Faust. Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise 800 Er um uns, her und immer näher jagt? Und irr' ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel Auf seinen Pfaden hinterdrein. Wagner. Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel; Faust. 805 Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen Zu künft'gem Band um unsre Füße zieht. Wagner. Ich seh' ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen, Fauft. Der Kreis wird eng; schon ist er nah! Wagner. 810 Du siehst, ein Hund, und kein Gespenst ist da. Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch, Er wedelt. Alles Hundebrauch. Du hast wohl Recht; ich finde nicht die Spur 820 Von einem Geist, und Alles ist Dressur. V. 801. Der Feuerstrudel deutet hier auf den im Pudel steckenden Teufel. In den „Nachträgen zur Farbenlehre" (1822. Zur Naturw. I, 4. 257 fg.) faßt Goethe die Erscheinung mit Wagner als Augentäuschung: „Ein dunkler Gegenstand, sobald er sich entfernt, hinterläßt dem Auge die Nöthigung, dieselbe Form hell zu sehen,“ und erzählt, wie vor seinem Fenster ein schwarzer Pudel vorbeigelaufen, „der einen hellen Lichtschein nach sich zog: das undeutliche, im Auge gebliebene Bild seiner vorübereilenden Gestalt". Wagner. Dem Hunde, wenn er gut gezogen, (Sie gehen in das Stadtthor.) 825 830 Studirzimmer. Fauft (mit dem Pudel hereintretend). Verlassen hab' ich Feld und Auen, Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen Sei ruhig, Pudel! Renne nicht hin und wieder! 835 Lege dich hinter den Ofen nieder! Mein bestes Kissen geb' ich dir. Wie du draußen auf dem bergigen Wege Durch Rennen und Springen ergößt uns hast, So nimm nun auch von mir die Pflege 840 Als ein willkommner stiller Gast. 845 Ach, wenn in unsrer engen Zelle Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen Tönen, 850 Die jetzt meine ganze Seel' umfassen, Will der thierische Laut nicht passen. Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen, Was sie nicht verstehn, daß sie vor dem Guten und Schönen, 855 Will es der Hund wie sie beknurren? 860 865 870 Aber ach, schon fühl' ich bei dem besten Willen Mich drängt's, den Grundtert aufzuschlagen, Das heilige Original In mein geliebtes Deutsch zu übertragen. (Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.) Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort! V. 870-83. Evang. Johannis 1, 1 lautet in der Uebersetzung Luther's: ,,Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort." In dem griechischen Original steht für „Wort" Logos: 'Ev de̟xň žv ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν θεὸν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος. 2ogos be deutet sowohl Wort als Vernunft (Sinn). Logos enim et ratio dicitur et verbum (Reuchlin III, f). J. Böhme: „Der Anfang aller Wesen ist das Wort als das Aushauchen Gottes"; Hegel (Gesch. d. Phil. III, 314): ,,Logos ist bestimmter als Wort. Es ist schöne Zweideutigkeit des griechischen Worts Vernunft und zugleich Sprache“. Als Sinn braucht Goethe das Wort auch sonst (Bd. 29, S. 267 am Rande der Tabelle). Der Sinn entspräche der Idealphilosophie Plato's, aber auch der Hegel's; Lettrer müßte übersetzen: der absolute Geist, wie Schopenhauer: der Wille; der Sinn würde, nach Trendelenburg's Ausdruck, die Natur ethisiren, das Wort die Ethik naturalisiren. Die Kraft, Aristoteles' Energie, enthielte die Spinozistischen Attribute des Denkens und der Ausdehnung in der Einheit, und in diesem Sinne betonte Herder die Kraft, Urkraft, Alkraft (Bd. 18, S. 42 fg. der Hempel'schen Ausg.). Will Trendelenburg (Ueber den letzten Unterschied der philo 875 880 Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Daß deine Feder sich nicht übereile! Ist es der Sinn, der Alles wirkt und schafft? sophischen Systeme. Abhdl. der Berl. Akad. 1847) beim Worte verbleiben, als der vom Sinn bestimmten Kraft: so ist Goethe's, zunächst aus den Mystikern geschöpfte, That weitergehend als verwirklichtes Wort, Sinn, Kraft, Böhme's Aushauchen als ein schöpferisches fiat: Goethe's,,innerste Weltansicht" (Gervinus V, 112): die philosophischen Abstrakta, gleich den ältesten Religionen, anthropomorphisirend: Postulat des genialen Subjekts, des Dichters und Künftlers, niedergelegt im Veni Creator Spiritus und im Prooemion (Ged. 3, 64 u. 2, 223): Im Namen Deffen, der sich selbst erschuf, Von Ewigkeit in schaffendem Beruf, ferner hier Prolog V. 104, Th. II, 5, V. 825: was ewig schaffend uns umwallt, und im Werther I (18. Aug.): Geist des Ewigschaffenden. Semper genitor, quoniam semper pater (Reuchlin). Nach Widman durfte Faust das Evangelium Johannis nicht lesen: „Den Johannem meide und den Schwätzer Paulum.“ Kann das natürlich geschehen? 895 Ist es Schatten? Ist's Wirklichkeit? Das ist nicht eines Hundes Gestalt! 905 910 915 Für solche halbe Höllenbrut Geister (auf dem Gange). Drinnen gefangen ist Einer! Zagt ein alter Höllenluchs. Aber gebt Acht! Schwebet hin, schwebet wieder, Und er hat sich losgemacht. Könnt ihr ihm nüßen, Laßt ihn nicht sizen! Denn er that uns Allen Schon viel zu Gefallen. Fauft. Erst zu begegnen dem Thiere, V. 904. Salomo galt im Mittelalter als der erste Geisterbeschwörer, nach dem Talmud (Roskoff I, S. 251 u. Bodinus S. 93); daher hießen die Zauberbücher, welche darin Unterweisung ertheilten: Salomonis Schlüssel, Claviculae Salomonis (z. B. v. J. 1686; s. Welling S. 118). Ursprünglich waren die angerufenen Geister keineswegs Dämonen der Hölle, vielmehr gute, himmlische oder auch neutrale Naturgeister. Diese sind, je nachdem sie einem der vier Elemente, Feuer, Waffer, Luft oder Erde, angehören: Salamander, Undenen (oder Nymphen, Sirenen), Sylphen (Luftgeister) und Kobolde (Gnomen, Berggeister, Pygmäen). Faust sieht diese Elementargeister als nur halb der Hölle angehörig an. |