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Die Worte Faust's (V. 1345 fg.):

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Werd' ich zum Augenblicke sagen:

Verweile doch! Du bist so schön!

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führen im Zweiten Theile die Entscheidung herbei. Es giebt vorübergehende, momentane, partielle Befriedigungen, die auch dem Unglücklichen, mit dem Leben Zerfallenen, dem nicht zu Befriedigenden zu Theil werden. Derartige Freuden, seien es geistige, seelische oder finnliche, gewährt der Dichter auch schon vorher Faust mannichfach, aber fie ändern nicht seinen Seelenzustand. Seine Unruhe wird sogar gesteigert. Wenn Faust in der Herenküche im Anblick des Zauberbildes gern verweilt hätte, wenn er in Liebe zu Gretchen ent= brannte, mit einem Halstuch von ihrer Brust“, einem Strumpfband befriedigt gewesen wäre, wenn er dies Liebesgefühl „unendlich, ewig“ nennt, er vom Glauben an Gott ausruft: „Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist“ (K. Fischer S. 175-7), ihm im Zweiten Theile sogar ein ungetrübtes längeres Liebesglück und Vaterfreuden beschieden sind handelt es sich immer nur von partiellen Befriedigungen; die Wunden seiner Seele bleiben offen. Die totale Beglückung, die Stillung des Verlangens, welches den Gegenstand des ganzen Stückes bildet, gewinnt er erst kurz vor dem Tode. Daß dies so kommen werde, erkannte man schon bei dem Erscheinen des Ersten Theils. Die denkwürdige Stelle in einem Briefe von Jean Paul an Jacobi (in den Werken des Ersteren, Bd. 29, S. 366. Ausg. 1842) vom 4. Oktober 1810 lautet: „Deine Frage über Goethe's Faust begehrt zur Antwort ein Büchlein. Die poetische Kraftfülle darin begeistert mich. Ich weiß wohl, deine Frage meint mehr die philosophische als ästhetische Schäßung. Eigentlich ist's gegen die Titanenfrechheit geschrieben, die er sehr leicht in seinem Spiegel, wenigstens sonst, finden konnte. Aber vor der Vollendung des Werks ist kein gerechtes Urtheil möglich. Daß ihn der Teufel nur dann holen solle, wenn er einmal wahrhaft befriedigt und selig wäre, für diesen schweren Punkt giebt's mir keine Auflösung als die: daß er sich bekehrte und sein hungriges Herz durch den Himmel stillte und dann käme der Teufel." Schelling hatte schon nach dem Fragment Faust's Errettung erkannt. Die Lösung, wie sie Goethe, nicht ganz Jean Paul's Vermuthung

d'avoir fait venir son diable de l'autre rive du Rhin“, und J. Janin im Journ. des Débats vom 26. Aug. 1850.

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become actur!!

entsprechend, versuchte, ist in den schon im Fragment enthaltenen
Worten Faust's (V. 1416 fgg.) vorgedeutet, welche an die Stelle des
Subjektivismus, des nur persönlichen Genügens, das Streben seßen:
das eigne Selbst zu dem der ganzen Menschheit zu erweitern,
„ihr Wohl und Weh“, „der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen“
(V. 112, gleichfalls im Fragment). Was am Schlusse als Resultat
entspringt, die erfüllte Erdstimmung, ist so in den Anfang schon als
Faust's innerstes Pathos hineingelegt. Der praktische, nicht rein in-
tellektuelle Trieb der Verse 1212 bis 15, der Schmerz, daß der innere
Gott nach außen nichts bewegen könne, dieses unerfüllte Streben,
die wichtigste Seite des Faustischen Wahrheitsdranges, findet im vierten
und fünften Akt des Zweiten Theils Raum sich zu bethätigen; Faust
könnte dort sich im Siegesglanze die blut'gen Lorbeern um die Schläfe
winden" (Th. I, V. 1220). Gregor der Große nennt drei Formen,
worin der Teufel die Menschen versucht: gula, vana gloria und
avaritia. Diese Lockmittel, auf die Mephisto rechnen konnte, hatte Faust
zwar in den Versen 1233 bis 52 - mit dem Anklang an die Zehn
Gebote in Vers 1243 und 44 verflucht, aber nur, um ihrer Wir-
kung in den folgenden Versuchungen desto mehr ausgesezt zu sein.
Zu den Versen: Verachte nur Vernunft und Wissenschaft“
scheinen uns die Worte Fichte's (in seiner lehten Vorlesung vor dem
Ausbruche des Krieges 1813) den lebendigsten Kommentar zu ent-
halten: „Ich weiß sehr gut und bin durchdrungen von der Ueber-
zeugung, daß dem Reiche des alten Erbfeindes der Menschheit, dem
Bösen überhaupt, welcher Feind in verschiedenen Zeitaltern in den
verschiedensten Gestaltungen erscheint, durch nichts so sicherer und
größerer Abbruch geschieht als durch die Ausbildung der Wissen-
schaft im Menschengeschlechte. Daß ich darunter nicht ver-
stehe ein historisches Wissen, sondern die Verwandelung des Wissens,
der Vernunft, der Weisheit in das Leben selbst und in dessen
höchsten Quell und Antrieb, ist Ihnen bekannt." *)

Der Schülerscene, wozu sich schon in einem indischen Drama ein Pendant findet (Klein 3, 350), liegen Goethe's eigne Erfahrungen der Universitätszeit, namentlich die seines Leipziger Trienniums, zu Grunde. Allseitig wurde die Kluft empfunden, die zwischen dem fortgeschrittenen Geiste des Jahrhunderts und der zünftigen Wissenschaft bestand. In Dichtung und Wahrheit (Buch 7) bespricht Goethe den

Ueber den Begriff des wahrhaften Kriegs, Tübingen 1815, S. 72.

damaligen Zustand der vier Fakultäten ernsthaft, Friedrich der Große ebenso in seiner Schrift De la littérature allemande (Werke 7. S. 126 fgg.). Mephistopheles' Schilderungen ähnlich lauten die eines Publicisten des vorigen Jahrhunderts, Weckhrlin.*) Von der Medizin heißt es hier: "Ihre Koryphäen find Elegants. Man schreckt mit ihrem Namen nicht mehr die ungezognen Kinder, man meldet ihn den Damen am Nachttisch mit Enthusiasmus. Er [der Arzt] unterhält die Anwesenden mit den süßesten Worten. Jedermann bis zum Stubenmädchen ist von ihm bezaubert," und von der Juristerei: "Sie ist noch immer das, was sie von Alters her war, als: noch immer eine erklärte Feind in der gesunden Vernunft. Seht, euer Prozeß, der von heute herrührt, wird von einem Menschen entschieden, der im dreizehnten Jahrhundert lebte."

Die berühmte Stelle: „Es erben sich Gesez' und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort" (V. 1618 fgg.) ist den Rechtslehrern nicht entgangen. Savigny bemerkt dazu: „Es ist das Vorrecht des Sehers, dasjenige unmittelbar durch innere Anschauung hervorzubringen, was wir Andern nur auf dem langen und mühevollen Wege innerer Gedankenverbindung finden können."**)

Die naturrechtliche Periode seit Hugo Grotius, Pufendorf und Thomafius ging aus der Reformation hervor; die Rechts- und Staatswissenschaft sollte ganz säkularifirt und aus den Banden der Theologie, wohin später Haller und Stahl sie zurückzulenken versuchten, befreit werden. Luther selbst spricht vom jus naturae. Pufendorf schrieb 1672 sein Naturrecht und 1673 über die Pflicht des Men

*) Weckhrlin, Leben und Auswahl, von Ebeling, Berlin 1869, 2. Aufl. S. 255: Die vier Fakultäten zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts.“

**) Savigny (System 1, S. 42): „Wenn das einer Abänderung bedürftige Recht durch Gesetzgebung befestigt ist, so wird durch die dem geschriebenen Buchstaben inwohnende widerstehende Kraft die allmählich wirkende innere FortFildung oft ganz verhindert, oft verkümmert. Nicht soll es heißen: das Naturrecht müsse statt des positiven Rechts regieren." Ein andrer Rechtslehrer, Puchta (Institutionen 1, 47), schüßt dagegen vor, daß Goethe ja hier den Mephistopheles sprechen lasse, indem er die Worte dahin erklärt, daß „die Entwicklung des Rechts im Großen dem, der seine isolirten Interessen geltend mache, wie ein Stillstand erscheine". Seltsamerweise sei man von der Idee ausgegangen, ein deutscher Autor müsse auch den Teufel stets die Wahrheit sagen lassen. Mephisto ist jedoch vorgeschobne Maske: hinter ihr spricht Goethe selbst. Die Maske dient nur, die cynische Form zu rechtfertigen.

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schen und des Bürgers. Hier entwickelt er das natürliche Recht im Gegensatz zu dem positiven (s. Note zu V. 1618), während Friedrich der Große (a. a. D. S. 129) den Profefforen die gänzliche VernachLässigung des heimischen Rechts (des lois et des coutumes reçues dans nos provinces) zum Vorwurf macht. Die von Leibniz ausgegangene Wolff'sche Schule hatte das Recht, das mit uns geboren ist" (V. 1624), die angebornen Menschenrechte, theoretisch entwickelt, auf welche sich noch jede Revolution seit dem Aufstande der Niederländer gegen Philipp II. berief. Nach dem Rechte der Natur" (het wet der naturen) fündigten die Staaten der Utrechter Union 1581 der spanischen Krone den Gehorsam. König Wilhelm III. und Maria von England *) und die NordAmerikanischen Freistaaten, zur Zeit der Abfaffung unsrer Scene, riefen die angebornen Menschenrechte an. Sie wurden das Schiboleth der Aufklärungszeit. Voltaire schreibt: „Nur durch Feigheit und Dummheit konnten die Menschen ihren natürlichen Rechtszustand verlieren. Jeder andere Zustand ist ein künstliches Machwerk, ein schlechtes Possenspiel." Von diesem Gesichtspunkte reformirte Friedrich d. Gr. die Gefeßgebung (s. die Note zu jenen Versen); auch Joseph II. stüßte sich in seinem Kampfe gegen den Klerus (Schreiben an den Erzbischof von Salzburg vom Februar 1781) auf die „natürlichen Rechte". Grade vor einem Jahrhundert rief Bürger in der Vorrede zu seinen Gedichten (Göttingen 1778): „Ein Jahrhundert nur noch, so ist es geschehen, so herrscht der Natur Recht vor dem Schulrecht!" Aus der germanischen Welt entlehnte jene Rechte die Revolution, jedoch ohne die angebornen Menschenpflichten; ihr lag an den Rechten des Einzelnen mehr als an den Lebensbedingungen der Gesammtheit. Zu dieser Zeit (1791) bezog sie Goethe selbst poetisch auf

Jene Güter, die uns Allen

Gemein sind, die wir nicht veräußern, nicht
Vertauschen können, die uns Niemand raubt,
An die uns eine gütige Natur

Ein gleiches Recht gegeben und dies Recht

Mit stiller Macht und Allgewalt bewahrt, **)

*) Act of Settlement von William III. und Mary: that the laws of Engand are the birthright of the people thereof.

**) Wolff's Naturrecht, 1: „Es giebt angeborne Menschenrechte,

und einige Jahre später auf seine Dichtergabe (Vorspiel a. d. Theater V. 103 fg.), als das höchste Recht,

Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt.

Die Schwänke des Mephistopheles in Auerbach's Keller, sämmtlich alten Mythen entstammend, werden bei Marlowe und in den Faustbüchern nicht diesem, sondern Faust selbst, als Schwarzkünstler, zugeschrieben. *) Goethe verbindet zwei verschiedne Sagen, eine Heidelberger und eine Erfurter. Lercheimer (f. oben S. XXV, Note) erzählt von einem Festmahl zu Heidelberg, an dem ein fahrender Wunderthäter, dem später Faust substituirt wurde, aus der Tischplatte habe Weinstöcke voller Trauben wachsen lassen; die Gäste haben auf sein Geheiß die Messer an die Traubenstengel gelegt, nachher aber die eigne Nase unter dem Messer gefunden. Von einem Gastmahle bei dem Stadtjunker zu Erfurt wird dagegen berichtet, daß durch Faust's Kunst Wein aus der angebohrten Tischplatte_geflossen sei.**) Goethe's Doktor hat zwar auch manche Jugendnacht“ (V. 376) durchgezecht, einem Leben wie in Auerbach's Keller, dem Gelage, der ganzen trunkenen Litanei" sich jedoch, obschon Lehrer an einer Universität, inzwischen völlig entfremdet. Mephistopheles lockt ihn damit auch ganz vergebens.

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In der Herenküche herrscht der Geist des Fastnachtspiels ,,mit schimpflichen Schwenken gespicket", wie Hans Sachs von seinen Fastnachtspielen in der Vorrede zum dritten Bande seiner Gedichte (1561) rühmt. Komische Scenen mit Volksfiguren, wie Robin und Dick, enthält auch Marlowe's Tragödie neben allen Schauern.

Wenn Mephisto seinem Opfer die Zusicherung ertheilt hatte: Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn (V. 1320), so macht er sie schon jeht wahr. Das Unmögliche, die Panacee, die Jeder sich wünscht, wonach weiße und schwarze Magie umsonst geforscht, die „die Natur uns ganz versagt", den, freilich auch mehr scheinbaren als wirklichen,

weil es angeborne Menschenpflichten giebt." Thomasius stellte dem erlangten Rechte das angeborne entgegen, Unterschiede, die auf anderm Gebiete bei Kant wiederkehren. Goethe's Verse oben aus Bd. 11, 1, S. 225.

*) S. Grimm's Mythol. S. 1025; Sommer's Artikel Faust bei Ersch und Gruber; Carriere 1, 197; Dünßer 1, 269 und K. Fischer S. 41-43.

**) Professor Housse in Luxemburg suchte 1862 in einem Buche über Faust zu beweisen, daß man Faust's Wunderthaten nicht anzweifeln dürfe, daß er mit dämonischer Hülfe wirklich die ihm zugeschriebenen Wunder verrichtet.

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