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Rabbi Akiba ging mit sich zu Rat, wie dem Religionsuntergang abzuhelfen sei, und kam zu dem Entschluß, entgegen den Vorschriften der jüdischen Religion, welche bekanntlich auch jedwedes Schreiben von Büchern verbot, mit Ausschluß des Alten Testamentes, sich daran zu machen, durch schriftliche Aufzeichnungen der jüdischen Religion einen festen Haltepunkt für die Zukunft zu geben. Die jüdischen Schriftgelehrten hielten zwar an dieser Gesezesvorschrift fest, sie verweigerten sogar den Büchern „Prediger“, „Prediger“, „Esther", „Ezechiel" und dem „Hohen Lied" die Aufnahme in das Alte Testament. Streitigkeiten fanden statt, die schließlich in Unterhandlungen ausliefen. Endlich drang Rabbi Akiba doch mit seiner Meinung durch, und die vier Bücher wurden dem Alten Testament einverleibt. Dies geschah also erst nach dem Bar Kochba'schen Kriege. Jezt aber fingen die Juden auch an, regelrecht an der Hand schriftlicher Bücher zu lernen, während sie vordem in den großen Lehrhäusern nur durch mündliche Vorträge ihr Wissen erlangen konnten. Der Juden bemächtigte sich nun aber ein ungemeiner Drang nach höherer Bildung, nach der Erlangung höherer Wissenschaft. Bis auf den heutigen Tag hat sich dieser Drang erhalten fort und fort. Die Kinder zu lehren, Schulen zu gründen, und auf diese Weise für eine Erhaltung der jüdischen Religion zu sorgen, ist noch heute eine Hauptthätigkeit der strenggläubigen jüdischen Gemeinschaft. Von allen 613 Geboten und Verboten der heiligen Schrift hat sich keines so sehr dem jüdischen Volke eingeprägt als das 5. Buch Mose. Im 6. Kapitel sprechen die Verse 4-7 ganz besonders hievon: Höre, Israel, der Herr, unser Gott ist unser einziger Herr. Und du sollest den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen; und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sizest oder auf dem Wege gehest, wenn du dich niederlegest oder aufstehest.

Rabbi Akiba kam nun auf den unter den obwaltenden Verhältnissen einzig richtigen Gedanken, das Schreibverbot gänzlich aufzuheben; er stüßte sich dabei auf den Psalm 119, Vers 126: Es ist Zeit, daß der Herr dazu thue; Sie haben deine Geseze zerrissen. Zum größeren Verständnis wollen wir hierbei kurz erwähnen, daß die Uebersezung dieser Verse in unserer Bibel nicht ganz verständlich ist. Laut dem Talmud geht aus dem Tertlaute hervor, daß eine Samstagentheiligung wohl stattfinden konnte, wenn sie z. B. durch Krankheit und derartige in das ganze Leben hart eingreifende Vorkommnisse bedingt wurde; dann war den Juden erlaubt, auch dem Verbotenen zu folgen. Hier läßt sich das Sprichwort gut anbringen, welches heißt: Von zwei Uebeln ist das fleinere das bessere. Ehe also eine Vermischung des Heidentums mit der jüdischen Religion geduldet wurde, wollte man lieber der lezteren selbst Konzessionen machen; ein kleiner diplomatischer Schachzug, der sich gut bewährte. Rabbi Akiba fing nun sofort an, selbst Bücher zu verfassen und diese dann den schon bestehenden heiligen Schriften

beizufügen. Er war der eigentliche Begründer des Talmuds in der Schrift, mit dessen Aufzeichnungen er im Jahre 135 nach Christus begann, und welche dann erst 500 nach Christus in der heutigen Gestalt und Form beendet wurden. Mit Recht kann Rabbi Akiba eigentlich nur der Anreger zu diesem größten geschichtlichen Werke aller Zeiten genannt werden, da er kurze Zeit darauf den Märtyrertod starb.

Der Talmud hat das jüdische Volk, die jüdische Religion wie mit Klammern zusammengehalten bis zur Jezzeit. Der Talmud hat die Judenverfolgungen, deren sich, wie wir schon kurz in Erinnerung brachten, im Laufe der Jahrhunderte unzählige aufthaten, sämtlich überdauert. Immer wieder hat er durch seine Blätter, durch seine Worte das jüdische Volk um sich gesammelt; nur dem Talmud ist es zuzuschreiben, daß selbst jezt noch, 1800 Jahre circa nach dem Zeitpunkte seiner Gründung, das Judentum trog seiner Zersprengtheit noch besteht. Natürlich blieb der Talmud nicht das einzige Buch, welches der damaligen Zeit entstammt. Unzählige Schriften, deren Zahl bis in die Tausende anwuchs, folgten ihm.

Um unser Kapitel vollständig abzuschließen, wollen wir noch Einiges flüchtig über den Charakter, die inneren Eigenschaften des Talmud anschließen.

Der Talmud ist kein gewöhnliches Buch. Die Verfasser des Talmud waren gelehrte Juden, welche zerstreut in Syrien, Palästina, in Aegypten, Griechenland und Rom gelebt hatten. Im allgemeinen kannte man sie wohl am besten unter der Bezeichnung Rabbiner. The sie indessen diesen Titel annehmen durften, mußten sie ein Examen ablegen, was zwar noch nicht genügte; denn von jedem Rabbiner forderte man strikte Unbescholtenheit des Rufes, strenge Sittlichkeit und oft praktizierte Wohlthätigkeit.

Obwohl der Talmud einen außerordentlichen Umfang hat, zählt er doch nicht weniger als 36 Bücher, und gewissermaßen enzyklopädisch angelegt erscheint, der das Gesamtwissen der Menschheit jener Zeit zu umfassen, zu kontrollieren und auch zu erklären scheint, so muß leider doch konstatiert werden, daß derselbe nur ganz unvollendet erschien. Viele wichtige Themata von außerordentlichem Belang, auch für diese Zeit, konnten nicht mehr in diese Sammelbücher menschlicher Weisheit aufgenommen werden. Die Anlage dieses Riesenlexikons, wenn man demselben diesen Namen geben kann, entspricht allen Anforderungen einer streng wissenschaftlichen Behandlung. Die raffinierten Spißfindigkeiten und die feinausgeflügelten sind für den Studierenden eine ausgezeichnete Schule, eine vortreffliche Disciplin des Geistes. Sie schärften, wißigten und stärkten den Geist der Studierenden. Auch ist er vom phylosophischen Standpunkte aus betrachtet für Hebräer besonders eine unerschöpfliche Fundgrube sprachlicher Eigentümlichkeiten, sowohl in der Form, als auch im Inhalt. Allerdings kommen im Talmud sehr viele erotische Ausdrücke und Sprachformen zur Geltung. Der Talmud ist so recht schon die beredte Ausdrucksform des internationalen Lebens der Juden; denn

in diesem wunderlichen, wissenswürdigen, litterarischen und philosophischen Coder der Juden finden wir überall zerstreut litauische, griechische, arabische, lateinische, hebräische und aramäsche Sprachformen. Der Stoff, den der Talmud behandelt, ist geradezu großartig und universalistisch. Alles, was Einfluß auf der Menschen Leben zu haben scheint, alles, was in das Wissen jener Zeit fällt, wird im Talmud Gegenstand der Eröterung, der wiederholten Betrachtung. Die Gesezgebung und die Kritik derselben, die Erscheinungen auf dem Gebiete des ethischen Lebens, die Kultusformen jener Epochen und ihrer wesentlichen Dogmen, Länderkunde, Völkergeschichte, Gesezeskunde und einläßliche Belehrungen über die erfolgreiche Anwendung der vorhandenen Geseze, all dieses umfangreiche und belebende Material soll den Stoff geben zur ethischen Erziehung des Volkes, zur vertieften und idealisierten Verinnerlichung desselben. Dann wieder liest man in dem Talmud lange und gelehrte Abhandlungen über Altertumskunde, Zivilrecht und Strafrecht, über Sprachwissenschaft, Religionsphilosophie, Cameralistik und Heilkunde, über Astronomie, Naturwissenschaft, Erdbeschreibung und allgemeine Geschichte. In der Auslegung und Bedeutungslehre, in der philosophischen Kritik dieser bestehenden Geseze, befolgen diese gelehrten Rabbiner, die den Talmud geschrieben eine äußerst streng metho= dische Zergliederung und Zusammenseßung der Begriffe. Mit den Regeln einer ausgeflügelten Schullogik ausgerüstet und vertraut, schreiten sie immer nur vom Bekannten zum Unbekannten, von einem Schluß langsam und sorgfältig zum andern, und bauen also ein System von Wahrheiten auf, das eine sichere Grundlage, und in summarischer Weise eine übersichtlich, leicht verständliche und rationelle Darstellung des Gesammtwissens der Menschheit repräsentieren soll. Schwerlich hat menschliche Arbeit irgendwo und zu irgend einer Zeit ein großartigeres Werk geistigen Schaffens ausgeführt. Es ist entschieden sehr zu bedauern, daß namentlich die äußerst einseitig arbeitende und denkende materialistische Wissenschaft den Inhalt des Talmud über die Peripherie ihres Studiums und ihrer Forschung hinausgesezt hat.

Um den philosophischen Inhalt mit seinen auf unendlich vielfachen Studien beruhenden Zwecken nicht durch ungenügend motivierte Zusäße und Neuerungen zu verändern, zu entstellen und selbst zu entweihen, sind in demselben noch eine Reihe anderer Bestimmungen hinzugetreten, denen man gemeinsam den Namen Zaum gegeben hat, weil darin Einschränkungen, Vorbeugungen und eventuell Veränderungen angeführt werden, wie solche etwa im Laufe vieler Jahrhunderte durch den Wechsel des Lebens und die Umbildung unserer gesellschaftlichen Verhältnisse allmählich entstehen und reifen können. Daß man diesen unvermeidlichen Veränderungen oft mehr äußerer Lebenserscheinungen doch einigermaßen Rechnung tragen soll, muß jedem einleuchten, wenngleich die eigentlichen Prinzipien des intellektuellen und moralischen Lebens innerhalb ihrer vom Menschen geahnten Evolutionen dennoch in gesezmäßiger Ordnung

verharren und sich ihres konservativen Charakters nicht leicht begeben. Gesez und Leben müssen einander durchdringen, beleben, versöhnen. Ein beständiger Ausgleich beider Faktoren muß von jedem gefühlt werden. Ob auch dem Scheine nach hart, unwandelbar und ehern, muß der Mensch in dem Gesez dennoch eine unveränderliche Gerechtigkeit und einen göttlichen Willen anerkennen und selbst wünschen. In dieser philosophischen Auffassung dieses mit Recht bewunderungswürdigen Buches jüdischer Gelehrsamkeit liegt ja förmlich die Geschichte des Talmud selbst. Ein Werk aber, von einem so tiefen geistigen Inhalt, von einem so umfassenden Charakter, und das auf so viel menschlicher Erfahrung beruht und deshalb auch der Wahrheit umsomehr entsprechen muß, kann seine historische Bedeutung und Größe niemals einbüßen, eben weil man wichtige Wahrheiten niemals vernichten kann. Man hat die Talmudischen Bücher wohl in Europa Jahrhunderte lang absichtlich und wohl noch mehr aus Unwissenheit der Vergessenheit übergeben wollen; allein das konnte und durfte unmöglich geschehen. Unter den lebenden Menschen gibt es immer wieder solche, denen die Wahrheit stets etwas Geheiligtes ist. In ihren Herzen flammt so viel selbstloser Idealismus und mutbeseelte Hingebung zur Rettung erdrosselter und niedergeknebelter Wahrheiten, daß durch ihre unablässige Begeisterung zur Forschung die niedergedrückte, gedemütigte und todgeschwiegene Wahrheit immer wieder ihr stolzes Haupt erhebt und siegreich durch Nacht zum Licht dringt. Also geschah es mit dem Talmud, der ja nichts anderes ist als die reife Frucht der freien, uneingeschränkten und auf den Erfahrungen der Menschheit beruhenden Reflexion. Die zahlreichen Aussprüche tiefer Wahrheit und die köstlichen Belehrungen, welche man in diesem wunderbaren Sammelwerke morgenländischer Philosophie auf jeder Seite zu lesen die Gelegenheit hat, haben alle kein anderes Ziel, als den Menschen ethisch zu adeln, sein geistiges Wesen zu vergöttlichen und den Funken der Religiosität, das Bewußtsein einer Verbundenheit mit einem höhern, allmächtigen und liebevollen Wesen wieder zu wecken und neu zu beleben. Der hohe Zweck des Talmud sollte eben darin liegen, den bildenden Wert, die wirkende Gewalt dieser ihm zugrunde liegenden Gedanken nachzuweisen, und es wird nun gerade die moderne aktuelle Wissenschaft Gelegenheit genug haben, sich überzeugen zu können, daß jene gelehrten Juden, welche ihre Zeit bei weitem überragten, eben ihren Zeitgenossen um Jahrhunderte vorauseilten und daß deren philosophische Lebensanschauung die heutige Wissenschaft in sehr vielen Stücken voll und ganz anerkennen muß.

Auch scheint es ratsam und durchaus berechtigt, an dieser Stelle zu betonen, daß die allgemeinen und so vortrefflichen Belehrungen und Unterweisungen des Talmud keineswegs nur das jüdische Volk aufklären und veredeln sollten, sondern diese instruktiven Mitteilungen hatten einen ganz universellen, man möchtesagen, einen kosmopolitischen Charakter. Das im Talmud enthaltene Wissen der vorgeschrittenen jüdischen Gelehrten sollte zum Gemeingut der Menschheit werden.

In diesem weitblickendem Ziel liegt aber auch zu Dank verpflichtendes Wohlwollen. Auch kann wahre, objektive Wissenschaft niemals andere Grenzbestimmungen haben als eben die Förderung des Menschengeschlechtes durch wohlwollende und liebevolle Auflärung.

Dieses bänderreiche Schriftdenkmal, das in seiner Gesamtheit den Namen Talmud führt, ist die Hauptquelle des rabbinischen Judentums. Es enthält den gesamten religionsgesehlichen Stoff der jüdischen Ueberlieferung; allein es herrscht darin keine systematische Anordnung, vielmehr Figuren; darin ausführliche, aber zwangslose Diskussionen mit erbaulichen Betrachtungen, Legenden, Parabeln, vermischt mit Thematen, welche dem Gebiet der Geschichte, der Medizin, der Naturwissenschaft im allgemeinen entnommen sind. Neben dem im Pentateuch enthaltenen schriftlichen Gesez hat sich ein dieses ergänzendes und erklärendes mündliches Gesetz von Geschlecht zu Geschlecht vererbt. Durch die beständige Erweiterung des gesellschaftlichen Lebens und infolge des beständigen Zuwachses neuer sozialer Lebenserscheinungen, wurde es allmälig zur unabweisbaren Notwendigkeit, dieses mündlich aufgespeicherte und auf neue Generationen überlieferte Wissen zu sichten, zu ordnen und das ganze ungeheure Material schriftlich zu firieren.

Diese in hebräischer Sprache abgefaßte Sammlung mündlich überlieferter Geseze und Gebräuche führt den Namen Mischna und zerfällt in sechs Ordnungen. Später entstanden neue Sammlungen unter andern Bezeichnungen. In den Akademien Palästinas, Babylons war aber die Mischna die eigentliche Grundlage, der Ausgangspunkt aller gelehrten Verhandlungen, in welchen neben Gesez, Recht, Kultus, Sittenlehre, Verwaltungsrecht u. a. auch Berichte und Notizen aus dem Wissensgebiet der Astronomie, des Handels, der Medizin, Philosophie, Naturwissenschaft, Geographie, Numismatik und Archäologie zum Gegenstand der Besprechung wurden. Je nach dem zu behandelnden Stoff war natürlich auch die Vortragsweise, bald ernst und streng logisch, bald herzgewinnend und gemütlich. Später wurden neue Fragen objektiviert, andere Geseze und Verordnungen geschaffen, wie dieselben eben dem immer sich veränderten Leben entsprechen mögen. Jedoch waren diese Neuerungen noch von der Mischna getrennt und von ihr unabhängig. Man gab diesen später gesammelten Diskussionen den Namen Gemara, vollständige Erklärung, und erst ihre später erfolgte Verbindung mit der Mischna bildete jenes umfangreiche und enzyklopädische Werk, welchem der Name Talmud gegeben wurde.

Dieses mündlich erhaltene Material der Tradition wurde erst um 400 nach Christus von Rabi Aschi, Schuloberhaupt in Sura, gesammelt, nachdem Rabbi Akiba den Anfang dazu gemacht hatte. Ungefähr 500 Jahre nach Christus haben wir den Talmud, wie wir denselben gegenwärtig kennen. Derselbe wurde im ostaramäischen Idiom abgefaßt. Von zahllosen Gelehrten verfaßt, fast unzählige Male schon gedruckt, sind einzelne Teile derselben auch in andere Kultursprachen übersezt worden. Im zehnten Jahrhundert wurde

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