ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

der Schlufs seiner Dichtung, wie er bei einer etwaigen Vollendung des Ganzen veröffentlicht werden sollte, erst um die Wende des Jahrhunderts entworfen war, so konnte er ihn nicht als ein Produkt oder einen Plan seiner Frühzeit ausgeben, also auch nicht in eine für das Jahr 1775 bestimmte Skizze des Dramas aufnehmen. Das Ergebnis, welches wir damit gewinnen, lautet: so wie die fertige Dichtung hätte der Urfaust, wenn er fortgesetzt worden wäre, nicht geschlossen. Bildete aber die Darstellung des selbst im höchsten Alter rastlos strebenden Mannes nicht das Ende des Werkes, so war auch das Trostwort der Engel:

Wer immer strebend sich bemüht,

Den können wir erlösen !

schwerlich die der Dichtung zu Grunde liegende Idee.

War überhaupt mit dem ursprünglichen Plan eine bestimmte Idee verknüpft, so könnte man diese nur aus der Gedankenwelt, in welcher Goethe zur Zeit der Conception des Werkes lebte, rekonstruieren. Der Seelenzustand des jungen Dichters entzieht sich nicht unserer Beurteilung; die gleichzeitigen Werke, Götz und Werther, geben davon Kunde, zu denen seine Briefe und die Nachrichten, die der alternde Meister aufgezeichnet hat, ergänzend hinzutreten. Es ist ein Zustand der Unbefriedigung, unter dem der Jüngling litt, und der ihn fast zum Selbstmord getrieben hätte. Unbefriedigt vom kirchlichen Glauben, der Wissenschaft, der Gesellschaft und seinem Berufe, rang er nach geistiger Befreiung, die er endlich im dichterischen Schaffen fand. Aber er konnte sie seiner Natur nach nur dadurch erlangen, dafs er unmittelbar denjenigen Empfindungen, die ihn niederdrückten, poetische Gestalt gab. Lange schon hatte die Fabel vom Doktor Faust ,,gar vieltönig" in ihm wiedergeklungen; denn hier sah er einen verwandten Geist verwandte Empfindungen aussprechen. Der Faust der Überlieferung verlangt vom Teufel nicht nur,,den Genufs aller Herrlichkeiten der Welt", sondern auch ,,die wahrhafte Beantwortung aller seiner Fragen"; denn er will,,im Wissen vollkommen" werden. Er hat mit der Theologie, d. h. mit Gott, gebrochen und sich der Magie ergeben und verschreibt sich endlich dem Teufel. Im Puppenspiel hält er sich längere Zeit am Hofe des Herzogs von Parma, im Volksbuch in der Umgebung des Kaisers Maximilian I. auf. Das letzte, was beide Überlieferungen von seinem Thun zu berichten wissen, ist sein Zusammenleben mit Helena; als seine Zeit um ist, mufs er dem Teufel zur Hölle folgen. Welchen Eindruck diese Fabel auf Goethe machte, hat er später in ,,Dichtung und Wahrheit" berichtet.,,Auch ich," sagt er,,,hatte mich in allem Wissen umhergetrieben und war früh genug auf die Eitelkeit desselben hingewiesen worden. Ich hatte es auch im Leben auf allerlei Weise versucht und war immer unbefriedigter und gequälter zurückgekommen. Nun trug ich diese Dinge, so wie manche andre, mit mir herum und ergetzte mich daran in einsamen Stunden." Was ihn also an dem Faust der Sage, als seinem Wesen verwandt, anzog, war sein Auflehnen gegen Gott, Wissenschaft und Sitte, sein Niederreifsen aller Grenzen, welche die Natur und die Menschen dem Streben des Einzelnen setzen. Ein revolutionärer Gedanke war es daher zweifellos, der den Anstofs zur Conception des Werkes gab, ein solcher könnte es auch nur gewesen sein, den der Dichter dem Ganzen. zu Grunde legte.

Hierzu würde aber die Skizze des Jahres 1824, wenn wir auch nur ihre äusseren Umrisse auf den Jugendentwurf übertragen, nicht passen. Drei Episoden sind es, welche

Graues Kloster. 1891.

6

in derselben die Fortsetzung des ersten Teils der Tragödie bilden: Fausts Aufenthalt am Hofe des Kaisers Maximilian, seine Verbindung mit Helena und sein Kampf um Herrschaft und Besitz. Zwei von diesen Dispositionsmassen wären vielleicht mit einer revolutionären Grundidee vereinbar, die dritte aber, Fausts Kampf um Herrschaft und Besitz, scheint ihr eher zu widersprechen.

Fassen wir alles, was wir über den ersten Entwurf wissen, zusammen, so wird es uns als das Wahrscheinlichste gelten, dafs der Dichter des Urfaust überhaupt nicht die Absicht hatte, eine bestimmte Idee darzustellen.

[ocr errors]

Ebenso ist es wenig glaubhaft, dafs die Fortsetzung von vornherein klar durchdacht, und namentlich das Ende des Helden festgestellt war, betont doch Goethe in in dem Briefe an Wilhelm von Humboldt vom 17. März 1832 ausdrücklich, dafs ihm der Faust bei seiner Conception jugendlich, die ganze Reihe hin weniger ausführlich vorlag. Halten wir uns in dem Rahmen des ersten Entwurfs, wie er durch die Göchhausensche Abschrift überliefert ist, so könnten wir annehmen, dafs das Ende Fausts ein tragisches sein sollte. Denn dem poetischen Empfinden des jungen Dichters entsprach es gewifs, dafs dem Übermut des Helden der Untergang folgte; dies zeigt z. B. der Stoff, den er sich für eine verwandte revolutionäre Dichtung, den Prometheus, wählte. Ob aber die Katastrophe durch einen Selbstmord oder eine Höllenfahrt Fausts oder sonstwie dargestellt werden sollte, das scheint eine müfsige Frage. Gleichwohl darf nicht verschwiegen werden, dafs eins der Schemata der Dichtung (Paralipomenon 1) mit den Worten schliefst:,,Epilog im Chaos auf dem Weg zur Hölle", woraus soviel hervorgeht, dafs Goethe der Gedanke an eine Höllenfahrt nicht durchaus fern lag.

Noch weniger als beim ersten Entwurf wird sich beim Fragment die Frage, ob dem Dichter bei der Ausarbeitung der einzelnen Scenen eine bestimmte Grundidee vorgeschwebt habe, in bejahendem Sinne entscheiden lassen. Denn wenn Goethe in dem schon öfter citierten Briefe an Schiller vom 22. Juni 1797 schreibt, er wolle das, was gedruckt sei, wieder auflösen, um so die Ausführung des Planes, der eigentlich nur eine Idee sei, vorzubereiten, und wenn er dann fortfährt: „Nun habe ich eben diese Idee und deren Darstellung wieder vorgenommen und bin mit mir selbst ziemlich einig", so geht soviel daraus hervor, dafs er bisher mit seiner Idee nicht im Reinen war. Als völlig sicher aber ergiebt sich zugleich aus den angeführten Worten, dafs der Grundgedanke der fertigen Dichtung dem Fragment noch fremd war. War der Urfaust in den Dienst einer Idee gestellt, so würde diese für das Fragment erst recht nicht in Betracht kommen. Denn in denjenigen Scenen, welche im Fragment neu hinzugekommen sind, tritt das revolutionäre Element, welches für den ersten Entwurf charakteristisch ist, völlig zurück. Ja in der Ankündigung der „Helena" in ,,Kunst und Alterthum" spricht Goethe sogar seine Verwunderung aus, dafs diejenigen, welche eine Fortsetzung und Ergänzung seines Fragments unternahmen, nicht auf den so nahe liegenden Gedanken gekommen seien, „man müsse bey Bearbeitung eines zweiten Theils sich nothwendig aus der bisherigen kummervollen Sphäre durchaus erheben und einen solchen Mann, in höheren Regionen, durch würdigere Verhältnisse durchführen." Den Faust von ,,Wald und Höhle" zuletzt in die Hölle fahren zu sehen wem sollte dieser Gedanke nicht fremdartig scheinen?

So gewifs also das Fragment ein selbständiger Entwurf ist, so wenig wird man doch von einer Grundidee sprechen können, welche dem Dichter bei der Ausarbeitung desselben vorgeschwebt hätte. Er glaubte das Stück, welches er vor fünfzehn Jahren begonnen hatte, einfach fortzusetzen; dafs sich hierbei die Charaktere der beiden Hauptpersonen und damit der Charakter des Ganzen nicht unwesentlich veränderte, kam ihm wohl erst später zum Bewusstsein. An eine Ausführung des zweiten Teils hat er in der Zeit von 1787-89 wahrscheinlich überhaupt nicht gedacht, weshalb er an den Herzog Carl August schrieb:,,Faust ist fragmentirt, das heifst in seiner Art für diesmal abgethan."

Druck von W. Pormetter in Berlin.

Goethes Faust

als weltliche Bibel betrachtet.

Von

Oberlehrer Dr. H. Lahnor.

Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Herzoglichen Gymnasiums zu Wolfenbüttel 1894.

[blocks in formation]
« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »