Goethes philosophische Entwickelung. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie unserer von Dr. Ernst Melzer. Separatabdruck aus dem 22. Bericht der wissenschaftlichen Seinem teuren Freunde Herrn Rector Prüfer in Gross-Glogau sowie dessen Frau Eveline, geb. Hanke und deren Schwester, Frau Rittergutsbesitzer Pauline Paschke in Ober-Zauche bei Liegnitz, widmet diese Schrift in dankbarer Verehrung als eine δόσις ὀλίγη τε φίλη τε der Verfasser. Vorwort. Im verflossenen Jahre hielt ich in der hiesigen Philomathie, deren anregende Einwirkung auf meine wissenschaftlichen Arbeiten ich bei dieser Gelegenheit mit Freuden anerkenne, einen Vortrag über Goethes philosophische Entwickelung. Der Gegenstand wurde mir so lieb, dass ich den Vortrag in erweiterter und umgearbeiteter Form herauszugeben beschloss. Wer über Goethe schreibt, kann sich leicht den Vorwurf zuziehen, er schreibe ein überflüssiges Buch. Die Litteratur über ihn ist Legion. Indessen bezieht sich das überaus Meiste davon nicht auf das Thema von G.s philosophischer Entwickelung. Natürlich ist auch dieses schon mehrfach behandelt. Wir meinen jedoch, für nachfolgende anspruchslose Schrift einige Aufmerksamkeit, insbesondere von seiten solcher Verehrer des grossen Dichters beanspruchen zu dürfen, die, ohne philosophische Specialstudien gemacht zu haben, in grossen, das Resultat der bisherigen Forschungen zusammenfassenden Zügen den philosophischen Ideenkreis eines Lieblingsautors unserer Nation übersichtlich kennen lernen möchten. Die Wertschätzung G.s hinsichtlich seiner philosophischen Anschauungen geht selbst in gelehrten Kreisen viel zu weit. Beispielsweise lässt H. Grimm in seinen Vorlesungen über G. (Berlin bei Hertz, 1877, I 233 ff.) alle Kulturstufen der Menschheit Revue passieren, unterscheidet eine griechische, germanische, romanische und semitische Kultur, ernennt für diese Kulturstufen typische Repräsentanten, für |