ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

geist in den Augen seines Opfers seiner Würde zu entkleiden, und triumphierend kann er ausrufen:

Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,

Des Menschen allerhöchste Kraft,

Lafs nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab' ich dich schon unbedingt.

Es ist daher keineswegs seine wahre Meinung, wenn er in,,Wald und Höhle" den Gefährten, der sich als Forscher wiedergefunden hat, verspottet, dafs er wie eine Kröte aus dumpfem Moos und triefendem Gestein Nahrung schlürfe, so wenig, wie es ihm Ernst ist, wenn er dem Schüler jede Wissenschaft verächtlich macht. Worauf es ihm dem Schüler wie Faust gegenüber ankommt, ist, ihnen den Satz eindringlich vor die Seele zu führen:

Grau, theurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.

Hat er erst die Lust nach der Welt in ihnen geweckt, so können sie ihm nicht mehr entgehen, und er wird seine Freude daran haben, den hochstrebenden Gelehrten durch die schalsten Vergnügungen zu führen und seinen Sinnen keine Ruhe zu gönnen, bis er in dem wilden Leben zu Grunde geht. Mephistopheles wird in der That der Führende. Schon die Frage Fausts:,,Wie fangen wir das an?", mit der er dem Versucher auf den Vorschlag antwortet, alles Denken zu fliehen und sich mitten in den Strudel der Welt zu stürzen, deutet an, dafs er, der mit dem Leben völlig unbekannt ist, sich dem Gefährten, dessen eigentliches Element die Erde mit ihrem Thun und Treiben ist, unterordnet. Die folgenden Scenen aber, ,,Auerbachs Keller" und die ,,Hexenküche", liefern den Beweis, dafs im Fragment von vornherein Mephistopheles der Handelnde ist, während Faust sich willenlos leiten läfst. Dafs sich der Teufel seiner führenden Rolle bewufst ist, zeigen auch die Verse aus ,,Wald und Höhle":

Und wär' ich nicht, so wär'st du schon
Von diesem Erdball abspatzirt,

die verständlich sind, auch ohne dafs ein Selbstmordversuch Fausts vorhergegangen ist. So scheinen im Fragment, verglichen mit der Jugenddichtung, die Rollen der beiden Hauptpersonen gewechselt.

Dazu kommt, dafs die Aufgabe Mephistos, sein Opfer von Stufe zu Stufe sinken. zu lassen, in der zweiten Bearbeitung eine schwierigere als im ersten Entwurf ist. In dem Forscher auf der Höhe des Lebens, dem so lange seine Bücher die Welt ausmachten, kann er nicht so schnell die Sinnenlust zu entfachen hoffen wie in dem leidenschaftlichen

Jüngling, dem die Wissenschaften nur ein Spiel waren. Er mufs sein Programm erweitern:,,Wir sehn die kleine, dann die grofse Welt". Von der Art, wie der Dichter die grofse Welt darstellen wollte, ist im Fragment nicht einmal eine Andeutung enthalten. Aber auch die kleine Welt ist aufser durch die Gretchentragödie nur durch das Bild aus dem Leipziger Studentenleben zur Anschauung gebracht. Es hat daher die Vermutung einiger Fausterklärer viel für sich, dafs die Hexenküche symbolisch die ganze Reihe der

Zerstreuungen darstellen soll, die Faust nach dem Plane seines bösen Dämons durchkosten muss, ehe er zur Sinnlichkeit und durch diese zum Verbrechen geleitet wird'). Der Hauptzweck der Hexenküche, Fausts Verjüngung, ist damit sehr wohl vereinbar. Es bedarf aufsergewöhnlicher Mittel, um den der Welt abgekehrten fünfzigjährigen Mann in jene sinnliche Erregung zu versetzen, die ihn Helenen in jedem Weibe sehen läfst. Darum mufs ihm das Bild der griechischen Heroine im Zauberspiegel gezeigt, darum der Zaubertrank gereicht werden, der sein Äufseres verändert 2) und ihn für weibliche Reize empfänglich macht. Dafs die Hexenküche uns zugleich einen neuen Zug Mephistos, seine Lust am Gemeinen, kennen lehrt, mag hier eingeschaltet werden.

Endlich ist es dem Teufel gelungen, sein Opfer in Leidenschaft und Sünde zu verstricken. Aber noch einmal versucht Faust vor dem Versucher und der eigenen Begierde zu fliehen, er zieht sich in die Einsamkeit zurück und findet in der Erforschung der Natur das Gleichgewicht der Seele wieder. Es ist freilich eine ganz andere, neue Art des Studiums, die sich ihm aufgethan hat; nicht mehr aus Büchern schöpft er sein Wissen, er beobachtet die Wesen, welche die Flur beleben, prüft sie auf ihre innere Natur und lernt so in ihnen seine Brüder kennen. Mufs ihm nicht auch hier der Erdgeist, dem er sein ganzes neues Leben verdankt, als der Wohlthäter erscheinen, der ihm dieses neue Wissensfeld erschlossen hat? Doch die Einsamkeit vermag noch mehr: sie veranlasst ihn, den eigenen Seelenkräften und den Gesetzen ihrer Thätigkeit nachzuforschen. Und ist er von der anstrengenden Arbeit des Geistes ermüdet, so bietet ihm die Erinnerung an die Gestalten der Vorwelt, welche der silberne Mond vor seine Blicke zaubert, eine wohlthuende Erholung. Dieses Leben führt Faust längere Zeit, nachdem er es bald nach Gretchens Fall begonnen hat. Mephistopheles hat ihn vielleicht selbst dazu veranlasst, um die Schuld, welche er der Geliebten gegenüber auf sich geladen, durch seine Entfernung von ihr zu vergröfsern. Aber als der Teufel merkt, dafs der unruhige Geist seines Gefährten in der stillen Naturbetrachtung Befriedigung findet, da fürchtet er, dafs er sein Opfer verlieren könnte.

[blocks in formation]

mit diesen Worten sucht er ihm sein neues Leben zu verleiden, und noch ist die Leidenschaft zu Gretchen nicht so völlig in dem Herzen des bethörten Mannes zurückgedrängt, dafs er neuen Lockungen des Versuchers widerstehen könnte. Gleichzeitig erwacht aber auch das Bewusstsein seiner Schuld, und indem ihm das Geschick der Geliebten vor die

1) Vgl. Kreyfsigs Vorlesungen über Goethes Faust, herausgegeben von Franz Kern. S. 90 ff. Kreyfsig hat übrigens übersehen und auch Kern scheint es entgangen zu sein, dafs sechzehn der ,,Hexenküche" der fertigen Dichtung angehörige Verse (2366-2377 und 2390-2393) im Fragment noch fehlen. Er begeht also einen Irrtum, wenn er auch die,,breiten Bettelsuppen", die fürs ,,grofse Publikum“ gekocht werden, zu der Anschauungsweise Goethes, wie sie in den Dichtungen der Jahre 1787-1790 sich ausprägt, in Beziehung setzt.

2) Wenn Goethe bei einer Vorlesung im Jahre 1829 an der Stelle, wo Faust aus dem Zauberkreis der Hexe heraustritt und sein Verlangen nach dem Zauberspiegel ausspricht, aus dem tiefen Bafs in einen hellen Tenor umschlug, so kann seine Intention nicht zweifelhaft sein: das Gebräu der Hexe soll ein Verjüngungstrank sein.

Seele tritt, will er mit ihr zu Grunde gehen 1). Mephistopheles zieht ihn mit sich, doch sicherlich nicht, um ihn blofs in die Arme des unglücklichen Mädchens zurückzuführen. Das Verlassen der Einsamkeit soll Faust mit einer neuen Schuld, dem Morde Valentins, büfsen). Diese Scene fehlt jedoch im Fragment, und es schliefst, nach dem herzerschütternden Gebet Gretchens vor der Mater dolorosa, mit der Domscene.

Verglichen mit dem ersten Entwurf, zeigt die Dichtung vom Jahre 1790 zwei entschiedene Abweichungen von der überlieferten Sage: Faust ist alles Zauberwesen verhafst, und Mephistopheles spielt nicht die Rolle eines untergeordneten Dieners, sondern er ist der welterfahrene Skeptiker; dem der Genosse, zum Teil widerstandslos, sich unterordnet. Ja Faust bekennt sogar in Wald und Höhle", dafs er den Gefährten schon nicht mehr entbehren kann, mag er damit meinen, dafs er ohne ihn nicht fertig zu werden glaubt, oder, wie es Düntzer erklärt, dafs derselbe bereits ein Teil seines Wesens geworden ist. Am Schlufs des Fragments aber drängt sich die Frage auf: wird es dem Teufel gelingen, den ernsten, wissensdurstigen Mann, der schon einmal seinen Schlingen. entgangen zu sein schien, so zu entsittlichen, dafs er zuletzt der Hölle überantwortet werden mufs?

Hiernach sind wir wohl zu der Annahme berechtigt, dafs das Fragment nicht blofs den weiter ausgeführten Urfaust, sondern, da die Charaktere der beiden Hauptpersonen und ihr Verhältnis zu einander völlig verändert ist, einen neuen Entwurf darstellt.

Dafs in der dritten Bearbeitung des Faust, welche die fertige Dichtung vorstellt, ein dritter Entwurf vorliegt, folgt schon aus dem, was über ihre Entstehung gesagt ist. Es würde ohnehin zur Genüge aus der ,,Zueignung" und dem ,,Prolog im Himmel" hervorgehen; auch den Gegensatz zwischen dem jugendlichen Schaffen und der Dichtung des Alters, den das ,,Vorspiel auf dem Theater" hervorhebt, kann man in Betracht ziehen. Als Goethe das Schema zu seiner neuen Arbeit entwarf, löste er, wie wir wissen, das, was gedruckt war, also das Fragment, wieder auf und disponierte es mit dem, was schon fertig oder erfunden war, in grofse Massen. Zu den fertigen oder erfundenen Partieen, von denen er spricht, gehörten sicher die fünf letzten Scenen des Urfaust; ob ihm noch andere gröfsere Stücke zur Verfügung standen, ist nach dem, was wir über die

1) So gut auch dieser Gedankengang verständlich ist, hat doch der Dichter die Vereinigung des Schlusses der im Urfaust enthaltenen Valentinscene mit dem neu hinzugedichteten Gespräch von „Wald und Höhle" nicht einwandfrei zustande gebracht. Der Anfang des aus der alten Dichtung herübergenommenen Stückes:

Nur fort, es ist ein grofser Jammer!

Ihr sollt in eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod

passt zu den vorhergehenden Worten Fausts und seinem Benehmen ganz und gar nicht. Und der Stimmungswechsel, der mit den Worten beginnt:,,Was ist die Himmelsfreud' in ihren Armen?" ist so plötzlich, dafs man glauben könnte, es seien Verse ausgefallen, wenn uns nicht der ganze Scenenschlufs aus der Göchhausenschen Abschrift bekannt wäre.

2) Vgl. E. Schmidt a. a. O. XXVIII. Anm.

Chronologie der Faustdichtung wissen, mindestens zweifelhaft'). Versuchen wir es, das Schema des Dichters aus dem vollendeten Werke zu rekonstruieren, so erhalten wir folgende grofse Dispositionsmassen:

Erster Teil.

1. Faust vor der Weltfahrt (Nacht. Vor dem Thor. Studirzimmer 1 und 2). 2. Die vorbereitenden Schritte Mephistos zur Entsittlichung Fausts (Auerbachs Keller. Hexenküche).

3. Gretchens Verführung bis zu ihrem Fall (Strafse. Abend. Spaziergang. Der Nachbarin Haus. Strafse. Garten. Ein Gartenhäuschen).

4. Gretchens Fall (Wald und Höhle. Gretchens Stube. Marthens Garten. Am Brunnen. Zwinger).

5. Fausts Mord und Untreue (Nacht. Dom.

nachtstraum).

Walpurgisnacht. Walpurgis

6. Gretchens Untergang (Trüber Tag. Nacht. Kerker).

Zweiter Teil.

1. Faust als Hof- und Staatsmann.

2. Sein Ringen nach dem Kunstideal.

3. Im Besitz des Schönen.

4. Im Kriege.

5. Der Schöpfer eines neuen Staatswesens.

Was dieses Schema von dem dramatischen Gefüge des Fragments, soweit es mit ihm verglichen werden kann, wesentlich unterscheidet, ist die Anordnung der Scene,,Wald und Höhle". In der Dichtung vom Jahre 1790 ist Gretchen bereits der Leidenschaft Fausts zum Opfer gefallen, als er sich in die Einsamkeit zurückzieht. Der Wortlaut von „Wald und Höhle", namentlich das Gespräch mit Mephisto, steht damit keineswegs im Widerspruch). Ja, wir verstehen bei der Anordnung des Fragments um so besser die Scene „Zwinger", welche die Verzweiflung des unglücklichen Mädchens darstellt, des Mädchens, das die volle Gewifsheit ihrer Schande erlangt hat und sich von dem Geliebten verlassen sieht. Die Einreihung von „Wald und Höhle" hinter der Scene „Ein Gartenhäuschen" bleibt in jedem Fall unbefriedigend. Gewöhnlich wird vorausgesetzt, dafs Faust aus Gretchens Nähe flieht, weil sie noch unschuldig ist, und er sie nicht der Schande preisgeben will; aber dann bedürfen die Worte

So tauml' ich von Begierde zu Genufs,

Und im Genufs verschmacht' ich nach Begierde

und manche andere einer höchst gezwungenen Erklärung. Nimmt man dagegen mit Kern an, dafs Fausts Selbstanklage und seine Unterredung mit Mephistopheles Gretchens Fall zur Voraussetzung hat, so ist die dramatische Steigerung, welche in der ursprünglichen Scenenfolge liegt, und die in dem Augenblick ihren Höhepunkt erreicht, wo Faust der

1) Auf die Scenen des Urfaust pafst auch der Ausdruck, welchen Goethe in dem Briefe vom 24. Juni 1797 braucht, wo er sie als ,,die grofsen erfundenen und halb bearbeiteten Massen" bezeichnet.

2) Vgl. Kern: Drei Charakterbilder aus Goethes Faust, 2. Ausg., S. 42 ff.

Geliebten den Schlaftrunk für die Mutter aufnötigt, zerstört, und die Scene „Am Brunnen" ist völlig überflüssig geworden. Denn diese ist nur unter der Voraussetzung verständlich, dafs wir von der noch jungen Schuld Gretchens Gewifsheit erhalten und die Gefallene unter dem frischen Eindruck ihrer Sünde vor uns sehen1).

Auch von der Scenenfolge des Urfaust weicht das Schema der fertigen Dichtung ab. Valentins Tod, welcher dort auf die Domscene folgen sollte, ist ihr hier vorausgeschickt. Dem jungen Dichter schwebte ein lebendiges, in rascher Folge sich abspielendes dramatisches Gemälde vor: auf Gretchens Fall folgt der Tod ihrer Mutter; die Seelenqual, welche die Domscene schildert, ist um so verständlicher, da es sich um die Leichenfeier der Gestorbenen handelt; die Ermordung des Bruders durch den Geliebten und die Flucht Fausts steigert darauf das Elend des Mädchens ins unendliche; dafs sie zuletzt zur Mörderin an ihrem Kinde wird, begreifen wir so gut wie den Schlufs der erschütternden Tragödie. Im Fragment fehlt die Valentinscene gänzlich, es fehlt aber auch neben der Überschrift „Dom" der Zusatz „Exequien der Mutter Gretchens"; schon 1790 scheint also Goethe beabsichtigt zu haben, die beiden Scenen umzustellen. Der Grund zu dieser Änderung ist vielleicht darin zu suchen, dafs bei der ursprünglichen Anordnung in drei aufeinanderfolgenden Scenen lediglich Gretchens Schuld behandelt wird, während Faust völlig im Hintergrund bleibt; denn den Eindruck der Domscene dadurch noch zu steigern, dafs auch Valentins Blut vor der Seele des Mädchens aufsteigt, ist schwerlich allein die Absicht des Dichters gewesen.

Unter den Stücken des ersten Teils der Dichtung, welche nach dem Jahre 1797 hinzugekommen sind, haben die ,,Walpurgisnacht" und der ,,Walpurgisnachtstraum“ nur einen losen Zusammenhang mit dem Entwickelungsgang des Dramas. Sie sollen augenscheinlich die abgeschmackten Zerstreuungen" vertreten, in denen Mephistopheles sein Opfer wiegt, während Gretchen im Elend verzweifelt. In der Walpurgisnacht die Fortsetzung kommt kaum in Betracht -- werden die menschlichen Laster und Schwächen in phantastischen Bildern gezeichnet, für welche die Natur den gespenstischen Hintergrund bildet. Faust ergötzt anfangs das tolle Treiben, in das er geraten ist, und da ihn der Gefährte nicht, wie er es wünscht, auf den Gipfel des Blocksberges führt, wo der Böse in eigner Person thront, begnügt er sich, ihm auf Seitenwegen zu folgen. Aber plötzlich tritt er aus dem Kreis der jungen Schönen, mit denen er getanzt, heraus, eine Vision hat ihn erschreckt: er glaubt Gretchen zu sehen, die mit geschlossenen Füfsen, den Hals mit einem roten Schnürchen geschmückt, sich langsam fortbewegt. So bricht mitten in dem Taumel des wüstesten Genusses seine bessere Natur hervor.

Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der beiden Hauptcharaktere, insbesondere zu der Frage, wie sich der Faust des dritten Entwurfs von dem der beiden früheren Bearbeitungen unterscheidet, so werden wir auf diejenigen Partieen hingewiesen, welche zur Ausfüllung der grofsen Lücke des Fragments (Vers 606 bis 1769 des fertigen Dramas) gedichtet worden sind. Jener Faust, wie er aus dem Verkehr Goethes mit Schiller her

1) Der Zweck der Brunnenscene kann nicht der sein, in Gretchen die Besorgnis zu erwecken, dafs der Geliebte sie im Stich lassen könnte; dies zeigen die Schlufsworte des Mädchens, namentlich die Verse:

Doch alles was dazu mich trieb,
Gott! war so gut! ach war so lieb!

Graues Kloster 1891.

4

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »