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die Wissenschaft der Staatsverwaltung, welche man die politische Haushaltungskunst nennt, und zwey Wörter verbindet, die nach ihrer natürlichen Bes deutung und den Erklärungen des Aristoteles zufol ge, einander ganz entgegen gesezt sind, daß, fag ich, diese Wissenschaft und Kunst unendlich verwickelter und durchtriebener sey, als man gemeiniglich denkt..

R. Ganz gewiß.

P. Da nichts in der Welt, ist das nicht seine Vortheile und Nachtheile hat, und alles zusammenhängt; fo seh ich nunmehr, wie schwer alle Aufgaben dieser Art aufzulösen sind, und wie genau man auf als les zu sehen hat. Man kann keinen Schlag thun, ohne daß rund herum der Gegenschlag gleichfam wiederschalle und im Ganzen sich ausbreite. R. Das ist sehr wahr. Alle Aufgaben der Staats wirthschaft haben die Wohlfahrt der Menschen zum Endzweck. Es giebt aber kein Wohl ohne den Zus fag eines Uebels, wodurch entweder jenes geschwächt wird, oder auch alles im Gleichgewichte bleibt. Zu dieser ersten Schwierigkeit kommt noch, daß man keine bestimmte uud beständige Größe zur Gleichung solcher Aufgaben finden kann. Der Mensch selbst ist eine unendliche Größe. Er ist (wenn ich mich dieses Gleichnisses bedienen darf) eine durch das Nadelohr jeder Gewohnheit ziehbare Materie, und nimmt ohne Abbruch seines Daseyns alle Falten und Gestalten an. Durch die Gewohnheit giebt er seinen Kräften, seiner Natur, seinem ursprünga lichen Zustande eine Ausdehnung, die vor der Hand unmöglich scheint; und was noch sonderbarer ist, so bald er sich einmal bequemt hat, kommt ihm eine solche künstliche Lage ganz natürlich vor, er glaubt, daß alles von jeher so gewesen sey, und gar nicht anders seyn könne, und daß es einen Theil feines physischen Wesens ausmache. Er befins det sich ganz, gemächlich in diesem Zustande, worein er durch eine Reihe von Jahrhunderten ver fest worden, und die Arbeit einer langen Geschlechts, folge von Philosophen geråth in Vergessenheit. Der Wohlthäter und seine Wohlthat werden eben so uns kenntlich, als der Bösewicht und seine Bosheit. Treuherzig leitet man beides aus seiner eigenen Nas tur her.

9. Ich sehe, daß einerseits diese undankbarkeit und

bann jene Geschmeidigkeit des Menschen, die ihn alle Augenblicke der Gefahr ausfegt um seine gu= te Lage zu kommen, ziemlich im Stande ist diejes nigen Weisen abzuschrecken, welche Luft haben ihn glücklich zu machen.

R. Das ist auch sehr oft der Fall; des Weisen Frohndienst ist es aber schon einmal, dem Menschen wohlzuthun, und er ist nicht Herr dieser seiner Bestim mung. Doch wieder zur Sache zu kommen; fo wird durch dergleichen unbekannte Größen die Gleiz chung einer Aufgabe unbestimmt, und lektere dadurch in die Reihe der Probleme de maximis et minimis versest; wohin auch in der That alle polis tische Aufgaben gehören. Es kommt hier lediglich darauf an, das größte mögliche Wohl bey dem kleins ften Uebel zu finden, durch den Weg der Approrimation; denn nichts in der Politik kann aufs höchs fte getrieben werden. Es giebt einen Punkt, eine Gränzlinie: diesseits ist das Wohl größer als das Uebel; jenseits wird das Gute vom Bösen überz wunden.

P. Wie ist es aber möglich diesen Scheidepunct zu finden? R. Der Weise berechnet ihn; das Volk fühlt ihn vermöge des Justinkts. Der Mann von Geschäften lernt ihn durch die Länge der Uebung und Zeit ken= nen. Der Modescribent hat weder Begriff noch Gefühl davon.

P. Ich verstehe sehr gut, was Sie mit dieser sinnreichen Schattirung fagen wollen. Weil die Weisen fehr selten sind, so haben in Ihren Augen die Ema pfindungen des Volks und die Erfahrungsurtheile der Leute in Geschäften einen Vorzug vor den Meynungen der Schriftsteller.

R. Verrathen Sie nur mein Geheimniß nicht! P. Warum machen Sie sich aber so wenig aus allen. unsern ökonomischen Büchern?

R. Weil sie gute Werke ehrlicher Leute sind. P. Wie nun? Was Sie mir jest sagen, kommt mir fehr außerordentlich vor.

R. Die Tugend, die Neigung Gutes zu thun, ist für uns eine Leidenschaft, wie alle andere. Als eine große Seltenheit, ist sie von eben so ungemeiner Heftigkeit, und hierin übertrifft sie alle andere Leidenschaften; denn kein Gewissenszügel und Gebiß kann uns aufhalten, wenn wir von der Einbildung Gutes zu thun angespornt werden. Diese

Heftigkeit und ihren Ausbruch erzeugen Schwärmes rey. Man überredet sich ohne Untersuchung von dem, was man sehnlich wünscht, und segt auch andere durch das Feuer seiner Zunge in Glut, weil man seiner Ehrlichkeit zu gewiß ist. Ohne gute Gründe anzuführen hat man die Freymüthigkeit der Wahrheit, die Kühnheit der Tugend, den Eis fer seiner eigenen Ueberzeugung, und reißt seine Leser mit sich, die keinen Anlaß sehen auf ihrer Hut zu seyn. Fürchten Sie niemals, auf mein Wort, Betrüger und Schelme; weil solche, ohne ihre Maske zu verrathen, selten ihre Rolle ausspielen können. Der ehrliche Mann, der sich selbst hintergeht, ist allein furchtbar, übereinstimmig mit sich, will er in allem Ernst das Gute, und Jedermann verläßt fich darauf; aber unglücklicher Weise irrt er sich in Ansehung der Mittel das menschliche Wohl zu bes fördern.

Nach dem, was Sie jezt sagen, scheint es, daß Sie die Menschen lieber von Bösewichtern als ehrlichen Leuten regiert sehen möchten.

R. Das ist nun wohl eben meine Meynung nicht; son-
dern ich möchte Ihnen nur gar zu gern zu verstehen
geben, wie schwer es sey, einen großen Mann zu
finden, der entgegengesette Eigenschaften, und das
fast unmöglich zu vereinigen scheinende äußerste En-
de, paar zu bringen weis, und bey dem brennena
den Durst eines Bidermanns Gutes zu thun, die
Kälte und Enthaltsamkeit eines Bösewichts in seis
ner Gewalt hat. Troß dem gierigsten Willen muß
er Ruhe zur Untersuchung und Geduld zum Bars
ten im Schilde führen, das heißt, beynahe Wun-
der thun. Die Natur bringt zwar bisweilen ein
vollkommenes Muster vors zwey zugleich aber ist
ihr Meisterstück.

Jest bin ich auch Ihrer Meynung, indem ich mir
im Geist die abscheuliche Menge solcher Personen
nach der Reihe vorstelle, welche gern haben Gutes
thun wollen, in Vergleichung des kleinen Ausschus=
ses derer, die Fähigkeit dazu hatten. Unterdessen
erlauben Sie mir, Herr Ritter, Ihnen noch zu sa:
gen, daß mir gleichwohl die Schwärmeren cines ehr-
lichen Mannes eben nicht so gefährlich vorkommt.
Zwar kann er sich bisweilen selbst hintergehen; aber
erftlich zieht uns, so zu sagen, ein natürlicher Ins

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Finkt zur Wahrheit zurück, und falls unser Gemüth nicht durch herrschende Laster und Leidenschaften bez nebelt ist, so ist die Wahrheit solcher Dinge, die uns so nahe angehen als die Gegenstände der Haus haltungskunst, weder willkührlich noch über unsern Horizont, sondern liegt uns ziemlich zur Hands wiewohl ich nochmals gestehen muß, darin völlig Ihrer Meynung zu seyn, daß die untersuchungen mühsam, verwickelt, und jener augenscheinlichen Evidenz nicht fähig sind, die allenthalben gesucht wird, und nirgends zu Hause ist.

R. Bloß ihrer Schulden wegen ist sie unsichtbar. Dies. se leidige Evidenz ist der ganzen Welt schuldig, hat allen Wissenschaften Wechselbriefe und Verschreibungen ausgestellt, ohne jemanden ausgezahlt zu haben als einigen Meßkünstlern, die bey aller ihrer Plusmacherey Pracher geblieben sind. Aber Scherz ben Seite! Sie glauben also, daß die Schwärmeren nur alsdenn gefährlich sey, wenn fie die Parthey des Irrthums ergreift.

P. Das follt ich denken! Ich halte sie gar für nüglich. Weil die Menschen träge, feigherzige Sklaven der Gewohnheit sind, muß man ihnen den Kopf warm machen, und ihnen nicht so viel Zeit lassen, daß die Hige verraucht dem vorgesteckten Ziel nachzujagen. N. So redet jedes junge edle Blut. Mit zunehmenden Jahren und Erfahrung åndert sich aber diese ganze Sprache. Die Regierung eines Staats bes ruht auf zwey Dinge, den Endzweck, den man sich vorfest, und die Mittel felbigen zu erreichen. Sie ist der Wissenschaft eines Steuermanns vollkommen ähnlich. Der Endzwak ist die Fahrt und die Mittel find die Wendung der Segel und des Schiffes. Halten Sie nicht die Schwärmerey für gefährlich in der Wahl des Endzweckes?

❤. Allerdings lauft man Gefahr blind anzulaufen. Wenn man aber zufälliger Weise, oder durch den offenbaren Augenschein auf eine Wahrheit stößts dann

R. Dann ist Schwärmerey das größte Uebel.
P. Wie so?

R. Weil die ganze Wissenschaft Menschen und Staaten zu regieren, gleich der Kunst ein Schiff zu führen, auf den alleinzigen, einfachen, kurzen Grundsag ankommt: Nil repente, nichts auf ein mal. Zu

einer guten Fahrt gehört, daß man Segel und Schiff gehörig zu wenden wisse. Wendet mans zu kurz, so stürzt die See durch die Schießlöcher, das Schiff wird von den Wellen verschlungen und es ist vorbey. Gegenstand, Mittel, alles ist verfehlt und aus. Wissen, zu welchem Zweck man Dinge brin gen soll, das ist nicht genug, sondern man muß auch verstehen, sie dahin einzulenken. Diese Eins lenkung ist schwer, und die Hauptsache besteht das rin, daß man die immer zu schnellen, zu übereilten Bewegungen zu vermeiden, durch Krümmungen die übertriebene Geschwindigkeit der geraden Linie mindern, und, weil sie die allerkürzeste ist, den Weg zu perlängern und Zeit zu verlieren wisse. Nichts ist so Schnurentgegen der Schwärmeren, die alles aufeinmal und im Augenblicke thun, und immer vor un geduld bersten will. Folglich können Sie überzeugt feyn, daß Schwärmerey und Staatsverwaltung sich einander widersprechen, und daß man sogar beym Einlaufen in den berühmten Hafen der Evidenz, wenn man selbigen vor sich liegen sieht, sich nies mals Sturm und Strom so überlassen muß, daß das Schiff übergeworfen werde. (*) Die Hauptsas che ist, daß man einlaufe, aber nicht eher, bis man Fann.

P. Das ist wohl wahr; doch wenn man Zeit verliert und so oft und so viel Behutsamkeit bis zum Ausschweifen anwendet, kommt man gar nicht dazu, Gutes zu thun. Die Umstånde åndern, unvermuthete Vorfälle ereignen sich, und wir bleiben mit der Reue zurück, die Gelegenheit verfehlt zu haben. R. Ich habe Ihnen nicht gesagt, daß man bey einer Windstille eben so Stiff und Segel wenden müsse, als mitten im Sturm. Alles läßt sich übertreiben, und alles Ucbertriebene ist ein Fehler, aber die Wurzel von Mehr und Weniger bleibt dennoch in ihrer Würde: Nichts auf einmal. Um nicht in Grund zu laufen, muß man alle heftige Stöße vermeiden, die Bewegungen einschränken und in die Höhe fahren.

P. Das ist freylich nach Beschaffenheit der Umstände

(*) Que le vaiffeau faffe calotte.

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