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Prologe nennt; ja er ist diesem so wenig verhaßt, daß er Zutritt zu seinem Throne hat und daß die von ihm angebotene Wette um Faustens Seele ein gnädiges Ohr findet.*)

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Und nun erst Faust! Zwar ist er noch der der Magie nachgehende Grübler und Zweifler, der gelehrige und hoffärtige Kopf, dessen „Brust erschwillt mit Freudebeben, sich höheren Geistern gleichzustellen", der auch in gewissen Stunden frevelnden Übermutes sich einen Übermenschen“, ja einen Übercherub dünkt und über Wolken seines Gleichen dichtet (d. h. sich selbst einem Gotte gleich fühlt); aber diese Schattenseite seines Wesen erhält in der Tragödie eine lichte Gegenlinie, die zugleich auch jenes frevelnde Grübeln und Streben vergeistigt, erhebt, adelt: wie er vordem als junger Mensch uneingeschränkt fromm war, wie er durch Beten und Fasten die Pestilenz zu bannen gedachte, so ist der Ältergewordene innerlich nach wie vor christlich gesinnt, wenn er es auch äußerlich nicht immer Wort haben will. Die Thatsache bleibt bestehen trotz widersprechender Stellen, wie es namentlich die eine ist, wo Gretchen Fausten wegen seiner Religion zur Rede stellt. Geschickt weiß er der holden Fragerin auszuweichen, und nicht mit Unrecht thut sie deshalb jenen den Rationalismus trefflich kennzeichnenden Ausspruch:

Wenn man's so hört, möcht's leidlich scheinen,

Steht aber doch immer schief darum:

Denn du hast kein Christenthum!

Indessen: diese Unterredung ist bis auf unbedeutende redaktionelle Änderungen aus
Urfaust herübergenommen das erklärt alles.

Will man recht sehen, muß man diejenigen Partieen studieren, welche lediglich dem neuen Fauft angehören. Ein paar Beispiele sind unerläßlich. Im Urfaust schließt der erste Abschnitt mit dem Abgang Wagners. Dann klafft eine große Lücke, und es folgt gleich die Scene zwischen Mephisto 'und dem Studenten. Es fehlen also vollständig der zweite Monolog Faust's (nach kurzem Übergange mit den Worten beginnend: Ich Ebenbild der Gottheit...), der Osterchor, der Osterspaziergang, der dritte Monolog des Helden (in Anwesenheit des Pudels) und der Pakt mit Mephistopheles. Nun sehe man zu! In dem zweiten Monologe kommt Faust zu dem Entschlusse, sein Leben wegzunverfen. Schon setzt er die Giftschale an den Mund - da erschallt der lieblichfromme Osterchor! Welcher Inhalt und welche Wirkung dieser Auferstehungslieder! Gegen sie sträubt sich der eben noch Verzweifelnde vergeblich; selbst rationalistische Redensarten (z. B. die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube) verfangen nicht: die Erinnerung an die Zeit freudigen Glaubens, da das Gebet ein brünstiger Genuß war, hält ihn mit überirdischer Gewalt vom letzten Schritte ab und treibt ihm das Naß der Wehmut und der Reue in die Augen:

Otönet fort, ihr süßen Himmelslieder!

Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!

So spricht kein Verlorener: es ist der irrende Sohn, von dem man hier schon hoffen muß, daß er dereinst ins Vaterhans heimkehren wird. - Es folgt der Osterspaziergang, durch den schon deutlicher der frische Odem deutschen Christentums weht, und darauf der für unsere Betrachtung

*) Die Stelle des Hiob (1, 11 f.; ähnlich 2, 5 f.) lautet, wörtlich überseßt: „Aber recke deine Hand aus und taste an alles, was er hat: Wenn er dich nicht ins Angesicht segnet (sc. so geschehe mir, was du willst)! Der Herr sprach zum Satan: Siche pa, alles, was er hat, ist in deiner Hand.“ Das kommt in der That auf eine Wette hinaus, und so überfest Luther, da die Ellipse im Deutschen doch unnachahmlich ist, geradezu: „Was gilt's, er wird dich ins Angesicht segnen“. (Im Hebräischen steht segnen euphemistisch für fluchen.) Der Lutherschen Überseyung ist der Gedanke einer Wette zwischen dem Herrn und Mephistopheles entsprungen.

bedeutsamste dritte Monolog. Da spricht Faust selber es aus: Durch den Spaziergang in Gottes schöner Frühlingswelt ist die bessre Seele in ihm erwecktes regt sich Menschenliebe und Liebe Gottes regt sich nun er sehnt sich nach des Lebens Quelle hines drängt ihn seinen Durst zu löschen an der alle überragenden Offenbarung des Neuen Testamentes: dem im Pudel Verkappten wird es immer unheimlicher, er schwillt auf zum gespenstigen Ungeheuer und führt schleunig den Fortgang der Handlung herbei. Was ist weiterhin der Hauptzweck der Herenküchenscene, die ebenfalls im Urfaust fehlt? der Zaubertrank! Wie sittlich unverdorben der Held war, che er ihn genossen, zeigt sich in seinem Erstaunen vor dem Zauberbilde :

Ist's möglich? ist das Weib so schön?

Nur durch Hererei also bringt es der Satan fertig, den Helden zu blenden und in große Schuld zu stürzen; mithin dient die satanische Veranstaltung zu seiner Entlastung.

Kurz und noch einmal: aus dem Erzzauberer und Schwarzkünstler der Sage und des Urfaust ist eine edle, von Grund aus gute Natur geworden, der es nicht genügen kann, Schätze zu sammeln, die die Motten und der Rost fressen, und die keine Befriedigung im Sinnengenusse finden kann. Faust gleicht dem Manne des Evangeliums, der köstliche Perlen suchte; wenn er auch im Leben die köstlichste noch nicht ergriffen hat, erschaut hat er sie von ferne und mit der Seele gesucht durch ein ganzes Leben. Dieses geadelte Streben des Helden nach Verklärung zieht sich wie ein farbiger Faden durch das ganze Drama; alle Abwege, Verirrungen und Täuschungen sind nur Umwege zu dem hohen Ziele, nach welchem es ihn drängt; denn, es irrt der Mensch, so lang er strebt". Mephistopheles selber hat diesen hohen Drang Faustens recht gut durchschaut, sagt er doch von ihm, daß sein übereiltes Streben der Erde Frenden über= springe, daß er nach der Menschheit Krone strebe. Und der Herr selbst? Er nennt ihn seinen Knecht, einen guten Menschen, der sich in seinem dunklen Drange des rechten Weges wohl bewußt sei. (Gerade diese Stelle des Prologes enthält die beste Erläuterung des Faustischen: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!) — Faustens Unsterbliches wird von den Engeln ein Seelenschaz, von den Heiligen eine gute Seele genannt, und ein Mephisto trauert zum Schlusse über den ihm entrissenen großen einzigen Schaz, die hohe Seele.

Ja, trotz des traurigen Geschickes des Philemon und seiner Baucis ist es nicht einmal ein Wagnis zu behaupten, Faust habe sich überhaupt nur einer einzigen schweren Verirrung schuldig gemacht. Wie sagen doch die drei Büßerinnen?

Gönn' auch dieser guten Seele,
Die sich einmal nur vergessen,
Die nicht ahnte, daß sie fehle,
Dein Verzeihen angemessen.

Was Philemon und Baucis betrifft, so hat man deren Untergang als eine schreckliche Gewaltthat dargestellt, hervorgerufen durch die unbegrenzte Herrschsucht des Besitzenden, und den Dichter gänzlich mißverstanden! Faust ist zwar über den unvernünftigen Eigensinn der Leutchen zornig, die sich seinem guten Werke in den Weg stellen, wie es Ahab war über den starrköpfigen Naboth, aber er will ihnen nichts zu leide thun, sondern sie reich entschädigen für das Überlassen ihres Gütchens. Allein es kommt so, wie in der Geschichte des Naboth, wo andere den Wünschen des Königs zuvorkommen: Mephistopheles beeilt sich seines Herrn Wunsch zu vollziehen und braucht Gewalt. Faust ist außer sich und flucht ihm samt seinen Helfershelfern! Zum Unglücke pflegt nun auch der auf diesen Fluch unmittelbar einsetzende Chorus völlig unbeachtet oder unverstanden zu bleiben, der die Schuld des alten Paares zur Erkenntnis bringen soll, um derentwillen es tragisch enden muß. Wo starrköpfige Beschränktheit und groß

mütterlich-rückständige Anschauung sich wahrem Fortschritt hemmend in den Weg stellt, da muß sie es unbeklagt hinnehmen, wenn der Feuerwagen neuer Zeit und Kultur zermalmend über sie hinbraust. Es macht beinahe den Eindruck, als hätte der Dichter die bevorstehende neue Zeit der Eisenbahnen geahnt, vor denen eigensinniges Eichklammern an die ererbte Scholle biegen oder brechen muß. Aber Faust hat sich doch dem Teufel übergeben! Auch das entspricht den thatsächlichen Verhältnissen mit nichten, auch hierin hat Goethe einen Siebenmeilenschritt über die Überlieferung hinausgethan. Nicht Faust ist es, der den Satan beschwört: dieser selbst nähert sich ihm und drängt sich ihm auf: „Ich habe dir nicht nachgestellt, bist du doch selbst ins Garn gegangen“, darf Faust der Wahrheit gemäß zu dem Geiste sagen. Zudem übergiebt er sich ihm nicht blindlings und weiß genau, was er thut und sagt und worum er wettet; aus seinen Worten spricht die vollste Zuversicht auf den Sieg:

Kannst du mich mit Genuß betrügen:

Das sei für mich der lezte Tag!
Die Wette biet' ich!

So schleppt denn der Geist sein vermeintliches Opfer durch die Zerstreuungen und Genüsse der kleinen und durch die größeren Versuchungen der großen Welt und des Ehrgeizes; aber immer ist er der arme geplagte Diener eines ihm überlegenen Geistes, Faust dagegen bleibt überall der ihn überragende Herr und Gebieter. Selbst im letzten Augenblicke, da Faust die bedeutsamen Worte spricht:

Im Vorgefühl von solchem hohen Glück

Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick

ist er es noch und der wirkliche Gewinner der Wette. Denn der Augenblick, zu dem er spricht, ist noch nicht da, nur im Vorgefühl davon fühlt er sich glücklich; außerdem aber und vor allem gilt das Festhaltenwollen nicht, wie doch ausgemacht, einem leeren Genusse, sondern einem edlen, einem menschenfreundlichen Liebeswerke. So schlägt nun mit vollgewahrter poetischer Gerechtigkeit der Jubel des Mephisto über seinen eingebildeten Sieg baldigst in bittere Enttäuschung um: er unterliegt im Kampfe mit den Engeln, und diese entreißen ihm den edlen Seelenschat. Hat er vielleicht auch seine Wette mit Faust halb und halb gewonnen, die gegen den Herrn eingegangene hat er ganz und gar verloren: es ist ihm nicht gelungen, den Edlen seine Straße sacht' zu führen, ihn auf seinem Wege mit herabzuziehn; ja schon während der langen Wallfahrt ist jener ihm entwischt. Wie es der Herr vorausgejagt, Mephisto steht beschämt und gesteht:

Du bist getäuscht in deinen alten Tagen,

Du hast's verdient, es geht dir grimmig schlecht.

Es bleibt also bei dem Worte des Herrn: Ein guter Mensch ist in seinem dunklen Drange sich doch stets des rechten Weges zum Lichte bewußt; das Begnadigungsrecht Gottes kann also sogleich zum heitersten Schlusse des Ganzen hereintreten (Goethe an Schubarth), und in hellem Jubelchore erschallt das siegende Schlußwort:

Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan!

So sind wir wieder an der Grundidee angelangt, deren Einheit der Dichter selber betont hat und die sich von Anfang bis zu Ende wie ein glänzender Faden durch das ganze Drama hindurchzieht. Wohl sind an diesen Faden allerlei schöne Dinge gereiht: da finden sich sein geglättete und zu neuem Schimmer aufgearbeitete Perlen der Volkssage, da treffen wir eigens

geschliffene Demante Goethischer Phantasie, auch bunte Glasperlen fehlen nicht, auf daß auch das Komische und Derbe zu seinem Rechte komme. Troßdem bleibt, wenn man diese Zuthaten und Episoden im Geiste kurz überblickt und das Auge dabei immer nur an solchen Punkten länger haften läßt, wo die Farbe des durchgehenden Fadens klar hervortritt — deren giebt es sogar in der langausgedehnten klassischen Walpurgisnacht eine ganze Reihe trotzdem bleibt, sage ich, für den verständnisvollen Leserseines Faust die Einheit des Gemäldes voll und ganz bestehen, und dieses selbst erscheint voll Einfachheit und durchsichtiger Klarheit. Wäre der erst neuerdings gemachte Versuch eines Otto Devrient, das ganze Werk in beiden Teilen Wort für Wort auf die Bühne zu bringen (zuerst in Weimar geschehen), wäre der früher gemacht worden, der augenscheinliche Beweis wäre längst erbracht, daß das Drama ein zusammenhängendes Gebäude bildet und von gewaltiger ungeahnter Gesamtwirkung ist.

Die wenig homogenen Einzelzüge des ungeheuren Stoffes sind es, die selbst einem Schiller einen gelinden Schrecken eingejagt haben, als er den Faust in den vorliegenden Bruchstücken las. Ein so vielseitiger Stoff, in welchem derber Spaß, lustiger Humor mit tiefem Ernst und großen typischen Lehren gemischt sein sollte, welcher Himmel und Hölle hereinzog, der den tollsten Spuk mit der ewigen Weisheit in Beziehung brachte, der die antike Welt in die moderne einfügte, so daß beide sich aufs innigste durchdringen, mochte berechtigte Zweifel erwecken, daß die Kraft eines Menschen zu seiner, Darstellung ausreichte. Schiller hat den vollendeten Faust nicht erlebt, wir aber staunen schwindelnd an ihm empor und bekennen demütig: Der große Wurf ist gelungen, das Unbeschreibliche, hier ist es gethan! Und nichts wollen wir missen von unserem Faust, nichts verändert sehen: das Werk, welches trotz allem und allem, so wie es in seinen beiden Teilen fertig vorliegt, in einem Zuge hingeschrieben, wie spielend hingeworfen erscheint, dieses in der Weltlitteratur einzig dastehende Werk, dieses Werk des gottbegnadeten Dichters: es erfüllt unsere Brust mit süßem Wonnebrand, mit deutschem Stolze!

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Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Neuen Gymnasiums zu Darmstadt.
Oftern 1905.

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