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Lukrez (98-55)', mehr Weltmann als Gelehrter, hat in sechs Büchern De rerum natura die Lehre Epikurs den Römern nahegebracht. Man hat bei ihm manche Anklänge an frühere Philosophen, namentlich an Empedokles, finden wollen: WOLTJER hat aber in einer sorgfältigen Abhandlung2 dargetan, dass Lukrez nicht direkt aus diesen älteren Quellen schöpfte, sondern sie nur durch die Schriften Epikurs kannte. Dieser Weise ist seine einzige Autorität, der er immer ehrlich, obgleich nicht überall genau folgt. Lukrez hat die Physik und die Psychologie der Schule ausführlich, die Ethik nur gelegentlich behandelt. In manchen ergreifenden Schilderungen aus der Menschenwelt wie aus der Natur hat er eine wahre dichterische Begabung betätigt. Merkwürdig sind im Gegensatz zu der sanften Humanität und der gemütlichen Stimmung, welche Epikur und seinen ersten Schülern zugeschrieben werden, die Heftigkeit und das Pathos, mit welchen. Lukrez die Lehre vertritt. Epikur gilt diesem Schüler nicht als ein weiser Lehrer, sondern als ein Held, der mit titanischer Kraft den Aberglauben angreift, durch seinen Sieg uns wie in den Himmel versetzt und sogar als ein Gott gepriesen wird. Die Religion ist in den Augen des Lukrez die Hauptursache aller Uebel; schon im Anfang des Gedichts tritt sie in dieses gehässige Licht bei der Beschreibung des Opfers der Iphigenia. Dass er sich von den Banden des Aberglaubens befreit fühlt, entlockt dem Dichter ein wahres Triumphlied, in welchem er sich einem Manne vergleicht, der vom sicheren Ufer aus einem Schiffbruch zusieht (De rer. nat. II 1 ff.). Der Wahn der Menge ist ihm aber nicht so sehr Gegenstand des Mitleids, als des Hasses. Der Ton des Lukrez, wenn er von der Macht der Religion im Leben, von der Furcht vor den Göttern und dem Tod handelt, ist erbittert. Er geisselt die Oberflächlichkeit der Leute, die im Glück über die Religion spotten, im Unglück aber acrius advertunt animos ad religionem. Er klagt über die Furcht vor der Unterwelt, omnia suffundens mortis nigrore, und bedauert die Toren, welche, indem sie an die nicht existierenden Qualen der Unterwelt glauben, sich hier in diesem Leben eine qualvolle Existenz bereiten: acherusia fit stultorum deniqui vita. Wenn auch das Wort primus in orbe Deos fecit timor nicht von Lukrez herrührt, ist doch dieser Gedanke gewiss der Kern seiner Anschauung; der falschen Religion gegenüber preist er die wahre Religion ohne Kultushandlungen, darin bestehend: pacata posse omnia mente tueri.

1 Die Literatur bei UEBERWEG und bei TEUffel.

2 Lucretii philosophia cum fontibus comparata (1877).

Es ist nicht so ganz leicht, sich das Verhältnis des Lukrez zu den Strömungen seiner Zeit richtig vorzustellen. Er führt so derbe Streiche gegen die Religion, dass man den Eindruck hat, er stehe einem sehr mächtigen Feinde gegenüber. Allein wir wissen, dass sein Zeitalter vom Skeptizimus stark angefressen war, und sogar Cicero spottet über die Leute, die es für nötig halten, immer wieder die epicurea cantilena gegen den Unsterblichkeitsglauben zu wiederholen. In einer ungläubigen Zeit hat die Bekämpfung des Glaubens im Tone des Lukrez etwas Ueberspanntes. Anderseits aber hat er die abergläubische Furcht, welche sich unter der freigeisterischen Maske verbirgt, richtig erkannt und scharf gegeisselt.

Ueber die Tragweite der Polemik des Lukrez hätte man sich nie irren sollen, indem man sie auf die heidnische Religion seiner Zeit beschränkte. Es ist so deutlich als möglich, dass bei einer mechanischen Weltanschauung, wie der des Lukrez, jede positive Religion ihre Basis verliert, wie er denn auch den Kultus als solchen verurteilt. Lukrez greift nicht so sehr die Mythen an, die den Göttern Unwürdiges aufbürden, als den Gedanken, dass es Götter geben könne, die mit der Welt sich befassen: er wendet alles auf, um den Vorsehungs- und den Unsterblichkeitsglauben hinfällig zu machen. So wundert es uns nicht, dass der Unglaube des 18. Jahrh. sich auf ihn berief, und dass Männer wie Voltaire und Friedrich der Grosse aus der Rüstkammer seines Werkes sich Waffen hervorsuchten.

Es ist auffallend genug, dass De rerum natura mit der Anrufung einer Göttin beginnt, mit der poetisch schönen Venushymne. Man kann aber dem Dichter dies weder als Inkonsequenz, noch als Akkommodation vorwerfen. Unter dem Namen der Venus feiert er eigentlich nur die Triebkraft, das Leben der Natur, deshalb ist gerade diese Invokation ein ganz passender Anfang. Zugleich verleiht die Anrufung der Aeneadum genitrix dem Werk ein vaterländisches Gepräge. An diesem nationalen Charakter seines Unternehmens liegt dem Dichter viel, er will den Römern in der eigenen Sprache die heilbringende Lehre Epikurs verkündigen.

Im einzelnen enthält das Gedicht des Lukrez viel Merkwürdiges. In mehreren sehr gelungenen Genrebildern zeichnet der Dichter die eitle Ehr- und Eifersucht des Geschlechts, das sich in den Bürgerkriegen aufrieb. Das dritte Buch ist weniger wichtig durch die Beweise, mit welchen die Furcht vor dem Tode bekämpft wird, als durch die Zeichnung der Menschen, denen diese Furcht das Leben verdirbt. In Buch V sind die Ursprünge und ersten Entwicklungsstufen der Zivilisation auf oft treffende Weise geschildert. In der Lehre selbst

fehlt dem Lukrez aber Originalität. Dass er auf sein Zeitalter einen tiefen Einfluss geübt hat, ist aus nichts ersichtlich; sein Name kommt in der Literatur, auch der Kaiserzeit, nur selten vor, aber schon im frühen Mittelalter entlehnen viele christliche Schriftsteller der Karolingerzeit ihm Ausdrücke und Gedanken. Wir müssen ihm die Ehre lassen, dass in der ganzen Weltliteratur die Irreligiosität nur selten mit so ehrlicher Begeisterung vertreten ist als durch ihn.

Haben wir Lukrez als eine vereinzelte Erscheinung anzusehen, so war Cicero geradezu der Repräsentant seines Zeitalters. Als Denker weder tief noch originell, ist letzterer immerhin der grösste römische Philosoph gewesen, der durch vielseitige Studien sich eine allgemeine Bildung erworben hatte und in seinen gefällig geschriebenen Schriften die Philosopheme der verschiedenen philosophischen Schulen so dargestellt hat, dass sie in der Form, in welche er sie gekleidet, weite Verbreitung gefunden und bedeutenden Einfluss ausgeübt haben1. Cicero war Eklektiker, am meisten aber der neuen Akademie zugeneigt. Die griechischen Vorlagen, nach welchen er arbeitete, sind uns meist nur durch ihn selbst bekannt, deshalb können wir nicht genau bestimmen, inwiefern er sie selbständig bearbeitet hat. Wohl sehen wir, dass in seinen verschiedenen Schriften, je nach den Quellen, aus welchen er schöpft, nicht unwichtige Unterschiede an den Tag treten: bald (wie in De officiis) folgt er hauptsächlich der Stoa, bald tritt die skeptische, bald die positive Seite des Platonismus hervor (diese letztere, wo er von der Unsterblichkeit handelt), bald entlehnt er auch manches dem Aristoteles. Freilich war Cicero nicht in die Tiefen dieser verschiedenen Systeme gedrungen, nicht selten schrieb er über Fragen und Ansichten, deren eigentliche Bedeutung ihm verborgen blieb, und die er mit oberflächlicher Breite behandelte. Besonders tritt dieser Mangel hervor in den drei Büchern De natura deorum, wo weder das epikureische System noch der stoische Dogmatismus genügend dargestellt und richtig gewürdigt sind, und der schale Skeptizismus des Neoakademikers Cotta, dem der Verfasser im wesentlichen beipflichtet, der grossen Frage, welche das Werk behandelt, durchaus nicht gerecht wird. Aehnlich verhält es sich mit dem philosophischen Gehalt in De divinatione; dieses Werk hat aber als interessante Materialiensammlung einen bleibenden Wert.

Von irgendwelchen grossen Grundanschauungen ist eigentlich bei Cicero keine Rede. Er legt der allgemeinen Meinung, dem consensus

1 Eine interessante Seite dieses Einflusses beleuchtet P. EWALD, Der Einfluss der stoisch-ciceronischen Moral auf die Darstellung der Ethik bei Ambrosius (1881).

gentium, und speziell der römischen Sitte und den Anstandsbegriffen seiner Umgebung hohen Wert bei. Sein Prinzip der Sittlichkeit ist das honestum, welches das decorum (лрéлоν) еinschliesst, er definiert dieses als: id, quod tale est, ut detracta omni utilitate sine ullis praemiis fructibusve per se ipsum possit jure laudari1, macht es also wohl von dem Erfolg, nicht aber von der Ehre und Billigung der Menschen los. Auf der andern Seite aber ist seine Philosophie durchaus nicht so uneigennützig, wie denn die Tusculanae Disputationes gerade res ad beate vivendum maxime necessarias behandeln.

Auch Cicero hat die Scheidung zwischen der bürgerlichen und der philosophischen Betrachtung der Religion in seinem Leben durchgeführt. Während er in seinen philosophischen Traktaten oft skeptisch ist, spricht aus seinen Gerichtsreden der gläubige Staatsmann, der an göttliche Vorzeichen und an eine strafende Gerechtigkeit glaubt. Dass man in einem Privatgespräch die Existenz der Götter bezweifelte, schloss nicht aus, dass man sich im öffentlichen Leben energisch zu ihnen bekannte. Cicero, der so ziemlich an aller Divination zweifelte, war selbst Augur.

Sucht man bei Cicero nach festen religiösen Ueberzeugungen, so kommt ein gewisser Vorsehungs-, namentlich aber ein starker Unsterblichkeitsglauben in Betracht. Ueber den letzteren handelt er im ersten Buch der Tusculanen, im Somnium Scipionis und auch sonst, meist mit platonischen Argumenten und in dem Tone einer warmen Ueberzeugung. Die Seele gilt ihm als göttlich, wie aus ihren Empfindungen und Kräften, kurz aus ihrem ganzen Wesen hervorgeht; ihr Verhältnis zum Körper wird mit dem zwischen Gott und der Welt verglichen, wie er denn auch für Gott keine höhere Vorstellung bilden konnte, als die der menschlichen Seele entlehnt war. Merkwürdig ist nun, dass dieser Unsterblichkeitsglauben das einzige religiöse Element ist, das in Ciceros Privatleben zu entdecken ist. Seine Korrespondenz zeigt durchaus keine religiösen Motive und Gedanken; als er aber im vorgeschrittenen Alter seine bereits erwachsene Tochter Tullia verlor, suchte er Trost in dem Unsterblichkeitsgedanken. Er schrieb für sich selbst eine consolatio und wollte sogar der verstorbenen Tochter auf seinem Landgut ein Heiligtum errichten und sie daselbst als eine Gottheit verehren. Da dem Römer die griechischen Begriffe von dämonischen und heroischen Wesen fehlten, musste er gleich zur vollen Apotheose schreiten. Bei Cicero wie bei Lukrez sehen wir, dass der Todesgedanke sich dieser Zeit mit Gewalt aufdrängte, die erste

De finib. bon. et mal. II 14.

Bedingung eines glücklichen Lebens ist nach den Tusculanen: De contemnenda morte.

Betrachten wir jetzt noch einmal die altrömische Religion, wie sie unter dem Einfluss der geschilderten Zeitumstände und geistigen Strömungen werden musste, so begegnet uns selbstverständlich nur ein Bild des tiefsten Verfalls. Die wichtigsten priesterlichen Würden, die eines Pontifex, Augur oder Xvirs hatten für das religiöse Leben fast keine Bedeutung mehr. Sie wurden nur gesucht, weil sie politischen Einfluss gewährten. Nur sehr wenig kümmerten sich die Priester um ihre Pflichten. Die pontifices z. B. hatten die Jahresschaltung so vernachlässigt, dass die Zeitrechnung des Kalenders um mehrere Monate von der wirklichen abwich; es war unmöglich geworden, die Opfer zu den bestimmten Tagen darzubringen; die feriae fielen nicht im entferntesten auf die Tage, welche nach altväterlicher Verordnung für sie bestimmt waren. Die Lehre der Auspizien war den Auguren unbekannt geworden. Mehrere Priesterschaften waren eingegangen, andere, wie die fratres arvales und sodales titii, sogar vergessen. Priesterliche Würden, welche kein politisches Ansehen gaben, wurden nicht begehrt; manchmal musste auf die Besetzung priesterlicher Stellen verzichtet werden. Der altehrwürdige Posten eines flamen dialis blieb. 75 Jahre frei. Auch Kulte, sogar die sacra privata, wurden vernachlässigt. Viele Heiligtümer verfielen. Nur an den Spielen blieb die Beteiligung ausserordentlich rege; die Zahl der Spieltage in den letzten zwei Jahrhunderten der Republik hat sich verfünffacht.

§ 10. Die Reform des Augustus.

Literatur. Das letzte grössere Werk über die Kaiserzeit, bis hinab zu Theodosius, ist H. SCHILLER, Geschichte der römischen Kaiserzeit (2 Bde in 3 Thin, 1883/7, wo auch die Quellen und die bisherigen Bearbeitungen verzeichnet sind). Für die spätere Zeit ist E. GIBBON, Decline and fall of the Roman Empire (anfangend mit dem Tod Marc Aurels), wenn auch aus dem 18. Jahrh., noch immer wichtig; freilich raubt der „solemn sneer" (Byron), womit GIBBON über religiöse Sachen aburteilt, seinem Buch einen Teil seines Werts. Ueber die Zeit von Augustus bis Marc Aurel handeln: G. BOISSIER, La religion romaine d'Auguste aux Antonins (2 vol., 1874), und G. Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms (3 Bde, namentlich der 3. [5. Aufl. 1881] enthält wichtige Schilderungen der religiösen Zustände). Ueber den Ausgang des Heidentums: V. SCHULTZE, Geschichte des Untergangs des griechisch-römischen Heidentums (2 Bde, 1887, 1892); G. BoisSIER, La fin du paganisme (2 vol., 1891); jetzt auch namentlich O. SEECK, Geschichte des Untergangs der alten Welt (2 vol. 1897-1902; 1. vol. in 2. Aufl.).

Allgemeine Werke über die sittlichen und sozialen Zustände im heidnischen und im christlichen Rom sind: C. SCHMIDT, Essai historique sur la société civile dans le monde romain et sur sa transformation par le christianisme (1853); W. E. H. LECKY, The history of European morals from Augustus to Charlemagne

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