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D. Polonins und Gretchen's Mutter.

So wie Polonius, der Vater der Ophelia, durch Hamlet's Hand, jedoch unabsichtlich fällt, so stirbt Gretchen's Mutter, auch ganz unbeabsichtigt, infolge jenes von Faust herrührenden Schlaftranks. Gretchen's Mutter erscheint überhaupt nicht auf der Bühne, und nur durch die Aussagen der Tochter wissen wir, daß die Mutter eine brave, rechtschaffene Frau war, die streng auf Zucht und Sitte hielt.

In Bezug auf Polonius hat man behauptet, daß sein Charakter nicht ganz konsequent durchgeführt sei und das aus folgenden Gründen. Zuerst finden wir ihn mit seinem Sohne Laertes, dem er, vor dessen Abreise nach Paris, noch eine Fülle schöner, praktischer Lebensregeln mit auf den Weg giebt. Auch Ophelia warnt er vor Hamlet, vor ihr selbst, ihrer Unschuld und Unerfahrenheit. In den Anweisungen, die er dem Reinhold giebt, zeigt er die Klugheit des erfahrenen Weltmannes; dann erscheint er plöglich vor uns als ein geschmeidiger, schwathafter, von Eigendünkel stroßender Hofmann, der fast zur Possenfigur herabsinkt. Diese Veränderung im Charakter des Polonius ließe sich vielleicht dennoch und zwar wie folgt begründen: Dem selbstbewußten und etwas possenhaften Auftreten desselben, dem König und der Königin gegenüber, geht unmittelbar eine Unterhaltung mit seiner Tochter voraus, in welcher lettere ihrem Vater den Besuch des angeblich bereits im Wahnsinn befangenen Hamlet umständlich beschreibt, und aus welchem Polonius mit Sicherheit schließt, daß der Prinz aus Liebe zu seiner ihn kalt behandelnden Tochter dem Jrrsinn verfallen ist. Jene Liebe war also doch eine wirkliche und echte, und in einer Verbindung seiner Tochter mit dem Prinzen lag somit vielleicht die noch einzig mögliche Rettung des Letteren! Welch ein glänzender Horizont mußte sich nicht da vor den Augen des ehrgeizigen Höflings eröffnen! und, in der That, sein nachheriges Benehmen ließe sich recht gut auf Grund eines selbstgefälligen, plöglichen Größenwahnes erklären, der ihn glauben läßt, eine große Entdeckung gemacht zu haben und nunmehr zu einer Hauptrolle im Staate berufen zu sein; Hauptrolle, die er auch gleich darauf, und das ganz eigenmächtig und höchst zudringlich, als Vertrauter der Königin antritt, und die ihn das Leben kostet. Solcherweise wäre Shakespeare auch in der Rolle des Polonius gerechtfertigt.

Es erübrigt mir nur noch, einige Bemerkungen über die Sprache und den Gedankenreichtum der beiden dramatischen Dichtungen so kurz als möglich zu fassen. Irgend welche Kritik an Goethe's Sprache üben zu wollen, wäre, von seiten eines fast ganz französisch erzogenen und gebildeten Alt-Elsässers, eine lächerliche Anmaßung. Es handelt sich hier eben nur um Eindrücke, die ich für das gebe, was sie sind, nämlich rein persönlicher Natur.

Die von Figuren, Antithesen, Wortspielen und Wizen strohende Sprache Shakespeare's, ein Produkt seiner Zeit, läßt sich kaum mit der nüchternen und doch an wahren, treffenden Bildern so reichen Sprache Goethe's vergleichen. Beide beherrschen als Sprachkünstler ihr Instrument meisterhaft und haben das gemein, daß sie sich, je nach Bedürfnis, Wörter ganz nach Belieben fabrizieren. Shakespeare treibt vielleicht die Freiheit darin ein wenig zu weit, was, verbunden mit der Gewohnheit, Wörter häufig in einem ganz ungewöhnlichen Sinne zu gebrauchen, oft sehr störend auf den Leser wirkt. Während dann wieder Shakespeare's Sprache oft so packend und prägnant ist, daß sie unter Auslassung von Mittelgliedern in ihrer Kürze ganz dunkel, ja

wenn nicht verdorbene Stellen vorliegen ganz unverständlich wird, ist die mit Andeutungen und Symbolismus geschwängerte Sprache Goethe's nicht selten etwas unklar und schwerfaßlich. Wenn die Sprache des britischen Dichters zuweilen schwülstig, geschraubt und erkünstelt bis zur Verdunkelung des Sinnes ist, so leidet die Sprache des großen deutschen Dichters unter den Fesseln der gebundenen Redeform hier und da an Freiheit und Natürlichkeit. „Shakespeare's Sprache ist dann wieder echt dramatisch: sie schmiegt sich sozusagen der Handlung und den einzelnen Charakteren an", sagt Rümelin in seinen Shakespearestudien,,,bald in den

süßen Schmeicheltönen der Liebe, bald in den harschen, sarkastischen Tönen des Hasses". Goethe auch weiß seine Sprache ganz den jeweiligen Gefühlen und Umständen anzupassen; während aber Shakespeare's Sprache an Kraft und Schwung fast unübertroffen dasteht, ist diejenige Goethe's meist in vornehm ruhigem und deshalb auch zuweilen etwas kaltem Tone gehalten. Auch in Bezug auf die Bilder scheint mir Rümelin den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben, wenn er sagt: „Die Bilder Shakespeare's sind in der Regel kühner, „frappanter, fernliegend; die von Goethe einfacher, treffender, wahrer. Jene ruhen auf einer Einbildungskraft „von der wunderbarsten Beweglichkeit, diese auf einer Fülle und Breite der klarsten Anschauung. Shakespeare's „Vergleichungen halten manchmal die nähere Prüfung nicht aus, sie neigen sich zur Hyperbel, es fehlt ihnen „nicht selten die sinnliche Vollziehbarkeit u. s. w... ... Goethe würde z. B. bei der Beschreibung eines Sturmes „nicht sagen, daß die Wellen zum glühenden Bären Wasser aufzuschleudern und des Polarsterns Fackel aus„zulöschen scheinen; er würde seinen Helden nicht drohen lassen, den Gegner an das Horn des Mondes zu „schleudern; er würde von der Hand der Geliebten nicht sagen, sie sei so blendend, daß alles andere Weiß „dagegen als Dinte erscheine, und daß des Schwanes Flaum nicht so sanft sei wie ihr Druck." Wo es sich aber um die Zeichnung wirklicher, sinnlicher Naturerscheinungen handelt, führen die beiden Dichter den Pinsel mit gleicher Meisterschaft. Eine andere Ähnlichkeit in der Sprache der beiden Dichterfürsten dürfte die zuweilen etwas derbe Ausdrucksweise sein, welche, frei von jeder Prüderie, jedes Ding bei seinem Namen nennt, auf die ich aber hier weiter einzugehen nicht für geboten halte.

Was den Gedankenreichtum betrifft, so stehen die beiden Dramen vielleicht ganz vereinzelt und unerreicht in der Weltlitteratur da. Der Ansicht vieler andern entgegen, glaube ich jedoch, daß, besonders in Bezug auf Vielseitigkeit, die Palme unbedingt dem deutschen Dichter gebührt. Zur Begründung verweise ich z. B. nur auf „Auerbach's Keller", wo die Flohballade" das Günstlingswesen und das „Rattenlied" die Liebesleiden verspottet; auf die Herenküche", wo Goethe den Aberglauben seiner Zeit und obendrein die Flachheit der Freigeisterei des 18. Jahrhunderts geißelt; und insbesondere auf die „Bettelsuppe“ darin, wodurch er den litterarischen Geschmack des deutschen Publikums persifliert; ganz abgesehen von dem noch viel reichhaltigeren zweiten Teile, in welchem Goethe fast alle menschlichen Verhältnisse mehr oder weniger verschleiert zur Sprache bringt.

Es bleibt mir noch eine lehte, geistesverwandtschaftliche Hauptbeziehung zwischen den beiden Tragödien hervorzuheben, nämlich die Beimischung des komischen Elementes. Man könnte „Hamlet" fast eine Komödie mit tragischem Ausgang nennen, wie Shakespeare überhaupt vermutlich um dem Geschmack der Zeit Rechnung zu tragen überall das Komische einstreut, so daß man oft nicht weiß, ob man eine Komödie oder eine Tragödie vor sich hat. Die Grenzen des Erlaubten sind hier eben auch wieder schwer zu ziehen. In Bezug auf Humor steht Shakespeare jedenfalls weit über Goethe; seine humoristische Ader fließt beständig rein. und unerschöpflich, und er dürfte in dieser Beziehung nur einen Nebenbuhler haben, nämlich Molière. Es ist das ein echt realistischer Zug bei Shakespeare; denn Tragisches und Komisches gehen im Leben fast immer Hand in Hand. „Du sublime au ridicule il n'y a qu'un pas", sagte Napoleon I., wenn ich nicht irre, und man möchte meinen, dieser Gedanke schwebte schon Shakespeare bei den überschwenglichen Ausdrücken des Schmerzes, welche er dem Laertes im Grabe der Ophelia in den Mund legte, vor. Nur wenn Goethe die satirisch-ironische Saite anschlagen kann, ist er wieder in seinem Elemente; sonst ist Mäßigung und das ruhig Vornehme der Grundton in seinen Charakterbildern; deshalb ist auch sein Satan um vieles menschlicher, als manche Bösewichte Shakespeare's.

Schluß.

Um das vollständige Facit dieser kleinen Arbeit zu ziehen, sollte ich eigentlich noch eine Schlußparallele zwischen den beiden großen Dichtern selbst entwerfen; aber nach Männern wie Gervinus, Ulrici, Vischer, Rümelin und andern, werde ich mich vor einer solchen Aufgabe die übrigens kaum in den Rahmen dieses Versuches passen dürfte - wohl hüten und mich einfach mit einigen Schlußbemerkungen begnügen.

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„Wo Leben ist und sei es nur tierisches Leben ist Schönheit", sagt Taine; und jenes Leben pulsiert im Hamlet viel kräftiger als im Faust, so daß der berühmte französische Litterarhistoriker mit Recht ersteres als ein auf die Massen wirkendes, echt dramatisches Volksschauspiel bezeichnen konnte. Faust (unter Einschluß des zweiten Teils), als Symbol der Menschheit, erscheint uns hingegen wie ein Abbild des Weltalls, eine Harmonie, in welcher Götter, Menschen, die Vergangenheit, die Gegenwart, alle Stände und sozialen Verhältnisse zusammenwirken, um wo nicht das schönste und ergreifendste, so doch das erhabenste und tiefsinnigste Gedicht des Zeitalters hervorzuzaubern. Shakespeare ist, ohne Zweifel, der natürlichste aller Dichter: seine Werke sind Erzeugnisse der Natur, sehr wenig der Kunst, und Goethe selbst sagt: „Aus Shakespeare spricht der Weltgeist, ja er ist der Weltgeist." Kein Dichter ist so tief in die Abgründe des menschlichen Herzens hinabgestiegen, keiner hat dessen Gefühle, Leidenschaften, Schwächen, dessen guten und schlechten Eigenschaften in so wahrhaften, naturgetreuen Farben geschildert, wie der große Brite.

Symmons nennt ihn denn auch den,,Master of the human heart" und Schlegel den „Herzenskündiger“. Wenn er je einmal ein wenig zu schwarz aufträgt, so geschieht dies nur, um den Charakter mit desto grellerer Beleuchtung plastisch hervortreten zu lassen. Wie Goethe behaupten konnte (Eckermann), Shakespeare's Dramen seien nicht für die Bühne geschrieben, ist auch mir unbegreiflich, selbst wenn der Ausspruch mit Rücksicht auf seine Sprache gefallen wäre; denn Shakespeare war nicht nur selbst Schauspieler, sondern auch Theaterunternehmer; er verkaufte seine Manuskripte der Direktion und verzichtete somit vollständig auf Veröffentlichung durch den Druck. Im Gegenteil, um mit Rümelin zu sprechen: „Er weiß vortrefflich, was auf der Bühne wirkt und was nicht; er weiß meisterhaft, wie man dramatisch rasch und schlagend exponiert, die Verwicklung und die Katastrophe in ihrer erschütternden und versöhnenden Wirkung herbeiführt“. „Aber er dichtete nicht“, sagt D. Brahms, wenn ich mich recht erinnere, „für deutsche Professoren der Ästhetik, welche aus den zerstreuten Reden jeder einzelnen Person ein abgeschlossenes Charakterbild zusammenlesen wollen. Seine Charaktere sind deshalb zuweilen auch nicht ganz konsequent durchgeführt, denn er schrieb für die Bühne und wußte, daß die Aufmerksamkeit der Zuschauer, von der jedesmal gegenwärtigen Scene voll in Anspruch genommen, keine Zeit hat, Betrachtungen anzustellen und versteckten Beziehungen nachzugrübeln". Dies erklärt denn auch gewisse Widersprüche, wie sie sich bei ihm vorfinden, so z. B. zwischen der Erscheinung des Geistes und der bekannten Stelle im Monolog A. III, Sc I, wo Hamlet in Bezug auf das Jenseits sagt: „From whose bourn no traveller returns". Daß Shakespeare an Reichtum der Phantasie und an dramatischer Schöpferkraft bis jetzt wohl unerreicht dasteht, wird von Goethe selbst anerkannt, indem derselbe in seiner bescheidenen, vielleicht sogar überbescheidenen Weise offen gesteht, daß er zu Shakespeare hinaufblicken müsse; hätte aber der englische Dichter Goethe's Werke lesen können, so hätte er vielleicht, mit der dem wirklichen Verdienste eigenen Bescheidenheit, dasselbe Geständnis abgelegt; dnn an Tiefe der Idee, an Großartigkeit der Darstellung sowie an Fülle dichterischer Schönheiten

steht vermutlich der 2. Teil des Faust einzig in der Weltlitteratur da; so daß Goethe, als er, nach lang= jähriger Arbeit, mit dem Ganzen fertig war, mit Recht sagen konnte: „Es ist jetzt im Grunde ganz einerlei, ob und was ich noch etwa thue"; und die prophetischen Worte Johnson's in Bezug auf Shakespeare: „He was not of an age, but for all time" (Nicht nur für die Gegenwart war er da, sondern auch für alle Zukunft), passen, ohne Zweifel, ebensowohl auf Goethe. Der deutsche Dichter steht sogar in der Lyrik und im Epos über dem berühmten Briten, den er auch an Vielseitigkeit weit übertrifft; seine Werke dürften uns ein viel besseres kulturgeschichtliches Bild seiner Zeit geben, als dies der Fall für Shakespeare ist.

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Schließlich dürfen wir, wenn wir die beiden großen Nationaldichter vergleichen wollen, zwei Punkte nicht aus den Augen verlieren: Erstens fällt es uns heute schwer, Shakespeare's Dramen richtig zu würdigen, schon wegen der etwas veralteten Sprache und Ausdrucksweise, und besonders, weil wir heute nur schwer mit seinem Publikum fühlen können, dem jedoch der Dichter unbedingt zu gefallen streben mußte, dessen Sitten und Unsitten, Geschmack - und dieser scheint damals nichts weniger als fein gewesen zu sein Anschauungen und Leidenschaften er absolut Rechnung tragen mußte; auch mußte er sich der damaligen, noch in den Kinderschuhen steckenden Bühnentechnik anpassen, so daß die meisten seiner Dramen heute gar nicht mehr oder doch nur infolge mehr oder weniger großen Abänderungen auf unsere Bühne passen. Man muß eben Shakespeare mit dem Maßstabe seiner Zeit messen und bedenken, daß seine Mängel und Schwächen meist seinem Lande und seiner Zeit angehören dann wird man mit tiefer Bewunderung zu ihm aufblicken und jeder Anwandlung von Kritik Stillschweigen gebieten. Zweitens darf man nicht vergessen, daß Goethe in der Gestaltung seiner Tragödie vollständig freie Hand hatte; daß er zwei Jahrhunderte des Fortschritts und der verfeinerten Bildung und Anschauung vor Shakespeare voraus hatte; daß er endlich letzteren selbst als Muster und Vorbild vor sich hatte und auch nicht verfehlte, besonders in seinen Anfängen, sich dieses Vorbild zu nutze zu machen. Nur unter diesen Bedingungen kann man eine einigermaßen treffende und gerechte Parallele ziehen. Sollte ich die beiden großen Dichter ganz kurz charakterisiren, so könnte ich nur das von viel berufeneren Männern kurz gefaßte Urteil nachsprechen: „So wie Shakespeare der dramatische Dichter par excellence ist, so ist Goethe der symbolische Dichter par excellence"; und in den zwei Wörtern dramatisch“ und „symbolisch" selbst liegt ein solcher Gegenfah, daß die Schwierigkeit jeder Parallele ganz klar zu Tage tritt.

Endlich, um mit meinen beiden Dramen zu schließen, hat man oft, als tiesinnersten Grundgedanken derselben, jenen Weltschmerz bezeichnet, jene weltverachtende Bitterkeit, welche, bei zu gefühlvollen und zartbesaiteten Seelen durch herbe Erfahrungen erzeugt, von dem großen Schlachtenlenker, in der Einsamkeit auf St. Helena, in dem gedankenreichen Worte; ,,Vivre c'est souffrir" zusammengefaßt wurde; das man aber, vielleicht mit mehr Recht besonders in Bezug auf Faust durch ein anderes ersehen könnte, nämlich: „Leben heißt streben“.

Ch. Winkler.

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