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§ 1. Volk und Kultur.

Die Inder werden gewöhnlich sehr einseitig charakterisiert. Die Abkehr von der Weltrealität, die unleugbar in einem grossen Teile ihrer Literatur der vorherrschende Zug ist, das Phantastische und Abstrakte in ihrem Denken und die Geringschätzung, mit der in gelehrten und religiösen Kreisen auf das praktische Leben herabgesehen wird, hat zu der Anschauung geführt, die Inder seien überhaupt ein Volk von Träumern und Phantasten, ein kraft- und tatloses Volk. Diese Schilderung trifft aber nur für einzelne Schichten dieses Volkes und einzelne Zeiten seiner Geschichte zu; wenn man die Gesamtheit der indischen Bevölkerung und den ganzen Gang ihrer Geschichte betrachtet, bekommt man einen wesentlich verschiedenen Eindruck. Die kühnen Ansiedler, die im frühesten Altertum von ihrer Heimat jenseits der Flüsse in Pendjab eindrangen und über Dekhan sich verbreiteten, haben gewiss nicht mit Träumereien und Weisheitsdünkel der wilden Urbevölkerung das reiche Land entrissen und eine dauernde Kultur gegründet. An Mut und Energie, an kriegerischem Eifer und praktischer Tüchtigkeit fehlte es diesen Indern keineswegs, auch nicht an Lebenslust und freudiger Hoffnung. Im tapferen Kampfe sterben galt für Heldenglück, aber lieber noch mochten sie leben „hundert Herbste", und jenseits des Todes stand ihnen der Himmel bereit mit ewigem Leben für tapfere Männer.

Das Land, das die Inder erobert hatten, behaupteten sie jedoch nicht unbestraft. Das tropische Klima hat offenbar erschlaffend auf sie eingewirkt, wenn es sie schon nicht so gänzlich ausgemergelt hat, wie häufig gesagt wird. Noch im Mittelalter finden wir die Inder als ein Volk voll rüstiger Tatkraft. Das Mahâbhârata, die Iliade Indiens, ist wohl von (späteren) philosophischen Betrachtungen überwuchert, die den Helden der Iliade sehr fern gelegen haben würden; der Grundstock des Gedichtes ist aber eine Epopöe, die an Kriegeslust und Heldenruhm der Iliade gar nichts nachgibt.

Dass Priester, schon im frühen Altertum im engen Kastenkreise abgesondert, sich zu einem leeren Opferwerken und tatloser Spekulation gewidmeten Leben zurückgezogen haben, und dass die Gelehrten ausserhalb dieser Kaste den Pessimismus, der sich aus diesem öden Leben entwickelte, weiter ausbildeten, ist nicht die notwendige Folge des indischen Volkscharakters. Der Kern des Volkes blieb durchgängig von diesen krankhaften Erscheinungen unberührt; die mächtige Kriegerkaste lebte heiter und kräftig fort, ebenso die bürgerlichen Kasten. Im Handelsverkehr wetteiferten sie weit über das Altertum

hinaus mit den westlichen Völkern, in vielen Gewerben sind sie unerreicht geblieben, und die Reichtümer Indiens sind nicht bloss aus der Erde gewachsen. Dazu sind die Inder noch die Märchenerzähler der Welt gewesen, und es verrät sich gerade in diesen Volkserzählungen eine gewisse selbstbewusste Weltlichkeit. Feine Beobachtung der Dinge wie des menschlichen Lebens und kluges Moralisieren vereinigen sich hier mit beissendem Witz und lustiger Frivolität und vornehmlich mit einem durchgängigen Sarkasmus über den Stolz und die Habsucht der Priester und die Scheinheiligkeit der asketischen Frömmler.

So ist nicht alles in Indien Religion; dass aber die Frömmigkeit sowohl in ihrer praktischen Ausübung als durch das mächtige Denken und die reiche Literatur, zu der sie geführt hat, eine grosse Rolle im Volke gespielt hat, ist zweifellos; die Religion bleibt immerhin die grosse Leistung der Inder, und die indische Religion bildet wohl überhaupt das imponierendste Phänomen des Heidentums. Drei oder vier Jahrtausende lang hat dieselbe die Herrschaft über die Völker des gewaltigen Landes ausgeübt und bei allen durchgreifenden Umgestaltungen doch ihre ausgeprägte Individualität bewahrt. Die Abkehr von der realen Welt, die in ihren späteren Hauptformen das wesentliche Merkmal bildet, ist allerdings nicht vom ersten Anfang an erkennbar; allen Stufen der Entwicklung ist aber ein Hang zum Mysteriösen und Abstrusen gemeinsam, der sich sowohl in den ersten rohen Symbolen wie in den subtilen Unterscheidungen und den oft nur scheinbar tiefen Spekulationen offenbart; auch bewegt ihre Phantasie sich immer mit Vorliebe in dem Masslosen, dem Unbegrenzten. Die Inder haben aber früh gelernt, dieses Unendliche als eine Einheit und zwar als eine geistige Einheit zu fassen; ein spiritualistischer Monismus herrscht in ihrem religiösen Denken vor: in dem Geiste sehen sie das Wesen, in den Dingen einen betrügerischen Schein, und erstaunlich ist der Ernst, mit dem sie sich bemühen, den Schein zu opfern, um das Wesen zu greifen: das Entsagen, die heilige Leidenschaft der Inder, ist das grosse Zeugnis für dieses Streben. Das Wesen der Dinge, nach dem sie ringen, hat das indische Denken nur selten als ein Ueberweltliches gefasst: die Immanenz des Weltgeistes ist ihnen die selbstverständliche Grundidee ihrer Weltanschauung; dieser entschiedene Pantheismus entwickelt sich im Laufe des religiösen. Lebens vielfach zum Atheismus, und die Frömmigkeit, die von dem Entsagen nicht ablassen will, erhält dadurch ein gewisses nihilistisches Gepräge.

So lebhaft die Inder sich für die Religion interessierten, so wenig sind sie für das politische Leben befähigt gewesen. Mögen sie im Kriege

tapfer, im bürgerlichen Leben tüchtig und für gerichtliche Ordnungen nicht unbeanlagt gewesen sein: zu einer Nation haben sie sich nie sammeln können, und von einem indischen Reiche ist niemals die Rede gewesen, was wohl an der Beschaffenheit des Landes gelegen haben kann. Daher ist es wohl zu verstehen, dass die Inder in der Weltgeschichte nie eine entscheidende Rolle gespielt haben: Inder und indische Kultur haben sich allerdings über das ganze südliche Asien, selbst über die grossen Sundainseln verbreitet, zu einer indischen Religion ist die halbe mongolische Welt bekehrt worden, aber zu einer Herrschaft ausserhalb der Grenzen Indiens, die diese Bewegungen hätte unterstützen können, haben die Inder es nie zu bringen vermocht; vielmehr haben sie im eigenen Land im Kampfe mit den vordringenden Weltmächten immer den Kürzeren gezogen: den Griechen wie den Persern, den Engländern wie den Moslims sind sie eine viel zu leichte Beute gewesen, und die Zukunft der indischen Kultur ist durch diesen Mangel an Nationalgefühl und politischem Sinn ernstlich bedroht.

Dass ein Volk, dem so wenig daran lag, eine Geschichte zu haben, auch sehr wenig für die literarische Aufbewahrung seiner Geschichte getan hat, versteht sich von selbst. Den Brahmanen kümmerte es nicht viel, was in dieser Welt des Scheins und der Pein vorging, und hätte nicht hier und da ein tüchtiger Herrscher Inschriften hinterlassen, die zu sammeln und zu deuten übrigens erst die modernste Indologie sich zur Aufgabe gemacht hat, so wären wir in Bezug auf die Chronologie der Inder in vollständiger Verlegenheit. Auch andere profane Quellen stehen uns jedoch zu Gebote, und man sieht heute, nach BÜHLER, nicht so pessimistisch auf die geschichtliche Forschung Indiens wie früher.

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In der Wissenschaft können die Inder sich jedoch anderer, ganz bedeutender Leistungen rühmen. Die Mathematik und die Astronomie. haben sie mit grossem Talent behandelt, in der Heilkunst waren sie nicht unwissend, ihre Logik und Psychologie verdient Bewunderung, und in der grammatischen Wissenschaft sind sie nicht von den Arabern, wohl aber von der modernen europäischen Sprachwissenschaft aber erst von ihr überholt worden. Ueberhaupt haben die Inder für die Geistestätigkeiten Anlagen, zu denen Scharfsinn gehört. Die Empirie ist nie ihre Sache gewesen; daher die frühe Verknöcherung ihres Geisteslebens, besonders ihrer Wissenschaft. Für die Religion ist das Ueberwuchern des Scharfsinns in Indien immer ein Unheil gewesen; starre Theologie und öder Ritualismus haben sich schon in der vedischen Zeit vereinigt, um die ursprüngliche Frische aus dem Glaubensleben zu verdrängen. Schönheit ist in den alten heiligen Büchern

der Inder nicht viel zu finden, selbst bei den vedischen Hymnen gehören die dichterisch wertvollen zu den Ausnahmen. Dass es indessen den Indern keineswegs an ästhetischem Sinn fehlte, das beweist in erster Linie ihre profane Dichtung, die sowohl in dem Epos als in dem Drama eine bedeutende Höhe erreicht hat; in den bildenden Künsten brachten sie es lange nicht so weit: ausser den wunderbaren Leistungen ihres Kunstgewerbes ist nur ihre prächtige Baukunst rühmend zu nennen; weder in der Plastik noch in der Malerei jedoch haben sie etwas Hervorragendes hinterlassen.

Die vedische und brahmanische Religion.
§ 2. Die Veden.

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Literatur. R. ROTH, Zur Literatur und Geschichte des Weda (1846). FR. MAX MÜLLER, Lecture on the Vedas (1865, Chips. I). — Uebersetzungen des Rigveda von H. GRASSMANN (metrisch 1876-77); bedeutender, aber schwer zugänglich: A. LUDWIG (1876-79, mit wertvollem Kommentar samt Literatur und mythologischen Erörterungen); MAX MÜLLER (in S. B. E. XXXII). Eine gute Auswahl in gefälliger metrischer Form ist GELDNER und KAEGI, 70 Lieder des Rig-Veda (1875). Ueber die Religion der Veden handeln ausser MUIR V.: A. KAEGI, Der Rigveda (2. Aufl. 1881), als Einleitung sehr zu empfehlen. — H. OLDENBERG, Die Religion des Veda (1894), bis jetzt wohl die beste Darstellung. Kürzer und ganz praktisch: E. HARDY, Die vedisch-brahmanische Periode der Religion des alten Indiens (1893). Objektiv und detailliert: A. MACDONELL, Vedic mythology (1897) im Grundriss. Nur für den Fachmann zu gebrauchen: A. HILLEBRANDT, Vedische Mythologie I-III bis 1902 (die Einleit. d. Bd. III übersichtlich); LUDWIG, Beiträge zu der Mythologie, im Bd. III seines Rigveda (1878), das früher bahnbrechende Werk von A. BERGAIGNE, La religion védique (3 vol., 1878—83), und H. S. VODSKOV, Sjaeledyrkelse og Naturdyrkelse I (1897) (Rig-Vedas mythologiske Alder og Art). — P. REGNAUD, Le Rig-Veda (1892), ist durch BARTHS Kritik (RHR 1893) als ganz unzuverlässig nachgewiesen. Viele Grundfragen der Vedaforschung sind in PISCHEL und GELDNER, Vedische Studien, behandelt.

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Die älteste uns bekannte Periode der indischen Religion nennen wir nach ihren heiligen Schriften die vedische.

Veda bedeutet „Wissen" (cfr. Fada). Das heilige Wissen, das in diesen Büchern niedergelegt ist, ist durch Offenbarung zu stande gekommen; die Veden sind nicht von Menschen geschriebene"; sie sind rein göttlicher Herkunft, im strengsten Sinne des Wortes inspiriert. Drum sind sie die unfehlbare Autorität für Glaube und Leben. - Die vedische Literatur ist sehr umfangreich; sie enthält nicht nur die heiligen Lieder, sondern auch Lehrbücher des Rituals der praktischen Theologie und die ersten Anfänge der philosophischen Spekulation. Die Liedersammlungen, die den Grundstock des Veda bilden, und die wir gewöhnlich schlechthin als „Veda“ bezeichnen, wer

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den mit dem indischen Worte mantras genannt. Sie zerfallen in vier Abteilungen (samhitâs Sammlungen): Rigveda, das Buch der religiösen Gedichte, Sâmaveda, die Gesänge, Texte, Yajurveda, die Opferformeln, wozu noch eine der Redaktion, nicht aber dem Inhalte nach, spätere Sammlung: der Atharvaveda, das Buch der magischen Lieder und Sprüche, kommt. Von diesen Büchern kommen für die Religionswissenschaft vornehmlich Rig und Atharva in Betracht; die beiden andern Sammlungen, die einen mehr technischen Charakter haben, sind für unsere Zwecke weniger ergiebig.

Der jüngere, durchweg in Prosa geschriebene Veda, besteht aus den sog. Brâhmanas. Sie befassen sich mit dem gesamten Opferwesen, wobei aber viel Mythologisches, Theologisches, ja sogar Sprachliches besprochen wird. An die Brâhmanas reihen sich als Nachträge an die Aranyakas, „die Waldbetrachtungen“, und die Upanishads, „die Unterweisungen“, die die älteste Philosophie der Inder enthalten.

Nachvedisch, aber zum Teil demselben Literaturkreis angehörig, sind die Sûtras (auch Vedângas, „Glieder des Veda“, genannt). Sie sind „Leitfaden" des Schulunterrichts, deshalb überwiegend in knapper Form abgefasst, während die Brâhmanas breit und redselig sind. Die Autorität der Sûtras ist viel geringer als die der Brâhmanas; die letzteren werden sämtlich (ebenso wie die Mântras) zu der Offenbarungsliteratur (Cruti) gerechnet. Diese Ehre kommt dagegen nur wenigen Sûtren (çrautasûtras) zu; die meisten werden zur Tradition (Smrti) gerechnet (smârtasûtras). Diese behandeln u. a. die Haussitten (Grhyasûtras) und die Rechtslehre (Dharmasûtras). Das berühmte Gesetzbuch Manus ist aus dieser Dharmaliteratur hervorgegangen.

Ueber das Alter der Vedalie der (der Mantras) gibt es nur vage Mutmassungen. Selbst wenn wir den Zeitpunkt ihrer Redaktion bestimmen könnten, wäre nur wenig geholfen; denn diese Dichtungen sind Denkmäler einer langen, in vielen Stufen verlaufenden religiösen Entwicklung, die in unabsehbar ferner Vorzeit hat beginnen können. Mögen wir aber diese Lieder noch so weit zeitlich hinaufrücken, Eins steht fest: die Vedalieder tragen schon ein rein indisches Gepräge, woraus man schliessen darf, dass sie unter allen Umständen auf indischem Boden, unter indischer Sonne gezeitigt sind.

Die astronomischen Verhältnisse im vedischen Weltbilde berechnend haben JACOBI und TILAK neuerdings die Zeit der vedischen Kultur auf ca. 2000 v. Chr. festgesetzt, ja sie meinen zudem Spuren einer noch älteren Zeitrechnung, die für die Zeit 4000 passen würde, gefunden zu

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