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punkt hatte, daß es stets auf gleicher Basis beruhte; dies dürfte ein großer Irrtum sein. Je nachdem die Bestrebungen der Einzelnen, sich Gott zu nähern, stärker oder schwächer waren, je nachdem der Einzelne sich mehr oder weniger als Eigentum Gottes fühlte, desto verschiedener war auch die Ausführung des Gelübdes, des Nasiräats, welches unter Umständen bis zur höchsten Enthaltsamkeit getrieben werden konnte, weit über die Grenzen des vorgeschriebenen Gesezes hinaus. Allmählich führte es sich auch ein, um den Nasiräern eine immer größere Verbreitung zu geben, daß wohlhabendere Juden es sich zur Pflicht machten, ärmeren Glaubensgenossen die Kosten der zur Ausweihung in das Nasiräatleben nötigen Opfer zu bestreiten, um so den niedrigeren, nicht begüterten Klassen die Uebernahme des Gelübdes zu erleichtern.

Nachdem wir nun die Vereinigung der Nasiräer genügend gewürdigt haben, nachdem wir in unseren Erläuterungen über das Wesen und die Eigenheiten des Nasiräats erschöpfend gesprochen haben, überspringen wir nun verschiedene kleinere Sekten, die sich als Abkömmlinge der Nasiräer aufthaten, gehen auch über die Prophetenzeit hinweg, die sich als berufene Folgerung des Nasiräats bekundet, und wenden uns direkt zu der Essäervereinigung, der eigentümlichsten Ordensverfassung der damaligen Zeit.

Ueber die Essäer, über ihr Wesen, ihr Thun und Treiben sind uns nicht viel Quellen zur Verfügung gestellt. Nur Josefus Flavius, Philo und der Talmud geben, aber auch nicht erschöpfend, Aufschluß über den Essäerorden. Dieser hat auf die ganze Entwicklung des Judentums einen ganz außerordentlich mächtigen Einfluß ausgeübt. Der Einblick in das innere Wesen der Partei wird troß der ausführlichen, zeitgenössischen Berichte überdies durch die Dunkelheit erschwert, welche auf ihrem Ursprung, ihrem Entwicklungsgang und den ihre eigentümliche Lebensweise bestimmenden Grundgedanken liegt. Auch über die Bedeutung des Namens ist man sich sogar heutzutage, wo man doch in der Erforschung der alten Sitten und Gebräuche schon recht weit gediehen ist, noch nicht so recht klar. Wir haben den Namen nach den Gründern der beiden Schulen gedeutet, jedoch ist er auch von anderer Seite vollkommen verschieden ausgelegt worden. Man hat den Namen übersezt als bezeichnend für Aerzte, Gottesdiener, Lehrer, Badende und Wundertäter. Dies waren die Uebersegungen des Namens, die sich nach und nach selbst überlieferten. Zu diesen Deutungen des Namens trat aber noch die Bezeichnung „die Frommen" hinzu. Es liegt nahe an die Hasidäer die Gesezesfrommen der Makkabäerzeit zu denken, aus denen sie, ebenso wie die Pharisäer hervorgegangen sind; wie unendlich weit sich auch später beide Parteien von einander trennten.

Alle Ueberlieferungen gehen im Allgemeinen über den Ursprung des Essaismus hinweg, oder sie erwähnen ihn auch gar nicht; sie heben nur das hervor, was ihnen hauptsächlich bemerkenswert erscheint. Jesephus sucht für die Grundsäge und Sitten der Essäer die Bewunderung seiner damaligen Leserwelt zu erringen; wie er

3. B. die Pharisäer mit den Stoikern, die Saduzäer mit den Epikuräern vergleicht, so macht er die Essäer zu jüdischen Sythagoräern; er rühmt an ihnen die strenge Enthaltsamkeit, das gemeinsame, einfache, friedliche, tätige Leben, die Gottesfurcht, Gesezesstrenge, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Bruderliebe. Philo dagegen beschreibt sie wiederum als die Praktiker in der Philosophie, als die wahrhaft Freien, die sich aller äußeren Dinge ledig gemacht haben, die sich vom äußerlichen Gottesdienst und äußeren Besit befreit haben; er beschreibt sie als Menschen, die von der Sorge um Erwerb, Wohnung, Kleidung, Speise und Trank enthoben sind, da dies alles bei ihnen zum großen Gemeingut geworden ist, die von äußerer Ehre und sinnlichem Genuß frei sind, mit einem Wort gesagt, er stellt sie als fromme, gerechte, heilige Männer hin, die ihr Leben nach dem dreifachen Gesez der Gottesliebe, Tugendliebe und Menschenliebe ge-. stalten. So sprechen sich diese beiden Geistesheroen über den Essäer= orden im Besonderen aus.

Betrachten wir jedoch die ganze Erscheinung des Essäerwesens genauer, so werden wir doch zu dem Schluß kommen, daß der Ursprung des Ordens weder auf Lebensüberdruß, noch auf Philosophie, sondern vielmehr auf die innere Entwicklung des nacherilischen Judentums zurückgreift. Gleich dem Pharisäismus war der Essäismus eifrig bestrebt, sich von allem Unreinen fern zu halten, sich abzusondern; nur ist das ganze Bestreben bei den Essäern noch um ein Bedeutendes größer und nachhaltiger, als bei den Pharisäern. Um einer etwaigen Berührung mit Unreinen in jedem Falle vorzubeugen, sondern sich die Essäer vollkommen aus dem gesamten Volksleben aus. Sie leben in eigenen, streng abgeschlossenen Vereinigungen, in welche ohne die strengste Prüfung Niemand zugelassen wurde.. Zur Entstehungszeit des Ordens kann man die Essäer noch in Jerusalem selbst beobachten, wo sogar ein Thor der Essäer zu finden war; hier lebten sie im Tempel, am Hofe, ja, sie befanden sich auch in einflußreichen Aemtern. Erst später fangen sie an, sich langsam aus den Städten und damit auch aus der Gemeinschaft der Menschen. zurückzuziehen. Sie gehen zunächst in die kleineren Landstädte und Dörfer, zuleht aber finden wir sie nur noch in der Wüste und zwar ganz besonders westlich vom „Todten Meer“ in der Oase Engeddi, wo Plinius sie gefunden hat (Plinius V 17).

Nun dürfen wir uns aber keineswegs der Ansicht hingeben, daß das Leben der Essäer in dieser vollkommenen Zurückgezogenheit gleichsam ein Faulenzerleben gewesen sei, daß sie ihre Tage in einem beständigen, süßen Nichtstun verbrachten. O nein, dies war nicht der Fall. Neben ihren frommen Uebungen und Betrachtungen forderten ihre Geseze und Bestimmungen von ihnen eine beständige Thätigkeit den ganzen Tag über. Ackerbau, Viehzucht und auch verschiedene andere, mit ihrer Lebensweise vereinbare Beschäftigungen füllten ihre tägliche Arbeitszeit aus. Dies mußte schon deswegen geschehen, weil sie doch in ihrer völligen Abgeschiedenheit in Allem vollkommen auf sich und ihre Vereinigung angewiesen waren. Alles,

was sie bedurften, mußten sie selbst herstellen, und nur das Notwendigste wurde aus einer gemeinsamen Kasse bestritten. Die Gemeinschaft lieferte, wie wir schon andeuteten, dem Einzelnen Alles, was er zu seinem Lebensunterhalt bedurfte: Wohnung, Speise, Trank, Kleidung, ja sogar die Sorge um die Reisenden und Kranken ist eine allgemeine. Obgleich die Essäer keineswegs in Klöstern oder großen Anstalten zusammen wohnten, so galten doch die einzelnen Häuser und Wohnstätten als gemeinsamer Besiz. Kein Essäer besaß ein spezielles Eigentum. Alles, auch das Geringste, gehörte dem ganzen Orden. In ihrer Lebensweise spielten die gemeinsamen Mahlzeiten eine große Rolle. Ueber Speise und Trank wurde vor dem Genuß ein Dank und Weihegebet gesprochen. Derartige gemeinschaftliche Mahlzeiten fanden namentlich am Sabbat statt. Schon am Tage vorher trug jeder Angehörige alles, was er an Speisen vorrätig hatte, in das Genossenschaftshaus. Alle diese dort zusammengebrachten Speisen galten nun wieder als gemeinsamer Besiz. Mittags und Abends kamen sie nun zum Mahl zusammen, von dem jedoch alle nicht zur Essäervereinigung Gehörenden, ja sogar die Novizen, welche doch der Aufnahme in den Orden gewärtig waren, ausgeschlossen waren. Was nun ihre Arbeiten betrifft, so wurden dieselben täglich von den Vorstehern des Ordens unter die einzelnen Mitglieder verteilt; der Erlös floß nun wieder in die schon erwähnte Kasse, aus der, wie schon bemerkt, sämtliche Bedürfnisse, die durch Geld erworben werden mußten, bestritten wurden.

Was bezweckt nun diese ganze ascetische Lebensweise der Essäer? Sie sollte sie zwingen, ihren Geist von allen irdischen Dingen abzulenken, die Herzen zur Gottes-, Tugend und Menschenliebe vorzube-reiten, zu erziehen. Frömmigkeit und Gottesfurcht, vollkommene Enthaltsamkeit, Bedürfnislosigkeit, Anspruchslosigkeit, Mildthätigkeit u. s. w. sollten das Endziel dieser Bestrebungen sein. (Philo, Quod omnis, probus liber II 458.) Aus dem Schwur, welchen die Novizen ablegen mußten, ersehen wir am deutlichsten, welchen Lebensregeln der Essäerorden huldigte. Nach Josephus „Jüdischer Krieg" II. 8, 7. lautet derselbe so: „Gott zu ehren, gegen Menschen Gerechtigkeit zu üben, niemand, weder auf eigenen Antrieb, noch auf fremden Befehl zu verlegen, den Ungerechten zu hassen, dem Gerechten beizustehen, Treue gegen jedermann, besonders gegen die Obrigkeit, üben zu wollen, die Wahrheit zu lieben, Lügner zu entlarven, die Hand vom Diebstahl, das Gewissen von unrechtem Erwerb frei zu halten."

Was nun die innere Institution, die innere Verfassung des Ordens anbetrifft, so gab es bei den Essäern fünf verschiedene Klassen oder Reinheitsgrade: Die Novizen des ersten, die des zweiten und die des dritten Probejahres, die jüngeren und die älteren Brüder. Zwischen diesen verschiedenen Klassen herrschte nun aber wieder die strengste Trennung; die Angehörigen einer höheren Klasse durften nie mit den unter ihnen Stehenden verkehren, ohne sich zu verunreinigen. Die Novizen der ersten Klasse erhielten zunächst die Sym

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bole des Essäerordens, nämlich Schaufel, Schurz und das weiße Gewand. Zum Beweis ihrer Enthaltsamkeit wurden sie gezwungen, von Anfang an die ganze Strenge der essäischen Lebensweise in sich. aufzuthun, ohne daß ihnen doch eine nähere Gemeinschaft mit den Brüdern gestattet wurde. In den folgenden zwei Jahren machten sie nur einen kleinen Fortschritt. Sie durften ihre Tugend bewähren. Sie erhielten reines Wasser zur Heiligung", erlangten auch Zutritt zum Gottesdienst, aber doch noch nicht zu den heiligen Mahlen. Erst nach drei Jahren erfolgte die eigentliche ceremonielle Aufnahme. Der Aufzunehmende mußte einen feierlichen Eidschwur ablegen. Er mußte geloben, die Geheimnisse des Ordens, die heiligen Bücher, die Engelnamen keinem Profanen zu verraten, und sollte ihm auch Todesgefahr drohen; vor seinen Ordensgenossen durfte er nichts verborgen halten; die Sazungen der Gemeinschaft aber mußte er ohne etwas hinzuzuthun oder hinwegzunehmen genau so, wie er in ihnen unterrichtet worden war, weiter überliefern. (Josephus, „Jüdischer Krieg", II. 8, 7, 10.)

Wir haben nun die Haupteigenschaften des Essäerordens einer leichten Betrachtung unterworfen, ihre Sitten und Gebräuche haben wir, so eingehend es uns möglich war, behandelt und so weit es zum Verständnis des weiter Folgenden nötig ist. Wir wollen uns nun dem „Talmud" zuwenden und wollen sehen, was wir in ihm über diesen interessanten Orden finden.

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Vieles davon wird wiederum schon von uns erwähnt worden sein, da wir uns in unseren bisherigen Ausführungen auf Josephus Flavius und Philo stüßten. Trozdem aber müssen wir uns diese etwaigen Wiederholungen gestatten, damit wir einen Vergleich zwischen diesen beiden Quellen und dem „Talmnd“ ziehen können. In diesem Buche finden wir die Essäer nun unter ganz und gar verschiedenen Benennungen: „Morgen-Täufer" (Berochoth 9) „Sehr sittliche Leute" (Berochoth 22), „Verein der heiligen Gemeinde" (Berochoth 9), „Die Weltbauern" (Sabath 114), Die heimligen und sehr verborgen frommen Leute" (Maaserscheni V-1), Heilige Gesinnung" (Sanhedrin 31), „Die nicht sprechende Gesellschaft" (Schehalem 30), „Heiler Helfer" (Jerusame Jemo III 7). Wir haben die im Talmud aufkommenden Benennungen in einfacher Reihenfolge vorläufig ohne Kommentar wiedergegeben. Selbstverständlich sind dies nur freie Uebersehungen aus dem Talmud, da derselbe bekanntlich nur in hebräischer Sprache vorhanden ist; doch dürfte unsere Deutung dem eigentlichen Sinne des Urtextes am meisten nahekommen. Der Tal- . mud spricht sich im Allgemeinen über die Lebensweise der Essäer ähnlich Josephus Flavius und Philo aus, nur geht er noch mehr ins Einzelne. Wir erfahren durch den Talmud, daß es dem Essäer sogar verboten war, mit seiner eigenen Frau zu sprechen. Seine Unterschrift durfte er nur Anhängern des Ordens gegenüber verwenden. Interessant ist die Einteilung des Tages in drei Teile. Ein Drittel des Tages mußte der Essäer nach dem Talmud im Gebet verbringen, ein Drittel mit Lernen und Studieren, das lezte

Drittel verbrachte er mit Arbeit, mit Selbstbeschäftigung oder auch mit dem Pflegen und Warten von Kranken. Nur durch diese aufopfernde Thätigkeit konnte er bewogen werden, mit Nichtgenossen zu verkehren. Für den heiligen Eid hatten sie nur ein einfaches Ja oder Nein; dieser einfache Ausspruch vertrat bei den Essäern die schärfste Eidesformel. Am Sabath waren ihnen jede, auch die geringste Thätigkeit auf das Strengste untersagt. Nie durften sie ein Schwert führen, nie an einem Kampfe oder gar an einem Kriege teilnehmen. Unbill oder Beschimpfung ertrug der Essäer ohne zu murren oder zu antworten. Diener oder gar Sklaven wurden in der Gemeinschaft der Essäer nicht geduldet, alle diese Arbeiten erledigten die Ordensmitglieder selbst. Der Talmud beschreibt die Essäer außerdem als Hellseher, Propheten, Krankenpfleger, ja sie thaten sich nach ihm auch durch Wunder hervor.

Dies sind die Ergänzungen, die wir durch den Talmud über die Lebensweise der Essäer erfahren. Von den Lehren der Essäer ist selbst durch den Talmud nicht viel in die Nachwelt gedrungen. Nur ein Ausspruch des Rabbiners Rabbi Pinkas, eines Sohnes des Juirs, hat sich durch den Talmud erhalten. Derselbe würde, natürlich in freier Uebersezung, so lauten: Pedantische Pünktlichkeit und großer Ordnungssinn führen zur Reinlichkeit, die Reinlichkeit hat die Reinheit und das Freiwerden von Sünde zur Folge, Reinheit und Freiwerden von Sünde bringt die Absonderung von den Mitmenschen mit sich; diese Absonderung führt zur Frömmigkeit, der Frömmigkeit folgt die Demut, diese aber führt zur Gottesfurcht und der mit ihr verbundenen Angst vor sündhaftem Vergehen; diese lezteren bilden den Weg zur Heiligkeit; die Heiligkeit ist der Uebergang zum Hellsehertum, durch diese aber geschieht der Verkehr mit Heiligen, mit Geistern (Ende Sote).

Diese aus dem Talmud angeführten Ueberlieferungen geben uns wohl am Besten Aufschluß über die Grundsäße der Essäer, zugleich aber auch über die Grundsäße der weißen Magie. Nachdem nun die Aufzeichnungen des Talmud im Jahre 500 nach Christus beendet waren, fingen die Essäer unter dem Namen Kabbalisten an, die Kabbalistischen Bücher zu verfassen. Die ersten derselben heißen Sohar und Medruschim. Seit diesen Beiden sind aber bis zur Jeztzeit unzählige solcher Kabbalistischen Werke verfaßt und der Oeffent= lichkeit übergeben worden.

Um nun den Beweis zu liefern, daß jeder Mensch, ja sogar ein Sklave, ein Knecht oder ein Heide Kabbalist werden konnte, wollen wir einiges Bemerkenswertes aus diesen Kabbalistischen Berichten herausziehen. Vor Allem mußte der fünftige Kabbalist die nachstehenden Geseze gründlich befolgen:

1. Er mußte gänzlich abgesondert leben und durfte mit feinem Menschen verkehren.

2. Seine Wohnung mußte sich stets in einem peinlich reinlichen Zustande befinden; auch sonst durfte er sich nur mit der größten Reinlichkeit umgeben.

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