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die ganze Erde verbreitet, die Naturgeister zeigen die charakteristischen Züge der Rasse und des Volkes und finden ihre Erklärung in der Gegend, wo sie entstanden sind; die Götter spiegeln die Eigenart des Volkes im allgemeinen, und die Stamm- und Hauptgötter die des Stammes im besonderen wieder.

„In die Wildnis hinaus sind des Waldes Faunen verstoßen,
Aber die Andacht leiht höheres Leben dem Stein."

Der Mensch sucht sich die Naturerscheinungen zu erklären. Wenn der Donner rollt, vernimmt er Toben und Krachen über sich in der Luft; Geschrei und Lärm kennt er selbst aus seinen eigenen Kämpfen; der Schluß liegt für ihn nahe: auch da droben wird gekämpft, der Donner ist der Lärm, den unsichtbare Gewalten machen. Er dichtet eine Schlacht, und aus dem Kreise des ihm Bekannten und von ihm Verstandenen dichtet er diesen Kampf weiter: es ist ein Streit um ein wertvolles Gerät, eine nützliche Waffe, um gestohlene Rinderherden, um geraubte Frauen. So wird das Gewitter mythisch erklärt. In dem Eindrucke, den Sonnenaufgang und Untergang auf den Menschen ausüben, den die Wiederkehr des Tages und der Nacht, der Kampf zwischen Licht und Finsternis, das ganze Sonnendrama mit allen seinen Einzelheiten hervorrufen, das jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr, im Himmel und auf Erden abgespielt wird, liegt der dunkle Same eines Glaubens an ein übermenschliches Wesen. Eine von Geschlecht zu Geschlecht aufsteigende und sich mehrende Naturbetrachtung entdeckt immer mehr Ordnung und Regelmäßigkeit in der Natur und wird sich bewußt, wie sehr der Mensch unter ihrem Einflusse steht, ohne selbst auch nur im geringsten auf sie einwirken zu können. Die Naturkräfte werden personifiziert, es tritt eine Vermenschlichung der gesamten Natur durch Personifikation ein; der Mensch faßt z. B. die wandelnde Sonne als wandelndes, menschenähnliches Wesen auf. Aber dieses Wesen wandelt da oben, wo hinauf kein Mensch zu steigen vermag, es leuchtet und erwärmt, es strahlt und funkelt; eine andere Naturperson stürmt, blitzt und donnert, kurz, sie besitzt Eigenschaften, die dem Men

Naturerscheinungen als leblose Gegenstände aufgefaßt.

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schen versagt sind; das Firmament, an dem die Wolken dahinschweben, vom Winde getrieben, ist sinnlich wahrnehmbar, es scheint vom hohen Berge aus so nahe zu sein und ist doch unerreichbar: überkräftig, übermenschlich muß also das Wesen sein, das diese Naturbegebenheiten vollbringt. Diese gewaltigen Naturkräfte sind von unermeßlicher Macht, sie trotzen der Begierde des Menschen, sie können schaden und nützen, darum sucht man sie durch Gebet, Hymnen und Anrufungen gnädig zu stimmen. Der Mythus beschreibt, was das höhere Wesen getan hat, der Ritus soll es bewegen, die gleiche Tat für seine Verehrer zu wiederholen. Darum lobt und preist man es nicht nur, sondern speist, tränkt und erfreut es durch Spiele. Einige Gebräuche suchen den himmlischen Vorgang nachzuahmen, umgekehrt wird der himmlische Vorgang nach irdischem Muster ausgemalt. Der Dichtkunst kommt also ein hoher Anteil an der Ausbildung des Mythus zu, und diese religiös-poetischen oder poetisch-religiösen Anschauungen von der umgebenden Natur und den in ihr wirkenden Kräften riefen die vornehmste Gattung der alten Poesie ins Leben, die hymnischen Lieder, und diese wurden bei den Indogermanen von der versammelten Menge im Chore zum feierlichen Opferreigen gesungen.

Zwischen Seelenglaube und Naturverehrung befindet sich also ein gewaltiger Abstand. Nicht mehr der Mensch ist Gott, sondern die Natur ist das Göttliche. Die Naturerscheinungen sind nicht mehr Äusserungen des Wohlwollens oder des Zornes der Abgeschiedenen, sondern alles Sein ist einer an Gesetze gebundenen Naturnotwendigkeit unterworfen. Der Naturmythus ist an ein Volk mit Ackerbau und Viehzucht geknüpft. Himmel und Erde, Tag und Nacht, Gewitter, Sturm, Wolkenzug und Nebelflor, Luft im Laub und Wind im Rohr, das Zwielicht und das Feuer, des Menschen freundlicher Hausgenosse, werden zu überirdischen Wesen. Wohnungs- und Klimawechsel, besonders der Wandel der geistigen Kultur und Lebensweise, die Entstehung eines Staates, die Bildung fester Stände, sowie die geschichtlichen Schicksale geben dem Mythus ein eigenartiges, von andern Völkern

Herrmann, Deutsche Mythologie. 2. Aufl.

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unterscheidendes Gepräge. Alle Völker der Erde haben den Seelenkultus geübt, gerade hier müssen die Überlieferungen aller Indogermanen wie aller Germanen, südlich oder nördlich der Ostsee, am genauesten übereinstimmen. Bei fast allen Völkern sind Ansätze zur Naturvergötterung vorhanden, aber nur bei den Indogermanen ist diese Naturverehrung zur vollen Blüte gekommen. Bei den Griechen und den Germanen, den Trägern des Idealismus, erlangt der Naturmythus seine höchste Weihe und durchdringt veredelnd Poesie und Kunst, häusliches und staatliches Leben.

Naturerscheinungen als leblose Gegenstände aufgefaßt.

Die den Menschen umgebende Natur rief die Vorstellung von Wesen hervor, die mächtiger waren als er selbst, aber sie schwankten noch zwischen übertierischen und übermenschlichen Wesen. Auch mit unbelebten Gegenständen konnte sie verglichen werden, wie die Sonne mit einem Rade, ihre Strahlen mit einem Schwerte, der Blitz mit einer Waffe, einer Keule oder einem Hammer, Wolkengebilde mit einem Baume, einem Berge (vgl. ags. clûd „Berg“, engl. cloud „Wolke“), mit Burgen, Türmen, Wällen und Mauern. Über ganz Deutschland verbreitet ist die Vorstellung von einer im Wasser versunkenen Stadt, Burg oder einem Kloster. Noch jetzt nennt man eine sich auftürmende Wolkenburg einen weißen Turm oder Grummelturm. Wind und Sturm werden in der volkstümlichen Auffassung alter und neuerer Zeiten vielfach als Musik dargestellt.

Die Wolke wird gern als Schuh aufgefaßt, und weil das Gewölk schnell dahinjagt, sind es Zauberschuhe, Siebenmeilenstiefel. Meistens erscheinen sie mit anderen Gegenständen zusammen, sogenannten Wunschdingen. In dem Märchen „Der König vom goldenen Berg" (K. H. M. Nr. 92) erwirbt der Held von drei Riesen einen Degen, der bei den Worten Köpf alle runter, nur meiner nicht" alles köpft, einen unsichtbar machenden Mantel und ein Paar Stiefel; wenn man die angezogen hatte und sich wohin wünschte,

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so war man im Augenblick da. In dem Märchen „Der Rabe“ (K. H. M. Nr. 93) sind die drei von Riesen gefundenen Wunschdinge ein Stock, vor dem jede Tür aufspringt, ein unsichtbar machender Mantel und ein Roß, auf dem man überall hinreiten kann, auch auf den gläsernen Berg. Die Hexe, die den entflohenen Kindern nachsetzt, benützt, wie der Menschenfresser im Däumlingsmärchen, Meilenstiefel (K. H. M. Nr. 56). Diese Wunschdinge sind ursprünglich Wolken- und Gewittersymbole. Der Mantel bezeichnet die allverhüllende, die Schuhe die eilig dahinschwebende Wolke. Der unerschöpfliche Beutel und das Tischlein-deck-dich sind das Symbol der Segen und Reichtum spendenden Wolke (K. H. M. Nr. 36). Der Degen, der alles köpft, der Stock, vor dem jede Tür aufspringt, weisen auf den Blitz. Die Wunschdinge erscheinen fast stets zusammen, weil sie zusammen den Gewittervorgang versinnbildlichen.

An die Stelle des unsichtbar machenden Mantels tritt häufig eine Tarn- oder Nebelkappe mit derselben Eigenschaft (ahd. tarni heimlich, mittelniederl. dâren sich verbergen).

Das Märchen „Sechse kommen durch die ganze Welt" (K. H. Nr. 71) erzählt von einem Manne, der durch Schief- und Geradesetzen seines Hutes das Wetter lenken kann, ein anderes (Nr. 54) von einem Hut, aus dem unwiderstehliches Geschütz donnert, wenn er gedreht wird. Wodan trägt den Wolkenhut tief in die Stirn gedrückt; den Muet mit dem Breithut nennt ihn der Kinderspruch. Vom Kyffhäuser wie vom Pilatus sagt man: ,hat er einen Hut, so wird das Wetter gut“. Es wird regnen, sagt man im Harz, denn der Brocken hat eine Nebelkappe. Wie der an Bergen und auf Fluren lagernde Nebel vor dem Winde und den Sonnenstrahlen weichen muß, so kann man den Besitzer einer Tarnkappe ergreifen, wenn man ihm seine Kopfbedeckung entreißt. Einem Bäcker fehlten immer einige seiner Brote, doch gelang es nicht, den Dieb zu entdecken. Da kam er auf den Verdacht, die Zwerge könnten an seinem Unheile schuld sein. Er schlug also mit einem Geflechte von schwanken Reisern so lange um sich her, bis er die Nebelkappen einiger Zwerge traf, die sich nun nicht länger verbergen konnten (D. S. Nr. 153). Auf dieselbe Weise werden Zwergen, die des Nachts die Feldfrüchte raubten, die unsichtbar machenden Nebelkappen abgeschlagen (D. S. Nr. 152, 153, 155). Zwergkönig Laurin zieht ein Tarnkäpplein hervor, bedeckt sich damit und verschwindet vor Dietrichs Augen; so unsichtbar geworden schlägt er dem Berner manche tiefe Wunde, daß ihm das Blut durch die Panzerringe rinnt (495 ff.). Hagen

weiß, daß Siegfried an einem Berge dem Alberich die Tarnkappe abgewonnen hat und dadurch Herr des Hortes geworden ist (N. L. 98). Die Nibelungen selbst sind Nebel- und Dunkelgeister, denen die Tarnkappe von vornherein zukommt. Im Seyfriedsliede gelangt der Held durch dichte Finsternis dorthin, wo er nachher den Schatz der Söhne Niblings findet. Im Walberan ist Nibelung der Führer einer Schar, die, von keinem Menschen gesehen, Schiffe entführt (139 ff.). Der Nibelung Eugel reitet im Seyfriedsliede auf einem kohlschwarzen Pferde und ist mit einer Nebelkappe ausgestattet wie Alberich; er wirft sie über Siegfried und rettet ihn dadurch vor dem hinterlistigen Riesen Kuperan. Mit Hilfe des Zwergkönigs Albewin, der die Tarnkappe benützt, erschlägt der Held einer Arthusdichtung Garel das Meerwunder, das ein alles tötendes Haupt im Schilde führt (s. u. S. 104). Alberich gelobt Ortnit Treue und Dienstbarkeit, wenn er den Ring von des Helden Hand bekäme. Doch Ortnit verweigert ihn, weil er ihn von seiner Mutter hat. Da begehrt der Kleine nur, ihn näher zu besehen, und als der König ihm arglos die Hand hinreicht, verschwindet der Ring von seinem Finger und der Zwerg vor seinen Augen: denn der Ring gab ihm die Kraft, den Zwerg zu sehen (141 ff.). Auf der Stutzalp zu Graubünden spukt das Nebelmännlein. Wenn regenschauernde, frostig graue Wolken niederhangen, gleitet es leisen Trittes auf der Alp einher, mitten am Tage bei der Herde, im späten Abenddunkel und in schneeiger Nacht bei den Hütten, mit breitrandigem Hute, Holzschuhen und nebelweißer Jacke.

Unsichtbar, in der Tarnkappe, dem deckenden Helme, (Heliand 5454) erscheint Satan der Gattin des Pilatus und bestimmt sie durch teuflischen Spuk, sich für Christus zu verwenden. Noch bei Hans Sachs heißt es in dem Schwanke „Der Teufel läßt keinen Landsknecht mehr in die Hölle fahren":

Zuhandt der Teuffel Beltzebock
zog an sein unsichtigen Rock.

Naturerscheinungen in Tiergestalt.

Wir nennen noch heute die licht weißen oder rötlichgelben Federhaufwolken des Morgen- und Abendhimmels Schäfchen oder Lämmergewölk; „der Herrgott hütet seine Schafe", „der Schäfer treibt seine Schafe aus". Für Wolken, die sich nicht bewegen, sagt man, „die Küh' steh'n still", ganz dunkle Wolken heißen Ochsen oder Bullkater: der in dunkler Wolkennacht aufzuckende Blitz erinnert an das im Dunkeln leuchtende Auge eines Katers, und bull kommt von bullern oder bollern her und bezeichnet das bollernde Rollen des Donners. Wir sind uns dabei wohl bewußt, daß wir nur eine poetische

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