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Bewusstseins hinausgeführt. Er war der Hauptgott der thrakischen Stämme, Sabazios, Zalmoxis, oder wie er weiter geheissen haben mag, den die Griechen Dionysos oder Bakchos nannten, ein phallischer Vegetationsgott ganz gewöhnlicher Art, bei dem es nicht auffallen kann, dass er in Stier- oder auch in Bocksgestalt verehrt oder einfach von einem Phallos vertreten wurde. Ebenso hatte die Auffassung, den Wechsel in der Vegetation nach den Jahreszeiten als den der Geburt, des frohen Lebens, des Sterbens, und zwar den grausamen Tod der Zerstückelung, des Vegetationsgottes anzusehen, bei andern Völkern bekanntlich ihr Gegenstück, doch erhielt diese Auffassung im thrakischen Orgiasmus eine Bedeutung, die sie schwerlich irgendwo anders hatte. Denn dieser Orgiasmus ist es, der die Kulte der Thraker und der ihnen verwandten Phryger am allermeisten charakterisiert, indem er das religiöse Leben dieser Völker fast vollständig beherrschte. Es war dieser seinem ursprünglichen Wesen nach ein mächtig entwickelter Naturzauber, der über viele Mittel verfügte, bei dem aber der jedem Naturzauber eigene Zug, zu versuchen, die erwünschten göttlichen Wirkungen durch diesen gleichartige Handlungen hervorzurufen oder doch zu fördern, sie damit fortwährend zu begleiten, stark hervortrat. Mächtig war dabei das Bedürfnis, die eigene Tätigkeit einzusetzen, man drängte sich mit dieser gleichsam an die Stelle der Gottheit, man war selbst gewissermassen die Gottheit; man erlebte deren Erlebnisse; gewaltsam fühlte man sich zu rhythmischer und mimetischer Bewegung fortgerissen; man ergoss sich in Ausrufen und Gesang. Auch gab man sich Namen, die mit dem des Gottes übereinstimmten (oaßoi z. B. nebst Σαβάζιος; bei den Griechen später βάκχοι nebst Βάκχος), machte sich in der äusseren Erscheinung diesem ähnlich, ahmte sogar das Gebrüll des stierförmigen Gottes nach, das man geheimnisvoll von unsichtbarer Stelle ertönen liess; man hörte Paukenschläge wie von einem unterirdischen Donner. Der Wein, zu dem dieser Vegetationsgott gewiss schon in Thrakien in besondere Beziehung gebracht wurde, erhöhte die Stimmung. Mit verschiedenen Instrumenten wurden allerhand Töne hervorgebracht, die stets von einem Lied und aufregenden Tanzbewegungen begleitet waren; dabei geriet man immer mehr in einen ekstatischen Zustand. Besonders wurde dieser Gott von Weibern verehrt, wobei die Erregung seiner phallischen Kraft, von der die Neubelebung der Vegetation abhing, wohl den Grundgedanken bildete. In göttlichem Wahnsinn streiften die Weiber bei Nacht durch Wälder und Gebirge, Thyrsen (in einen Fichtenzapfen auslaufende Stäbe) schwingend, die Kleider mit Schlangen gegürtet. Schnell durchlebte man die verschiedenen Momente des göttlichen Lebens. Der Gott ist

erweckt, er ist geboren, wird gepflegt, in einer Schwinge (Liknon) umhergetragen. Er ist zum Jüngling herangewachsen; die Weiber umschwärmen den von Zeugungskraft Erfüllten. Dann aber ist er in Stücke zerrissen. Da zerreissen und zerschneiden die Weiber das den Gott vertretende Opfertier, wahrscheinlich bisweilen auch einen Menschen, der ihnen zufällig in den Weg kam. In wildem Getümmel tanzten sie umher, Stücke des Opfertieres schwingend, bisweilen roh davon kostend. Wahrscheinlich gab es auch bei den Thrakern Dionysosfeste anderer Art; so wird man sich wohl auch dort der Freude hingegeben haben, als der grosse Phallos gezeigt wurde, die feste Bürgschaft wiederkehrender vegetabilischer Fruchtbarkeit.

Dass man in diesen ekstatischen Zuständen, wo man vom Gotte gleichsam erfüllt war, auch das Verborgene zu schauen meinte, kann nicht wundernehmen. Der thrakische Gott war auch Orakelgott; wir hören von einer berühmten thrakischen Orakelstelle, wo der Gott seine Weissagungen durch Frauenmund erteilte. Ja es erhob sich der Orgiasmus zu einer höheren ethischen Bedeutung. Wohl kein Volk des Altertums, ausser den Aegyptern, war in dem Grade von Jenseitsgedanken erfüllt, wie die Thraker. Die thrakischen Geten nennt Herodotos die à0xvitovtas. Im Tode erreichte man den wahren Orgiasmus. Man war von der tiefsten Wehmut über das Elend des irdischen Daseins erfüllt. Aus dieser trüben Stimmung wurde man für einige Zeit enthoben, als man sich in der Ekstase des Orgiasmus gleichsam mit dem Gotte einig fühlte; auf ewig war man mit diesem im Tode vereinigt.

Dies ungefähr war die fremde Religionsform, welche in alter Zeit, - im zweiten, möglicherweise schon im dritten vorchristlichen Jahrtausend, in Griechenland eindrang. Sie stiess dort zuerst auf kräftigen Widerstand. Davon zeugen mehrere Sagen, besonders die des thebanischen Königs Pentheus, eines Gegners des Gottes, der von einer die Orgien feiernden Frauenschar, zuerst von der eigenen Mutter, zerrissen wurde. Gerade in Böotien aber hat sich wahrscheinlich der neue Kult, wie der ebenfalls thrakische des Ares, zuerst festgesetzt. Dort wurde die lokale Göttin Semele seine Mutter, Zeus sein Vater. Als Zeus der Semele während ihrer Schwangerschaft im Wetter, Blitz und Donner erschien, erfolgte eine Frühgeburt; Zeus nähte die unreife Frucht in seinen Schenkel; als die Zeit gekommen war, wurde der Gott daraus aufs neue geboren. Besonders in Delphi gelangte der neue Kult zu hohem Ansehen. Im Innersten des Apollotempels befand sich auch das Grab dieses verstorbenen Vegetationsgottes. In den Giebelfeldern des Tempels war vorn Apollo mit den Musen, hinten Dionysos

mit den ihn umschwärmenden Frauen dargestellt. Man verband die Apollo- und Dionysoskulte. So betrachtete man Apollo als den Gott der aufblühenden und in voller Blüte prangenden, Dionysos als den der hinsterbenden Natur; im Frühling und Sommer erklang der Paian, in den drei Wintermonaten das Dionysoslied, der Dithyrambos. Doch ging auch der Gedanke des wiederauflebenden Gottes im delphischen Kultus nicht verloren. Auch in Delphi wurde er erweckt. Dies geschah am dreijährigen Bakchosfeste, in nächtlicher Feier, als das Priesterinnenkollegium der Thuiaden zu diesem Zweck unter Fackelschein über den Parnas umherschwärmte. Die Erziehung Griechenlands durch Delphi war die gemeinsame Wirksamkeit des Apollo und des Dionysos.

Der neue Kult breitete sich noch viel weiter, über den Peloponnes, über Attika aus; der Kreis, in dem die homerische Dichtung entstand, wurde von dieser Bewegung nur leise berührt, doch hat sie auch über die Inseln und Kleinasien ihren Weg gefunden. Naxos wurde eine der berühmtesten Kultstätten des Gottes; er vermählte sich dort, der Sage nach, mit der Ariadne. Doch erfuhr der thrakische Kult auf griechischem Boden eine durchgreifende Umgestaltung. In hohem Grade wurde in die geschichtliche Vergangenheit versetzt, was seinem ursprünglichen Wesen nach als Beobachtung von etwas in der Gegenwart sich Ereignendem galt. Die Geburt des Gottes, welche jene erwachenden Frauen gleichsam miterlebten, und seine Kindheitspflege mögen auch schon in Thrakien selbst bisweilen als geschichtliches Ereignis aufgefasst worden sein, in Griechenland wurde darüber in förmlichen Sagen aus der grauen Vorzeit berichtet: dämonische Wesen, Nymphen hatten einst den Neugeborenen gepflegt. Wohl erhielt sich daneben auch noch in Griechenland der echte Orgiasmus; auch für griechische Frauen, die bisweilen in geschichtlicher Zeit die Wälder durchstreiften, wird wohl mehr oder weniger das ekstatische Zusammenleben und Zusammenwirken mit dem Gotte noch als eine Realität gegolten haben. Doch erstarrte das wirkliche Leben auch hier im Zeremoniellen; so bereits, als in Delphi die Erweckung des Gottes durch ein geordnetes Priesterinnenkollegium geschah. Haben die Thrakerinnen sich unzweifelhaft eingebildet, auf die Erregung der phallischen Kraft des Gottes einwirken zu können, das Beilager des Gottes mit der Basilinna, der Frau des Archontenkönigs, am attischen Anthesterienfeste war eine leere Zeremonie, und die Gerairen, die dabei etwa als Ehrendamen fungierten, waren das zur Unkenntlichkeit verblichene Abbild ehemaliger Bakchantinen. Meistens aber wurden die menschlichen Verehrer nach thrakischer Sitte in Griechenland aus der Wirklichkeit ins

Reich der Phantasie übertragen. Bakchantinen, Mainaden waren nach der gewöhnlichen griechischen Vorstellung keine wirklichen Frauen, sondern dämonische Wesen, und ebenso waren männliche Verehrer, besonders die Satyrn, deren Bocksgestalt von jener Sitte, sich dem Gotte gleichzumachen, herrührt, zu mythischen Dienern des Gottes geworden. Ausser solchen traten noch andere Wesen, mit denen die griechische Phantasie schon früher die Wälder bevölkert hatte, zur Dienerschaft des Gottes hinzu, so die ionischen Silenen, so wenigstens später auch der arkadische Pan. In majestätischem Aufzug durchzog der Gott mit seinem Gefolge, seinem Thiasos, die Berge und Wälder; die Luft erschallte von verschiedenartiger Musik, allerhand Tänze wurden ausgeführt, von den ernsthaftesten bis zu den lächerlichsten Bocksprüngen. Die ursprüngliche Tierform des Gottes wurde nicht ganz vergessen; sein gewöhnliches Idol war aber der Herme, den man wohl auf ihn übertragen hatte, und die dichterische Phantasie gab ihm die verschiedensten Gestalten, eines Kindes, Jünglings, bärtigen Mannes. Fast kein Gott hat die Einbildungskraft der Griechen in dem Grade angeregt wie er. Noch in späterer Zeit schuf sie in einem Zug des bakchantischen Thiasos dorthin ein göttliches Prototyp für den Feldzug des Alexander nach Indien. In wie vielerlei Beziehung der Gott auf den griechischen Geist eingewirkt haben mag, lässt sich nicht ganz ermessen. Am mächtigsten gewiss bei der Entwicklung des Dramas und im Orphismus. Darauf werden wir zurückzukommen haben.

Diese etwa waren die Hauptgötter des griechischen Polytheismus in geschichtlicher Zeit. Dieser Polytheismus lag tief im Wesen des griechischen Geistes und er entsprach auch sogar wirklich gefühlten religiösen Bedürfnissen. Der Grieche wollte sein ganzes Leben gleichsam legitimieren, indem er es auf göttliche Vorbilder zurückführte, und so bedurfte er einer Götterwelt, so reich und vielseitig, wie sein eigenes Leben es war. Auch konnte er unmöglich ohne Götter leben. Erst dadurch, dass er auf Schritt und Tritt den Göttern begegnete, ward ihm die so innig gewünschte Seelenruhe zu teil. Die Zahl der Heiligtümer, Götterbilder, Kultmale, Altäre ist in der griechischen Welt staunenswert gross; überall war die Gottheit gegenwärtig. Es hatte der Monotheismus keinen schärferen Gegensatz als der griechische Polytheismus. Doch traten im Monotheismus gewisse geistige Tendenzen in kräftiger, wohlbewusster Form hervor, die doch auch dem am stärksten polytheistisch denkenden Geist nicht völlig fremd bleiben konnten. Insbesondere lag dem griechischen Geist viel an der Vorstellung eines wohlgeordneten Weltalls, und doch war bei einem so zersplitterten Göttertum die ganze Welt gleichsam mit zersplittert.

Man half sich, indem man die Götter in der bekannten Weise zueinander in verwandtschaftliche Beziehung setzte; so kam sogar eine einzige Götterfamilie zur Weltherrschaft. Aber ebenso suchte man eine Vereinigung der Götter in Kulten. An grösseren Heiligtümern war gewöhnlich fast das ganze griechische Pantheon vertreten, in Delphi, wie in Olympia, wo nach, fester Ordnung an allen Altären monatlich einmal geopfert wurde. Auch hatten mehrere Götter zusammen einen Altar; besonders die zwölf Hauptgötter; einer der bekanntesten Zwölfgötteraltäre ist der von den Pisistratiden gegründete, auf der attischen Agora. Sogar für „alle Götter" zusammen gab es Altäre und Heiligtümer und man betete zu „allen Göttern und Göttinnen". Hier haben wir ein polytheistisches Gegenstück zum Monotheismus. Dass den edelsten Griechengeistern, wie einem Aischylos, die wirklich monotheistische Idee nicht völlig fremd war, wurde schon berührt, und auch, wo man nicht zu einer einigermassen bewussten monotheistischen Vorstellung kam, da konnte der Geist in einem Augenblick der Begeisterung doch so von der Macht und Herrlichkeit eines einzelnen Gottes, besonders des Zeus, erfüllt werden, dass dabei alle andern Götter aus seinem geistigen Horizont verschwanden. Wenn der Grieche eine göttliche Wirkung andeuten wollte, ohne sie auf ein göttliches Wesen zu beziehen, sprach er noch immer vom dzipov, auch wohl sóc. Ebenfalls an das namenlose Dämonentum erinnernd, aber deshalb auch von tieferer religiöser Empfindung zeugend, ist der an mehreren Orten verehrte, unbekannte Gott", vшotos εós.

Für das griechische religiöse Leben, das ein so tiefes Bedürfnis nach einem von Göttern erfüllten Weltall empfand, waren auch die niedrigen Götter, vor allem Heroen und Dämonen, von grosser Bedeutung.

§ 8. Heroen und Dämonen.

Bei Homer wird der Heroenkult nicht erwähnt,

wir berührten

dies schon, - und ziemlich allgemein wird angenommen, dass dieser Kult erst in nachhomerischer Zeit aufgekommen sei. Doch bemerkten wir schon, dass dies, wenigstens soweit der Heroenkult ein Ahnenkult ist, unmöglich richtig sein könne. Weder in der grauen Vorzeit, noch in der Ritterzeit kann der Kultus am Grab unmittelbar nach der Bestattung für immer eingestellt worden sein. Es ist auch vollkommen undenkbar, dass man in der Zeit der Adelsherrschaft die Gräber der Vorfahren, die man so hoch verehrte, jemals vernachlässigt haben sollte. Das homerische Lied ist selbst ein Akt der Heroenverehrung. Was beweist es, dass in den homerischen Gesängen niemals der Fall von einem Heros, der wiederum seinen Heros verehrte, erwähnt wird?

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