270 Schon durch die Adern der Natur zu fließen Sich ahnungsvoll vermaß, wie muß ich's büßen! Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen. Ich fühlte mich so klein, so groß; 275 Du stießest grausam mich zurücke Ins ungewisse Menschenloos. Wer lehret mich? Was soll ich meiden? Soll ich gehorchen jenem Drang? Ach, unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden, 280 Sie hemmen unsers Lebens Gang. Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, Wenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug V. 282. fremd- und fremder s. Textrevision. V. 285. Die Liebe stirbt wie das Ideal im Genusse „des Guten dieser Welt". Dagegen im Divan (I, 18): „Und dich reißet neu Verlangen Auf zu höherer Begattung." V. 291. Die Sorge erscheint Faust am Schlusse des Zweiten Theils personifizirt; den neuen Masken (V. 294) entsprechen dort die Verse: „In verwandelter Gestalt Ueb' ich grimmige Gewalt", obigem V. 297 dort das: „Stets gefunden, nie gesucht". Wofür wir beben (V. 297), giebt V. 295, wovor, V. 296 an. Goethe's Fauft, I. 3 Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh; Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, 295 Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift; Du bebst vor Allem, was nicht trifft, Und was du nie verlierst, das mußt du stets beweinen. Den Göttern gleich' ich nicht! Zu tief ist es gefühlt; Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen, 315 Ihr Instrumente freilich spottet mein Mit Rad und Kämmen, Walz' und Bügel. Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel sein; Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel. 320 Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben, Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, V. 309. Vischer versteht (S. 254) das sich quälen als einander quälen, ohne zwingenden Grund; Taylor übersetzt richtig: self-tortured. V. 311. Schädel; nach Bodinus (in Fischart's Uebertragung S. 265) zeigen Todtenköpfe im Hause den Schwarzkünstler an. V. 319. Ein oft bei Goethe wiederkehrender Gegensaß, auch hier Th. II, 4, V. 55. Vergl. das „Offenbare Geheimniß“ im Divan (II, 9), in den Sprüchen (Nr. 214) und die Beispiele in den Noten daselbst. Il segreto de' fatti palesi betitelte Tommaseo 1859 eine seiner Schriften nach einem Gozzi'schen Stücke. Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. Du alt Geräthe, das ich nicht gebraucht, Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte. 325 Du alte Nolle, du wirst angeraucht, So lang' an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte. 330 Erwirb es, um es zu besigen. Was man nicht nüht, ist eine schwere Last; Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nüßen. Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle? Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet? 335 Warum wird mir auf einmal lieblich helle, Als wenn im nächt'gen Wald uns Mondenglanz umweht? Ich grüße dich, du einzige Phiole! Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert, Den Gedanken der Verse 319-24 spricht eine der Goethe-Schiller'schen Dich zu greifen, ziehen sie aus mit Neßen und Stangen, Aber mit leisem Tritt schreitest du mitten hindurch. V. 325 f. V. 52 und Note. V. 330. Dem lebendigen, mit einem fruchtbringenden Gebrauch verbundnen, den Gegenstand mir wirklich aneignenden Besitze steht der todte Besitz gegenüber, das bloße Haben; Und er besitzt dich nicht, er hat dich nur" (Goethe in Künstlers Erdewallen). J. Grimm (I, 1628) citirt ein Gedicht von Tscherning v. J. 1642 vom Geizhals, welches ebenso schließt: er „Besißt nicht was er hat". Kant (V, 62): ich erwerbe etwas, wenn ich mache, daß etwas meine werde. S. bei Grimm die Artikel Ererben, Erwerben und Besitzen. Gesteigert kehrt der Gedanke, namentlich von V. 332, wieder Thl. II, 5, V. 517 fg. 345 Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach. Ein Feuerwagen schwebt auf leichten Schwingen Vermesse dich, die Pforten aufzureißen, In der sich Phantasie zu eigner Qual verdammt, Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt, Nun komm herab, krystallne reine Schale, Wenn Einer dich dem Andern zugebracht. Ich werde meinen Wig an deiner Kunst nicht zeigen; V. 345 fgg. enthalten eine Vorahnung des Kommenden, wie noch flärker V. 721 fgg. und 769 fgg. Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht. 380 Mit brauner Fluth erfüllt er deine Höhle. Den ich bereitet, den ich wähle, 385 Der lezte Trunk sei nun mit ganzer Seele Als festlich hoher Gruß dem Morgen zugebracht! Glockenklang und Chorgesang. Faust. Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton 390 Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde? Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon Des Osterfestes erste Feierstunde? Ihr Chöre, singt ihr schon den tröstlichen Gesang, Der einst um Grabesnacht von Engelslippen klang, 395 Gewißheit einem neuen Bunde? 400 Chor der Weiber. V. 384. Dem Gesange der Engel liegt das alte Osterlied der christlichen Kirche zu Grunde, welches anfängt: Christ ist erstanden Von der Marter Banden. V. 396 fgg. Alles auf biblischer Grundlage. Nach Matth. 27, 61 waren bei der Grablegung zugegen „Maria Magdalena und die andere Maria“ (Jakob's Mutter) und nach Joh. 19, 40 „nahmen sie den Leichnam Jesu und banden ihn in leinene Tücher mit Spezereien, wie die Juden pflegen zu begraben“. Vergl. Marcus 16, 1 und Lucas 24, 10, wo noch andrer Frauen gedacht wird. |