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der beiden Sekten nie zu Streitigkeiten geführt, vielmehr sind sie geneigt, sich zu vermischen, indem nicht nur die Götter der Vaishnavas ohne Bedenken von den Çaivas angerufen werden und umgekehrt, sondern Asketen, wie die Sannyâsins, gehören bald der einen, bald der andern Religion an, um nicht von den geheimen Kulten der Çâktas zu sprechen, an denen beide Sekten in gleicher Weise beteiligt sind.

Den wenig priesterlichen Charakter des Hinduismus ersieht man schon daraus, dass die epischen Dichtungen des Volkes in ihrer heiligen Literatur eine so grosse Rolle spielen. Das Mahâbhârata, die Iliade der Inder, ein Werk von masslosem Umfange, ist im Laufe der Zeiten aus einem Heldengedicht zu einer ganzen Literatur angewachsen, in welche die Inder aus ihrem reichen Vorrat von Sagen und Legenden, philosophischen und religiösen Spekulationen Altes und Neues eingefügt haben, und eine solche Gestalt wird das Epos, das überhaupt wohl aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung herstammt, vermutlich schon lange vor dem 7. Jahrh. gehabt haben. Schon zu dieser Zeit hört man „Vyâsas Werk", wie es nach dem mythischen Dichter genannt wird, als „Rechtsbuch, als Sittenlehre und Führer zum Heile" preisen; damals wie jetzt wurde es als heiliges Buch zur Erbauung in den Tempeln vorgelesen. Çankara berichtet ums Jahr 800, dass das Mahâbhârata zur religiösen Belehrung der Klassen bestimmt war, denen das Studium der Veden und des Vedânta untersagt war, auch heisst es, dass der Brahmane, der alle Vedas kennt, nicht aber das Mahâbhârata, ein unerfahrener Mensch sei; und das Gedicht hat überhaupt die Würde des smriti, der Tradition von alters her innegehabt.

Von dieser Bedeutung abgesehen, die die Inder selbst dem Gedichte beilegen, ist es für uns die unschätzbare Quelle unserer Kenntnis auch von den religiösen Zuständen der Inder im Mittelalter; denn die religiösen Hauptrichtungen der älteren Zeit, die Verehrungen von Vishnu, Krshna und Çiva sind in diesem Buche alle vertreten, ihre Legenden erzählt, ihre theologischen Ansichten entwickelt. So ist die Episode Harivamça eine Darstellung der Krshnalegende und vor allem das berühmte Gedicht Bhagavad-Gîtâ eine höchst lehrreiche Erörterung der Philosophie der Krshnaverehrer. Dem Helden Arjuna, der zögert, in den Kampf gegen seine Verwandten zu ziehen, stellt Krshna die Notwendigkeit des pflichtmässigen Handelns vor, und das Gespräch entwickelt sich nun zu einem ganz religiös-philosophischen System. Dieses mag einen gewissen eklektischen Charakter haben, durch den Reichtum der Gedanken und durch ihre leichte und über

sichtliche Form ist die Bhagavad-Gîtâ immer eine der schönsten Proben des indischen Philosophierens und hat in Indien selbst das höchste Ansehen genossen; jede theologische Richtung, die sich behaupten will, muss ihren Standpunkt durch einen Kommentar zum BhagavadGîtâ fixieren 1.

Das Grundthema des Mahâbhârata ist der Kampf zwischen zwei mächtigen Geschlechtern, den Panduiden und den Kuruiden, in dem sich zweifellos alte Begebenheiten der indischen Geschichte wiederspiegeln. Auch von dem grossen südlichen Epos, dem Râmâyana, wird dieses zum grossen Teile gelten, denn mit der Verbreitung der Inder gegen Süden hängt dieses Gedicht doch wohl irgendwie zusammen. Das Râmâyana ist mit seinen 24000 Doppelversen an Umfang doch nur ein Viertel des Mahâbhârata, dazu von einheitlicher, kunstvollerer Form, wie es überhaupt das Gepräge trägt, von einem einzigen Verfasser als solchen nennt man den Dichter Valmiki — herzurühren. Auch im Inhalt unterscheidet es sich vielfach von dem nördlichen Epos, vor allem hat es viel weniger den Charakter der epischen Sage und hatin ähnlicher Weise wie die Odyssee der Ilias gegenüber viel mehr Märchenhaftes und Abenteuerliches an sich.

Auf der Flucht des vertriebenen Königssohnes Râma gegen Süden zu und in seinen Kämpfen, zu denen auch die Versuche, seine entführte Frau Sîtâ wiederzugewinnen, gehören, treten Bären und Affen als menschenähnliche Wesen auf und helfen ihm mit allerlei Wundern; überhaupt ist das Gedicht von kühner romantischer Phantasie getragen. Dazu ist es immer wegen seiner sittlichen Idealität gerühmt worden und erhebt sich durch diese Hoheit und Reinheit seiner Gedanken nicht nur über die rohe Volksphantasie des südlichen Indiens, sondern auch über die in dieser Beziehung nicht immer vorwurfsfreie Kunstpoesie der Inder.

Die eigentlich theologischen Schriften der Sekten sind die sog. Purânas, zum Teil sehr umfangreiche Werke. Purâna bedeutet ,,alt" und ist im älteren Sanskrit Bezeichnung der Kosmologie. Dem Programme nach sollte ein Purâna die ganze Entwicklung des Daseins umfassen von der Kosmologie, den Welterneuerungen und der Genealogie der Götter an bis zu den geschichtlichen Perioden des Menschengeschlechtes und den Dynastien der Könige. Faktisch sind. sie aber wenig geordnete Sammlungen von theologischen und philo

' In Deutschland wurde das Gedicht durch SCHLEGELS Ausgabe und lat. Uebersetzung und W. V. HUMBOLDTS immer sehr lesenswerte Abhandlung über BhagavadGîtâ (1826) eingeführt.

sophischen Betrachtungen, Legenden und märchenhaften Sagen, rituellen und asketischen Vorschriften u. ä., wobei gewöhnlich eine sehr tendenziöse Hervorhebung des von der betreffenden Sekte verehrten Gottes zu bemerken ist. Jede Sekte muss nämlich ihr Purâna haben oder sich eines aneignen, und ohne Zweifel haben selbst die ersten Sekten die ihrigen gehabt. Die Purânas, die wir besitzen, sind indessen alle Produkte des Mittelalters und jedenfalls später als das Mahâbhârata, an das sie sich oft als theologische Fortsetzungen anreihen. Die bekanntesten der jetzigen Purânas sie sind gewöhnlich nach einem Gotte genannt sind Vishnu Purâna (von WILSON übersetzt) und Markandeya Purâna. Das grosse, von BURNOUF übersetzte und herausgegebene Bhagavata-Purâna ist eins der jüngsten und von BÜHLER als Fälschung aus dem 12. Jahrh. nachgewiesen. Wie unsere Purânas

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späteren Ursprungs sind, so haben sie durchschnittlich auch nur sekundären Wert. Als theologische und philosophische Werke stehen sie tief unter den Brâhmanas und den alten Upanishaden, und in literarischer Beziehung halten sie mit den Epen keinen Vergleich aus. Dass sie mit ihren zahllosen Philosophemen, Legenden und Mythen für die Religionsgeschichte eine überaus reiche Fundgrube bilden, ist damit nicht ausgeschlossen.

Als Ergänzungen der Purânas sind die aus den jüngsten Jahrhunderten herstammenden Tantras zu betrachten. Die Tantras sind ritualistische Schriften, die oft genug nur aus Häufungen von Namen und leeren Formeln bestehen; besonderes Interesse beanspruchen sie indessen dadurch, dass sie die Vorschriften des Geheimkults enthalten, der im modernen Indien eine grosse Rolle spielt. Diese Geheimkulte sind voller Zauber und Laszivität, was man häufig genug aus den Tantras herausliest; sie sind wohl überhaupt die niedrigsten Religionsbücher, die man kennt.

Die religiöse Literatur der Hindus umfasst zugleich eine grosse Menge von Stotras oder Lobliedern, die noch immer produziert werden, und deren Sammlungen dieselbe Rolle spielen wie das Gesangbuch in unserem Kirchenleben.

Viel reicher an Erbauung und viel wichtiger als Quellen des religiösen Lebens der indischen Neuzeit sind indessen die grossen religiösen Gedichte, die seit dem 16. Jahrh. das Geistesleben der Inder beherrschen: das Rāmāyana von Tul'sī Dās im Norden, und im Süden Tiruvalluvas Kurral und Manikka Vaçagars Tiruvāçagam.

Tulasi Dāsa, ein Brahman aus einem den Râma verehrenden Klan, war 1532 geboren und wurde, weil unter einem Unglücksstern

geboren, von den Eltern ausgesetzt. Gute Leute nahmen sich indessen seiner an und erzogen ihn; er heiratete und verlebte glückliche Jahre, bis der frühe Tod seines Sohnes ihn so tief erschütterte, dass er seitdem ein Pilgerleben führte. 43 Jahre alt fing er an, sein Râmâyana zu schreiben, ein religiöses Epos, heute das am meisten gelesene Buch des nördlichen Indiens. Dieses Râmagedicht ist keine Uebersetzung oder Bearbeitung von Valmîkis Râmâyana; nicht nur der Bau des Gedichtes und die dichterische Behandlung der Sage ist eine andere, sondern der Grundgedanke, aus dem die Dichtung hervorgegangen ist, ist die neue Frömmigkeit, die Râmânujas Philosophie und Râmânandas Verkündigung hatte entstehen lassen. Im selben Geiste schrieb er noch andere Gedichte; Gîtâvali (von Râmas Kindheit) und Kavittâvali (von dessen Heldentaten); seine Vinaya Pattrikâ dagegen ist eine Sammlung von Hymnen und Gebeten, wo der Sündige den Râma um Heil und Vergebung der Sünden anfleht. Die Dichtung Tul'sis übertrifft die übrigen Gedichte der modernen Inder nicht nur an poetischer Schönheit und religiöser Kraft, sondern auch dadurch, dass die letztere sich nicht auf Kosten des Menschlichen entwickelt hat. Im Gegenteil: Tul'sî Das hat menschlich gelebt und er liebt das Menschenleben; das Spiel eines Kindes schildert er ebenso gern und ebenso gut, wie die Erhabenheit Râmas und die Gewalt des indischen Gewitters; der asketische Geist der sonstigen Inder weht nicht durch Tul'sī Dās' Râmâyana. Kraft dieser guten Eigenschaften sowie auch durch die volkstümliche Gefälligkeit der Sprache (ein universelles Hindi), das sowohl den westlichen als den östlichen Hindus verständlich ist, hat diese erbauliche Dichtung eine solche Verbreitung und Bedeutung gewonnen, die GRIERSON mit der der Bibel in England vergleicht.

Eine ähnliche Rolle spielt im Süden der Tamildichter Tiruvalluva Nâyanâr. Sein grosses Gedicht Kurral, eine Sammlung von moralischen Aphorismen im Stile des Dhammapada, wird über ganz Südindien und Nordceylon als Erbauungsschrift gelesen. Tiruvalluva war ein Vishnuverehrer; seine Gedanken ragen jedoch weit über die des gewöhnlichen Vishnukultus hinaus; und POPE, der ihn ediert und übersetzt hat, kann sich die Höhe seines Standpunktes nur durch christlichen Einfluss erklären. Neben dem Kurral wird von den Tamils besonders das Gedicht Tiruvaçagam von Manikka Vāçagar allgemein gelesen. Diese „Heiligen Sprüche" bestehen aus Sentenzen, schönen und tiefen aphoristischen Poesien. Der Mânikka verehrt den Çiva, und seine Lebensanschauung erhält demzufolge ein pessimistisches Gepräge, das noch mehr durch starke Beeinflussung von seiten des Jainismus erhärtet worden ist. Der Dichter geniesst als Heiliger

Verehrung; noch populärer ist in Südindien der Heilige Tiru Nana Sambhandar, der im 9. Jahrh. als heilender, weissagender und dichtender Asket im Lande herumwandelte, im stetigen Kampfe mit den Jainisten, gegen die er durch seinen Einfluss bei Hofe im Madura eine grosse Verfolgung anstiftete. Auch unter seinem Namen sind uns viele Hymnen überliefert, sie erreichen aber die des Manikka weder an poetischer Schönheit noch an religiösem Gehalt. (Vgl. G. U. POPE in Indian Magazine B. 28 p. 121 ff.)

§ 24. Götter und Götterlehre.

Das mythologische Element tritt in dem Hinduismus zurück; das Hauptgewicht wird auf die Praxis gelegt; an dem Kultus oder vielmehr an den äusseren Lebensformen soll man die Sekte erkennen, und in ihren Theorien haben die philosophischen Grundanschauungen oft viel mehr zu sagen als die Göttervorstellungen. Und doch sind diese in vieler Beziehung von grossem Interesse. Zunächst ist das Verhältnis zur früheren Mythologie ein eigentümliches. Von den vedischen Göttern gibt es wohl keinen einzigen, der auf dieser späteren Stufe denselben Charakter oder dieselbe Bedeutung hätte, wie früher; diejenigen, die in dem Veda besonders hervortreten, ziehen sich hier in den Hintergrund zurück, und umgekehrt gelangen weniger geachtete Götter des Veda hier zur grössten Ehre. Die mächtigste Gottheit der Veden, der Götterkönig Indra, ist im Hinduismus zwar keineswegs verschwunden, aber er hat sich überlebt; immerfort hat man das Bewusstsein, dass er ein sehr vornehmer Gott sei, die Lieblingsgestalten der Sage und des Mythus werden mit einem Ehrennamen: „Sohn des Indra" u. ä. noch bezeichnet, aber eine eigentliche Macht übt er nicht aus; und dieses Verhältnis ist schon in den ältesten Teilen des Mahâbharata das vorherrschende; von einem allmählichen Verschwinden Indras im Mahâbhârata, wie HOLTZMANN es nachweisen will, kann keine Rede sein. Auch der Hauptgott der brahmanischen Zeit, Brahma selbst, hat seine eigentliche Bedeutung verloren. Er lebt in Prajâpati fort, seine wirklichen Funktionen sind aber auf andere übergegangen. Nichtsdestoweniger wird er häufig genannt, und sein Bild ist nicht selten unter den Götterbildern zu finden. Da steht er aufrecht auf einer Blume, gelbbraun von Leibesfarbe; er hat vier Gesichter oder Häupter; das fünfte hat ihm Çiva abgerissen, weil er behauptete, er wäre das höchste Wesen und hätte Çiva selbst geschaffen; in den Haarlocken trägt er Perlenschnüre. Zwei seiner Hände sind zum Gebet emporgehoben, die beiden andern halten Topf und Rosenkranz. Dieses Bild, sagt der alte ZIEGENBALG, wird jedoch nicht zum Gegenstand der

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