen, dann wollen wir ihn wirklich getrost und ohne Zagen einen Schlachtenmaler von Gottes Gnaden heißen, seine ganz unerhörten Erfolge in Wien und Berlin mit dankbarer Seele begrüßen und zu weiterem Erfolge an anderen Orten ein herzliches Glückauf rufen.

„So ist wohl kaum jemals Kriegsgeschichte gemalt worden“, schreibt ein deutsches Blatt, „so ohne jede Kampfesbegeisterung, ohne Siegesjubel, ohne Ausblick auf den Siegespreis, ohne jedes erhebende und verföhnende Motiv." Wer seine Darstellungen vom russisch-türkischen Kriegsschauplah mit Hingebung verfolgt, der durchlebt selber alle die Schauder der großen, winterlichen Massenschlächtereien, und die Entfeßlichkeit dieser Anschauungen dürfte ihn bis in seine Träume verfolgen. „Wir sehen die heldenmüthigen Vertheidiger des Schipkapasses in ihren Schneetrancheen und Erdhütten. Wachtposten kämpfen gegen die heranschleichende Erstarrung; sie sinken zusammen und ein Schneehäufchen bezeichnet die Stelle, auf welcher ein Opfer der Pflicht, Gewehr bei Fuß, so lange trotte, bis der Frost es tödtete. Am Schipka ist Alles ruhig, lautete damals Tag für Tag der telegraphische Bericht Nadeßky's: Wereschagin zeigt uns die Chauffee von Plewna bis Swischtow, an welcher Tausende von türkischen Kriegsge= fangenen aus Frost und Hunger todt niedersanken. Raben und Aasgeier halten an den nur leicht mit Schnee bedeckten Leichen Mahlzeit oder sizen gesättigt auf den Telegraphendräthen. Grauenhaft ist das Innere eines Lazareths in Plewna, einer finstern Höhle, in welcher Sterbende neben faulenden Kadavern röcheln. Eine endlose Reihe von Büffelkarren schleppt Verwundete zur blauen Donau; Leichtverwundete bilden die Eskorte; das Blut trieft auf die grauen Mäntel nieder. Was im Innern der gedeckten Wagen vorgeht, deutet der Katalog mit den Worten an: in Folge der Wagenhite, des Staubs und der mangelnden Pflege füllten sich auf dem langen Transport die Wunden mit Würmern. Vor einem auf fünfhundert Mann berechneten Feldlazareth drängen sich ein paar Tausend Blessirte mit ihren grauenhaften Verstümmelungen; im Hintergrund operiren Aerzte und barmherzige Schwestern. Mit scheuem Tritt und verhaltenem Athem naht man einem Bild, das auf den ersten Blick nur ein leicht gewelltes Steppen

feld zeigt. Wer genauer hinblickt, entdeckt unter der dürren Krume eine unheimliche Saat von Köpfen und Gliedmassen; ein beinahe lebensgroßer Pope, mit einem stumpfsinnigen Unteroffizier als Sakristan, schwingt das Weihrauchfaß über das riesige Massengrab, auf welches ein leichter Regen niederrieselte."

Alles von überwältigender Plastik und Lebendigkeit. Nach diesen Vorzügen auch hat der herrliche Künstler mit bewußter Energie und Arbeitslust gestrebt, um sie erreichen zu können, manch' ein Opfer persönlichen Behagens gebracht, ja sein Leben selbst mehr als ein Mal in die Schanze geschlagen. Nachdem der ehemalige russische Marine-Kadett eine Reihe von ernsten und erfolgreichen Zeichen Studiums in Petersburg, Paris und London durchgemacht hatte, nahm Wereschagin im Alter von erst fünfundzwanzig Jahren an der Expedition des ruffischen Generals Kauffmann gegen die Turkomanen Theil, wohnte allen Gefechten und der Einnahme von Samarkand bet und füllte schon damals seine Mappen mit den interessantesten Skizzen an Schlachtszenen, Landschaften und Volkstypen aus jenen, bis dahin von keinem Maler durchforschten Gebieten, beim Ausbruch des russisch-türkischen Krieges aber folgte er den Fahnen des Czaren von der Donau zum Balkan und bis vor die Thore Konstantinopels. Unerschrocken sette er sich allen Gefahren aus, mitten im Kugelregen warf er seine Skizzen mit sicherer Hand auf's Papier. Um den Effekt kennen zu lernen, den ein in die Luft gesprengtes Schiff hervorbringt, betheiligte sich W. an einer Torpedo-Expedition auf der Donau; das Unternehmen mißlang und der Künstler wurde durch eine türkische Kugel gefährlich verwundet. Kaum genesen, kehrte er zur Armee zurück und wurde Zeuge der Kämpfe vor Plewna und am Schipkapaß, die er durch seinen Pinsel verewigt hat." Wer gefällt dir nun besser, lieber Leser, welcher, meine ich, von den beiden Russen, von deren Namen jezt die europäische Welt widerhallt: Wereschagin oder Skobelew? Helden sind sie ja beide, auch der Leztgenannte, dieser Aiar der russischen Armee. Und Wereschagin selbst ist unparteiisch genug geblieben, um dem tapferen General und Patrioten des slavischen Bluts in einem eigenen Gemälde Skobelew auf dem Schipka" die verdienten persönlichen Ehren zu widmen. Aber die Person und die Sache muß man auch hier unterscheiden können. Nur nichts abgemarktet vom sachlichen Eindruck der genannten Ausstellung, ihr Herren vom KriegsSport! Das hat sich wohl auch der Künstler, von dem wir reden, am Ende selber gesagt, daß es von Marathon bis auf die Gegenwart hinab eine Menge von Kriegen gibt, welche der Menschheit großen, auch geistigen und sittlichen und nicht nur materiellen Segen gebracht haben. Und Were

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