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grossartigeren Totenkult entspricht ein erhabenerer Seelenglaube. Wie bei so manchen Völkern, z. B. auch bei den stammverwandten Indern, kamen unzweifelhaft schon bei den Vorfahren der Griechen weit erfreulichere Jenseitsvorstellungen neben den düstereren, ziemlich unvermittelt nebeneinander vor, wie wir es hier kaum anders erwarten dürfen. Die Inder hatten ihre Pittaras, die erhabenen Vorfahren, Mithelfer der Götter, die Baktrier ihre Fravashi der Gerechten. Ebenso hatten die Griechen ihre gerechten Vorfahren, die verklärten Seelen ihrer berühmten Ahnen, himmlische, den Göttern nahestehende Wesen, Halbgötter sagte man wenigstens später, eine Aristokratie im Leben wie im Tode; und diese dachte man sich in den elysischen Gefilden wohnend oder auf den Inseln der Glückseligen unter der Herrschaft des Kronos, dessen Helfer sie waren. Nicht der geringste Grund ist vorhanden, einen derartigen, bei primitiven Völkern gar nicht befremdenden Glauben, in dessen Ausbildung die Griechen übrigens mit ihren nächsten Stammverwandten ziemlich stark übereinstimmten, der griechischen Vorzeit abzusprechen. Er ist vielmehr in späterer Zeit ziemlich stark zurückgetreten. Die niedrigeren und verklärteren Auffassungen verschmolzen auch leicht, und der Gedanke an blutlose Schattenwesen wird wohl meistens überwogen haben, wenn sich auch die hochadeligen Geschlechter ihre Ahnherren wohl am liebsten als solche verherrlichte göttliche Wesen gedacht haben mögen.

Als eine besondere Klasse von Göttern galten bei den Griechen in geschichtlicher Zeit die sog. chthonischen Götter. Ihr Kult, besonders Opfer und Opferritus, war im wesentlichen derselbe wie der der Toten; darüber wird später einiges berichtet werden. Solche chthonische Götter sind ausser den eigentlichen Unterweltgöttern (Hades, Persephone, die Erinnyen) z. B. Hekate, die Heilgötter wie Amphiaraos, Asklepios, Trophonios, ein Höhlengott, ja chthonisch konnten auch Götter werden, welche dies ursprünglich am wenigsten waren, wie Hermes, wie die Ackergötter, z. B. die Kornmutter Demeter, wie sogar der Himmelsherr, Zeus, selbst, welcher als Zeus Chthonios oder Meilichios, als Ackergott und fast als Unterweltsgott verehrt wurde, den man sogar als Schlange dargestellt hat. Bei jenen Heilgöttern drückte der Zusammenhang mit der Unterwelt sich noch darin aus, dass sie selbst sogar als verklärte Tote (Heroen) galten; anderseits wurden sie auch manchmal wieder Zeus genannt: Zeus Asklepios, Amphiaraos, Trophonios. Solche chthonische Götter hausten auch in der Erde; Höhlen galten für sie als geeignete Heiligtümer. Wie jener chthonische Zeus konnten sie fast zu Unterweltsgöttern werden, doch wurden sie es nicht so vollständig, dass sie etwa einen ständigen Sitz neben Hades und Persephone erhalten

hätten. Die Sache lässt sich kaum anders denken, als dass man, nach Analogie der doch auch in der Weise der Götter mit Opfer und Gaben versorgten unterirdischen Wesen, der Seelen der Verstorbenen, sich auch Götter geschaffen hat, welche nicht eigentlich in der Unterwelt walteten, ja sogar bereits existierende Götter nach diesem Vorbild umgestaltet hat, so selbst, dass sie sich dem Wesen der Unterweltsgötter näherten. Welch ein schwerer Druck auf den Geistern gelegen haben mag, als man so die Unterwelt auch ausserhalb derselben erkennen zu müssen meinte und sogar der Herr des strahlenden Himmels in diesem düsteren Charakter zu teilen schien, kann man sich denken. Das spätere lebensfrohe Hellenentum muss die Zeit, in welcher solche Stimmungen in einem so hohen Grade das Uebergewicht hatten, bereits Jahrhunderte hinter sich gehabt haben. Es wird dadurch ein ganz anderes Zeitalter in der Geschichte des Geisteslebens bezeichnet.

Neben Göttern und Heroen ist bei den Griechen vielfach die Rede von Dämonen, ja der Dämonenglaube ist in späterer Zeit, etwa seit dem 4. Jahrh., für das religiöse Leben der Griechen von der höchsten Bedeutung geworden. Man war versucht, sie in der Rangordnung göttlicher Wesen zwischen jenen beiden, Göttern und Heroen, einzuschalten, immer aber blieb das Gefühl, dass sie von diesen doch noch in anderer Weise als durch verschiedene Abstufungen derselben göttlichen Herrlichkeit sich unterschieden. Oéos und dzipov waren ursprünglich synonym, es fragt sich, welcher Art die Wesen waren, für die der Sprachgebrauch den zweiten Namen immer mehr ausschliesslich reserviert hat. Wir erfahren über sie sehr Verschiedenartiges und im Laufe der Zeit muss sich ihr Wesen stark geändert haben, doch lassen sich die Hauptzüge ihres ursprünglichen Bildes unter den späteren Ueberwucherungen noch ziemlich genau erkennen. Sie sind namenlose Wesen; man kannte sie nicht einzeln, wusste nur, dass sie in ungeheurer Anzahl da waren, Hesiodos spricht von 30 0001. Man merkte ihre Anwesenheit fast nur durch ihre Wirkungen, man wusste nichts von ihnen, als was man durch sie erfuhr. Urplötzlich springen sie hervor, manchmal mit gewaltigem Schwunge; da wird man plötzlich von Unfällen verschiedener Art getroffen; Krankheiten, besonders Wahnsinn, werden durch sie verursacht. Betörend vor allem ist ihre Wirkung, ihre Kraft ist eine Zauberkraft. Und wenn irgend ein, dann war dieses Göttertum von dem unendlichen Heere der umherschwärmenden Seelen Verstorbener nicht zu trennen. Sie waren einerlei, ohne jedoch völlig zusammenzufallen. Man zweifelte nicht daran,

1 Werk. u. T. 250.

dass unter solchen Geistern auch die Verstorbener waren. Auch dachte man sie sich wohl als geistige Doppelgänger noch lebender Menschen. Gewiss gab es unter diesen Wesen auch gute, hilfreiche, meistens aber fürchtete man sie als feindliche Mächte.

Wir haben hier genau denselben Glauben an eine unendliche, durch die Lüfte schwärmende, auch in die Erde fahrende Geisterwelt, welche fast bei allen primitiven Völkern der Welt jetzt noch vorkommt und beim Kulturvolke der Babylonier eine systematische Ausbildung erfahren hat. Es waren auch diese wiederum Vorstellungen von wirkenden persönlichen Wesen, denen aber keine völlig vom Geiste erfassten Erscheinungen z. B. von einem Baum, einem Fluss, einer sofort verständlichen Bewegung entsprachen; unerwartete, zufällige Vorkommnisse, die ganze unerklärte Welt spiegelte sich darin ab. So waren sie begrifflich noch unbestimmt, poetisch nicht in scharfen Umrissen ausgemalt, noch nicht in bestimmten Fetischen festgesetzt. Das letztere aber, Fetische für sie aufzufinden, muss in vielen Fällen sehr leicht gelungen sein. Begrifflich erfasst wurden sie höchstens insoweit, dass man Gattungen derselben unterschied. In der stark systematisierten babylonischen Dämonologie hat dies ein Prinzip der Einteilung geliefert. So etwas findet sich bei den Griechen nicht, doch sind auch bei ihnen einige Gattungsnamen aufgekommen; selbstverständlich ist damit nicht gesagt, dass dies babylonischen Einflüssen zuzuschreiben sei. Solche griechische Dämonengattungen waren ausser den schon genannten Erinnyen die Gorgonen mit ihrem versteinernden Blick, die im brausenden Sturmwinde forteilenden, Menschen hinraffenden Harpyen, die Sphinxe, furchtbare, Jugendblüte und Männerkraft verderbende Würgengel, die sich noch Aischylos mit einem hinweggerafften Menschen unter sich vorstellte1 und die noch im 6. Jahrh. so abgebildet wurden, die Sirenen, durch die spätere Sage in der Umgegend von Skylla und Charybdis lokalisiert, die durch ihren verführerischen Gesang sich der Menschen zu bemächtigen versuchten und noch auf den attischen Grabsteinen des 4. Jahrh. als Todesengel erscheinen. Auch die persönliche Ausgestaltung brachte es nicht zu klaren, geistig völlig fassbaren Formen; sie kam nicht über verworrene Mischbildungen hinaus, wie zahlreiche Abbildungen bei andern Völkern, auch die der genannten griechischen Dämonengattungen, beweisen. Dieses Dämonentum zeigt einerseits die kleinlichste Auffassung des Göttlichen, anderseits aber zeugt es von wahrerer religiöser Empfindung als viele der herrlichsten Schöpfungen dichterischer

Sept. ad. Teb. 524.

Phantasie; es vermittelte in hohem Grade den Eindruck des Uebernatürlichen.

In der geschichtlichen Zeit wurden Götter und Dämonen ziemlich scharf voneinander unterschieden. Doch war ursprünglich dieser Unterschied kein anderer als der zwischen unbestimmten, unklaren und begrifflich umschriebenen, klar ausgestalteten Vorstellungen. Sobald man die bei der Bildung jener Gattungsbegriffe und der wildphantastischen Ausmalung der Dämonengestalten angefangene Geistesarbeit weiter fortsetzte, musste man zu Vorstellungen, welche der olympischen Götterwelt gleichwertig waren, gelangen. Es gibt auch die Götter betreffende Vorstellungen, die ebensogut die von Dämonen sein könnten; so z. B. Apollo und Artemis, welche, in einer Seuche plötzlich auftretend, Tausende niederstreckten. Ja, es lässt sich noch nachweisen, wie ursprünglich völlig dämonistische Vorstellungen zu voller individueller Bestimmtheit und Klarheit zu kommen wenigstens die Neigung zeigten. Die Gorgonen z. B. erhielten eine Zahl, drei, und Eigennamen (Medusa z. B.), ebenso die Erinnyen, ́ Eigennamen freilich erst in ziemlich später Zeit, und sie wurden schon im 5. Jahrh. ganz menschlich abgebildet. Dämonistischer Natur ist ursprünglich auch Moipa, Aion, das Geschick. Ueber jedes einzelne menschliche Leben waltete eine finstere Todesmacht, welche mit vollkommener Sicherheit zu bestimmter Zeit eintreffend, diesem plötzlich ein Ziel setzte. Solcher Mächte gibt es so viele als Menschen; sie sind echt dämonistische Doppelgänger des Menschen. Doch findet man hier den Keim einer grossartigen Auffassung von dem Unerbittlichen und völligen Bestimmtsein des Geschickes. Nicht nur der Tod, sondern alle Lebensschicksale werden bald als von der Moira vorher bestimmt gedacht. Immer mehr betrachtet man die Moiren als selbständige, von den einzelnen Menschen losgelöste Wesen; sie werden dem gesamten Menschtum gegenüberstehende Göttinnen, welche das Schicksal jedes einzelnen bestimmen. Allmählich werden auch sie auf eine bestimmte Zahl beschränkt, wiederum auf drei; später bekommen sie auch Eigennamen; man stellt sie sich als Spinnerinnen vor, für jeden Sterblichen bei seiner Geburt einen Faden spinnend, in den alles, was ihm während seines Lebens widerfahren sollte, hineingesponnen wurde. Man kommt aber auch zu einer weit mächtigeren Konzeption, der einer einzigen Schicksalsmacht, waltend über Götter und Menschen, jener Moira, deren Idee bekanntlich bei Homer so schlecht mit den Vorstellungen über die Weltregierung stark personifizierter Götter in Uebereinstimmung zu bringen ist, was darauf zu weisen scheint, dass erstere das Aeltere, das Göttertum nach homerischer Auffassung das später Aufgekommene sei. Doch war

diese Vorstellung der Moira die abstrakteste, die der griechische Volksglaube kannte. Besonders deutlich ist auch der ursprünglich dämonistische Charakter der "Atŋ. Sie ist eine versteckt umherschleichende, plötzlich überfallende Betörung, eine Verblendung, die einen auf einmal ins Unglück stürzt oder gar zum Frevler macht, bevor er es selbst bemerkt. Sie ist in hohem Grade eine Begriffsgöttin, aber bei Homer doch auch wiederum sehr persönlich ausgestaltet. Ihre durchsichtigen Namen würden Moira und Atê zu Sondergöttern machen; sie sind wiederum ein Beispiel für Begriffsgötter von grossartiger Auffassung. Für diese, in einer dämonistischen Weltanschauung wurzelnden Konzeptionen, die Homer schon in recht ausgebildeter Gestalt kannte, lässt sich ein höheres Alter voraussetzen. Wir haben nicht das geringste Recht, dem primitiven Menschen jeden grossartigen Gedanken abzusprechen. Ferner ist gewiss, dass die verklärten Göttergestalten des entwickelten Griechentums, wie etwas Fetischistisches, auch immer etwas Dämonistisches in sich hatten und ohne dieses fast keine Götter gewesen wären.

Man nimmt vielfach an, dass der Mensch auf der niedrigsten Stufe religiöser Entwicklung keine andern Götter als solche Dämonen gekannt habe. Es bleibe dahingestellt, ob dies richtig, ja sogar ob es psychologisch möglich ist. So viel ist wenigstens gewiss, dass bei noch höchst primitiven religiösen Zuständen klarere und bestimmtere Vorstellungen von den Göttern neben jenen verworreneren des Dämonenglaubens stehen können. Dem primitiven Menschen galt das Göttliche doch auch als eine hoch erhabene Macht und mit dieser Auffassungsweise standen jene grossartigeren Konzeptionen, sie mögen überwiegend Begriffe oder Personifikationen gewesen sein, am meisten in Einklang. Besonders wenn man in den weiten Weltraum hineinschaute, wird der Gedanke an das gewaltige, erhabene Göttliche rege geworden sein, und die Vorstellung eines obersten weltregierenden Himmelsgottes, zugleich als Donnergott ausgestaltet, Zeus, mag bei den Vorgriechen schon sehr alt gewesen sein. Dass damit aber noch nicht zu der Höhe des Monotheismus aufgestiegen wurde, braucht kaum gesagt zu werden. Gewiss aber hat man mit jener Meinung über die Art der ältesten religiösen Zustände insoweit recht, dass in älterer Zeit der Dämonenglaube sehr stark überwogen haben muss, und je dämonistischer der Götterglaube war, desto unbeholfener stand der Mensch der Götterwelt gegenüber. Wie sollte man die Götter versöhnen, wenn sie erzürnt, sie anflehen, ihnen Opfer und Geschenke darbringen, sie durch Zauber usw. zwingen, solange man nicht einmal wusste, wo und wie sie waren? So war man von einer Anzahl unsichtbarer Feinde um

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