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schagin selbst hat ja dem Vorwurf, er sei nur „Tendenz"-Maler, damit vorgebeugt, daß er eine ganze Anzahl harmloser Landschafts- und Genrebilder aus dem Orient mitausstellt, damit auch gekrönte Häupter und sonstige privilegirte Enkel des Mars sich das Ganze ungenirt anschauen können. Aber die Frage ist nur die: ob es immer dabei bleiben muß, daß große Fortschritte der Kultur nur durch gewaltsame Mittel errungen werden, die selber alle schon errungenen Güter der Kultur und Gesittung mit Füßen treten und auch alle Werke der Erziehung dem bon plaisir der Hinterlader und Mitrailleusen ausliefern? Die Frage ist ferner die: ob nicht selbst die, die den Krieg auch für die Zukunft, und nicht nur für die nächste, in sichere Aussicht nehmen, zugeben sollten, daß manchmal ein frevelhaftes Zuviel des Mordhandwerks einreißt und daß wir gerade gegenwärtig in einer solchen Periode der maßlosen und durchaus nicht immer vernünftig begründeten Kriegstreiberei seit Jahrzehnten begriffen sind? Und die Frage ist endlich die: ob es nicht jedenfalls geboten sei, die immer noch übrig gebliebenen, unnöthigen Grausamkeiten des Krieges und der Verwundeten Pflege mit allen möglichen Mitteln einzudämmen?

Und die Antwort, die unser Schlachtenmaler auf diese Fragen gibt, ist ja deutlich und einleuchtend genug. Wenn der eine der beiden oben genannten Russen die Allmacht der Blutsverwandtschaft und des Racenhasses verkündet und mit dem Opfer von Hunderttausenden die Zertrümmerung der mit mehr oder minder geschichtlicher Vernunft perfeft gewordenen europäischen Staatenbildung erkaufen will, so appellirt der andere an die, wie er glaubt, dennoch größere Gewalt der christlichen Humanität und wirkt für die Verbreitung der geheimen Friedensliga, welche trotzdem und alledem jener bestiaLischen Auffassung des Völkerlebens den Fehdehandschuh hinwirft und fest daran glaubt: die Menschlichkeit sei doch kein leerer Wahn und es gehe dennoch langsam vorwärts mit ihr. So gehet denn fleißig hin, ihr Enthusiasten des Kriegshandwerks, und sehet euch satt an den Bildern des Russen. Ihr Bilder selbst aber, ihr bemalten Lappen von Leinwand, ziehet weiter hinaus und treibt eure schöne Weltmission, ihr, die ihr selber ein Stücklein Erfüllung von der Hoffnung des Apostels seid (Röm. 8, 21): einst werde auch die Kreatur frei werden von dem Dienst des vergänglichen Wesens und sich mitfreuen an der offenbaren Herrlichkeit der Kinder Gottes.

Nachschrift.

Sollte Herr W. mit seinen Bildern nicht auch nach Genf kommen, der Hauptstadt des rothen Kreuzes auf dem weißen Feld? Dann wäre vielleicht auch auf eine Wereschagin-Ausstellung am Steinenberg in Basel zu rechnen ? Hier wohnen zwar meist friedfertige Leute und die Rauflust befriedigt sich auf anderen Gebieten, wir unterlassen es, sie einzeln zu nennen. Aber an begeisterter Theilnahme würde es diesen Bildern gewiß auch in der deutschen Schweiz nicht fehlen.

Druck und Expedition: Vereinsbuchdruɗerel, Spalenvorstabt 3, Basel.

Fünfter Jahrgang.

Ne. 9.

Samstag, 4. März 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr u. Pfr. E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Nom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolampad an Luther.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis per Vierteljahr franko zugesandt 1 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Vereinsbuchdruckerei, Spalen 3, abholen.

Zur Erinnerung an Desor.

I.

Der jüngst verstorbene Professor Desor in Neuenburg war nicht nur einer der hervorragendsten Naturforscher dieses Jahrhunderts und ein edler Charakter, sondern auch ein überzeugter, liberaler Protestant und Jahre lang Komitemitglied des kirchlichen Reformvereins für die Schweiz. Daß ein wirklicher Naturforscher, der die Unverleglichkeit der Naturgeseße kenni, unmöglich kirchlich orthodox sein, sondern höchstens aus allerlei Rücksichten der Konvenienz thun kann, als ob er es wäre, versteht sich von selbst; aber wenn er nicht, wie der große Haufen, dem Materialismus verfällt, sondern an die hohe Mission der Religion in geläuterter Form glaubt und persönlich mit großen Opfern sich bethätigt an der kirchlichen Reform, so verdient dies von uns wenigstens dankbar anerkannt zu werden. Ich möchte daher zur Erinnerung an Desor die Beziehungen hervorheben, in welchen er zu Th. Parker, dem größten amerikanischen Theologen dieses Jahrhunderts, ge= standen hat. Nachdem er während seines Aufenthalts in Boston dessen Bekanntschaft gemacht, blieb er in fleißigem Verkehr mit ihm, besonders über naturwissenschaftliche Fragen, in denen Barker nicht weniger Bescheid wußte, als in der Theologie. Seit Parker's Tod, im Jahr 1860, führte Desor den Briefwechsel mit dessen Wittwe fort, wie ich der Biographie von Frothingham entnehme p. 558-564. Am 13. Febr. 1868 schrieb Defor an Fran Parker:

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„Wissen Sie, daß ich bald sechszig Jahre alt bin? Siebenundfünfzig Jahre sind kein Spaß. Sie beweisen mir, daß ich ein alter Mann bin und mich für die große Abreise bereit halten muß. Deßhalb

braucht das Leben aber nicht inhaltlos zu sein und ist es auch nicht. Ich glaube im Gegentheil, noch etwas leisten zu können, sowohl für die Wissenschaft, wie in den Angelegenheiten der öffentlichen Wohlfahrt. Im Besondern liegt mir Alles hart an, was irgendwo im Geiste meines Theodor Parker geschieht. In unserm Schweizerland, zum Beispiel in Basel, sind einige Reformen im Gang, welche unsern verstorbenen Freund mit Freude erfüllt haben würden. Es ist eine neue Kirche nach dem Herzen Parkers im Werden, und ich weiß, daß sein Name dabei oft als eine der solidesten Autoritäten genannt wird. Natürlich sezt es Kampf ab, wie ihn Parker in Boston auch erfahren hat, Kampf besonders gegen all' jene sogenannten anständigen und vornehmen Leute, die in der Mehrzahl jehr orthodox sind. Die neue Richtung hat nun eine Reihe öffentlicher Vorträge organisirt über die kirchlichen Hauptfragen, als da sind Versöhnung, Wunder und Sakramente, gehalten von den hervorragendsten Geistlichen der neuen Schule. An diese Vorträge schließen sich öffentliche Diskussionen an, bei welchen die Häupter der andern Partei ihre Thesen vertheidigen. Das Volk, im Gefühl, daß es sich hier um seine wichtigsten Angelegenheiten handelt, verlangte, daß diese Debatte im großen Saal der Gartnernzunft stattfinden, in welchem zur Zeit der Reformation die Religionsgespräche abgehalten wurden. Natürlich bekehrten sie einander gegenseitig nicht, aber so viel ich höre, nehmen die Auseinanderseßungen einen ernsten und feierlichen Verlauf. Es ging in jeder Beziehung anständig zu und erwarte ich davon einen heilsamen Anstoß für die große Sache des Fortschritts"

Am 13. Febr. 1869 schrieb Desor an Frau Parker: „Ich komme soeben vom Frühstück, wo ich den Tisch mit prächtigen Hyazinthen, Schneetröpfchen und andern Blumen geschmückt fand, welche meine Tochter Marie die leßten Monate gezogen hat. Auch ein gewaltiger Kuchen mit meinem Namen durfte nicht fehlen. Das ist Alles sehr hübsch, schade nur, daß so ein Geburtstag das nicht ganz angenehme Zeichen ist, wie wir wieder einen Schritt näher der Auflösung unseres Leibes gekommen sind. Aber schließlich hat das so viel nicht zu sagen, wofern wir uns nur die geistige Kraft und Klarheit bewahren. Nach dieser Seite darf ich mich denn auch nicht be= flagen. Ja, wenn unser Parker noch lebte, wäre er wohl nicht unzufrieden mit dem, was wir hier auf seinem eigensten Gebiete, dem der kirchlichen Reform, anstreben und vollbringen. Wir arbeiten, die Kirche dahin zu bringen, wo er sie haben wollte: eine Kirche ohne geistliche Herrschaft, eine Religion ohne Glaubenszwang, eine Gottesverehrung ohne übernatürliche Mysterien, eine Moral ohne Dogmatik, einen Gott ohne vorgeschriebene Formeln. Diese Reform, welche allen Wunderglauben verwirft, wurde vor

einigen Monaten bei uns in Neuenburg durch einen jungen Professor der Philosophie (Buisson ist gemeint) proklamirt, was, wie Sie sich vorstellen können, unter den Orthodoxen eine gewaltige Erregung verursachte. Indeß spielen die Auseinandersetzungen sich in aller Ordnung ab, was vor zwanzig oder dreißig Jahren noch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre. Die ersten Leiter des Freisinns in der Kirche Frankreichs sind uns zu Hülfe gekommen, unter Andern auch Felix Pecaud, ein großer Verehrer Theodor Parker's. Sie glauben nicht, wie das ihn freute, als er in meiner Umgebung so manche Spuren des früh vollendeten Freundes fand. Ich zeigte ihm dessen Bild, Briefe und Werke, was ihn Alles im höchsten Grad interessirte. Wäre es weniger kalt gewesen, so hätte ich ihn auf mein Landgut in Combe Varin geführt und ihm das Zimmer und die Tanne gezeigt, welche Parker's Namen tragen."

A.

Das Christenthum und die moderne
Weltanschauung.

(Eine Broschüre von Dr. C. Manchot.)*

Als der kirchlich-liberale Geist unserer Tage aufing, sich zu regen und nach einer vollen Klarheit über seine Ziele selbst noch rang, da that es vor Allem Noth, die entscheidenden Streitfragen zu deutlichem Bewußtsein zu bringen und sich darauf zu besinnen, was uns vom Glauben der alten Kirche trenne. Unerschrockene, geistesklare Männer waren es, vor Allem unser Heinrich Lang, die darauf die Antwort gaben: Der alte Glaube sei mit einem überwundenen Weltbild verwachsen; unser Glaube aber müsse sich in ein neues Weltbild finden und einleben. Unvergessen ist das große Verdienst dieser Männer und soll es bleiben; für uns aber ist eine neue Situation gekommen, und andere Bedürfnisse stellen andere Aufgaben. Kaum bedarf es noch einer weiteren Zuspizung der Gegensäße; fast nur zu schroff stehen die Parteien sich gegenüber. Was uns noch eint, das ist die Frage, auf die es heute vorzugsweise ankommt; was es noch gibt an gemeinsamem Besitz, auf Grund dessen wir uns über allen klar erkannten, tiefwurzelnden Meinungsunterschied hinaus die Hand reichen können.

*(Zweite Aufl.) Bremen, C. W. Roussell, 1882 (35 V.) - Der Verfasser, früher Pfarrer in Wipkingen bei Zürich, ist jetzt Pastor an St. Remberti in Bremen und Herausgeber des trefflichen „Deutschen Protestantenblattes“.

Mitten aus dem Bewußtsein dieser Bedürfnisse heraus ist die obengenannte Schrift entstanden. Ein von gleichmäßiger Gerechtigkeit und Liebe nach allen Seiten hin beseeltes Friedenswort, das wir mit Dank und Freude begrüßen und Vielen zur Beherzigung empfehlen möchten.

Das Christenthum und die moderne Weltanschauung — das also sind die Gegensäße, um die heute überall der Kampf entbrannt ist, ein heißer, vielfach erbitterter Kampf. Die Anhänger Roms und die altgläubigen Protestanten scheinen darüber ihre Feindschaft zu vergessen, und die ganze alte Kirche steht zusammen gegen die moderne Weltanschauung und glaubt sich vor dieser schlimmsten Gegnerin in all' ihrem Besig und ihrer Existenz selber bedroht.

Und doch ist, so führt der Verfasser aus, dieser Zwiespalt unserer innersten Ueberzeugung nach kein unversöhnlicher: das Christenthum unserer Tage wird durch denselben vielmehr vor eine neue Aufgabe, als vor einen neuen Feind geführt.

In die fundamentale Aenderung des äußeren Weltbildes, welche durch das kopernikanische System bewirkt worden ist, hat sich die Kirche selbst nach anfänglichem Widerstreben, das sich bis auf die Reformatoren erstreckte, immerhin schnell genug hineingefunden. Ein Anderes allerdings ist es mit der Auffassung von den inneren Lebensgefeßen der Naturvorgänge. Hier besteht unleugbar noch eine tiefe Kluft zwischen altgläubiger Anschauungsweise und modernem Denken. Es ist nichts Kleines für die Vorstellungswelt des frommen Menschen, was hier auf dem Spiele steht. Die alte Weltanschauung der Bibel glaubt, daß der gewöhnliche Naturverlauf durch Wunder unterbrochen werde, die Wirkung der Naturgesetze durch höhere Gewalt für bestimmte Zwecke aufgehoben werden kann. Die moderne Weltanschauung dagegen, welche auf der heutigen Naturwissen= schaft ruht, kennt kein Unterbrechen der Naturgesetze durch irgend eine Gewalt, sie glaubt keine Wunder. Um dieses Gegensates willen wird heute erklärt, daß Christenthum und moderne Weltanschauung unvereinbare Widersprüche seien."

Nun aber wissen wir, daß wir den Wunderglauben keineswegs allein in der Bibel finden. Juden, Heiden und Christen, die ganze damalige, gebildete und ungebildete Welt bekannte sich dazu. Woher da das Recht, einen Glauben, der zu keiner Zeit etwas spezifisch Christliches gewesen ist, heute zu einem Gegenstand grundsäßlichen Streites und christlichen Bürgerkrieges zu machen? Woher die Nöthigung, in der hartnäckigen Behauptung dieses Glaubens die umfassende, mit Hingabe edelster Kräfte er

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