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Das Symbol der Gottheit, die im Frühjahr ihren Einzug bei den Menschenkindern hält, war der erste grüne Zweig, die erste blühende Blume, der erste Vogel oder Käfer; das Kultzeugnis der Vermählung des Himmelsgottes mit der mütterlichen Erde war vermutlich im Sommer der Maibaum, im Herbst die letzte Garbe; Schiff und Pflug waren Symbole der Frühlingsund Sonnengöttin. Oder die Symbole waren Tierbilder, die auf Stangen von den Priestern bei der feierlichen Prozession durch die Fluren wie durch die Schlachtreihen getragen wurden (S. 345). Durch die lange Kriegsführung, sagt Tacitus (Ann. 245), hatten sich die Germanen gewöhnt, den Feldzeichen zu folgen. Aber schon die Kimbern hatten als Feldzeichen einen ehernen Stier, und die Usipeter und Tencterer führten Feldzeichen (Caes. b. g. 415). Daß es Tiergestalten waren (Hist. 422), ist allerdings richtig: es waren der Adler des Tius, wie die Siegessäule der Sachsen nach der Schlacht an der Unstrut zeigt, ferner Eber und Bär, Donars Tiere, Hund und Wolf, Wodans Tiere. Der got. Volksstamm der Thervinger entrollt die Banner und läßt das schrecklich klingende Heerhorn erschallen (Ammian. Marc. 315, 8). Vor der Niederlage der Thüringer ergreift ein hochbetagter, schon ergrauter sächsischer Krieger ein Feldzeichen, das bei ihnen für heilig gilt, mit dem Bilde eines Löwen und Drachen und darüber eines fliegenden Adlers geziert, um den Wert der Tapferkeit und Klugheit und ähnlicher Eigenschaften zu zeigen (Widukind 111). In der Schlacht bei Bouvines ließ Otto IV. nicht das Reichswappen, sondern ein Drachenbild entfalten, das alte Zeichen der Sachsen. Auch Richard Löwenherz, König Johann und Heinrich III. führten das alte Wappentier. Die Namen der ags. Führer, unter denen England erobert ward, Hengist und Horsa, sind vielleicht auf die heiligen Pferde zu beziehen, die als Symbole und Fahnen den Heereszug leiteten. Aus den Tierbildern leitet man den Ursprung des Wappenwesens ab.

Seit dem 2. Jhd. etwa übernahmen die deutschen Truppen, die in röm. Solde standen, von ihren Lagergefährten die Sitte, in besonderen Fällen den Göttern der Heimat Votivsteine zu errichten, die in wenigen Worten den Zweck, den Namen des Weihenden und der Gottheit enthielten, zuweilen auch eine bildliche Darstellung. Bereits die Bilder und heiligen Zeichen lassen eine gewisse Fertigkeit erwarten, Gestalten aus Holz zu schnitzen oder aus Stein zu meißeln, und diese Kunst mochte sich unter dem Einflusse der Fremde bis zu einem gewissen Grade vervollkommnet haben.

Das nächste Zeugnis fällt in die zweite Hälfte des 4. Jhds.: die holzgeschnitzte Bildsäule eines gotischen Gottes (S. 284).

Steinerne und hölzerne Bilder, wie es scheint, mit Gold und Silber geschmückt, erwähnen die Lebensbeschreibungen der Bekehrer bei fast allen germ. Stämmen und zeigen auf Grund biblischer Stellen wie Jes. 446-20, Ps. 13515-18 und der Geschichte vom goldenen Kalbe das Törichte dieses Treibens. „Eure fränkischen Götter sind ein Gebilde aus Stein, Holz oder Erz", ruft Chlodwigs christliche Gemahlin aus. Columban und der heilige Gallus treffen 612 bei Bregenz am Bodensee, also auf alemannischem Boden, in einem zu Ehren der heiligen Aurelia eingerichteten Bethause noch drei eherne, vergoldete Bildsäulen an der Wand, denen das Volk mehr anhing und mehr Gelübde darbrachte, als dem Schöpfer der Welt. Gallus zerschmetterte vor den Augen aller die weggenommenen Götzenbilder an den Felsen und schleuderte sie in die Tiefen des Sees (V. Galli 1). Gregors Brief an Melittus empfiehlt Schonung der ags. Tempel, Opfer- und Opfergelage, aber nicht der Götzenbilder (S. 329), und Daniel, Bonifatius' Freund, erwähnt, dass die Christen ungestraft die heidnischen Götzenbilder zertrümmern (s. u.). König Edwin von Northumberland verbrennt sein altes Heiligtum mit allen Götterbildern. Den Sachsen verbietet der Indiculus Götterbilder durch die Fluren zu tragen (Nr. 28), oder Götterbilder aus geweihtem Mehl (Nr. 26) oder aus Zeuglappen herzustellen (Nr. 27). Die Sachsen errichteten 532 nach der Eroberung von Scheidungen vor dem östlichen Stadttor als göttlich geehrtes Siegesmal eine Irminessûl. Irmensäulen, d. h. gewaltige Säulen, Abbilder des mythischen Weltenbaumes, werden zweimal erwähnt. Sie waren nicht auf einen Ort beschränkt, sondern wurden gelegenlich auf den Höhenpunkten des nationalen Lebens zur Anwendung gebracht. Eine Irmensäule erwähnt der offiziöse Bericht der Lorscher Annalen über den Feldzug Karls d. Gr. gegen die Sachsen 772. Nach der Zerstörung der Eresburg zog Karl nach dem heiligen Bezirke (wîh) in der Gegend des Bullerborns bei Altenbeken, der nach der dort stehenden Irmensäule als seinem wichtigsten Heiligtume benannt war. Diese war ein unter freiem Himmel in die Höhe gerichteter, in die Erde eingegrabener Baumstamm von besonderer Größe. Das Gold und Silber, das sich dort fand, nahm Karl weg und machte das sächsische Nationalheiligtum, dessen politische Bedeutung er erkannte, völlig dem Erdboden gleich.

Willehad wirft den Friesen ihre Torheit vor, von einem Steine Hilfe zu erwarten und von stummen, leblosen Bildern Schutz und Trost zu erhoffen. Liudger wird vom Bischof von Utrecht ausgeschickt, um die Verehrung verschiedener Götzenbilder bei dem Volke der Friesen abzuschaffen. Willibrord gerät in Lebensgefahr, als er das Bild der Nehalennia auf Walcheren zertrümmert. Bonifatius zerschlägt 755 die Götterbilder in den Tempeln östlich der Zuidersee. Aber noch 782 opfern die Friesen unter Aufgabe des Christenglaubens nach altem Irrwahne den Idolen.

Vierter Teil.

Vorstellungen vom Anfang und Ende der Welt.

Die mythenbildende Kraft der Völker umspannt die ganze Welt, von ihrer nächsten Umgebung an bis hinauf zum Sternenzelte. Besonders zwei Gruppen dieser mythologischen Naturauffassung lassen sich unterscheiden, kosmogonische Sagen, die sich mit dem Entstehen der Welt, des Himmels und der Erde beschäftigen, und theogonische, die den Ursprung und die Entwickelung der Götter behandeln. Auf diesem volkstümlichen Grunde kann die Naturphilosophie der Denker und Weisen aufbauen; die Antwort aber, die das Volk suchte, konnte es nur auf religiös-poetischem Wege durch Mythen geben. Die Fragen über die in der Natur wirkenden Kräfte, nach dem Grunde der Bewegung der Himmelskörper, des Wechsels von Licht und Finsternis, Tag und Nacht, Sommer und Winter, über die Entstehung der Welt, der Götter und Menschen kehren bei allen Völkern wieder. Auch die Deustchen haben eine Kosmogonie gehabt oder wenigstens einzelne kosmogonische Gedanken entwickelt; aber ein kunstvoll zusammengesetztes System läßt sich bei ihnen nicht nachweisen.

1. Der Anfang der Welt.

Die Deutschen rechneten in ältester Zeit nicht nach Tagen, sondern nach Nächten (Cäsar, b. g. 618; Tac. Germ. 11); vgl. Weihnachten, Fastnacht (Tag der Ausgelassenheit), die 12 Nächte, d. h. die 12 Tage von Weihnachten bis zum 6. Januar,

engl. sennight: 8 Tage, engl. fortnight: 14 Tage. Ebenso galt der Winter als der Beginn der Zeit überhaupt. Diese Rechnung nach Nächten und Wintern hat mythologische Grundlage. Nach uralter, tiefer Auffassung ist Finsternis und Kälte die Keimzeit des lichten, warmen Lebens.

Es gab eine Zeit, wo noch nichts war, und mit der Verneinung der Hauptteile der Welt beginnt die deutsche Kosmogonie; weder die Erde mit Baum, Berg und Meer noch der Himmel mit Sonne und Mond war vorhanden. Die Eingangsstrophe eines vermutlich heidnischen volkstümlichen Gedichtes von der Entstehung der Welt und der Menschen scheint uns in dem Wessobrunner Gebet erhalten zu sein. Doch muß nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht werden, daß nach vielen Forschern alttestamentliche Gedanken den Inhalt des Gedichtes ausmachen (Gen. I., Psalm 89,2). Ganz ebenso liegt die Sache mit dem später zu besprechenden Gedichte Muspilli. Auf der anderen Seite sollte man annehmen, daß, wenn eine Reihe von Versen in zwei räumlich und zeitlich weit auseinanderliegenden Gedichten fast wörtlich übereinstimmt, von einem Zufalle keine Rede sein kann. Das Wessobrunner Gebet lautet:

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Das erfuhr ich unter den Menschen als der Wunder größtes,

Daß die Erde nicht war noch der Himmel darüber,

Noch irgend ein Baum noch Berg vorhanden war,

Noch von Süden die Sonne schien,

Noch der Mond leuchtete, noch das weite Meer.“

Es ist der Anfang eines heidnischen sächsischen Liedes, das vom Anfange der Erde handelt und das uranfängliche chaotische Dunkel schildert. Mit ihm stimmt ziemlich genau ein isländisches, ebenfalls heidnisches Gedicht überein, das frühestens um die Mitte des 10. Jhds. verfaßt sein kann (Völuspá 3,5):

In der Urzeit

Da war nicht Kies noch Meer noch kalte Woge,

Nicht Erde gab es noch Oberhimmel,

Nur gähnende Kluft, doch Gras nirgends

[d. h. kein Boden, auf dem man stehen und sitzen konnte].

Nicht wußte die Sonne, wo sie Wohnung hatte,
Der Mond wußte nicht, welche Macht er hatte,

Die Sterne wußten nicht, welche Stätte sie hatten.“

In beiden Gedichten kehrt die Vorstellung eines uranfänglichen Chaos wieder, und diese Übereinstimmung läßt auf eine gemeinsame Grundlage höchsten Altertums schließen. Im 8. Jhd. kannte der Bischof Daniel von Winchester, der Freund des Bonifatius, heidnische rituale Erzählungen von einer germanischen Kosmogonie: Im Anfange gab es noch keine Götter, sie erwuchsen erst später aus der Welt (s. u.).

Die Germanen stellten sich die anfängliche Leere als einen ungeheuren Schlund vor. Auch in der as. Genesis klagt Adam zu Eva: „Nun magst du sehen die schwarze Hölle gierig gähnen", eine unzweifelhafte Anspielung an die gähnende Kluft. Die weitere Frage, wie aus diesem Nichts die Welt entstand, scheinen die Germanen in doppelter Weise beantwortet zu haben. Aus dem Gegensatz und der Bindung der einander entgegengesetzten Elemente des Feuers und des Wassers ging die Weltschöpfung hervor. Zwischen den Hermunduren und Chatten war über die heiligen Salzquellen Streit ausgebrochen (Ann. 1357; D. S. 363). Die Veranlassung war weniger die Sucht, alles mit den Waffen auszumachen, als der angestammte Glaube, jene Stätten seien dem Himmel besonders nahe und das Gebet der Sterblichen werde von den Göttern nirgends so aus der Nähe vernommen, deshalb lasse die Huld der Götter in jenem Flusse, in jenen Wäldern das Salz entstehen; es bilde sich nicht wie bei anderen Stämmen, indem übergetretenes Meerwasser verdunste, sondern es entstünde durch den Kampf der einander widerstrebenden Elemente, des Feuers und des Wassers, indem das Wasser über einen brennenden Holzstoß gegossen würde. Tacitus will nicht seine eigene Meinung, sondern die religiöse Ansicht der Germanen darlegen. Aus der Vermischung von Kälte und Wärme, von Wasser und Feuer entsteht das Salz, der Urquell alles geistigen Lebens, und die Chatten und die Hermunduren hegten den religiösen Glauben, daß an diesen heiligen Orten fort

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