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telstellung in der Weltregierung gab. Es kann dies fast nur nach Analogie des zur selben Zeit, besonders als Untergöttertum sich gestaltenden Heroentums geschehen sein, wobei jedoch jene uralte Vorstellung der Heroen als Helfer der Götter aufs neue so stark hervortritt.

Doch behielt auch dieses Daimonentum noch viel von seinem ursprünglichen Charakter. Es waren auch diese Dämonen noch immer Götter der eigenen, individuellen Empfindung, und in diesem Sinne konnte Heraklit sagen: „des Menschen Gemüt ist sein Daimon". Ganz im ursprünglichen Dämonenglauben begründet ist denn auch, wie wir wissen, -die Vorstellung von einem Dämon als geistigen Doppelgänger des Menschen, welcher bekanntlich durch Sokrates zur Berühmtheit gelangte. Ebenso blieben die Daimonen namenlos; möge man bisweilen auch z. B. von einem 'Aλástop „Frevel rächenden“ oder einem Arabocaipov „guten Daimon" gesprochen haben; sie blieben immer mehr übernatürlicher, unbestimmbarer Natur, man könnte fast sagen, mehr wirklich göttlich als die Götter, als deren Diener sie galten. So boten sie dem griechischen Geiste ein Element neben dem offiziellen Göttertum, in dem sich das spontane, innigere religiöse Gefühlsleben freier bewegen konnte. Seit Pythagoras hatten für das tiefere Geistesleben der edelsten Gemüter, die Dämonen man sprach auch von to dauóvov die höchste Bedeutung. Wir nannten schon den Namen des Sokrates; in der platonischen Schule brachte besonders Xenokrates die Dämonenlehre zur Ausbildung. So erhielt das Dämonentum bei den Griechen immer eine tiefere Religiosität aufrecht, blieb es auch verhängnisvoll, dass diese nur an untergeordneten Wesen, nicht an den Göttern, die am meisten die Idee der göttlichen Allmacht vertraten, seinen Anschluss fand. Erstaunlich aber ist die Lebenskraft solcher uralter Gefühle. Als im späteren Heidentum die herrlichen Göttergestalten Griechenlands zu leeren Schattenbildern herabgesunken waren, da war es nicht zum wenigsten jenes Daimonion, das den nach dem Göttlichen dürstenden Seelen in dieser geistlichen Verödung Trost bot. Haben die lebensmüden Menschen jener Periode übersättigter Kultur wohl jemals bedacht, dass es im Grunde eine Konzeption ihrer barbarischen Vorfahren aus unvordenklichen Zeiten war, der sie diese Wohltat verdankten?

δαιμόνιον

Wir hätten das Wesen des griechischen Dämonenglaubens nicht erkennen können, wenn es sich nicht zugleich in seiner Urform, von umherspukenden bösen Gespenstern, erhalten hätte, und so ist es erklärlich, dass sogar in der späteren Zeit, als das Dämonentum die innigsten religiösen Bedürfnisse befriedigte, die detatcapovía gewiss

manchmal als dasselbe wie die soosßata, nicht selten aber doch als ein unvernünftiger Aberglauben, als eine kindische Gespensterfurcht galt.

§ 9. Mantik und Orakel. Offenbarung und Glauben.

Die Götter waren Retter und Helfer der Menschen, sie waren auch ihre Ratgeber. Die Mantik des späteren Griechentums ist im grossen ganzen die des Homer, und so wie diese, in mancher Hinsicht, dieselbe wie die der frühesten Urzeit. Unzweifelhaft wird man schon in dieser auf zufällige Laute, das Niessen z. B., geachtet haben, ebenso auf Wörter, die absichtslos gesprochen, plötzlich, z. B. durch irgend ein zufälliges Zusammentreffen, eine bestimmte Beziehung zu bekommen schienen, auch auf Zeichen wie Donner, Blitz, Meteorsteine, Erdbeben u. dgl. Ebenso war der Glaube, dass die Götter sich in Träumen offenbarten, ein uralter; am wenigsten war, wie schon bemerkt, die Vogelschau eine Erfindung späterer Zeit. Die Götter gaben ihre Offenbarungen aus eigenem Antrieb; der Mensch aber konnte dieselben gewissermassen auch selbst herbeiführen. Man bat um Zeichen. Besonders aber schien das Opfer, wodurch man die Götter günstig zu stimmen hoffte, auch wohl die Gelegenheit zu bieten, über deren Gesinnung etwas zu erfahren. Sehr allgemein war die sog. Hieroskopie, das Wahrsagen aus den Eingeweiden des geopferten Tieres, das, wie schon gesagt, bei Homer wahrscheinlich nicht erwähnt wird. Auch konnte manches, was bei den Opfern vorfiel, z. B. ob das Tier willig zum Altar ging oder davonlief, für gute oder üble Vorbedeutung gehalten werden. In den Kriegen wurden Opfertiere eigens zum Zweck der Weissagung mitgeführt, opaya, um vor wichtigen Entscheidungen geopfert zu werden.

Genau wie bei Homer, waren auch in geschichtlicher Zeit das Beobachten, Herbeiführen und Deuten der Zeichen eines jeden Mannes Befugnisse, wobei man aber die Beihilfe Sachverständiger, Vogelschauer, Traumdeuter u. dgl. meistens nicht missen konnte. Auch die Stellung des sog. pávts war dieselbe wie bei Homer, z. B. des Kalchas. Es gab auch Geschlechter derartiger, den Göttern nahestehender Männer, z. B. die Jamiden und Klytiaden in Olympia. Das Ansehen eines páva konnte sehr gross sein, wie das eines Kalchas und eines Teiresias der Sage, oder das eines Lampron in der aufgeklärten attischen Demokratie des 5. Jahrh. Wir sehen ihn im Auftrag des Volkes bei einer Organisation des eleusinischen Heiligtums, welche besonders das Darbringen der Erstlingsgaben betraf (+440), tätig; er war der als erster genannte Bevollmächtige Athens beim Abschluss der Friedensverträge von 421; als Vertrauter des Perikles Chantepie de la Saussaye, Religionsgeschichte. 3. Aufl. II.

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hatte er einen besonderen Anteil an der Gründung der Kolonie Thurioi.

Von alters her gab es auch bestimmte Institute von Weissagung. Besonders die chthonischen Götter waren Orakelgötter; die Orakel des Amphiaraos und Trophonios wurden schon erwähnt, auch Delphi war eine chthonische Orakelstätte der Gaia, bevor Apollo dort seine Herrschaft gründete. Hochaltertümlich ist aber auch das Orakel des Himmelsgottes Zeus in Dodona in Epiros, das ebenfalls schon erwähnt wurde. Merkwürdig ist, dass auch ein ausländisches Orakel schon seit dem 7. oder 6. Jahrh. sich eines hohen Ansehens in Griechenland erfreute, das des ägyptischen Ammon in der libyschen Wüste; in Griechenland sprach man von Zeus-Ammon. Alle aber überragte weit an Ansehen und Bedeutung das des Lichtgottes Apollo in Delphi. In dem Adyton, in oder bei dem Tempel, stand über einem Schlunde ein grosser vergoldeter Dreifuss, auf dem ein Sitz für die Seherin, die Pythia, angebracht war. Durch Dünste, welche aus dem Schlunde aufstiegen, wurde die Pythia in einen Zustand der Ekstase versetzt, und die Laute, welche sie dabei ausstiess, waren die Zeichen, nach denen die Priester weissagten. Andere mehr oder weniger berühmte Orakelstätten gab es in Olympia, im Branchidenheiligtume bei Miletos usw. Der Grieche konnte sich kein Leben ohne Orakel denken. Sammlungen von Orakelsprüchen, angeblich entweder von bekannten Orakelstätten oder von berühmten Sehern, kamen häufig vor.

Was nun den allgemeinen Charakter der hellenischen Mantik betrifft, so erkennen wir diesen am besten aus den Fragen, welche den Göttern gestellt wurden. So fragt auf den Bleitäfelchen, die bei den Ausgrabungen zu Dodona gefunden worden sind, einer den Zeus, wer ihm sein Polster gestohlen habe, ein anderer, ob das Kind, mit dem seine Gattin schwanger sei, wirklich von ihm sei, ein dritter, ob Schafzucht ihm Gewinn bringen würde usw. Wir lernen hier wiederum den echten flachen griechischen Alltagsmenschen kennen, der uns schon bei Hesiodos begegnete. Selbstverständlich waren nicht alle Fragen so kleinlich. Chairephon fragte in Delphi, ob es einen Weiseren gebe als Sokrates. Man befragte die Orakel bei den wichtigsten Entscheidungen des Lebens; es taten dies sowohl Privatpersonen als Staaten; diese z. B. kamen mit Fragen über Krieg und Frieden, Kolonisation, Gesetzgebung und neue politische Organisation vor die Götter. Jedoch war die Mantik immer das Mittel, um etwas, was man nicht wusste, zu erfahren; auf die Zukunft bezog sie sich nicht ausschliesslich; man suchte bei ihr auch Befriedigung für die gewöhnlichste Neugier. Das Charakteristische der göttlichen Offenbarung bei den Grie

chen ist, dass sie fast ausschliesslich für spezielle, praktische Zwecke dient, man könnte fast sagen, für zeitweilige Vorkommnisse des praktischen Lebens.

Ganz ausserordentlich war die Stellung des delphischen Heiligtums. Die allgemeine griechische Religion ist, wie gesagt, mit dem Griechentum aufgewachsen. Das Gemeinsame in der Religion war für die Griechen ein Ausdruck ihrer volkstümlichen Einheit. Es äusserte sich nun der Einfluss jener geistigen Bewegung, welche einst, lange vor Homer, die Bildung jener allgemein griechischen Götterfamilie veranlasst hatte, in der steigenden Bedeutung Delphis. Delphi war, wie wir wissen, die κοινὴ Ἑστία Ελλαδος, dort stand der Nabel der Erde. Sein Orakel wurde weitaus das berühmteste Griechenlands; man stand ihm sogar die Oberaufsicht über die Mantik auch ausserhalb Delphis zu; so hatte Athen seine von der Pythia bestellten Exegeten; ein solcher war z. B. jener Lampon. Delphi wurde der religiöse Mittelpunkt Griechenlands, wie kein anderer, nicht einmal das später so mächtig aufblühende Olympia.

Das delphische Orakel hat auf die Entwicklung und das Gedeihen des Griechentums sehr lebhaft eingewirkt. Die hierfür so überaus wichtige Kolonisation im Osten und Westen ist von Delphi aus gefördert und geleitet worden. Entscheidend war sein Einfluss auf die Verfassungen und Gesetzgebungen vieler Staaten. Lykurgos, Zaleukos, Solon, Kleisthenes folgten alle den Aufforderungen und Anweisungen der delphischen Gottheit. Diese göttliche Offenbarung entsprach jedoch immer der griechischen Auffassung, so dass sie mehr Rat erteilte, wie man in einem bestimmten, praktisch vorkommenden Falle handeln musste, als dass sie ewige, unveränderliche Grundsätze verkündete. Das Orakel gab manchmal mehr Anregungen, als bestimmte, ins einzelne gehende Vorschriften. So waren denn auch so grundsätzlich verschiedene Dinge, wie z. B. jene lykurgische und solonische Gesetzgebung, beide auf die Aufforderung desselben Orakels zurückzuführen. Die Autorität Delphis war nicht grösser als die jener panhellenischen Idee, die niemals eine vollständige Verkörperung in einem staatlichen Institut hat finden können. Absichtlich gab auch das Orakel manchmal Weisungen, welche der freien Entscheidung grösseren Spielraum liessen; so wenn es sagte, das eine sei besser als das andere. Der Republikanismus war in der griechischen Seele tief eingewurzelt. Diese konnte nur ein sehr geringes Mass kategorischer Imperative ertragen. So war auch der delphische Gott im Grunde ein Demagoge, der nachzugeben, sich Verhältnissen zu fügen hatte, mehr durch politische Klugheit als durch göttliche Autorität wirkte.

Religion und Sittlichkeit sind im Grunde ihres Wesens monarchisch. Das Absolute war für den griechischen Geist immer besonders die Moira, deren Bestimmungen man verfiel, auch wenn das Orakel sie offenbart hatte, und man demnach meinte, ihnen entrinnen zu können. Göttliche Gesetze wurden auch von den Griechen anerkannt, und Apollo war für alle Menschen deren Erklärer. Man war von grosser Ehrfurcht für das, was mit diesen Gesetzen übereinstimmte, das ostov, erfüllt, aber niemals wurden diese kodifiziert. Ihre Autorität stützte sich hauptsächlich wieder auf freiwillige Anerkennung. Die Forderung Platos aus Delphi, die Gesetze über alle göttlichen Angelegenheiten einzuholen, gibt durchaus nicht dasjenige an, was wirklich geschah. Feste Rechtsbestimmungen, aus Delphi gebürtig, betrafen besonders Reinigung und Sühneverfahren bei Blutschuld. Das heilige Recht war Sache der Ueberlieferung.

Dass die Göttersprüche sich wohl am meisten auf Religions- und Kultusangelegenheiten bezogen, versteht sich. Die Einführung oder Reorganisation von Kulten und Festen, die Gründung von Heiligtümern geschah manchmal auf göttliche Veranlassung. Das Rituell war hochheilig, aber auch diese Heiligkeit stützte sich hauptsächlich auf Konvention. Der Ausdruck nach väterlicher Sitte" ist sehr allgemein, und auch religiöse Anordnungen trafen diese Republikaner bei Volksbeschluss, unter Mitwirkung des Rates, auf Antrag von diesem oder jenem. Erwähnte man nun dabei auch wohl, dass man durch einen Orakelspruch (pávτeopa) zu einem Beschluss veranlasst worden. war, dass man verordnete xatá tá náτpta, vollkommen als göttliche Gesetze können solche eigene Verordnungen wohl niemals gegolten haben. Doch ersetzte für das Bewusstsein dieser Menschen die väterliche Ueberlieferung in hohem Grade den göttlichen Ursprung.

Am wenigsten aber kannte der Grieche wohl auf göttlicher Autorität beruhende, fest bestimmte, ins einzelne gehende religiöse Glaubenssätze. Die Verurteilung des Sokrates geschah auf die ganz allgemein gehaltene Anklage hin, dass er Götter anerkannte, welche der Staat nicht anerkannte, und neue Götter eingeführt hätte. Orpheus, Musaios u. a. mögen nach griechischer Vorstellung alte Seher gewesen sein, welche religiöse Wahrheiten mitteilten, dass man es aber, ausser vielleicht in den orphischen Kreisen, mit deren Autorität besonders streng genommen hätte, lässt sich nicht behaupten. Ebenso standen die Griechen ihrer heiligen Geschichte sehr frei gegenüber: die Mythologie bildete fast gar nicht den Inhalt eines verpflichteten Glaubens.

1 Plat. Repul. IV 421 B.

2 Nom. VI 759 C.

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