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schen Zeitalter begann der Gegensatz zwischen Altem und Neuem das Bewusstsein zu beherrschen; wo die alten Normen nicht genügten, suchte man neue zu finden oder zu schaffen.

Unsere bisherige Darstellung macht es deutlich, in welchem Sinn von einer Auflösung des Glaubens die Rede sein kann. Es gab weder ein Lehrsystem noch eine priesterliche Tradition als feste Burg des Glaubens, welche die Aufklärung hätte bestürmen müssen. Aber es waren neue geistige Bedürfnisse erwacht, und jetzt fand man, dass der alte Besitz nicht genügte, um sie zu befriedigen. Dies kam nicht bloss zum Vorschein in isolierten Fällen von Gottlosigkeit, wie Diagoras der Melier wegen der Herrschaft des Unrechts in der Welt die Götter leugnete und sogar die Mysterien schmähte, sondern ein allgemeiner Geist der Negation fing an, sich der öffentlichen Meinung zu bemächtigen.

Die Hauptrepräsentanten dieser Richtung waren die Sophisten. Es ist schwer, ihnen gerecht zu werden: wir kennen sie ausschliesslich durch ihre Gegner; entweder stimmen wir also deren gehässigen Berichten bei und halten die Sophisten für Leute, die ohne allen Wahrheitssinn bloss dem Schein folgten, oder aus Reaktion gegen diese Herabwürdigung rehabilitieren wir sie fast ganz, wie manche neuere nach dem Vorgang HEGELS und GROTES getan haben. Die Sophisten lehrten durchaus nicht alle dasselbe: zwischen Protagoras und Gorgias war kein geringer Unterschied. Dies aber hatten alle gemein, dass sie aus der Bildung einen Beruf machten und für Geld lehrten, was in den Augen vieler eine bedenkliche Neuerung war. Sie waren Meister in der Kunst der Rede und lehrten die Jugend über alles räsonieren, allen Dingen den Massstab des subjektiven Urteils anlegen. Die Philosophie erkannte also in der Sophistik zum erstenmal das Recht der Individualität an. Sie verfiel aber sogleich in den Subjektivismus, indem der Nutzen, das Wohlgefallen des Subjekts als Kriterium galt. Dies musste notwendig zu einer Lockerung aller Bande und zu einer Umkehrung der ganzen Anschauung führen. Die sophistische Erziehung war schuld, dass in öffentlichen wie in privaten Angelegenheiten, bei Staatsverhandlungen und bei den so überaus zahlreichen Prozessen die Gewandtheit der Rede über die Wahrheit und über den sittlichen Ernst ging. Auch dem Götterglauben wurde diese dialektische Methode gefährlich. Schon die Sophistik hat die beiden Hauptformen der Skepsis, die zurückhaltende und die doktrinäre, begründet. Die erstere ist die des Protagoras, der nichts Bestimmtes von den Göttern aussagen zu können meint, weder dass sie seien noch dass sie nicht seien; sowohl die Unsicherheit des GegenChantepie de la Saussaye, Religionsgeschichte. 3. Aufl. II.

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standes als die Kürze des menschlichen Lebens machten diese Kenntnis unmöglich. Dagegen lehrt Gorgias ganz bestimmt, es existiere überhaupt nichts, wenn aber etwas da wäre, so könnte man es nicht erkennen und jedenfalls diese Erkenntnis nicht mitteilen. Wieder anders, aber ebenso negativ lautet der Satz des Kritias, die Götter seien Erfindungen kluger Staatsmänner. Noch wirksamer aber als diese Meinungen über die Götter erweist sich die Unterscheidung zwischen dem Natürlichen und dem Konventionellen, póos und vópos, welche der Sophist Hippias in die Ethik und überhaupt in die Philosophie einführte. In einer Gesellschaft, die ganz auf dem Herkommen beruhte und das Positive, den vópos apxatos, als die einzige feste Norm für den Staat, das Leben, die Religion anerkannte, gab es keine gefährlichere Lehre als die, welche dieses Herkommen als wirklich und veränderlich hinstellte. Dabei war aber die Hauptfrage, ob die neue Norm, der zuliebe man die alte beseitigte, genügte. Dies war die çoots. Es gelang aber der Sophistik nicht, diese Natur über die individuelle Begierde und Stimmung zu erheben. Spätere Denker, wie Plato und die Stoiker, haben diesem Natürlichen einen festeren, edleren Inhalt zu geben versucht. Es blieb jedoch das Verdienst der Sophisten, das fruchtbare, aber gefährliche Problem des Gegensatzes zwischen Natur und Gesetz, dem Wesentlichen und dem Herkömmlichen, dem Positiven, zuerst angeregt zu haben. Allerdings wirkte diese Erkenntnis zunächst nur auflösend.

Wenn man von dem den Glauben anfechtenden Einfluss der Sophistik redet, so denkt man gewiss nicht in erster Linie an den Vater der Geschichtschreibung, Herodot von Halikarnass (484—406). Er war ein gläubiger Mann, der in der Geschichte die Spuren göttlicher Leitung und Gerechtigkeit erkannte, der eine beträchtliche Anzahl von Orakelsprüchen mitteilte, an deren Wahrheit er festhielt. Dennoch klopfte auch bei ihm die Reflexion leise an: seine Kritik der Mythen mag höchst bescheiden sein, dann und wann legte er ihnen doch den Massstab des Denkbaren und Möglichen an. Den Ursprung der meisten griechischen Götter fand er in Aegypten, Homer und Hesiod nannte er die Urheber der Theogonie. Hierin lag nun wohl nichts, was den Glauben geradezu antastete; aber schon die Tatsache, dass er dem Ursprung der Götter nachforschte, ist bezeichnend. Dazu kommt, dass Herodot einen weiten historischen Blick besass, die Sitten vieler Völker kannte, und dadurch zu der Einsicht der Verschiedenheit der menschlichen Gesetze kam1. Sehr stark tritt bei Herodot die

1 III 38.

Lehre vom Neid der Götter in den Vordergrund. An verschiedenen Stellen lehrt er mit direkter Anwendung auf besondere Fälle: to stov πᾶν φθονερόν τε καὶ ταραχῶδες '. Dass Vorstellungen dieser Art dem griechischen Geiste vor Herodot ganz fremd waren, lässt sich kaum behaupten, doch mag die prägnante, verallgemeinernde Form, in der sie bei ihm auftreten, vielleicht schon als ein Anzeichen einer in ihrem Glauben schon einigermassen erschütterten Zeit gelten.

Thukydides, obgleich nur wenige Jahre jünger als Herodot, er lebte 472-396, gehört einer andern Zeit an und ist von einem lebendigen Glauben viel weiter entfernt. Er stellte die menschlichen Geschicke rein auf sich selbst und spürte deren Ursachen und Zusammenhang nach, ohne göttliche Einflüsse dabei in Anschlag zu bringen. Sogar die Orakel (xpnopoí) waren in seinen Augen oft trügerisch und nur zufällig trafen ihre Sprüche ein 2. Dennoch wollte er, dass man den göttlichen Dingen Achtung erweise; er rügte es, dass man sich an íspά und data vergriff, er schilderte mit Abscheu, wie infolge der Pest zu Athen alle sittlichen Bande rissen und man selbst das Recht der Toten missachtete; er bedauerte die zerrütteten Verhältnisse des Bürgerkrieges, da man selbst den Eid nicht mehr in Ehren hielt3.

Der eigentliche Repräsentant der Zeit, die unter sophistischem Einfluss die Probleme des Lebens tief fühlte, aber nicht zu lösen vermochte, war Euripides (480-406). Es ist nicht leicht, diesem Dichter gerecht zu werden: unwillkürlich vergleicht man ihn mit seinen beiden Vorgängern, denen er entschieden nachsteht, auch entschlägt man sich nicht ganz des Eindrucks der Schmähungen, mit welchen Aristophanes ihn überhäuft hat. Ein billiges Urteil muss aber immerhin in Euripides einen grossen Dichter erkennen, dessen Stücke den geistigen. Strömungen seiner Zeit einen poetischen Ausdruck verliehen. Euripides war ein vielseitig gebildeter Mann, mit der Literatur seines Volkes vertraut, Schüler des Anaxagoras, Freund des Sokrates, sowohl von der Mystik als von der Sophistik beeinflusst. Er hat aber keine philosophische Weltanschauung vorgetragen: ihn beschäftigten die Probleme des Lebens, die Rätsel der menschlichen Geschicke, die er indes vergeblich zu lösen versuchte. Die Theodicee, wie Aeschylos und Sophokles sie lieferten, war dem Euripides abhanden gekommen, sein Glaube war gescheitert, oder besser, er suchte vergeblich, sich eine befriedigende Anschauung zu erobern. Bei diesem Suchen bildete aber doch noch Glaube den Hintergrund. Man halte Euripides nicht für einen gemei

1 u. a. I 32; III 40; VII 10, 46, 56.

2 Thukyd. V 26 u. ö.

3 u. a. II 52 f; III 82 f.

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nen Aufklärer oder vulgären Rationalisten, er hatte denjenigen Unglauben, welcher der verzweifelnde Glaube ist" (MOMMSEN). Die Tragödien des Euripides sind voll von Vorwürfen und Klagen gegen die Götter; diese Götter spielen darin häufig eine schändliche Rolle. Aphrodite verdirbt unbarmherzig den frommen Jüngling Hippolyt, den Artemis nicht retten kann; Hera verstrickt Herakles in Wahnsinn, so dass er die eigenen Kinder mordet; Apollo verlässt feige die Kreüsa und ihr Kind Ion; nur aus Rachsucht duldet Apollo, dass bei seinem eigenen Altar zu Delphi Neoptolemos, der dort in frommer Gesinnung Schutz suchte, erschlagen wird (in Andromache). Das Auffallende in diesen und ähnlichen Beispielen ist nicht, dass den Göttern Unwürdiges aufgebürdet wird, was schon Homer tat, auch nicht, dass man daran Anstoss nahm, was gang und gäbe war, sondern dass der Dichter seine Angriffe so leidenschaftlich führte. Dieses Pathos findet seine Erklärung also durchaus nicht in der Kraft der gegnerischen Ansicht, sondern nur in dem lebendigen Bedürfnis eines neuen Glaubens. Euripides fordert, dass es eine göttliche Vorsehung gebe, die die menschlichen Geschicke lenke, und eine göttliche Gerechtigkeit, die sie erkläre: in der Welt sieht er aber vielmehr das Gegenteil. Darum richtet er seine scharfen Pfeile gegen die Götter, die selbst Schändliches verüben, die wie schlechte Menschen unbarmherzig und rachedürstend ihre Gegner verderben, die es geschehen lassen, dass Unschuldige leiden, und dass das Unglück sich über einzelnen Häuptern anhäufe. Statt vieler Zitate stehe hier nur die Invektive aus einem Fragment des Bellerophon: in der Welt herrscht allein Gewalt und nützt die Frömmigkeit nichts, der alte Glaube an Götter ist zur Torheit geworden: φησίν τις εἶναι δήτ' ἐν οὐρανῷ θεούς;

οὐκ εἰσίν, οὐκ εἴσ'.

Euripides greift also nicht bloss die unwürdigen Vorstellungen von den Göttern an, er wird an ihrem Weltregiment überhaupt irre. An der Kraft seiner Negation messen wir die Tiefe seiner geistigen Bedürfnisse. Allerdings vermochte er den Grund zu einem neuen Aufbau nicht zu legen. Sogar an der Mantik zweifelte er bisweilen; er schalt die Träume trügerisch und meinte, die besten Wahrsager wären die, welche am scharfsinnigsten die Zukunft erraten könnten.

Es ist bloss ein Schein, dass Euripides statt der alten neue Götter eingeführt hätte, wie Aristophanes ihm vorwarf'. Namentlich wäre der Aether des Euripides Gottheit gewesen; und auch Neuere haben sich bemüht, diesen Aether im Zusammenhang mit dem vous des Ana

1 Ranae, 880.

xagoras zu einem philosophischen Gottesbegriff aufzuputzen. Auch in Begriffen, wie Chronos, Nomos, Moiren, Ananke, Dike, findet man Anhaltspunkte zu einer positiveren religiösen Ansicht. Freilich hat Euripides sich dieser Begriffe, die er der Philosophie oder dem Volksglauben entlehnte, bedient, aber es ist gewiss, dass er darin ebensowenig, wie in den herrschenden Vorstellungen von den persönlichen Göttern, eine befriedigende Lösung der Probleme, eine wirkliche Theodicee gefunden hat. Des letzte Wort von Euripides' Theologie stimmt wohl zu dem, was Protagoras nach der Ueberlieferung im eigenen Hause des Dichters über die Götter lehrte, dass wir von den Göttern nichts Sicheres wissen und nichts Wahres sagen können. Daher bei Euripides das wiederholte dotis ó deós, das Nebeneinanderstellen verschiedener Bezeichnungen: Ζεύς, εἴτ ̓ ἀνάγκη φύσεως, εἴτε νοῦς βροτῶν 1, die häufig vorkommenden Seufzer, dass das Göttliche sich unsern Blicken entziehe.

Dieser Unsicherheit der göttlichen Dinge entspricht es, dass auch für die menschlichen der feste Massstab fehlt. Euripides vermag nicht, im menschlichen Unglück die göttliche Gerechtigkeit und göttliche Rettung aus demselben darzustellen; es bleibt der Mensch mit seinem Jammer auf sich selbst gestellt, daher der pathetische Charakter seiner Tragödie. Auch hat er zuerst unter den Tragikern sophistisch den Massstab des Sittlichen in die Meinung verlegt und die Macht der Leidenschaft fast als ein Recht dargestellt. Dennoch hat er die Leidenschaft nicht unbedingt verherrlicht: in Phaedra, Medea u. a. sind ihre verheerenden Folgen ergreifend geschildert, und die Unwahrheit, die verderblichen Wirkungen der „Sophistik der Leidenschaft" (NÄGELSBACH) hat niemand tiefer gefühlt. Der Dichter wollte durchaus nicht das Schlechte gut heissen. Seneca erzählt, dass bei einer masslosen Verherrlichung des Goldes in Bellerophon das Volk sich entrüstet gegen den Dichter und den Schauspieler erhoben, Euripides aber darauf geantwortet habe, man solle abwarten, wie er den Lobredner des Goldes enden lasse. Diese Anekdote warnt uns davor, den Euripides für allerlei unsittliche Maximen, die er seinen Personen in den Mund legt, verantwortlich zu machen, wie dies Aristophanes und viele nach ihm tun. Höchstens darf man es für die Zeit wie für den Dichter bezeichnend finden, dass er auch auf diese Weise mit dem Feuer spielt.

Das Positive liegt bei Euripides besonders in der Anerkennung der mystischen Religion. Der Orphismus hat sehr wahrscheinlich mehr

1 Troades, 887.

3 τί δ' αἰσχρόν, ἢν μὴ τοῖσι χρωμένοις δοκῇ (fragm.).

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